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Full text of "Correspondenz Blatt Für Schweizer Ärzte 1881 11"

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LIBRAKYoA/«? 

OHIO STATE 
UNIVERSITY 


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CORRESPONDEN Z-BLATT 

für 

Schweizer Aerzte. 


Herausgegeben 

von 

Dr. Arnold Baader 

in Basel. 


Prof. Alb. Rnrckhnrdt-Meriiin und 

in Basel. 


Jahrgang XI. 


1881. 



BASEL. 

Benno Schwabe, Verlagsbuchhandlung. 

1881. 


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Register. 


I. Sachregister. 

(0 zz Originalarbeit.) 

A.argau, Krankenpflege im, 66, 790. 

Abortus, ein frisches Ei v. 4 Wochen, 300. 
Abscess in Medulla oblongata u. Pons, 0 102. 
Absorbirende Wundwatte, 732. 

Abtreibung d. Anchylostomum duodenale, 0 481. 
Adresse der Schweiz. Aerzte an Rud. Virchow, 705. 
Aequivalente, Diagnose der epileptischen, 0 193. 
Aerztestatistik, schweizerische, 25, 331. 

—, neue Aerzte, 90. 

Aerztlicher Hochstapler, 382. 

Aetiologie der fortscnreit. Paralyse d. Irren, 0 65. 
Aetiologie der Infectionskrankheiten, 91, 637. 
Alte Perforation in die Trachea, 0 375. 
Amerikanischer Luftkurort, 728. 

Amyloide Degeneration, 42. 

Anaemie, hochgradige, 0 10. 

Anchylostoma duodenale, 89, 0 409, 481. 
Anchylostomum duod. i. d. Darmausleerungen, 010. 
Aneurysma dissecans arcus aortae, 0 375. 
Angeborene Missbildungen d. Schlundfurche u. d. 
Kiemenbogen, 551. 

Anhäufung farbloser Blutkörperchen i. d. Ge¬ 
wissen, 238. 

Animale Impfung, 217. 

Animalische Lymphe v. Dr. Hay, 280, 437. 
Anstalt, pathologische, in Basel, 427. 

Antisepsis, chirurgische und gerichtliche Medicin, 
0 33, 72. 

Antisepsis und operative Fortschritte, 0 38. 
Antisepticum, neues (Resorcin), 176. 

Antisept. Atropin- u. Eserinlösungen, 0 609. 

. Antisept. Catgut, 567. 

Antisept. Vaccinelymphe, 795. 

Anwendung antisept. Atropin-Lösungen, 0 609. 
Anwendung v. Arzneistonen z. Beseitigg. d. 

Mittelohreiterungen, 0 449, 485. 

Anwendung v. chininum tannicum, 0 2. 
Apotheker verein, Jahresversammlung, 504. 
Apothekerwesen, 537. 

Apparat, pneumatischer v. Geigel, 270. 
Architectonik des Gehirns u. Rückenmarks, 751. 
0 Archives d’Ophthalmologie, 59. 
cc Arzneimittel, über neuere, 0 545. 

Arzneistoffe z. Descifizg. d. Mittelohreiterungen, 
^ 0 449, 485. 

Arzneitaxe für Militärlieferungen, 280. 

Arzt und Apotheker, 273. 

§ Asthma bronchiale, Tod, 0 375. 
zzl Athmungswege, Stenose durch e. Tumor unter d. 
Stimmbändern, 0 455. 


Atropin- u. Eserinlösungen, 0 609. 

Aufgaben der Schweizerärzte, 0 329. 

Auf nach Olten, 641. 

Augenkrankheiten, parasitäre, 79. 

Augen-Verletzungen, 0 770. 

Ausstellung auf dem Gebiete der Hygieine, 
571, 605. 

Ausübung der Heilkunde, 119. 

Bacillen bei Abdominaltyphen, 621. 

Bäder, Wirkung auf das Herz, 249. 

Balneologie, 219. 

Basler Ausstellung v. i. d. Schweiz fabricirten 
Nebengebrauchsgegenständen d. Pharmacie, 698. 

Behandlung der Caries, 395. 

— der Patellarfracturen, 16. 

— des Milzbrandes beim Menschen, 123. 

— des Schreibkrampfes, 473. 

Beilagen: Wasserheilanstalt Mammern, 192; Cur- 
haus u. Mineralbad Eglisau, 224; Bad Hom¬ 
burg, Halleiner Mutterlaugensalz, Wasserheil¬ 
anstalt Mammern, 288; Enke’s Verlag in Stutt¬ 
gart, 328; Luftkurort Axalp, Schwefelbad 
Alveneu, Bad und Curort Ragaz, 368; Mohr’s 
Verlag in Freiburg, 448; Walter-Biondetti in 
Basel, 672. 

Beitrag der cant. ärztl. Gesellschaften a. d. Cen- 
tralcasse, 763. 

Beobachtungen üb. d. Gallensteinkrankheit, 0 513. 

Beobachtungen zur Pathologie des Gehirns, 0 97. 

Bericht der Commission f. d. Krankenmobilien¬ 
magazin, 605. 

Bericht über die Poliklinik u. d. sanitär. Verhält¬ 
nisse i. Riesbach, 308. 

Berini, Dr., 382. 

Bernardino, San, 215. 

Beschuhung der Infanterie, 686. 

Bezugsquelle für animalische Lymphe, 280. 

Bibliographisches, fast in jeder Nummer. 

Blatta orientalis, 724. 

Blattern, gänzliche Vernichtung einer kl. Eskimo¬ 
truppe, 219. 

Bleiglasuren, sanitarische Gefahren, 0 129, 171. 

Blitzschlag, 559, 561. 

Blutkörperchen, farblose, in den Gefässen, 238. 

Boden und sein Zusammenhang mit dem Men¬ 
schen, 700. 

Borwatte-Tampons für Ohreiterungen, 0 715. 

Bougies u. Suppositorien v. Oleum Cacao, 720. 

Brandstiftung, ein Fall von, 0 577. 

Brandt’s Schweizerpillen, 699. 

Bulletin de la Societe medicale de la Suisse 
romande, 26. 


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— IV 


Oacao, oleum, 720. 

Cantonsspital St. Gallen, 26. 

Carboistreupulver v. Bruns, 177. 

Carcinom der weibl. Genitalien, 113. 

Caries, Behandlung der, 395. 

Catgut, Zubereitung v. antiseptischem, 567. 
Cauterisation, galvanocaastisclie, e. Tumor, 0 455. 
Chininum tannicum, Anwendung, 0 2. 

Chirurg. Antisepsis u. gericbtl. Medicin, 0 34, 72. 
Compendiöse Taschenapotheke, 393. 

Complication von Schwangerschaft und Uterus- 
carcinom, 460. 

Comprimirte Medicamente, 720. 

Conchininsulfat, 720. 

Congress f. Hygieine in Genf, Subvention, 379. 
Congres international de medecine ä Londres, 88, 
150, 438, 565, 599, 633. 

Conjunctiva bulbi, eigenthüml. Erkrankung, 270. 
Contrex^ville, Curort, 53. 

Convexität, Tuberkel, 21. 

Cornea, Transplantation, 122. 

Corsica, 668. 

Cortex Quebracho, 724. 

Coto, 723. 

Cotoin, 177. 

Couleur des yeux, des cheveux et de la peau chez 
les enfants des dcoles du Ct. de Fribourg, 188. 
Curort Contrexeville, 53. 

Curs der Divisionsärzte in Zürich, 536. 

Curse für practische Aerzte, 82. 

Davos-Platz, 212, 217, 667. 

Degeneration, über amvloide, 42. 

Demonstration d. Geigel pneumat. Apparates, 270. 
Der Salicyl-Verband, 0 290, 337. 

Desodorisirung des Jodoforms, 700. 

Diabetes mellitus, neurogenes, 59. 

Diagnose der epileptischen Aequivalente, 0 193. 
Die Aetiologie der fortschreitenden Paralyse der 
Irren, 0 65. 

Die chirurg. Antisepsis u, d. gerichtl. Medicin, 0 33. 
Die Fleischvergiftung in Spreitenbach, 0 642. 
Dihvdroxylbenzole (Resorcin, Brenzcatechin u, 
Hydrochinon), 27. 

Diprosopos (Zwillingsmissbildung), 591. 
Docentenjubiläum v. Prof. Horner, 571. 
Doctor-Dissertationen im Jahre 1880, 121. 
Doetorjubiläum von Alt-Oberfeldarzt Dr. Leh¬ 
mann, 156. 

Dualitätslehre in der Syphilis, 732. 

Duboisia myop., 720. 

Eidgenöss. Medicinalgesetz, 279. 

Eidgenössische Medicinalprüfungen, 22, 24. 
Eidgenöss. Seuchengesetz, Discussion, 380, 420. 
Einathmung ehern, reinen Sauerstoffs, 779. 

Ein Fall von Brandstiftung, 0 577. 

Ein Fall von fibrosarcomatöser Neubildung im u. 

Theil d. Trachea, Entf. d. Tracheofissur, 0 257. 
Eingabe der med. Gesellschaft in Basel betr. 

oblig. Krankenversicherung, 0 708, 746. 

Ein günstig verlaufener Fall von intraarterieller 
Infusion e. alkal. Kochsalzlösung b. drohend. 
Verblutung, 0 745. 

Ein submucöses Klystier, 0 134. 

Ein weiterer Fall hochgradiger Anaemie, 0 10. 


Einwicklungen, kalte, 731. 

Ei von 4 Wochen, Abortus, 300. 

Eisenbitter, 393, 565. 

Electrisation, 721. 

Electrische Kugelsonde u. Extractor, 151. 
Endocarditis ulcerosa, 176. 

Entozoen in der Schweiz, 0 673. 
Epidemiengesetz, Illustration, 245. 

Epileptische Aequivalente, Diagnose, 0 193. 
Erbrechen einer Schwängern. 0 526. 

Erfolgr. Extraction e. Revolverkugel etc., 0 737. 
Erkrankung d. Conjunctiva bulbi, 270. 
Erkrankungen, typhöse, durch Fleischgenuss, 
0 161, 200, 233, 266, 294, 554. 

Erweiterung der Gebärmutter, künstliche, 139. 
Erysipelas traumaticum, 22. 

Eserinlösungen, 0 609. 

Esmarch’sche Umschnürung d. Gummischi., 142. 
Excelsior, Inhalationsapparat von Zemsch, 209. 
Extraction einer im Schädel stecken gebliebenen 
Revolverkugel, 0 737. 

Extractor, 151. 

Extract. Farinae Liebig, 720. 

Extract. Malti, 720. 

Fabrikinspection, 435. 

Facialisparese, linkseit., Insultus apoplecticus, 20. 
Fall von Brandstiftung, 0 577. 

Fall v. fibrosarcomatöser Neubildung im u. Theil 
d. Trachea, 0 257. 

Fall von hochgradiger Anaemie, 0 10. 

Farbe d. Augen, Haare u. Haut b. Schulkindern 
im Ct. Freiburg, 188. 

Femur, beiderseitige Osteotomie, 343. 

Ferrum peptonatum, 730. 

Feuilleton, 186. 

Fibrosarcomatöse Neubildung L d. Trachea, 0 257. 
Fledermäuse, Venenherzen, 592. 

Fleischgenuss, typhöse Erkrankungen, 0 161, 
200, 233, 266, 294, 554. 

Fleischmole nach 6 l /s Monaten, 526. 
Fleischvergiftung in Spreitenbach, 0 642. 

Folia Duboisiae myoporoidis, 720. 
Fortbildungscurse f. Aerzte in Breslau, 438. 
Freigebung der Ausübung der Heilkunde, 119. 
Freiwilliger Kranken verein in Burgdorf, 119. 
Frequenz der medicinischen Facultäten, 58, 435. 

Grallensteinkrankheit, Beobachtungen, 0 513. 
Garfield’s Krankheit, 791. 

Gebärmutter, künstliche Erweiterung, 139. 

—, Lageveränderungen, 205. 

Geburt einer Fleischmole nach 6 l /s Monaten, 526. 
Gefässsystem, Innervation, 342. 

Gefahren, sanitarische, d. Bleiglasuren, 0 129,171. 
Geheimmittelfrage, 273. 

Geheimmittelunwesen, 216. 

Gehirn, Pathologie, 0 97. 

Gehirn und Rückenmark, Architectonik, 751. 
Geigel’scker pneumat. Apparat, 270. 

Genu valgum, hochgrad., 343. 

Gerichtliche Leichenuntersuchungen, 0 369, 412. 
Gerichtliche Medicin und chirurgische Antisepsis, 
0 33, 72. 

Geschmacksempfindungen, Verlust, 154. 

Glarus, Spitalarzt, 280. 


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V 


Glossen zur Zahl u. Vertheilung d. Aerzte i. d. 
Schweiz, 0 331. 

Gotthardtunnelarheiter, kranke, 81,89, 0 409, 481. 
Granuloma iridis, 301. 

Grütiiverein, Fragen a. d. Gebiete d. Hygieine, 121. 
Gummischlauch z. Esmarch’schen Umschnürg., 142. 
Gynäcologische Befunde, Skizzen z. Einzeich., 238. 

Haemochromometer, 396. 

Harnröhrenstricturen, 688. 

Hay’s animalische Lymphe, 280, 437. 

Heilkunde, Ausübung, 119. 

Heilung maligner Lymphosarcome, 668. 
Hemiopie, 43. 

Hemiplegie, linkseitige, Insultus apoplecticus, 20. 
Heredität b. Zwillingsschwangerscnal'ten, 471. 
Herz, Wirkung der Bäder, 249. 
Hirnerscheinungen, secundäre, 0 737. 
Hoden-Tuberculose, 529. 

Hülfefond für Schweiz. Aerzte, 752. 

Hygieine, Preisfragen des Grütlivereius, 121. 
Hypnotismus, 156. 

Illustration eines Epidemiengesetzes, 245. 
Impffrage in Belgien, 353. 

Impfstoff, 560. 

Impfung, animale, 217. 

Impfung, obligatorische, in Frankreich, 220. 
Impfung und rocken, 155. 

Incision des Pericardium, 250. 

Inductionsapparate, 184. 
lnfanterie-Beschuhung, 686. 
Infectionskrankheiten, Aetiologie, 91. 
Infectionskrankheiten in Basel, 28 und in allen 
folgenden Nummern. 

Infusion, intraarterielle, einer Kochsalzlösung, bei 
drohendem Verblutungstod, 0 745. 
Inhalationsapparat Excelsior von Zemsch, 209. 
Innervation des Gefässsystems, 342. 

Insultus apoplecticus, 19, 20. 

Internationaler medic. Congress in London, 88. 

250, 438, 565, 599, 633. 

Jodoform, Löslichkeitsverhältnisse, 27. 

— Desodor., 700. 

Irre, Aetiologie der fortschreit. Paralyse, 0 65. 
Irrenanstalten, 635. 

Irrenschutz, 118, 142, 215. 

Jubiläen: Dr. Lehmann, 156; Prof. Horner, 571; 
Virchow, 705. 

Kalte Ein Wicklungen, 731. 

Keratitis, parenchymatöse, 300. 

Keuchhusten, 216, 636. 

Kiemen bogen, Missbildungen, 551. 
Kindemahrungsmittel, 539. 

Kinderpraxis, Therapeutisches, 0 2. 
Kinderuntersuchungen im Canton Freiburg, 188. 
Kleinere ophthalmolog. Mittheil., 0 38, 79, 105. 
Klimatologische Mittheilungen v. Vierwaldstätter¬ 
see, 204. 

Klinik, die, und ihr Leben, 155. 

Klystier, ein submucöses, 0 134. 

Krankenhaus Davos, 217. 

Kranken- u. Irrenpflege, 142, 395, 538, 666, 790. 
Kranken-Mobilienmagazin, 505. 

Kranken verein, freiwilliger, in Burgdorf, 119. 


Krankenversicherung, oblig., Eingabe der med. 

Gesellschaft Basel, 0 700, 746. 

Kugelsonde, electrisehe, 151. 

Lait condense sans Sucre, 762. 

Laryngotomia subhyoidea vera s. subepiglottica, 27. 
Lehre vom Stoffwechsel, 492. 

Leichen Untersuchungen, gerichtliche, 0 369, 412. 
Lied vom Dünndarm, 186. 

Locale Anwendung v. Arzneistoffen z. Beseitigg. 

der Mittelohreiterungen, 0 449, 485. 
Löslichkeitsverhältnisse des Jodoforms, 27. 
Luftkurort in Amerika, 728. 

Lugano, 215. 

Lungenepithel, norm. Verhältnisse und patholog. 

Veränderungen, 648. 

Lungenödem, periodisch auftretend, 239. 

Lymphe, animalische, von Dr. Hay, 280. 
Lymphosarcome, 668. 

Magenresection, 123. 

Magnesiteur Donato, 156. 

Malaga und seine Weinproduction, 386, 571. 
Medicamente, comprimirte, 720. 

Medicin, gerichtl. u. chirurg. Antisepsis, O 23, 72. 
Medicinalgesetzgebung, eidgenössische, 279. 
Medicinalprüfungen, eidgenössische, 22, 24. 
Medicinische Facultäten, 58, 435, 699. 
Medicinische Mittheilungen aus Zürich, 209. 
Medulla oblongata, Abscess, 0 102. 

Meningitis, septische, 22. 

Methode, neue, f. d. Behandlung der Patellar- 
fracturen, 16. 

Militärischer Sanitätsverein Bern, 240. 
Militärlieferungen, Arzneitaxe, 280. 
Militärsanitätswesen, 90, 436, 537. 

Milzbrand beim Menschen, 123. 

Missbildung der Schlundfurchen u. der Riemeu- 
bogen, 551. 

Missionsarzt, 663, 764. 

Mittelohreiterung, Beseitigung durch Arzneistoffe, 
0 449, 485. 

Mittheilungen aus der Praxis, 17. 

Mittheilungen, medicinische, aus Zürich, 209. 
Mittheilungen, ophthalmologische, 0 38, 79, 105. 
Morbiditätsstatistik in Paris, 220. 
Mortalitätsstatistik in Spanien, 316. 

INasse Gänge, 627. 

Naturforschende Gesellsch., Jahresversammlg., 436. 
Necrologe: Dr. Stephan Studer in Waldkircn, 52; 
Dr. Job. Lütoli in Luzern, 90; Dr. Albert 
Volkart in Hombrechtikon, 120; Dr. Strasser 
in Interlaken, 184; Dr. J. G. Brügger in 
Samaden, 216; Dr. Joh. Heinr. Städeli in Bas¬ 
sersdorf, 353; Dr. Jos. Wiel in Zürich, 472; 
Apoth. Dr. Ch. Müller in Bern, 502; Dr. Franz 
Jäggi, Solothurn, 665; Dr. Daniel Ecklin in 
Basel, 694; Dr. Rud. Osc. Ziegler in Bern, 761; 
Cand. Alois Amrein, 788; u. R. Howald in 
Hindelbank, 788. 

Nervendehnung, 379. 

Neubildung, fibrosarcomatöse, i. d. Trachea, 0 257. 
Neuere Arzneimittel, 0 545. 

Neugebornen, Stillen der, 730. 

Neuralgien (Tonga, ein neues Mittel), 28. 


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VI 


Neurogener Diabetes mellitus, 59. 

Neurologen u. Irrenärzte, Versammlung in Baden- 
Baden, 280. 

Obligatorische Impfung in Frankreich, 220. 

— Krankenversicherung, 708, 746. 

Oeffentl. Krankenpflege im Aargau, 66, 790. 
Ohreiterungen, Bor watte-Tampons, 0 715. 
Ohrenkrankheiten, 730. 

Oleum Cacao, Bougies u. Suppositorien, 720. 
Operationsmethode, neue subcutane, 27. 

Operative Fortschritte und Antisepsis, O 38. 
Ophthalmologische Mittheilungen, O 38, 79, 105. 
Organisation der öffentlichen Krankenpflege, 666. 
Organismen, pathogene, d. Typhus abdom., 343. 
Osteotomie des Femur, 343. 

Paralyse der Irren, Aetiologie, 0 65. 

Parasitäre Augenkrankheiten, 0 79. 
Parenchymatöse Keratitis, 300. 

Patellarfracturen, Behandlung, 16. 

Pathogene Organismen d. Typhus abdom., 343. 
Pathologie des Gehirns, Beobachtungen, 0 97. 
Pathologische Anstalt in Basel, 427. 
Pelletierinum tannicum, 720. 

Perforation in die Trachea, 0 375. 

Pericardium, Incision, 250. 

Personalien, 26, 27, 52, 90, 91, 120, 122, 156, 
184, 188, 216, 280, 316, 353, 393, 438, 472, 
537, 567, 665, 694, 699, 761, 788. 
Pharmacologische Versuchsreihe, 592. 
Pharvngomycosis sarcinica u. Pneumonomycosis, 
0 225. 

Physiologie des Rückenmarks, 299. 
Physiologische Verbrennung, 139. 

Pilztheorie, 637. 

Pneumat. Apparat v. Geigel, 270. 

Pneumonia crouposa, 301. 

Pneumonomycosis u. Pharyngomycosis sarc., 0 225. 
Pocken, 26, 122, 156, 157, 316, 393, 437. 
Pockenepidemie in Biel, 306. 

Pockenspital Zürich, 277. 

Polyscop, ein galvanischer Universal-Beleuch- 
tungs- u. Cauterisationsapparat, 152. 

Pons, Abscess, 0 102. 

Pons-Erkrankungen, 177. 

Pract. Fortbildungscurse f. Aerzte i. Breslau, 438. 
Präparat z. Semidecussatio des Sehnervs, 303. 
Preisfrage der Schläflistiftung, 352. 
Presseangelegenheiten, 26, 59. 

Propädeutische Facultät Lausanne, 538. 

Prosit Neujahr, 1. 

Prüfungssitz für propädeut.-med. Examen, 218. 
Pterygium, 188. 

Quebracho Colorado, 697, 724. 
Quecksilberpeptonlösungen, 730. 

Rachitis, foetale, 13. 

Recurs Sautter, 500. 

Recurs Witzinger, 279. 

Redactionsartikel: Prosit Neujahr, l; Zum 21. 
Mai, 289; Zum medicin. Congress, 634; Auf 
nach Olten, 641; Zum Jahresschluss, 769. 
Reden (Toaste): Veraguth, 186; Sonderegger, 
329, 423, 717, 783. 


I Reine Luft, 537. 

Reisebriefe aus Südafrika, 348. 

Reiseplaudereien aus Italien, 212, 311, 389, 429. 
— aus Wien, 433. 

Rekrutenuntersuchung, sanitarische, 50. 

Resection des Magens, 123. 

Resection der Trachea, 732. 

Resorcin, 298. 

Resorcin, ein neues Antisepticum, 176. 
Respirationskrankheiten, mech. Therapie, 385. 
Revolverschuss, Wirkungen a. d. Schädel, 650. 
Revue mddicale de la Suisse romande, 26. 
Retropharyngealabscess, 187. 

Rückenmark-Physiologie, 299. 

Rückenmark u. Gehirn, Architectonik, 751. 

Salicyl-Verband, 0 290, 337. 

Sanitätsdienst, 758. 

Sanitätstruppen, Versamml. d. Stabsoffiz., 346, 727. 
Sanitär. Gefahren d. Bleiglasuren, 0 129, 171. 
Sanitarische Rekrutenuntersuchung, 50. 
Sauerstoff-Einathmung, 779. 

Scharlach-Epidemie, 188. 

Schläflistiftung, Preisfrage, 352. 

Schlundfurchen, Missbildungen, 551. 
Schreibkrampf, Behandlung, 473. 

Schulhygiene, 107. 

Schutzpockenimpfung, Zürcherische Verordn., 241. 
Schwangere, Erbrechen, 0 526. 

Schwangerschaft u. Uterus carcinom, Compl., 160. 
Schweizerärzte, Aufgaben, 0 329. 

Sch windsuch tsstatistik d. Vereins schlesw.-holst. 
Aerzte, 636. 

Schwyzerische Aerzte, 731. 

Sehnerv im Chiasma, Semidecussatio, 303. 
Semidecussatio des Sehnervs, 303. 

Seuchengesetz, Discussion, 380, 420. 

Siamesische Zwillinge, ein neues Paar, 664, 764. 
Skizzen z. Einzeichnen gynäcolog. Befunde, 238. 
Soci4t4 mddicale neuchäteloise, 506. 

Sonderbarer Schwärmer, 123. 

Spreitenbacher Fleischvergiftung, 0 642. 

Stand der Infectionskrankheiten in Basel, 28 u. 

in allen folgenden Nummern. 

Statistische Glossen zur Zahl u. Vertheilung der 
Aerzte i. d. Schweiz, 0 331. 

Statistik der Schweiz. Aerzte, 25, 331. 

Statuten des militär. SanitätsVereines Bern, 241. 
Stenose d. Athmungswege durch e. Tumor, 0 455. 
Stillen der Neugebornen, 730. 

Stirnlappen, Zertrümmerung, 0 97. 

Stoffwechsel, Lehre vom, 492. 

Straraonium-Vergiftung, 0 613, 667. 
Streckkrämpfe der Extremitäten, Insultus apo- 
plecticus, 19. 

Struma sarcomatosa, Totalexstirpation, 0 586, 651. 
Subvention f. d. Internat. Congress für Hygieinc 
in Genf, 379. 

Suicidium, Tod d. Ertrinken o. a. Todesurs., 17. 
Suppositorien u. Bougies v. Oleum Cacao, 720. 
Syphilis, Dualitätslehre, 732. 

Syphilitische Keratitis, 300. 

Tabes dorsalis, 617, 651. 

Taschenapotheke, eine sehr compendiöse, 393. 
Taubstummheit in der Schweiz, 588. 


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VII 


Theorie der Tabes dorsalis, 617, 651. 
Therapeutisches a. d. Kinderpraxis, 0 2. 
Therapie der Respirationskrankh eiten, 385. 
Thonwaarenindustrie, 0 129. 

Thrombus vaginae, 0 411. 

Tod u. d. Symptom, e. Asthma bronchiale, 0 375. 
Tonga, ein neues Mittel gegen Neuralgien, 28. 
Totalexstirpation e. Struma sarcomatosa, 0 586,651. 
Trachea, fibrosarcomatöse Neubildung, 0 257. 
Trachea, Perforation in die, 0 375. 

Trachea, prophylact. Resection, 732. 
Tracheofissur, Entf. e. fibr. Neubildg., 0 257. 
Traitement antisept ique des absces r^tro-pharyn- 
giens, 187. 

Transplantation der Cornea, 122. 

Trouve’s Erfindungen, 150, 181. 

Tuberculose des Hodens, 529. 

Tuberkel d. Convexität, disseminirte gehäufte, 21. 
Tumores cerebelli, 21. 

Tnnnelkrankheit, 81, 112. 

höse Erkrankungen durch Fleischgenuss, 
161, 200, 233, 266, 294, 554. 

Typhus abdominalis, pathog. Organismen, 343. 

TJeber d. Abtr. d. Anchylostomnm duod., 0 481. 
Ueber die amyloide Degeneration, 42. 

Ueber die Anwendung antisept. Atropin- und 
Eserinlösungen, 0 609. 

Ueber die Aufgaben der Schweizerärzte, 0 329. 
Ueber die geogr. Verbreitung und Häufigkeit d. 

menschl. Entozoen i. d. Schweiz, 0 673. 

Ueber die sanitarischen Gefahren d. Bleiglasuren, 
0 129, 171. 

Uebergang von Flüssigkeit a. d. Bauchhöhle in d. 
weibl. Genitalien, 59. 

Ueber gerichtl. Leichenuntersuchungen, O 269,412. 
Ueber Hemiopie, 43. 

Ueber neuere Arzneimittel, O 545. 

Ueber Pnenmonomycosis und Pliaryngomycosis 
sarcinica, 0 225. 

Ueber typhöse Erkrankungen durch Fleischgenuss, 
0 161, 200, 233, 266, 294, 554. 

Ulcus oesopliagi ex digestione, 395. 

Umschnürg., Esmarch’sche, durch Gummischi., 142. 
Unentgeltliche Krankenpflege in Zürich, 394. 
Unglücksfall von Colombier, 561. 

Universitäten, 27, 58, 121, 123, 156, 604, 699. 
Uteruscarcinom n. Schwangersch., Complicat., 460. 
Uterusexstirpationen, 593. 

Vaccinelymphe, antisept., 795. 

Vagina, Thrombus vaginae, 0 411. 

Varicellen bei Erwachsenen, 696. 

Venenherzen der Fledermäuse, 592. 

Verband, Salicyl-Verband, 0 290, 337. 
Verblutungstod, drohender, O 745. 

Verbreitg. d. Taubstummheit i. d. Schweiz, 588. 
Verbrennung, physiologische, 139. 

Vergiftung mit Stramonium, 0 613, 667. 
Verletzungen des menschlichen Auges, 0 770. 
Verlust der Geschmacksempfindungen, 154. 
Vernichtung e. kl. Eskimotruppe d. Blattern, 219. 
Versammlung d. Stabsoffiziere d. Sanitätstruppen 
zu Olten, 346, 727. 

Versammlung deutscher Naturforscher u. Aerzte 
in Salzburg, 538. 


Versamml. südd. Neurologen u. Irrenärzte, 280. 
Vierlingsgeburt, 302, 537. 

Vierwaldstättersee, klimatolog. Mittheil., 204. 
Virchow, Adresse der Schweiz. Aerzte, 705. 
Virchow, Rudolf, Jubiläum, 0 706. 

Von Davos in’s Schanfigg, 632. 

Wehenanomalien, 13. 

Weibliche Aerzte, 730. 

Wiesen im Ct. Graubünden, 667. 

Winterplaudereien, 433. 

Wirkung der Bäder auf das Herz, 239. 

Wirkung des Blitzes, 561*. 

Wirkungen e. Revolverkugel a. d. Schädel, 650. 
Witziuger’scher Recurs, 279. 

Wochenbett, plötzlicher Tod, 236. 

Wundwatte, absorbirende, 732. 

Zubereitung v. antiseptischem Catgut, 567. 

Zum 21. Mai, 289. 

Zum Jahresschluss, 769. 

Zur Diagnose d. epileptisch. Aequivalente, 0 193. 
Zur Geheimmittelirage, 273. 

Zwillingsmissbildung (Diprosopos), 591. 
Zwillingsschwangerschaften, Heredität, 471. 


II. Namenregister. 

Albrecht, 46, 87, 433, 556, 658. 

Baader, A., 119, 208, 240, 272,500, 613, 624, 626. 
Bäumler, Prof. Cli., 10, 481. 

Bernoulli, Dan., 460, 492, 528, 551, 617, 651, 
730, 732. 

Bernoulli, W., 691. 

Bircher, H., 97, 758. 

Bischoff, Prof., 33, 745. 

Burckhardt, Prof. Fritz, 596. 

Burckhardt, G., 144, 207, 272, 577, 626, 656. 
Burckhardt-Merian, 593, 705, 715. 

Burtscher, 240. 

Buss, Ernst, 502. 

Ohätelain, 88. 

Corval, P. von, 385. 

Courvoisier, L. G., 290, 337, 791. 

C. Sch., 788. 

De la Harpe, Phil., 762. 

Demme, 46. 

De Wette, 694. 

Dick, 14, 149, 236, 270, 298, 499, 534, 598. 
Ecklin, D., 53. 

Egli-Sinclair, 553, 621, 648, 688, 720. 

Emmert, Prof. Carl, 369, 412. 

Emmert, E., 565, 770. 

Funkhäuser, 664, 764. 

Fiechter, 732. 

Fiertz, J. H., 667, 731. 

Granguillet, 378, 420, 561. 

Glaser, 471, 624, 756. 

Gönner, 758. 

Göttisheim, 86, 691. 



4 ^ 


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VIII 


Maab, 0., 13, 38, 42, 79, 105, 176, 342. 
Haegier, 663. 

Hagenbach, Prof. E., 2, 47, 86, 306. 

Haltenhoff, 558, 623, 627. 

H. Kr., 728. 

Hosch, 147, 345, 535, 655, 656, 694. 

Hürlimann, 121, 789. 

Immermann, Prof. H., 209. 

J. M., 113. 

Ineichen, F., 472. 

Joel, 633. 

Jonqui&re, Prof., 761. 

Joos, W., 343. 

Irminger, G., 154. 

Kappeler, 707. 

Kaufmann, 50, 145, 257, 272, 534, 598, 625, 657. 
Kocher, Prof., 730. 

Kollmann, 48, 148, 686, 706. 

Kroemer, Max, 609. 

Hiadame, 652. 

LaRoche, Franz, 331. 

Lotz, 49, 122, 156, 178, 219, 240,316, 353, 494, 
625, 654, 696. 

Luchsinger, B., 726. 

Lutz, 697. 

Mähly, E., 123. 

Massini, Prof. Rud., 117, 184, 207, 208, 395, 536, 
545 555 727. 

Meyer-Hüni, Rud., 257, 455, 727, 757. 

Miniat, 665. 

Mosimann, Joh. P., 565. 

Müller, 147. 

Münch, 179, 187, 188, 250, 462, 536, 717, 725, 
751, 779. 

IVager, G., 203, 205. 

Nauwerck, C., 157, 225, 277. 

Niederhauser, 304, 465. 

Niericker, P., 559, 642. 

Ost, 754. 

Pflüger, Prof., 81, 107, 136. 

Politzer, Adam, 449, 485. 

Kahn, 346. 

Rohrer, 17, 308. 

Roth, Prof., 427, 513. 

Schädler, Alb., 249. 

Schär, Prof. Ed., 273. 

Schlüpfer, E., 586. 

Schmutziger, F., 375, 588. 

Schneider, Th., 632. 

Schnyder, 212, 311, 389, 429. 

Schönbächler, 89, 409. 

Schüler, F., 129, 171, 595. 

Seitz, 118, 667. 

Siegmuud, 560. 

Sigg, 120. 
vonSpeyr, 599. 

Steger, G. A., 16. 


I Stöcker, S., 345, 411, 526. 

Sonderegger, 245, 329, 423, 717, 783. 

Sury-Bienz, 150, 181. 

Treehsel, 470. 

Veraguth, C., 186. 

Vögtli, C., 471. 

Wagner, 44. 

Weber, H., 622. 

Woi’KpI A 1Q*3 

Wille, Pro’tl L., 65, 117, 148, 208, 305, 381, 470, 
499, 500, 596, 626, 657, 787. 

Wüthrich, 560. 

v. Wyss, Hans, 33, 72, 659, 662. 

Wyss, 134. 

Wyss, Prof. Oscar, 161, 200, 233, 266, 294. 
Wyttenbach, 463, 464. 

X«., 500. 

Y., 530. 

35aeslein, Th., 673. 

Zürcher, A., 52, 427, 466. 

III. Acten der Aerztecommission 
und gesetzliche Erlasse. 

Beitrag der cant. ärztl. Gesellschaften a. d. Cen- 
tralcasse, 763. 

Cassarechnung 1880, 25. 

Protokoll, 381. 

Baslerischer Regierungsbeschluss betr. Apotheker- 
wesen, 537. 

Eidgen. Medicinalgesetz, 279. 

Eidgen. Medicinalprüfungen, 22, 24. 

Eidgen. Seuchengesetz, 380, 420. 

Oblig. Krankenversicherung, Eingabe d. medicin. 

Gesellschaft Basel, 700, 746. 

Zürcherische Verordnung betr. die Schutzpocken¬ 
impfung, 241. 


IV. Vereinswesen. 

Aerztl. Centralverein, 278, 315, 378, 420, 604, 
635, 717, 751, 779. 

Aerztl. Gesellschaft der Centralschweiz, 203. 

! Medicin. Section der Schweiz. Naturforsch. Gesell¬ 
schaft, 588. 

Soci4te mdd. de la Suisse romande, 278, 315, 
378, 420. 

Versammlung d. Sanitätsstabsoffiziere, 346, 727. 
Basel, Medicinische Gesellschaft, 460, 492, 528, 
551, 617, 651, 708, 746. 

Bern, medicinisch-chirurgische Gesellschaft des 
Cantons, 81, 107, 136. 

— medicin.-pharmaceutischer Bezirksverein, 236, 
270, 298. 

— militärischer Sanitätsverein, 250. 

Neuchätel, Soci^te mdd. neuchäteloise, 506. 
Zürich, Gesellschaft der Aerztc, 13, 42, 176, 342, 

553, 621, 648, 688, 720. 

Zug, cant. ärztl. Gesellschaft, 789. 


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IX — 


V. Correspondenzen. 

Schweiz. 

Aargau, 50, 550, 758. 

Basel, 118, 150, 181, 209, 382, 427, 500, 530, 
560, 627, 663, 694, 788. 

Basel land, 119. 

Bern, 119, 184, 240, 306, 502, 560, 561, 565, 
664, 727, 761, 788. 

St. Gallen, 16, 52. 

Luzern, 345. 

Neuchätel, 88. 

Schwyz, 89. 

Solothurn, 665. 

Unterwalden, 385. 

Waadt, 762. 

Zürich, 17, 120, 154, 209, 241, 273,277, 308, 471. 
Zug, 121, 789. 

Ausland. 

Africa, 348. 

Brasilien, 697. 

England, 565, 599. 

Frankreich, 53. 

Italien, 212, 311, 389, 429. 

Nord-Amerika, 728. 

Wien, 433. _ 


VI. Literatur. 

(Referate und Kritiken.) 

Ammon, Dr. v., Brunnendiätetik nebst Führer 
a. d. Curorte Mitteleuropa^ (Reimer), 272. 

L’Annee medicale, 652. 

Bäumler, Prof. Dr. Christ., Der sogen, anima¬ 
lische Magnetismus od. Hypnotismus, 657. 

Baginsky, Dr. Adolf, Pract. Beiträge z. Kinder¬ 
heilkunde I: Pneumonie u. Pleuritis, 556. 

Bandl, Dr., Die Krankheiten der Tuben, der 
Ligamente, u. d. Becken per itonäums, 598. 

Beck, Dr. G., Therapeut Almanach, 500. 

Benedikt, Ueber Catalepsie u. Mesmerismus, 470. 

Beneke, Dr. F. W., Constitution u. Constitution. 
Kranksein des Menschen, 662. 

Bergmann, E. von, Die Hirnverletzungen mit 
allg. u. mit Herdsymptomen, 626. 

Bergmeister, Die Verletzungen d. Auges u. seiner 
Adnexe, 147. 

Bericht üb. d. Thätigkeit der Poliklinik Riesbach 
(1880) u. d. sanit. Verhältnisse d. Gemeinde, 309. 

Bericht üb. d. Wirksamk. d. Aust. z. Hoffnung 
f. schwachs. Kinder in Basel (1876—1879), 46. 

Bernhardt, Dr. L., Beiträge z. Symptomatologie 
u. Diagnostik der Hirngeschwülste, 626. 

Besant, Annie, Das Gesetz d. Bevölkerung, 117. 

Beschorner, Dr. 0., Ueber Husten, 727. 

Biedert, Dr. Ph., Die Kinderernährung im Säug¬ 
lingsalter, 47. 

Billroth, Prof. Dr. u. Lücke, Prof. Dr., Deutsche 
Chirurgie, 584. 

Bircher, H., Beitrag z. operativen Behandlung d. 
Ohren eiterungen, 50, 598. 

— —, Die Organisation d. öffentl. Krankenpflege 
im Ct. Aargau, 666. 

v. Bischoff, Prof. Theodor L. W., Das Hirugewicht 
des Menschen, 144. 


Bo^chat, Dr., Les ennemis de l’enfance, 536. 

Börner, Dr. Paul, Jahrb. d. pract. Medicin, 272. 

Braun, Dr. Jul., Systematisches Lehrbuch der 
Balneotherapie einschl. d. Climatotherapie d. 
Phthisis, 470. 

Burckhardt-Merian, Alb., Ueber den Scharlach in 
seinen Beziehungen zum Gehörorgan, 46. 

Oarreras-Aragö, Dr. L., Escalas m^trico-decimales 
(Probebuchstaben), 465. 

-, Examen y mejora de la vision (Prüfung 

u. Correction des Gesichtes), 465. 

Chrobak, Dr., Die Untersuchung der weiblichen 
Genitalien u. allg. gynäcolog. Therapie, 499. 

Cloetta, Dr. A., Lenrb. d. Arzneimittellehre, 555. 

Coli y Pujol, Prof. Dr. Ramon, Ein neuer Trans¬ 
fusionsapparat, 304. 

v. Corval, Dr. P., Beitrag zur Beurtheilung der 
Hydro- u. Pneumotherapie, 208. 

Courvoisier, Dr. L. G., Bericht über die zweiten 
Tausend im n. Diakonissenhause zu Riehen be¬ 
handelten Kranken, 625. 

Demme, Prot. Dr. R., Siebzehnter medic. Bericht 
des Jenner’schen Kinderspitals in Bern, 658. 

Die Verhältnisse d. Pharmacie i. d. Schweiz, 530. 

Dor, Prof., III. Rapport annuel de la Clinique 
ophthalmologique, 627. 

Erismann, Dr. Friedr., Die Desinfectionsarbeiten 
a. d. Kriegsschauplätze der europ. Türkei.... 
(1877/78), 83. 

Elsner, Dr. Fritz, Die Praxis d. Nahrungsmittel« 
Chemikers, 624. 

Emmert, E., Auge und Schädel, 535. 

Encyclopädie d. Iinplens u. s. Folgen etc., 240. 

Epstein, Alois, Ueber d. Gelbsucht b. neugeborenen 
Kindern, 306. 

Eulenburg, Ueber Galvauo-Hypnotismus, hyster. 
Lethargie u. Catalepsie, 470. 

Ealk, Prof. Dr. F. A., Lehrbuch d. practischen 
Toxicologie, 662. 

Feurer, Gottlieb, Anatomische Untersuchungen 
über Spondylitis, 657. 

Flügge, C., Lehrbuch der hygienischen Unter- 
sucliungsmethodeu, 625. 

Fritzsch, Prof. Dr. Heinr., Die Krankheiten der 
Frauen, 758. 

Grerber, Niclaus, Chemisch-physikalische Analyse 
der versch. Milcharten u. Kindermehle, 534. 

Glatz, Dr. Paul, L’Hydrotherapie aux bains de 
Champel (pres Geneve), 147. 

Guillaume, Dr., L’epid^mie de variole dans le 
canton de Neuchätel en 1880, 178. 

Gysi, Edwin, Beiträge z. Physiologie d. Iris, 655. 

Hagenbach, Prof. Dr. E., Kinderspital Basel, 754. 

Hering, Ewald, Zur Erklärg. d. Farbenblindheit 
aus der Theorie der Gegenfarben, 596. 

Hoffmann, Prof. Dr. Ed., Lehrbuch der gerichtl. 
Medicin, 305. 

«Jahresbericht der chirurg. Abtheil ung d. Spitals 
zu Basel (1878), 87. 


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X 


Jahresbericht über die Verwaltung des Sanitäts- 
wesens etc. des Cant. St Gallen (1880), 595. 

Immermann, Prof. Dr. Hermann, Die Klinik und 
ihr Leben, 155. 

lndex-catalogue of the library of the Surgeon 
General’s office, United States Army. Authors 
and subjets, 784. 

Jochheim, Dr. Ph., Diphtheritis und Ozon, 757. 

Karsten, H., Deutsche Flora, 343. 

Klebs, Prof. Dr., Beitr. z. pathol. Anatomie, 659. 

Knoll, Ph., Ueber den Einfluss modific. Athem- 
bewegungen auf den Puls des Menschen, 726. 

Kocher, Prof. Dr. Th., Ueber Schusswunden; die 
Wirkungsweise der modernen Kleingewehr-Ge¬ 
schosse, 179. 

Krafft-Ebing, Prot Dr., Lehrbuch der gerichtl. 
Psychopathologie, 596. 

Kunigk, Dr. Fern., Vademecum für Kliniker und 
Aerzte, 240. 

JGadame, Dr. P., La n^vrose hypnotique ou le 
magnetisme d6voil£, 499. 

Leichtenstern, Prof. 0., Balneotherapie, 86. 

Lesser, Dr. L. von, Die chirurg. Hülfsleistungen 
bei dringender Lebensgefahr, 462. 

Lieberkühn, N., Ueber die Keimblätter d. Säuge- 
thiere, 148. 

Maron, Dr. phil. H., Die Gesellschaft und ihre 
Geisteskranken, 208. 

Mendel, Dr. E., Die progressive Paralyse der 
Irren, 381. 

Meyer, Dr. C., Zur Frage d. öffentl. Krankenpflege 
im Ct. Aargau, 790. 

Michel, Dr. Carl, Zur Behandlg. d. Krankheiten 
d. Mundrachenhöhle u. d. Kehlkopfes, 205. 

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tigkeit, 656. 

Ziegler, Dr. Ernst, Ueber Tuberculose u. Schwind¬ 
sucht, 117. 


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COREESPONDENZ-BLATT 

für Preis des Jahrgangs 

Fr. 10. — für die Schweiz; 

schweizer Aerzte. »^ 

Die Postbureanx nehmen 

Herausgegeben von Bestellungenentgegen. 

Prof. Alb. BureWIiardt-TIerlan und Dr. A. Baader 

in Basel. in Basel. 


Am 1. und 15. jedes 
Monats erscheint eine Nr. 

l l / 2 —2 Bogen stark; 
am Schluss des Jahrgangs 
Titel u.Inhaltsverzeichniss. 


X! 1. XI. Jalirg. 1881. 1. Januar. 


Inhalt: Prosit Neujahr! — l\Originalarb«4it«n: Prof. E. Hngtnbach: Therapeutisches aus der Kinderpraxis, i. *p. 
über Anwendung von Chininum tannicum. — Prof. Dr. Ch. Bäutnler: Ein weiterer Fall von hochgradiger Anämie. — 2) Ver¬ 
ein b b e ri chte: Gesellschaft der Aerxte in Zürich. — 3) Heferate und Kritiken: Prof. Schnitze: Zur Klarstellung der 
Jndicationen für Behandlung der Ante- und Retroversionen und -flexionen der Gebärmutter. — 4) Can tonale Corregpon- 
denzen: 8t. Gallen, Zürich. — 5) Wochenbericht. — 6) Bibliographisches. — 7) Briefkasten. 


Prosit Neujahr! 

Wenn auf trübe Regentage die Sonne siegreich durch die Wolken bricht, 
wenn ein frischer Windstoss die Nebel verjagt, welche drückend auf Flur und 
Aue lagen, so hebt sich unser Herz, das Auge leuchtet, die Finklein schlagen im 
Haag, die Gräser recken die gebeugten Halme empor — horch! was flüstern die 
Blätter, vom belebenden Hauche eines leisen Windes bewegt, sich zu? 

Alles lebt! Und warum denn diese Wonne? Wir wussten es ja zum Voraus, 
dass der freundliche Sonnenstrahl wieder kommen musste! 

Die lange Reihe von Tagen, mit welchen das alte Jahr zu Grabe sank, ist 
vorbei, und doch sieht unwillkürlich auch der Glückliche, dem des Lebens Lenz 
lacht, gehobenen Hauptes auf die neu aufgehende Sonne. Sei uns willkommen, 
Neujahr! 

Kommt Ihnen, liebe Collegen, diese Nummer in die Hände, so haben Sie die 
Schwelle des neuen Jahres überschritten; der Eine glücklich und leichten Herzens, 
der Andere mit trübem Lächeln — aber Alle sind wir hinüber, und ob die in die 
Unendlichkeit versunkene Spanne Zeit rosig leuchtend, ob sie als dunkler Schatten 
in unserer Erinnerung bleibe, getrost dürfen wir Alle zurückblicken. Gewollt 
haben wir, was gut und edel war — das Erreichen liegt nicht immer in unserer 
Gewalt, und die Gunst des Augenblickes, das launenhafte Glück, vertheilt seine 
Gaben ungleich und unberechenbar. 

Was wir Aerzte am Krankenbette gehofft, was wir im privaten Leben ge¬ 
wünscht und von der Gesellschaft glaubten erwarten zu dürfen, hat sich so oft 
ganz anders, vielleicht uns feindlich gestaltet. Heute ist es vorüber, und auch die 
Zukunft wird uns Manches versagen, aber nicht Alles, wenn wir nicht muthlos 
zurückweichen. 

Und fürwahr! an Arbeit, an uns klar vorschwebenden Zielen gebricht es nicht, 
obgleich Vieles ist erreicht worden. Noch mangelt uns eine Morbiditätsstatistik, fehlen 
uns das Seuchengesetz, die Einheit ira Apothekenvvesen, eine Unterstützungscasse 
unserer Wittwen, Waisen und Invaliden und so manches Andere mehr. 

Die Sorge für das Wohl des Volkes gebiert beständig neue Wünsche, zu deren 

1 


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2 


Erfüllung Alle nach Kräften mithelfen müssen: wir dürfen nicht müde werden, 
das zu betonen, droht uns doch, die wir eben auch die Kinder unserer Zeit sind, 
die Gefahr, durch die materielle Richtung unserer Tage von jenem Geiste un¬ 
eigennütziger Hingebung einzubüssen, welcher allein unsern Beruf adelt. 

Blicken wir auf die zuweilen gehässigen und fast immer bewusst ungerechten 
Angriffe zurück, welche unser Beruf und seine Ziele in letzter Zeit zu ertragen 
hatten, und welche oft genug die Dürftigkeit und Hässlichkeit ihres eigentlichen 
Wesens durch persönliche Verunglimpfungen zu decken suchten, so flüstert uns 
die böse Zunge der bittern Stimmung zu : „Lass sie ! Sie sollen haben, was sie 
wollen!“ 

Aber siegreich durchbricht der Sonnenstrahl der bessern Einsicht auch diese 
flüchtigen Nebel ! Nein ! Wir halten fest auch im neuen Jahr an all’ den schönen 
Zielen, an der hehren Aufgabe, der lang vor uns so Viele ihre besten Kräfte be¬ 
geistert und unentwegt geweiht haben. 

Alle sollen mithelfen: Stellt uns nicht unser Beruf auch in seinem innern 
Wesen noch grosse Aufgaben ? Ist nicht die eigentliche Therapie, das Endziel 
jeder rationellen Medicin, noch weiterer Klärung, ja einer wesentlichen Umgestal¬ 
tung fähig? Sollten wir hier nicht auch den hohen Flug erlernen, mit welchem 
jetzt schon so manche Zweiggebiete zum Ziele kommen? 

Licht, belebende Sonne auch auf diese Bahnen! Helfen wir Alle den bahn¬ 
brechenden Führern; die Frucht verdient ernste Arbeit. 

Sie sehen, liebe Collegen, wir erwarten viel von der Zukunft, von unserer 
Aller zukünftigen Arbeit. Nur heute noch lasst uns feiern. 

Möge Ihnen Allen am heutigen Tage, möge Ihnen noch recht lange in der Zu¬ 
kunft das reinste und schönste Glück lächeln, der stille Friede im Heiligthum 
Ihrer Familie. 

Das „Correspondenz-Blatt tt wünscht Ihnen und Ihren Lieben recht von Herzen 
Glück zum neuen Jahre! 


Orig-inal--Ajrl>eIteii. 

Therapeutisches aus der Kinderpraxis, i. sp. über Anwendung von Chininum 

tannicum. 

Vortrag von Prof. E. Hagenbach in Basel. 

Es mag nicht ganz unpassend sein, wenn ich heute auf die Behandlung des 
Keuchhustens hier zu reden komme, indem sich gegenwärtig bei uns eine Epide¬ 
mie zu entwickeln scheint. Zugleich bestimmt mich aber auch der Umstand, Ihre 
Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand zu richten , dass in den letzten Jahren 
Mittel zur Bekämpfung des Keuchhustens sind angewendet worden, die einiges 
Vertrauen beanspruchen dürfen. Ferner sind in allerjüngster Zeit einige Arbeiten*) 
erschienen, die auf das Wesen des Keuchhustens Bezug haben, deren Berücksich- 
tigung an dieser Stelle practisch wichtig ist. 

*) Vide Corr.-Bl. 1880, Nr. 13, pag. 442. 


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3 


Wie Sie wissen, ist man gegenwärtig bestrebt, den Keuchhusten auf localem 
Wege zu beseitigen, von der Ansicht ausgehend, dass örtliche Veränderungen im 
Kehlkopf bestehen; allgemein gebräuchlich sind Inhalationen mit anticatarrhali- 
schen, adstringirenden und antizymotischen Medicamenten; daneben wird freilich 
die Behandlung der gesteigerten Reflexerregbarkeit durch entsprechende Mittel 
nicht fallen gelassen. — Auf der einen Seite sind es also Mittel, wie Carbolsäure, 
Salicylsäure, die in verschiedener Weise äusserlich angewendet werden, auf der 
andern Mittel wie Kal. bromat., Chloralhydrat, Opium etc., die äusserlich und 
innerlich verabreicht werden; Chinin, das local und innerlich verabreicht wird, 
wirkt nach den Einen antiparasitär, nach Andern reflexvermindernd. — Leider ist 
man bis heute noch nicht in der glücklichen Lage, auf Grund übereinstimmender 
Anschauungen über das Wesen und den Sitz des Keuchhustens seine Mittel aus¬ 
zuwählen; im Gegentbeil, dieser Boden ist wieder schwankender geworden und 
man ist gezwungen, bis auf weiteres mehr empirisch vorzugehen. — Die Unter¬ 
suchungen von Letzerich und Tschamer , die den Keuchhusten einfach als eine My- 
cose der Respirationsschleimhaut auffassen, legten es nahe, mit aller Energie die 
antiparasitären Mittel und zwar örtlich gegen die Krankheit zu versuchen; aber 
auch der laryngoscopische Befund, wie er uns beschrieben wird von Rehn und R . 
Meyer und der eine catarrhaliscbe Affection gewisser Kehlkopftheile ergab, forderte 
zur localen anticatarrhalischen und adstringirenden Behandlung auf. — Denn wenn 
auch die beiden letztgenannten Autoren in ihren Resultaten sich nicht ganz decken, 
indem Rehn mehr die Partie vorn unterhalb der Stimmbänder, fl. Meyer mehr die 
regio interarytsenoidea als geröthet und geschwellt angibt, so fanden doch beide 
deutlich einen Catarrh der untern Larynxhöhle und der Trachea, sogar nicht sel¬ 
ten Entzündung von den Choanen bis zu den mittlern Bronchien. — ß. Meyer be¬ 
stätigt in seiner neuesten Arbeit*) über denselben Gegenstand seinen früheren 
Befund : „Die Stimmbänder 44 , sagt er, „und die vordere Auskleidung der obern 
Kehlkopfhöhle haben sich intact erwiesen und war auch die Erkrankung derselben 
wesentlich in der Reg. interaryt. ausgesprochen, gleichzeitig dabei aber auch die 
Betheiligung der untern Larynxhöhle und der Trachea, sowie die Fortsetzung der 
Erkrankung bis in die Bronchien unverkennbar.* — Es ist begreiflich, dass Meyer 
auf diesen Befund hin sich von der örtlichen Anwendung von Adstringentien auf 
die entzündlich gereizte Schleimhaut am meisten Wirkung versprach und ein gün¬ 
stiger Einfluss dieser Methode hauptsächlich bei Erwachsenen war für ihn unver¬ 
kennbar. — 

Letzerich , der die parasitäre Natur der Krankheit hauptsächlich in’s Auge 
fasste, wandte bekanntlich das Chinin in Form von Einblasungen in den Kehl¬ 
kopf an und auch er rühmt die dabei erreichten therapeutischen Erfolge. — 
Und auch die Mehrzahl der Aerzte in neuester Zeit gingen in ähnlicher Weise 
vor; die locale Behandlung hat die innerliche medicinische etwas verdrängt, wie 
dies auch aus den unten mitgetheilten Aufzählungen der neuesten Arbeiten über 
diesen Gegenstand zur Evidenz hervorgeht, womit wir keineswegs behaupten 

*) Weitere Beiträge zur Pathologie und Therapie des Keuchhustens. Zeitschrift für klinische 
Medidn I., 3. 


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4 


wollen, dass Jedermann die Lefzerick' sehen Pilzuntersuchungen ohne Bedenken als 
endgültig richtig ansah. 

Fast zu gleicher Zeit mit der Arbeit von Meyer erschien ein Artikel von Ross - 
back: Zur Lehre vom Keuchhusten,*) der sowohl die Pilzlehre von Letzerich be¬ 
kämpft, als auch den negativen Befund im Kehlkopf entschieden betont. — Der¬ 
selbe konnte während der ganzen Krankheitsdauer seiner Fälle ohne Ausnahme 
mit grösster Sicherheit feststellen, dass der Rachen, der ganze Kehlkopf und die 
Luftröhre bis zu ihrem untern Drittheil immer gesund blieben; dass an keiner 
Partie nie und nirgends eine entzündliche Röthe oder eine Schwellung der Schleim¬ 
haut auftrat, dass sich an keiner Stelle von oben bis so weit der Kehlkopfspiegel 
leuchtete, Schleim-, geschweige Pilz-Vegetationen ansetzten Die Schleim¬ 
häute zeigten immer ihre normale, hellrothe Farbe; die Stimmbänder waren rein 
weiss , ebenso markirten sich die Trachealknorpel als weisse Ringe deutlich und 
scharf. Die entzündlichen Zustände im Halse, wie sie von andern Beobachtern 
gefunden wurden, waren nach Rossbach nicht ätiologisch mit der Krankheit oder 
mit einzelnen ihrer Symptome verknüpft. Ebenso verhielten sich die Beobachtun¬ 
gen und Versuche ß.’s durchaus negirend gegen die bekannten Letzerich' sehen Mit¬ 
theilungen. — Ich füge hier noch bei, dass R . gegen die gesteigerte Reflexerreg¬ 
barkeit bei den kleineren Kindern stabile Durchleitung eines starken, constanten 
Stromes durch das Rückenmark mit auffallendem Erfolg versuchte; ebenso erwies 
sich bei den ältern Kindern die innere Verabreichung des Chinins in grossen Ga¬ 
ben nützlich, nicht in der Weise, wie Letzerich meint, durch Tödtung der im Kehl¬ 
kopf befindlichen Pilze (das Chinin wurde in Oblaten verabreicht), sondern in 
Folge seiner die Reflexerregbarkeit des Rückenmarks herabsetzenden Wirkung. — 

Obschon ich eigentlich blos von der Behandlung des Keuchhustens, nament¬ 
lich auch meinen eigenen Erfahrungen reden wollte, musste ich diese Bemerkungen 
vorausschicken, da diese so verschiedenen Befunde auch Tür den Practiker von 
Wichtigkeit sind; so hat auch jeder der genannten Autoren je nach der Auflas¬ 
sung sein Mittel gewählt und ähnlich werden auch wir handeln müssen. 

Darin gehen wohl heute die meisten Aerzte einig, dass wir im Keuchhusten 
eine Infectionskrankheit vor uns haben, und es könnte nur noch gestritten werden, 
ob eine locale analog der Gonorrhoe oder eine allgemeine analog den acuten Exan¬ 
themen, in diesem Falle mit Localisation auf gewissen Theilen der Respirations¬ 
schleimbaut. Es lassen sich für beide Anschauungen verschiedene Gründe anfüh¬ 
ren, die ich hier nicht näher ausführen will; ich erlaube mir, was diesen Punct 
betrifft, auf meine Arbeit über Keuchhusten **) und auf den bereits erwähnten Ar¬ 
tikel von ß. Meyer zu verweisen. Natürlich wird auch hier, je nachdem der Ent¬ 
scheid ausfällt, die Therapie eine verschiedene sein können. — 

Es mag von einigem Interesse sein, hier die in den letzten 4 Jahren gemach¬ 
ten Veröffentlichungen über Behandlung des Keuchhustens kurz, aber, wie ich 
hoffe, in einiger Vollständigkeit folgen zu lassen. Ich rede heute absichtlich blos 
von den medicamentösen Mitteln, ohne die allgemein diätetische Behandlung zu 

*) Berl. klin. Wochenschrift 1880, Nr. 18. 

**) Gerhardt , Handbuch der Kinderkrankheiten, II. Bd., pag. 552. 


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5 


unterschätzen. Von Heilmitteln, alten und neuen, sind laut diesen Publicationen 
angewandt worden: Chininum sulfuricum, Chloral, Carbolsäure , Terpertbinöl, 
Butyl-Chloral, Salicylsäure, Petroleum, phenyls. Natron, baldriansaures Coffein, 
Chloroforminhalationen, Propylamin, tct. myrrhse, Ammonium picrinicum, Aether- 
zerstäubungen, Natr. salicylicum, Bromkalium, tinct. Bryonise, tct. Droserae, tannin¬ 
saures Chinin und oxalsaures Ceriumoxyd. — 

Diese grosse Anzahl von Mitteln, den verschiedensten Abschnitten der Materia 
medica entnommen, mag neuerdings den Beweis liefern, dass ein Specificum gegen 
den Keuchhusten noch nicht gefunden ist. 

Pich (deutsche med. Wochenschr. 1877, Nr. 40, zur Therapie des Keuchhustens) 
empfiehlt die Anwendung des Chin. sulfur. Eine Dosis von 0,25 Morgens und 
Abends bewirkte in einer Anzahl von Fällen bedeutende Erleichterung. Derselbe 
schlägt das geschmacklose Chininum tannicum vor für die Anwendung bei Kindern. 
Dr. Hartwig (deutsche Zeitschr. f. pract. Medicin 1877, Nr. 29, zur Therapie des 
Keuchhustens) räth Chloral an je nach dem Alter des Kindes in 24 Stunden: 0,3 
bei V 4 jährigen, 0,4 bei ‘^jährigen, 0,5.bei Vijährigen, 0,6 bei 1jährigen als reflex¬ 
verminderndes Mittel. 

Birch-Hirschfeld (Jahrb. f. Kinderheilk. XII, 1 und 2, pag. 180) hatte günstige 
Erfolge mit Zerstäubung einer 20% alcoholischen Lösung von Carbolsäure wäh¬ 
rend mehreren Stunden im Krankenzimmer. — Albrecht (Corr.-Bl. f. schw. Aerzte 
1878, Nr. 5) empfiehlt Einathmungen mit Terpenthinöl und zwar 10—20 Tropfen 
auf ein Tuch und 20—40 Einathmungen. — Roberts (österr. Jahrb. f. Pädiatrik 
1877, II., pag. 237) machte Versuche mit Crotonchloral in Dosen von 0,05 alle 4 
Stunden und will damit eine Abnahme der Häufigkeit und der Dauer der Anfälle 
erreicht haben. — Neubert (Jahrb. f. Kinderheilk. XIII, 1 und 2, pag. 83) wandte 
Natr. salicyl. (1%) in Form von Inhalationen bei 3 Kindern an mit sehr gutem 
Erfolg. 

Hildebrandt (deutsche med. Wochenschr. 1878, Nr. 2, Ueber die desinficirende 
Behandlung des Keuchhustens) empfiehlt die Anwendung des Petroleums, welches 
er entweder in einer offenen Schale im Zimmer verdunsten lässt, oder den Kin¬ 
dern direct zum Einathmen gibt. Behufs der letztem Methode empfiehlt er , mit 
Petroleum befeuchtete Stückchen Tuch am Kopfende des Bettes anzubringen. — 
Pemot (Bullet. g6n. de th6rap., 15. 2, 1878, Behandlung des Keuchhustens mit 
phenyls. Natron) erklärt das phenyls. Natron für ein Specificum gegen Keuchhusten. 
Es vermindert nach 8—10 Tagen die Hustenanfälle in auffälliger Weise. Das Salz 
wird im Krankenzimmer entweder in einem Porzellangefäss oder auf einer warm 
gemachten Blechschaufel oder auf einem heiss gemachten Ziegel verflüchtigt. 

Auch Seemann in Berlin (Bericht über die Verhandlung der pädiatrischen Sec- 
tion der 51. Versamml. deutscher Naturf. und Aerzte) will überraschende Erfolge 
gesehen haben bei Anwendung einer 5% Carbollösung, womit er ein über das Bett 
des Kindes gespanntes Tuch getränkt hat. Lagnoux (Bull. g6n. de th^rap. 7, 1878) 
rühmt die Anwendung von baldrians. Coffein in Dosen von 0,05—0,1, 2—3 Mal 
täglich, je nach dem Alter des Kindes. Uffelmann (deutsche Zeitschr. f. practische 
Med. 1878, 39, Zur Prophylaxe des Keuchhustens) empfiehlt neben unausgesetzter 


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Lüftung der Krankenzimmer, ungesäumter Beseitigung der ausgebrochenen, resp. 
ausgehusteten Schleimmassen, stetes Vorhandensein einer Carboisäureluft durch 
mehrmals täglich wiederholte Besprengung des Fussbodens mit wässriger Carbol- 
lösung, zugleich Anbringen eines Stückes Watte, das ebenfalls mit der Lösung 
getränkt ist, am Kopfende des Bettes. Bei Anwendung dieser Methode hat der 
Verf. in 4 /s aller seiner Fälle einen unverkennbar günstigen Erfolg gehabt; fast 
durchgehende zeigte sich dabei ein rascherer Verlauf des Stad, convulsivum. — 
Hryntschak (Centralz. f. Kinderheilk. 1879, 13, Propylamin gegen Keuchhusten) hat 
in einzelnen Fällen bei Anwendung von Propyl, raschen Abfall der Krankheit ge¬ 
sehen ; in den meisten Fällen kein Erfolg. — Lorey (therapeutische Mittheilungen 
aus dem Dr. CÄrw/’schen Kinderspital zu Frankfurt a. M.) gab mit Erfolg Chloral 
in Dosen von 0,5 — 1,5 pro die. Daneben Bepinselungen des Rachens und Gau¬ 
mens mit Ac. carbol. 0,2, Kal. jodat., Jod. pur. üü 0,1, Glycerin 20. Compardon 
(Bull, de thürap. Sept. 1878, Die Behandlung des Keuchhustens mit tr. Myrrhse) 
gab stündlich einen Löffel Chinawein mit 5-10 Tropfen der Tinctur und sah dabei 
sehr rasche Heilungen. — Dellenbaugh (Ref. # d. allg. med. Centralztg. 2, 1879, ein 
Specificum gegen Keuchhusten) rühmt Ammon, picrin. 0,06, Ammon, muriat. 1,4, 
Aq. destill. 90,0; davon Kindern bis zu 6 Monaten 3stündlich einen Theelöffel voll, 
im Alter von 1—2 Jahren 2 Theelöffel u. s- f. — Lubinsky (Gaz. hebd. und Gaz. 
des höpit. 26, Ref. d. allg. med. Centralztg., Behandlung des Keuchhustens mit 
Aetherzerstäubungen) räth an, längs des Verlaufs des Vagus am Halse Aether zu 
zerstäuben und habe davon gute Erfolge gesehen. — Körner (Berl. kl. Wochenschr. 
1879, 46, Ueber die Inhalat, von Bromkali bei Tussis convuls) hat mit Inhalatio¬ 
nen einer 2—5% Lösung von Bromkali nach verhältnissmässig kurzer Zeit bei 
allen seinen Kindern Heilung erzielt Derselbe betont sehr die Nothwendigkeit 
correcter Ausführung der Inhalationen. — Scheiding (Allg. medic. Centralztg. vom 
22. Nov. 1879) empfiehlt ebenfalls die schon oben erwähnte Carbollösung, womit 
die umgebende Luft geschwängert wird. In 2 Fällen will er dabei nach 24 Stun¬ 
den Herabsinken der Hustenanfälle auf ein Minimum gesehen haben. — Morje 
(New-York med. record. 16, 1879, oxals. Ceriumoxyd gegen Keuchhusten) rühmt 
das Cer. oxal. als sehr wirksam in Dosen von 0,03—0,18 pro die. — Doch musste 
das Mittel wenigstens eine Woche fortgesetzt werden. 

Von diesen Mitteln, die ich Ihnen hier zunächst in chronologischer Reihen¬ 
folge, wie die Publicationen erschienen sind und ohne Kritik vorgeführt habe, habe 
ich eine Anzahl versucht; über andere, deren Werth mir von vorneherein einiger- 
maassen zweifelhaft erschien, habe ich keine eigenen Erfahrungen. 

Nach meinen Erfahrungen steht die Anwendung des Chinins in der Behand¬ 
lung der Tussis convulsiva noch immer obenan. Die Einblasungen von Chininum 
sulf. in den Kehlkopf haben in einer grossen Zahl von Fällen sehr befriedigende 
Resultate ergeben; allerdings ist die Zahl der Fälle auch nicht gering, wo trotz 
sorgfältiger Ausführung das Mittel versagte. — Jedenfalls muss die Application deä 
Medicaments vom Arzte selbst ausgeführt werden, und die Abtretung an die Mutter 
oder Pflegerin kann das Mittel nur in Misscredit bringen. Das Hineinblasen von 
Chinin durch ein beliebiges Röhrchen (Macaroniröhrchen sind dabei sehr beliebt) 


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gegen den Rachen , von unerfahrenen Laien ausgeführt, darf mit unserem Ver¬ 
fahren nicht in eine Linie gestellt werden. — Die Schwierigkeiten der von uns 
geübten Behandlung sind allerdings nicht zu unterschätzen; cs ist eine Procedur, 
wogegen sich in den meisten Fällen das Kind, häufig auch die Mutter sträubt; in 
vielen Fällen fehlt auch die Ausdauer* von Seite‘der Patienten, wenn nicht ein 
sehr rascher Erfolg eintritt; und schliesslich ist die Ausführung eine sehr um¬ 
ständliche, weil wir sie immer vom Arzte selbst verlangen. — Ich füge hier noch 
bei dieser Gelegenheit bei, dass wenn man ex juvantibus einen Schluss machen 
soll auf das Wesen der Krankheit, die günstige Wirkung der Insufflationen spre¬ 
chen würde für eine Localerkrankung der Kehlkopfschleimhaut. Zum Glück hat 
man im Chinin ein Mittel, das auch bei innerlicher Darreichung in sehr vielen 
Fällen die Krankheit bedeutend abkürzt. Darüber habe ich mich früher schon 
ausgesprochen; ebenso haben Steffen , Binz u. A. diesem Mittel das Wort geredet; 
auch hat in neuester Zeit Rossbach, wie bereits erwähnt, von Chin. sulf. in grossen 
Dosen gute Erfolge gehabt. Ob das Chinin in dieser Form mehr pilztödtend bei 
Annahme einer allgemeinen Infection oder eher reflexvermindernd wirkt, ist frag¬ 
lich, aber practisch gleichgültig. — Neben dem Chininum sulf. in äusserlicher und 
innerer Darreichung habe ich Bromkali innerlich und in Form von Inhalationen 
angewandt; ferner Chloral hauptsächlich Abends entweder allein oder in Verbin¬ 
dung mit Bromkali; ich habe in einer Anzahl von Fällen die Carbolsäurezerstäu- 
bungen machen lassen, habe Natr. salicyl. inhaliren lassen; doch muss ich geste¬ 
hen, keines dieser Mittel konnte mich auf die Dauer befriedigen und kam immer 
wieder auf die Anwendung des Chinins in irgend einer Form zurück. — Leider 
stös8t man bekanntlich mit diesem Mittel in der Kinderpraxis auf allerlei Hinder¬ 
nisse ; cs wird leicht verweigert, herausgespuckt oder gebrochen, oder greift nach 
längerer Anwendung die Verdauung an. Wenn das Chinin in vielen Fällen nicht 
wirkt, so ist gewiss häufig das Mittel nicht Schuld, sondern häufiger der Umstand, 
dass es nur zum kleinsten Theil geschluckt, oder bald vollständig wieder ausge¬ 
brochen wird. — 

Die widerliche Procedur des Einschüttens dieses bittern Medicamentes haben 
Sie Alle ohne Zweifel schon mitgemacht, so dass ein Chininpräparat, das bei 
gleicher günstiger Wirkung die Schattenseiten des Chinin, sulfur. nicht hat, sehr 
erwünscht erscheinen muss. — Aus diesem Grunde hat Becker (Versuche und Be¬ 
obachtungen über die Anwendung des gerbsauren Chinins. Bonn, 1879 und Das 
Chinin, tannat. in der Praxis. Berl. klinische Wochenschrift 1880, Nr. 6) das 
Chininum tannicum, ein nicht oder wenigstens schwach schmeckendes 
Chininpräparat, für die Kinderpraxis zu Ehren gezogen und hauptsächlich beim 
Keuchhusten in vielen Fällen angewandt. — Bekanntlich wurde das tanninsaure 
Chinin immer wieder versucht; doch im Ganzen ging die Ansicht schliesslich da¬ 
hin, so auch in einer Discussion der Acadümie de Müdecine im Jahre 1872, dass 
das Mittel, als mehr oder weniger unwirksam , besonders als Antipyreticum das 
Chininum sulfur., auch wenn es in entsprechend stärkerer Dosis verabreicht werde, 
nicht zu ersetzen vermöge. — Dieses ungünstige Urtheil mag zum Theil daher 
rühren, dass von der gerbsauren Verbindung des Chinins eine Reihe in Procent- 


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gebalt, wie Geschmack verschiedener Präparate existiren. In Bezug auf die Che¬ 
mie des Chinintannats verweise ich auf die Becher' sehe Arbeit; kann hier blos 
beifügen, dass auch unsere Resultate mit verschiedenen Präparaten sehr verschie¬ 
den ausfielen. — So liess ich bei einem hiesigen Apotheker nach der Vorschrift 
von Hager (Handbuch der pharinaceutischfcn Praxis. Für Apotheker, Aerzte, Dro- 
guisten und Medicinalbeamte, bearbeitet von Dr. Hermann Hager , Lief. VIII, p. 856) 
ein Chinintannat herstellen , das namentlich als Antipyreticum, wo die Wirkung 
leichter zu controliren ist, sich als unwirksam erwies, während dasjenige Präparat, 
das ich direct von C. Zimmer in Frankfurt a. M. bezog, als Chininum amorpbum 
tannic. neutrale diejenigen günstigen Resultate erzielte, von denen ich Ihnen hier 
noch kurz Mittheilung machen wollte.*) Dieses Zimmcrsche Präparat schmeckt 
sehr inässig bitter, ohne Vergleich weniger als das Chinin, sulfur. Direct aus der 
Fabrik bezogen kosten 500 grmm. blos 30 Fr. 

Die Versuche von Becker haben ergeben , dass das Chinin vom Magen aus 
ziemlich rasch aufgesaugt wird und zwar wird die Resorption befördert durch die 
gleichzeitige Aufnahme eines kräftigen, weingeisthaltigen Getränkes. Es ist gewiss 
am einleuchtendsten, mit Becker anzunehmen, dass im Magen die Resorption vor 
sich geht durch Bildung des leicht löslichen, salzsauren Chinins und dass daneben 
freie Gerbsäure in Lösung bleibt. — Becker konnte an sich selbst, nachdem er 

1 Decigramm gerbsaures Chinin mit ein wenig Wasser zu sich genommen und 
gleich darauf gegen 50 Cubikcm. Madeira oder die Hälfte reinen Cognac getrun¬ 
ken hatte, 15 Minuten nachher in seinem Harn die Anwesenheit von Chinin auf 
das Deutlichste constatiren. — Wegen des geringeren Gehaltes an wasserfreiem 
Alcaloid ist in allen Fällen die Dosis grösser zu nehmen und Becker gibt deshalb 
sehr kräftige Dosen. Binz und Jansen schon haben vorgeschlagen, von Chin. sulf. 

2 Mal täglich so viel Decigramm zu geben, als das Kind Jahre zählt; vom Chin. 
tann. muss nach Becker die Dosis noch etwas höher gegriffen werden. — Er hat 
30 Fälle von Keuchhusten mit diesem Tannat behandelt und kommt dabei zum 
Schluss, dass dadurch die Keuchhustenanfälle gemildert und die Krankheitsdauer 
abgekürzt wird. Nachtheilige Folgen hat Becker keine gesehen, ausser etwas Stuhl¬ 
verhaltung, die aber gut zu regliren ist. Ohne Ausnahme wuchs der Appetit der 
Kinder vortrefflich nach diesem Präparat. Statt des bei den leicht löslichen Chi¬ 
ninpräparaten so häufigen Erbrechens sah er bei dem Chinintannat das Erbrechen 
des Keuchhustens in erster Linie sich mildern. 

Soll i^h nun meine Beobachtungsresultate, die sich bis dahin auf etwa 10 Fälle 
erstrecken, mittheilen, so kann ich das von Becker Ausgesagte im Wesentlichen 
bestätigen. Ich habe dieses Mittel meist im Beginn des Keuchhustens angewandt 
bei Kindern verschiedenen Alters und zwar täglich 2 Mai so viel Decigramm, als 
das Kind Jahre hat, habe also blos die Dose angewandt, die Binz für das Chinin, 
sulfur. vorschlägt. Die Heftigkeit und die Zahl der Anfälle hat in wenigen Tagen 
rasch abgenommen und namentlich hat das Erbrechen nachgelassen. Um mich 
keiner Täuschung hinzugeben, wurde von den Angehörigen jeder Anfall notirt, mit 

*) Dieses ^twwier’sche Präparat ist vorräthig in der Kümmerten ’sehen Apotheke. 


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der Angabe, ob stark , ob schwach, ob mit oder ohne Brechen. Ich habe das 
Mittel auch angewandt im Stad, catarrhale bei Kindern , deren Geschwister im 
Stad, convuls. sich befanden und konnte damit das Krampfstadium gleichsam im 
Keim ersticken. Es war dies so auffallend, dass einem der Gedanke kommen 
konnte, ob wirklich beginnender Keuchhusten vorlag. — Ich habe das Mittel in 
verschiedener Form verabreicht, am häufigsten in Zuckerwasser, und im Ganzen 
ist die Application eine leichte; in einzelnen Fällen wurde Obstipation beobach¬ 
tet; in einem Fall Sistirung einer hartnäckigen Diarrhoe. Die Versuche sind jedoch 
zu wenig zahlreich, um ein endgültiges eigenes Urtheil abgeben zu können. 

In viel ausgedehnterem Maasse habe ich das Chininum tannicum als Anti- 
pyreiicu m in verschiedenen Krankheiten des kindlichen Alters angewandt. Becher 
hat blos 3 Fälle von catarrhalischer Pneumonie in der Poliklinik damit behandelt 
und glaubt auch hier einen guten Erfolg gesehen zu haben. — Seit Anfang dieses 
Jahres haben wir im Kinderspital dieses Mittel angewandt und zwar in 15 Typhen, 
bei etwa 10 Scharlachfällen, bei 10 Pneumonien und vereinzelt bei Phthisis und 
Erysipel. In vielen dieser Erkrankungen wurde das Mittel häufig, nicht selten 
täglich angewandt, so dass mir ein paar Hundert Einzelbeobachtungen vorliegcn. 

Ich betrachte die folgenden Angaben mehr als vorläufige Mittheilung und hoffe 
auf Grund des reichhaltigen gesammelten Materials, das uns nun zu Gebote steht, 
später die Belege für das hier Gesagte geben zu können. 

Wir gaben das Mittel auch hier in stärkerer Dosis: 


Kindern 

von 

0- 1 Jahr 

1 grmm. 

95 

jj 

1— 3 

99 

1,5 —2,0 grmm. 

D 

j) 

3- 5 

99 

2,0 grmm. 

n 

95 

5—10 

99 

3,0 - 4,0 grmm. 

55 

55 

10-15 

99 

4,0 grmm. 


und zwar die ganze Dosis auf einmal oder höchstens in 2 Mal mit \\ Stunde 
Pause. Ich bin überzeugt, dass man ohne Nachtheil noch höhere Dosen als 
4 grram. geben kann. — 

Zunächst beobachteten wir, dass das Kind das fast gar nicht bitter schmeckende 
Medicament viel lieber nimmt als Chinin, sulfur. und auch als Salicyl; es besteht 
hier einzig der Uebelstand, dass die ziemlich grosse Pulvermasse, die ganz unlös¬ 
lich ist, dem Kind hie und da beim Schlucken zu schaffen gibt; deshalb ist bei 
grösseren Dosen das Mittel besser in 2 Mal mit kurzen Intervallen zu geben. Da 
es hier besonders auf rasche Resorption ankömmt, so darf nicht versäumt werden, 
bald nachher etwas Alcohol in den Magen zu bringen, z. B Eiergrog oder Malaga. 

Es geht ferner aus unserer Beobachtung und den mir vorliegenden Tempera- 
turcurven hervor, dass das Mittel eine entschiedene antipyretische Wirkung hat, 
dass die Remission aber später eintritt, wohl abhängig von der langsameren Re¬ 
sorption, dass dagegen der Fieberabfall länger anhält, als wir dies beim schwefel¬ 
sauren Chinin und namentlich beim Salicylnatron gewohnt sind. — Es ist nicht 
selten vorgekommen, dass ein Kind mit nicht gerade sehr hoher Fiebertemperatur 
dadurch für 24 Stunden fieberfrei gehalten werden konnte. Entsprechend der 
langsameren Resorption und dem langsameren Abfall der Temperatur sind die Er- 


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scheinungen von Seiten des Nervensystems viel seltener und gelinder, viel weniger 
Schwerhörigkeit und Ohrensausen, gar nie die Zustände der Aufregung und De» 
lirien, Angstanfälle, Collaps, wie solche nach grossen Salicyldosen etwa einmal 
und oft unverhofft eintreten. Es muss im Gegentheil hervorgehoben werden, dass 
die Verabreichung dieses Mittels nicht nur keine ungünstigen Nebenwirkungen hat, 
sondern einen entschieden günstigen Einfluss auf den Verdauungstractus ausübt; 
so beobachteten wir in der Mehrzahl der Typhusfälle ein Nachlassen der Diar- 
rheeen; blutige Stühle hatten wir bei keinem einzigen der dieses Jahr zahlreich 
vorkommenden Typhusfälle; auch der Appetit wird nie dadurch alterirt. Auch in 
dieser Richtung verdient dieses Chinintannat den Vorzug vor dem schwefelsauren 
Chinin und noch mehr vor dem salicylsauren Natron. Während bei der Anwen¬ 
dung der letztgenannten Mittel der Kranke seinen Fieberabfall fast immer nur 
erkaufen kann mit ungünstigen Nebenwirkungen, geniesst er bei Anwendung des 
Chin. tann. seinen Abfall ungetrübt. 

Nach dem Mitgetheilten ist begreiflich, dass man in leichtern Fiebern mit dem 
Chininum tann. zum Ziele kommt; in schwereren Fällen wird man mit diesem 
Mittel nicht immer den gewünschten raschen Abfall haben. Für solche Fälle em¬ 
pfiehlt sich sehr die von uns häufig geübte combinirte Anwendung von Chininum 
tann. und Natron salicylicum. Wir führten dies meist so aus, dass wir am Vor¬ 
mittag die volle Dosis von Chin. tannic. verabreichten und am Abend eine Dosis 
Natr. salicyl. Diese letztere braucht dann nicht gross zu sein und auf diese Art 
setzen wir den Patienten nicht der unangenehmen Wirkung aus, namentlich von 
Seiten des Nervensystems. 

Bios in wenigen Fällen beobachteten wir Brechen, wie wir dies bei Fieber¬ 
kranken mit einer Menge von Mitteln etwa einmal erfahren müssen. 

Wir haben das besprochene Mittel bis jetät blos bei Kindern angewandt, wo 
wegen des bessern Geschmacks dasselbe seine wesentliche Bedeutung hat; doch 
zweifeln wir nicht daran, dass auch bei Erwachsenen, wo so oft Widerwillen gegen 
die andern Antipyretica im Verlauf der Krankheit eintritt und um die grossem 
Salicyldosen zu vermeiden, das Mittel mit Erfolg wird verwendet werden können. 

Das Chin. tann. wird die andern Antipyret. nicht verdrängen ; doch gebührt 
ihm seine Stelle neben denselben. 


Ein weiterer Fall von hochgradiger Anämie 

bei einem früheren Gotthardtunnelarbeitcr, mit Anchylostomum duodenale 

in den Darmausleerungen. 

Von Prof. Dr. Ch. Bäumler, Director der medic. Klinik zu Freiburg i. B. 

Am 20. October v. J. wurde in meine Klinik ein auf der Reise befindlicher 
Arbeiter, Antonio Rosa aus Riva in Südtyrol, mit hochgradiger Ansemie aufge¬ 
nommen. Derselbe gab an, bis Mitte Mai 1880 immer gesund gewesen zu sein, 
seitdem aber zunächst an Schmerzen in der Magengegend, öfterem Erbrechen, 
häufigen diarrhoischen Stuhlentleerungen und einer von Tag zu Tag sich steigern¬ 
den Mattigkeit zu leiden. Das Leiden begann, nachdem er etwa 6 Wochen lang 


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* 

als Arbeiter im Gotthardtunnel — Göschenenseite — beschäftigt gewesen war. 
Ende Mai hatte er deshalb zeitweise die Arbeit einstellen müssen und am 24. Juni 
wurde er in das Hospital zu Göschenen aufgenommen, aber nach einigen Tagen 
wieder entlassen. Er lag dann etwas später einen Monat lang im Hospital zu 
Wasen, ohne dass sein Zustand sich wesentlich gebessert hätte. Im August begab 
er sich deshalb auf die Reise, arbeitete eine Zeit lang im Wiesenthal an einer 
Strasse, musste jedoch aus Schwäche auch diese Arbeit wieder aufgeben und kam 
hierher in’s Hospital. 

Zunächst konnte man bei dem sehr kräftig gebauten, auch noch wenig abge¬ 
magerten , aber in hohem Grade anämischen 25jährigen Mann an die Möglichkeit 
eines Ulcus rotundum ventriculi denken, da Schmerzen und Druckempfindlichkeit 
in der Pylorusgegcnd sowie leichte Auftreibung des Epigastriums vorhanden waren, 
und eine sehr dunkle Färbung des ersten Stuhles nach dem Eintritt in’s Hospital 
den Verdacht auf eine Magenblutung erweckte. Daneben waren aber auch wieder 
Erscheinungen eines intensiveren Darmleidens vorhanden, nämlich ziemlich reich¬ 
liche Schleimbeimischung und kleine Mengen rothen Blutes in den Stühlen, wäh¬ 
rend theerartig verändertes Blut zu keiner Zeit entleert worden ist; auch der erste 
Stuhl war mehr dunkel chocoladefarbig als theerartig gewesen. Bemerkenswerthe 
Veränderungen zeigte ferner besonders in den ersten Tagen der Harn. Derselbe 
war am Tag nach der Aufnahme sehr stark sedimentirend und trübe, bei intensiv 
saurer Reaction, zeigte geringen Eiweissgehalt und ausserordentlich starke Indi- 
canreaction. Das Sediment bestand aus reichlichen crystallinischen Uraten, 
spärlichen Kalkoxalaten und vereinzelten weissen Blutkörperchen. Das Eiweiss 
verschwand nach wenigen Tagen wieder vollständig aus dem meist hellgefärbten 
und in zunehmender Menge — bis zu 3000 Cc. — abgesonderten Harn. 

Indican wurde bis jetzt fortwährend, wenn auch in geringerer Menge als An¬ 
fangs, in demselben gefunden. 

Fieber fehlt durchaus, ebenso war, ausser Venensausen am Hals, nie eine ab¬ 
norme Erscheinung am Circulationsapparat noch auch Seitens der Respirations¬ 
organe vorhanden. 

Die Stühle waren von Anfang unserer Beobachtung an meist fest, enthielten 
jedoch, wie bereits erwähnt, ziemlich viele kleine Schleimklümpchen, zum Theil 
mit etwas Blutbeimischung. In diesem Schleim, später auch überhaupt in dem 
durch Abführmittel hervorgerufenen diarrhoischen Stuhl fanden sich bis jetzt con- 
stant bei der microseopischen Untersuchung ziemlich viele, zum Theil sehr grosse 
Charcoi sehe Crystalle, ein Vorkommen, welches ich schon früher einmal bei 
Untersuchung schleimiger Stühle einer an Dickdarracatarrh leidenden Kranken be¬ 
obachtet habe. 

Wiewohl nun seither der Zustand der Verdauungsorgane sich namentlich in- 
soferne besserte, als der Kranke keine besonderen Beschwerden, selbst nach Ein¬ 
führung reichlicher Mengen gemischter Nahrung hatte, nahm doch trotz gleich¬ 
zeitigem Eisengebrauch die Antemie nicht in dem Maasse ab, wie man es bei dem 
von Hause aus kräftigen Patienten, nachdem er in gute Verpflegung gekommen 
war, hätte erwarten sollen. Die Krankheit blieb fortwährend etwas unklar und 


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die Ursache der fortdauernden bedeutenden Anaemie, ohne nachweisbare grössere 
Blutverluste, in Dunkel gehüllt. Auch die Untersuchung des Blutes zeigte keine 
besonders bemerkenswerthen Veränderungen und die ophthalmoscopische Unter¬ 
suchung ergab ausser der Anaemie des Augenhintergrundes ein durchaus negatives 
Resultat. 

Da ging mir ein neues Licht über den Fall auf durch die Lectüre des Auf¬ 
satzes von Dr. Sonderegger in Nr. 20 dieser Zeitschrift. 

Sofort wurden nun die Stühle noch sorgfältiger untersucht und schon wegen 
des eigenthümlichen Befundes, der Charcot sehen Crystalle, täglich microscopirt. 
Es fanden sich denn auch am 8. November und seither zahlreiche in Furchung 
begriffene Eier eines Eingeweidewurms, welche am meisten den von Heller *) ab¬ 
gebildeten Eiern von Oxyuris vermicularis gleichen. Oxyuren waren jedoch nie, 
auch nicht nach einem Carbolwasserclysma, im Stuhl gefunden worden. Ebenso 
wenig aber gelang es vorerst, trotz sorgfältigen Suchens, selbst nach mehrmaliger 
Anwendung von OL Ricini mit und ohne Santonin, dann von Ol. terebinthinae bis 
zu 15,0 pro dosi, überhaupt irgend einen entwickelten Eingeweidewurm zu finden, 
wiewohl täglich massenhaft Eier von der erwähnten Form abgingen , so dass oft 
4—5 derselben in einem Präparat gefunden wurden. Nach einer von Herrn Dr. 
Hindenlang , Assistenzarzt der Klinik , vorgenommenen Messung betrug die Länge 
dieser Eier im Mittel aus 6 Messungen 0,0626, die Breite 0,0319 mm. Diese Maasse 
sind grösser als die von Leuckart**) für Anchylostomen-Eier angegebenen (0,044 
und 0,023 mm.), allein es ist zu berücksichtigen, dass die Eier theilweise wohl 
etwas durch längeres Verweilen in dem mit Wasser verdünnten Stuhl gequollen 
sein mochten. . 

Da Oxyureneier nach Leuckart***) schon zur Zeit, wenn sie den mütterlichen 
Körper verlassen, den Embryo einigermaassen ausgebildet zeigen, was an keinem 
einzigen der hier gefundenen Eier der Fall ist, war es nun bereits fast zur vollen 
Gewissheit geworden, dass die Eier nur von Anchylostomum stammen können 
und heute (25. Nov.) ist es denn endlich auch nach langem Suchen gelungen, in 
den durch Santonin 0,2 und Calomel 0,5 hervorgerufenen ersten Stühlen 5 weib¬ 
liche und 2 männliche, und in einem späteren Stuhl eine grössere Menge weibli¬ 
cher, aber nur noch 2 weitere männliche Anchylostomen, zum Theil mit 
rothem Blute in ihrem Verdauungscanal, aufzufinden. 

Es ist überflüssig, diesem Nachweis des Anchylostomum duodenale, als der 
wohl zweifellosen Ursache hochgradiger Anaemie b$i einem nur wenige Wochen 
im Gotthardtunnel beschäftigt gewesenen Arbeiter, weitere Bemerkungen hinzuzu¬ 
fügen. Die Wichtigkeit des Sonderegger' sehen Fundes, welchem bereits ein Sections- 
befund in Airolo und der Nachweis von Anchylostomum in den Stühlen eines 
Kranken durch Prof. Pozzolo in Turin vorausgegangen war, und dem sich nun der 
unsrige für die Göschenenseite des Gotthardtunnels bestätigend anschliesst, liegt 
auf der Hand und weitere Bestätigungen von den Orten her, in welchen Tunnel- 

*) v. Ziemsseris Handbuch, 2. Aufl., Bd. VH, 2, pag. 657, Fig. 51 b und c. 

**) Die menschlichen Parasiten. 1876, 2. Bd., pag, 410. 

* ## ) 1. c. pag, 287. 


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arbeiter mit dieser eigentümlichen Form schwerer Ansemie in Behandlung stehen, 
werden gewiss nicht lange auf sich warten lassen. 


V eroinstoeriolite. 

Gesellschaft der Aerzte in Zürich. 

4. Sitzung, den 10. Januar 1880. 

Hotel zum Hecht. 

1) Prof. 0 . Wtj$8 trägt vor: Ueber foetale Rachitis. Es handelt sich 
um einen Fall von Hydrocephalus congenitus, der von den Herren Collegen Dr. 
Hegetschweiler und Dr. Egli-Sinclair nach Perforation des Schädels mit der Zange 
zur Welt gebracht worden. Vortr. schildert den Befund genau: Kopf sehr gross, 
Extremitäten verkürzt und Haut derselben gewulstet. Zurückgestülpte Nase, deren 
Wurzel eingezogen, sodann das Gesicht bulldoggartig. Zunge gross. Der Schädel 
ist oben offen: es fehlt ein Schädeldach. Gehirn hydrocephalisch. Am präparir- 
ten Schädel fällt die starke Verkürzung in der Richtung von vorn nach hinten 
auf. Das Stirnbein fehlt fast ganz. Schädel sehr asymmetrisch. I)ie partes con- 
dyloid. des os basilare verwachsen, die Hinterhauptsschuppe fehlt, Hinterhaupts¬ 
loch stark verengt — Die derben, festen Extremitätenknochen zeigen bei abnor¬ 
mer Kürze dicke Epiphysen, Diaphyse schmächtig. Die Markhöhle ist durch die 
mächtige Rindenschicht reducirt. An der Ossificationslinie fehlt die Proliferation 
der Knorpelzellen oder ist stark beschränkt.*) 

Prof. Eherlh macht auf die Verwachsung der partes condyl. des os basilare 
aufmerksam. Diese sei bis jetzt nicht beobachtet worden 

2) Dr. Kaufmann demonstrirt Präparate von Scatol und Indol mit einigen 
erklärenden Bemerkungen über Entdeckung und Darstellung dieser neuen Körper. 

3) Derselbe trägt vor über Massage. Er gibt, nachdem er das Wesen die¬ 
ser Behandlungsmethode geschildert, einen Ueberblick über die Indicationen zur 
Massage und erläutert dies durch entsprechende Beispiele , indem er namentlich 
noch die Technik des Verfahrens eingehend berücksichtigt. 

5. Sitzung, den 24. Januar 1880. 

Hötel zum Hecht. 

1) Vortrag von Prof. Spöndly: Ueber Wehenanomalien. Vortr. beschäf¬ 
tigt sich in seinem Vortrag ausschliesslich mit den Krampfwehen, zu deren 
Behebung er das Chloroform und das Chloralhydrat, besonders letzteres, 
sehr empfiehlt (4,0 auf 50,0 aq. alle halbe Stunden 1 Esslöffel). Die krampfstil¬ 
lende Wirkung tritt in vielen Fällen nach Chloral alsbald ein, in sehr wenigen 
Fällen nur lässt dasselbe im Stich, wo Vortr. dann zum Chloroform seine Zuflucht 
nimmt. Ein Zusatz von Morphium acet. (0,015—0,02) beschleunigt nicht selten 
die Wirkung des Chlorals, weshalb Vortr. in neuerer Zeit sehr häufig diese Com- 
bination verwendet, wobei er aber betont, dass das Chloral das Hauptmittel sei. 
Vortr. schildert nun in einer Casuistik von 47 mit Chloral behandelten Fällen von 

*) Der Fall ist ausführlich beschrieben in der Dissertation : Beitrag zur Lehre der foetalen Ra¬ 
chitis von Mary Smith. Zürich 1880. 


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Krampfwehen, indem er von jedem Fall eine kurze Krankengeschichte gibt, ge¬ 
nauer die Anwendung und Wirkung des Chlorais. Dreiunddreissig waren Erst¬ 
gebärende, sieben Zweitgebärende. 

Was die Ursache der Krampfweben betrifft, so hält Vortr. für eine Haupt¬ 
ursache derselben alles das, was in der Eröffnungsperiode und häufig schon vorher 
den untern Gebärmutterabschnitt ungebührlich reizt, so in 15 seiner Fälle der vor¬ 
zeitige Abgang des Fruchtwassers, 3 Mal Beckenenge, 1 Mal Gebrauch von Se- 
cale in der Eröffnungsperiode, 1 Mal vaginitis granulosa etc in diesem Sinne als 
Ursache angesehen werden muss. Als eine zweite wichtige Ursache für Ivrampf- 
wehen möchte Vortr. Erkältungen hinstellen. Es kommen die Krampfwehen manch¬ 
mal in Gruppen vor, die mit nasskalter Witterung zusammenfallen (so z. B. im 
Mai 1877, im Januar und Februar 1879). 

Was die Wirkungsweise des Chloral in den 47 Fällen betrifft, so ist in erster 
Linie hervorzuheben, dass in den meisten Fällen schon vorher durch die Heb¬ 
ammen allerlei Mittel versucht worden waren ohne Erfolg (z. B. Morphiuminjec- 
tionen, Ipecacuanha, Tct. castor. mit Laudanum). In 14 der erwähnten Fälle war 
der Krampf nach einigen Löffeln der Chloralmixtur, in 17 Fällen nach 2—3 Stun¬ 
den gehoben (= 31 Fälle). 7 Mal trat die Wirkung erst nach längerer Zeit, 2 Mal 
erst nach wiederholter Anwendung ein, 2 Mal Hess das Mittel im Stich und 4 Mal 
war nachträglich noch Chloroform nöthig. 29 der Fälle verliefen spontan, 17 be- 
nöthigten der Anwendung der Zange. Die häufige operative Beendigung der Ge¬ 
burt erklärt sich aus der grossen Zahl der Erstgebärenden , der lange dauernden 
Geburt und der oft eintretenden Wehenschwäche in der Austreibungsperiode. 

Discussion: Dr. Egli: Man habe auch das Pilocarpin gegen Krampf¬ 
wehen empfohlen, nach seinen Erfahrungen sei dasselbe aber ohne Werth. Uebri- 
gens genüge in den Fällen, wo nicht Missverhältnisse zwischen Becken und Kind 
bestehen, Geduld und Abwarten, ohne Chloral. E. habe dies oft gesehen. Auch 
habe das Chloral keine Vorzüge vor Opium und Morphium. 

Dr. Zehnder frägt, wie es mit dem Atropin stehe, das Breslau einmal gegen 
Krampfwehen empfohlen habe. 

Prof. Spöndly hat keine Erfahrungen bezüglich des Atropins. 

Dr. Kaufmann erwähnt, dass Zweifel in Strassburg Versuche mit Atropin ge¬ 
macht habe, aber nicht lang, da die Erschlaffung des Uterus nachher enorm sei 
und leicht Nachblutungen erfolgen. Dr. 0. Raab . 


Referate und Kritiken. 

Zur Klarstellung der Indicationen für Behandlung der Ante- und Retroversionen und 

-flexionen der Gebärmutter. 

Von Prof. Schnitze in Jena. Leipzig, Breitkopf & Härtel. 

(Sammlung klin. Vorträge von Volkmann } Nr. 176.) 

Die Ansichten über die Therapie der Lageveränderungen des Uterus weichen heut¬ 
zutage noch sehr von einander ab ; Schnitze bespricht in seinem Vortrage die von ihm an¬ 
gewandten therapeutischen Maassnahmen, die, basirt auf den ätiologischen Momenten der 
Lageveränderungen, jedenfalls eine rationelle Begründung haben. 

Vor Allem aus haben wir bei besagten pathologischen Zuständen die causalen Ver- 


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hältuisse zwischen den diese begleitenden entzündlichen Affectionen des UteruB und seiner 
Adnexa, und der Lageveränderung zu berücksichtigen; die entzündlichen Zustände sind 
meist Ursache oder Folge der Deviation und nach diesem Qesichtspuncte haben wir un¬ 
sere Behandlung einzurichten. 

Die normale Lage des Uterus ist eine Anteversions- und -flexionsstellung, welche 
gesichert wird durch den am Cervix nach hinten wirkenden Zug der Douglas* sehen Falten 
und des Muscul. retractor Uteri und durch den Abdominaldruck auf die hintere, obere 
Fläche des Uterus. 

Erkrankung der Douglas’schen Falten und abnorme Wirkung des Intraabdominaldruckes 
bilden die Hauptursadhen der Lageveränderungen. 

V erkürzung der Douglas' sehen Falten durch para- und perimetritische Processe 
sowohl ein- als beidseitig zieht den mittlern Theil des Cervix nach hinten; die Vagina 
fixirt die Portio vagin., die Lig. rotunda den Fundus uteri nach vorn und auf diese Weise 
kommt bei schlaffem Gewebe des Uterus unter Mitwirkung des Abdomiualdruckes die 
Anteflexion zu Stande. 

Erschlaffung der Douglas' sehen Falten dagegen und Functionsunfähigkeit des 
M. retract. u|eri lassen den Cervix nach vorne gleiten, die gefüllte Blase dislocirt den 
Fundus uteri nach hinten und unter Mitwirkung des Abdominaldruckes auf die vordere 
Uterusiläche entsteht die Retroversion, respective bei schlaffem Gewebe des Uterus die 
Retroflexion. 

Nebst diesen Hauptursacheu der Lageveränderungen sind noch in Betracht zu ziehen 
die weit seltenem causalen Momente, wie angeborene Deviationen, Fixation des Fundus 
nach hinten oder vorn oder des Cervix nach vorne durch perimetritische Processe; doch 
geht Verfasser in seinem Vortrag auf diese Puncte bezüglich der Behandlung nicht ein. 

Entgegen der gewöhnlichen Ansicht hält Schultze nicht die Anteflexion für das schwe¬ 
rere Leiden, sondern die Anteversion, indem bei dieser Deviation das Gestrecktsein des 
Uterus durch chron. Metritis bedingt ist; ebenfalls ist die Anteflexion , nicht wie meist 
angenommen wird, die Ursache von Dysmenorrhoe und Sterilität, sondern der Grund hie- 
für ist zu suchen in den Complicationen, wie Perimetritis, Oophoritis und namentlich En¬ 
dometritis; dies wird bewiesen durch das Verschwinden der Dysmenorrhoe und durch 
Conception trotz Flexion nach Heilung der Complicationen. 

Bezüglich der Behandlung gilt für die Flexion, wie für die Version nach vorne das 
nämliche, abgesehen von der die Version begleitenden chron. Metritis, die berücksichtigt 
werden muss; die Behandlung richtet sich zunächst gegen die Verkürzung der Douglas - 
sehen Falten; ist die Entzündung gänzlich abgelaufen und sind die Douglas* sehen Falten 
gänzlich unempfindlich, so können dieselben durch methodisches Ziehen an der Vaginal¬ 
portion nach vorn und unten gedehnt werden, doch ist diese Behandlung nicht gefahrlos 
puncto Recidivirung von entzündlichen Processen; oft hat sogar durch das Einlegen eines 
passenden Pessariums die Behandlung Anfangs auf die Entspannung der Douglas' sehen 
Falten sich zu richten: dadurch werden die Beschwerden geringer und bessere Verhält¬ 
nisse zum Ablauf der Entzündung geschaffen ; Schullze gebraucht dazu 8-förmige Gummi- 
drahtpessarien; diese haben aber durchaus nicht den Zweck, den Uteruskörper aufzu¬ 
richten ; überhaupt passt für diese Lageveränderungen die mechanische Therapie 
nicht; die viel angewandte Aufrichtung des Uterus ist gar nichts, da der Uterus sogleich 
nachher seine abnorme Lage wieder einnimmt; ebenso wenig nützt ein Pessarium zum 
Heben des Fundus uteri, schädlich sind die Intrauterinstifte; auch die Anfrischung der 
vordem Muttermundslippe und der vordem Vaginalwand und Vereinigung duroh die Naht 
hat keinen Vortheil; die einzig richtige Behandlung der Anteflexionen und Versionen ist 
eine gegen die begleitende Metritis, Peri- und Parametritis und Endometritis gerichtete; 
anzuwenden sind Resorbentien, Jodkalitampons, Moor- und Soolbäder, zugleich ist für 
weichen Stuhlgang zur Vermeidung von Zerrung der Adnexa zu sorgen; Kissingen, 
Marienbad und Franzensbad. 

Der Uteruscatarrh, auch der nicht gonorrhoische, ist oft der Ausgangspunct 
der Parametritiden und Metritiden und ist daher nach Ablauf der entzündlichen Erschei¬ 
nungen zu behandeln; das beste ist Dilatation und mehrmalige Carbolausspülungen 2%. 
Verfasser sah oft nach Behebung des Gatarrh trotz spitzwinkliger Anteflexion die Dys¬ 
menorrhoe schwinden und Conception eintreten. 


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Anders gestalten sich die therapeutischen Verhältnisse bei Retroflexionen und 
Versionen; diese haben ihren Grund in Erschlaffung der Douglas* sehen Falten und des 
Musculus retractor uteri; hier ist die mechanische Therapie am Platze. 

In Fällen, wo die Erschlaffung nicht constant ist, sondern nur vorübergehend ange¬ 
troffen wird, kann man durch kalte Sitzbäder, Vaginalirrigationen und namentlich durch 
kalte Klystiere die Douglas’ sehen Falten zur Contraction anregen ; oft wirkt eine Dilatatio 
uteri als energischer Reiz; zugleich sind Secale und Roborantien zu ordiniren; auch wäre 
dies ein Feld für Electricität, Massage und schwedische Gymnastik. 

Ist die Lageveränderung eine fixe, so ist in folgender Weise vorzugehen: Zunächst 
wird der Uterus reponirt; die Anwendung der Sonde zu diesem Zwecke ist zu verwer¬ 
fen ; die Reposition soll manuell, wenn nöthig unter Anwendung der Chloroformnarcose 
gemacht werden; ging vorher Dilatation voraus, so wird zur Reposition der Finger in 
den Uterus eingeführt; Durchreissung perimetritischer Stränge und flacheuhafter Adhä¬ 
sionen sind unter antiphlogistischer Behandlung nicht zu fürchten ; bei parametriti- 
s eben Verdickungen ist aber nicht zu forciren und die Behandlung zunächst gegen diese 
zu richten. 

Dass das blosse Einführen eines Hodge' sehen Pessariums die Repositioft des Uterus 
selbst besorge, ist ein falscher, leider häufig eingenommener Standpunct. 

Nach Reposition des Uterus ist derselbe durch ein zweckmässiges Pessarium in seiner 
normalen Lage zu fixiren; nach vorausgegangener Dilatation ist das Pessarium vorläufig 
durch Tampons zu ersetzen. Das Pessarium muss, falls es seinem Zwecke, die Douglas - 
scheu Falten zu ersetzen, entsprechen will, den Cervix verhindern nach vorne zu treten. 

Am besten sind hierfür 8-formige, über die Fläche S-förmig gekrümmte Gummi- 
druhtpessarien, oder bei mangelhaft festem Stützpunct Seitens des Beckenbodens Wiegen¬ 
pessare ; diese haben natürlich von einem Fall zum andern verschiedene Grösse und mo- 
dificirte Krümmungen; Intrauterinstifte sind auch hier zu verwerfen. 

Zur Anregung und Stärkung der Douglas’ sehen Falten sind kalte Klystiere, Irrigatio¬ 
nen nebst Roborantien und Seebädern (Nordsee) anzuwenden, für Darmentleerung ist zu 
sorgen ; nach einigen Monaten kann Heilung eintreten; da Pessarien die Conception nicht 
beeinflussen, tritt nicht selten Schwangerschaft ein und diese hat bei entsprechender Be¬ 
handlung des Wochenbettes meist einen günstigen Einfluss auf die Regeneration des M. 
retract. uteri und auf die Thätigkeit der Douglas' sehen Falten. 

Die bestehende chronische Metritis wird durch Herstellung der normalen Lage am 
besten beeinflusst, ebenso der Uteruscatarrh, dem zuerst auch durch Dilatation und Car- 
bolirrigation zu begegnen ist; Nabolh’ sehe Follikel sind breit zu eröffnen. 

Referent verweist zum Studium der Einzelheiten auf die Originalarbeit, die uns eine 
von rationellen Grundsätzen geleitete Therapie der Lageveränderungen des Uterus vor 
Augen führt. _ Dr. Dick. 


Cantonale Correspondenzen. 

St« Gallen« Unter dem vielversprechenden Titel: „Neue Methode für die 
Behandlung der Patellarfracturen“ bringt die Wiener med. Wochenschr. 
(Nr. 14 1880) einen Auszug aus der Petersb. med. Wochenschr., wonach „ Rossander in 
Stockholm die Querbrüche der Kniescheibe seit einiger Zeit mit Massage behandelt, und 
dass er dabei auf die Immobilisirung und Annäherung der Bruchstücke an einander we¬ 
niger Rücksicht nimmt, als auf die Erhaltung der Beweglichkeit des Gelenkes. So lässt 
er — heisst es daselbst weiter — die Kranken, nach Beseitigung des Ergusses aus dem 
Kniegelenke mittelst Massage, methodische Bewegungen des Kniees ausführen und die 
Kranken, das Knie blos mit einer Rollbinde unterstützt, umhergehen. Rossander’s Patien¬ 
ten konnten schon nach 3 Wochen das Hospital verlassen. Die Behandlung mit Massage 
und Bewegung rührt von Metzger in Amsterdam her“ — etc. 

Das Epitheton neu, das der erwähnten Methode in dem bekannten Wiener Fach¬ 
blatte zu Theil wird, veranlasst mich, hier die folgende alte Abhandlung im Auszuge, 
einzelne Stellen aber in extenso zu reproduciren. Dieselbe stammt nämlich aus einem 
von der Hand meines Urgrossvaters geschriebenen Collegienhefte, der vor ca. 100 Jahren 


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in Zürich Medicin studirte, und ist überschrieben: „Beobachtung von einem Bruch der 
Kniescheibe. tt Der Anfang derselben lautet: „Die Methoden, welche bei der Behandlung 
der Querbrüche der Kniescheibe empfohlen werden, sind gar sehr von einander ver¬ 
schieden, gewöhnlich rathet man an, man solle die Enden der Knochenstuken womöglich 
in Berührung bringen —, das Glied ohne es zu bewegen, mehrere Wochen lang ausge¬ 
dehnt erhalten, man hat auch viele Erfindungen von verschiedenen Binden, Riemen, Com- 
pressen, Schnallen, Knöpfen u. s. f., welche man in der Absicht anwandte, um die ge¬ 
trennten Knochenstücke näher bei einander zu behalten —. a 

Nach einem Excurs über die Lage fracturirter Glieder im Allgemeinen und die Moti- 
virung dieser Lage (Muskelzug) wird speciell das entsprechende Verhältniss am Knie be¬ 
handelt und fortgefahren: 

„Allein bisweilen ist durch die Würkung der vereinigten Sehnen der ausstreckenden 
Muskeln, das obere Stück zu stark nach aufwärts gezogen worden und auch selbst die 
ruhigste Lage, applicirte erweichende Mittel, die Knochenstück näher zusammenziehende 
Maschinen und Bandagen, erreichen den Endzweck nicht, und je länger das Glied in 
einer ausgedehnten Lage mehrere Wochen unterhalten und dabei drückende Maschinen 
angewendet werden, desto eher entsteht eine gänzliche Steiffigkeit des Gelenkes. — 
Dessnaben einige neuere berühmte Wundärzte die gewohnte Methode fahren lassen und 
vielmehr anrathen , nachdeme die gebrochenen Stücke so viel möglich zurück gebracht 
und in dieser Lage bestmöglichst erhalten worden sind, hernach das Glied ganz frey zu 
lassen, täglich das Glied zu biegen und auszudehnen, mit dem Erfolg, dass Diejenigen 
nach einem solchen Zufall am besten giengen, deren Kniescheiben quer durch und bey- 
nahe in 2 gleiche Stücke zerbrochen waren, deren zu Bette Liegen nur so lange ge¬ 
dauert hat, als die Entzündung dauerte , die nach dieser Zeit ihre Kniee täglich und 
mässig bewegt haben und bei denen die gebrochenen Stücke nicht ganz genau an ein¬ 
ander gebracht worden sind , sondern in einiger Distanz von einander entfehrnt blieben, 
denn obgleich bey dieser Behandlung das Knie im Anfang unbeweglich und unbiegsam 
zu seyn scheint und auch einige Zeit nachher in diesem Zustand blieb, so wurde doch 
durch Bähungen, erschlaffende Salben und die täglichen Bemühungen, das Gelenk zu be¬ 
wegen, dasselbe nach und nach beweglich, dass sie nunmehr in den Stand kamen, auf 
flacher Ebene ohne Beschwerd einher zu gehen und auch selbst ohne Beschwerd Treppen 
herauf und herunter zu steigen,“ — etc. 

Es folgen Erörterungen über die Ursachen der nach Kniescheibenbrüchen oft lange 
andauernden Gelenkssteifigkeit und im Anschlüsse daran wird die Quelle der neuen the¬ 
rapeutischen Winke angegeben: schon Pott und Warner „haben gezeigt, dass Diejenigen 
nach einem solchen Fall am besten gingen, die man nur kurze Zeit, so lange nämlich 
als die Entzündung dauerte, im Bette liegen liesse.“ Durch 2 in extenso beschriebene 
Fälle von Warner wird die neue Behandlungsweise und deren günstiges Resultat noch 
weiter beleuchtet Ein eigener, d. h. in der Zürcher Klinik damals demonstrirter Fall, 
spricht dann allerdings schon wieder weniger zu deren Gunsten. Die Observationes über 
denselben beginnen am 29. Juni 1788 und endigen am 10. September (Ferienanfang?) 
mit der nach dem Vorausgegangenen ganz unerwarteten Angabe: „Die Geschwulst des 
Kniees hatte sich eher vermehrt als vermindert und wenn sie es nur ein wenig biegen 
wollte, so verspührte sie eine starke Spannung in demselbigen.“ — Und diese Patientin 
würde sich wohl auch die Massage an ihrerb Knie energisch verbeten haben 1 

Lichtensteig. G. A. St&ger. 

Zürich. Mittheilungen aus der Praxis. 

1) Suicidium, Tod durch Ertrinken oder andere Todesursache? 

M. G., 60 Jahre alt, Gemüse- und Eierhändler, von kräftigem Körperbau und guter 
Constitution, mit Ausnahme vorübergehender Gastricismeu und leichtern Bronchialcatarrhen 
nie krank oder bettliegerig, fuhr am 20. August 1880 mit einem Schiffchen vom rechten 
Seeufer ab, um quer über den See nach Wollishofen zu gelangen, wo er Obst zu holen 
gedachte. Die Abfahrt geschah Abends nach 5 Uhr. Da weder Fährmann noch Schiff¬ 
chen am Abend heimkehrten, fuhren Morgens früh einige Nachbarn in einer Gondel auf 
den See hinaus, den Vermissten zu suchen, und fanden dann ziemlich mitten im See das 
leere Schiffchen und nicht weit davon den vermissten M. in vollkommen aufrechter Stel¬ 
lung im tiefen Wasser stehend, den Kopf über dem Wasser in steifer Haltung — und 

2 


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todt. M. war in eiaer Lebensversicherung versichert, das Publicum sprach allgemein 
von Selbstmord des Verstorbenen, und wurde von der Versicherungsagentur die Ob- 
duction gewünscht. Diese wurde am 21. August Nachmittags vorgenommen und ergab 
folgendes unerwartete Resultat: 

Kräftiger, gut gebauter Körper, ziemliche Todtcnstarre, Hautpapillen erhaben, Cutis 
anserina, Präputium retrahirt, kein Livor, Gesicht nicht aufgetrieben, Daumen nicht ein¬ 
geschlagen, Arme nicht angezogen, sondern die Hände halb geöffnet und die Arme leicht 
vorgestreckt — Stellung wie beim Gebrauch von Stehruderu. Weder aus Mund noch 
Nase ergiesst sich Schaum oder Flüssigkeit 

SeCtion des Schädels. Kopfhaut leicht löslich, auf dem Craniuro mässiger Blutgehalt. 
Schädelkapsel sehr dick, mittlerer Blutgehalt, ziemliche Verwachsung am Sulcus longitu- 
dinalis. Pia ziemlich blutreich, leicht löslich, nur am Sulc. longitud. einige verwachsene 
Stellen, im übrigen durchsichtig, geringes Oedem, einige Trübungen entlang den Gefäs- 
sen, welche leicht injicirt sind, mehrere Pachyonische Granulationen am Sulcus longitu- 
dinalis. Hirnsubstanz leicht ödematös, blassgrau, wenig Blutpuncte. Ventrikel nicht er¬ 
weitert, Hirnwasser nicht vermehrt Im Cerebellum normaler Blutgehalt; weder in den 
Gross- noch Kleinhirnlappen noch in den grossen Ganglien etwas Abnormes zu coo- 
statiren. 

Brust und Bauchhöhle. Mässiger Paniculus. Muskulatur kräftig, normal fleischroth, 
Herz überlagert von den Lungen. Dieselben beiderseits, besonders am Apex adhärent, 
sehr stark emphysematös, kein Oedem, Blutgehalt normal, aus den Bronchien spär¬ 
lich blutig-schaumige Flüssigkeit; Bronchialschleimhaut blassrosa, wenig geschwellte 
Bronchialdrüsen stark pigmentirt. Herz wenig vergrössert, einige Sehnenflecke auf dem 
Epicard, im Pericard spärlich seröse Flüssigkeit, Epicard verfettet. Das linke Herz 
b teinbart contrahirt und schwer anzufühlen. Linker Herzmuskel 
hochgradig hypertrophirt bis zu l 1 /, cm. Dicke; Aortalklappeu normal. An 
den Mitralklappen die noduli wulstig verdickt; Papillarrouskeln und Sehnen verkürzt : 
„Insufficienz der Valvula mitralis.“ Der Herzmuskel ist röthlichgrau 
und fühlt sich seifig an. Das rechte Herz verfettet, leicht dilatirt, Klappen nicht 
degenerirt, mässiger Blutgehalt der Ostien. Keine Gerinnsel. 

Leber normal gross, ziemlicher Blutgehalt; die Gallenblase enthält ca. 60,0 grmm. 
normale Galle; Milz in der Dicke etwas vergrössert, Trabekeln sehr deutlich. Beide 
Nieren leicht zu lösen, Kapsel leicht abziehbar. Kelche und Rindensubstanz normal; 
Magen stark ausgedehnt mit Gasen und flüssigem Inhalt; derselbe beträgt gegen 1 Liter 
Flüssigkeit, gemischt mit Speiseresten und von säuerlich weinigem Geruch ; Schleimhaut 
blass, wenig gewulstet, nur am Pylorus eine stärker »injicirte Stelle. Im Darm nichtB 
Besonderes. 

Anatomische Diagnose: Vitium cordis, Insufficienz der Valvula mitralis. Hypertrophie 
des linken Ventrikels, Verfettung des Herzens, hochgradiges Emphysem der Lungen, mäs- 
siges Hirrusdem. 

Epicrise. G. M., der an Emphysem und Vitium cordis leidet und dessen Herz 
bereite verfettet ist, rudert bei Augusthitze mit Stehrudern. Die Anstrengung dieser 
Arbeit bei der erhöhten Lufttemperatur führen augenscheinlich zu Herip aralyse, 
das Herz steht in systolischer Stellung still, der Exitus ist ein plötzlicher und M. fällt, 
bereits verschieden, über das Bord des Schiffchens, Arme und Hände noch in der Stel¬ 
lung, wie er sie zum Rudern gebraucht hat. Dass der Exitus vor dem Sturz in’s Wasser 
erfolgt ist, beweist der absolute Mangel der für den Ertrinkungstod pathognomischen Er* 
scheinungen von Asphyxie, es fehlt die Hyperaemie in Gehirn und dessen Adnexen, wie 
in den Lungen und deren Atrien, es fehlt das massenhaft verschluckte Wasser ; der Ca- 
daver sinkt nicht, er steht aufrecht mitten im tiefen Wasser. Letztere 
Eigentümlichkeit war nur möglich in Folge des hochgradigen Emphysems. Die enorm 
aufgetriebenen Lungen hielten den Körper aufrecht wie ein guter Schwimmgürtel. Es 
liess sich also mit Sicherheit behaupten, dass der Verstorbene nicht ertrunken, 
dass von einem Suicidium keine Rede sein konnte, sondern dass 
derselbe an Herzparalyse in Folge Herzfehlers und Verfettung des Herzmuskels vor 
dem Sturz in’ s Wasser gestorben sei. 

Die Versicherungsgesellschaft zahlte den versicherten Betrag sofort aus. 


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2) Insultus apoplecticus, beidseitig verzogene Pupillen, 
Streckkrämpfe der Extremitäten. 

Frau F., 46 Jahre alt, eine robuste plethorische Figur mit bedeutender Fettentwick¬ 
lung, war stets gesund bis vor einem Jahr, wo ein leichter apoplectiformer Anfall sich 
einstellte, der ganz rasch und ohne bleibende Störungen zurückzulassen verlief; ganz ähn¬ 
lich war der Verlauf bei einem zweiten analogen Anfall vor 6 Monaten. Das Bewusst¬ 
sein war nur ganz kurze Zeit aufgehoben und kehrte mit Bettruhe und Eis spontan 
zurück — keine paretischen Symptome. Von da an vollkommene Euphorie. 

Am 12. October 1880, Morgens 9 Uhr, fällt Patientin ohne alle Prodromen in der 
Küche jählings zusammen und stürzt auf den Boden. Dem herbeieilenden Töchterlein 
konnte sie noch sagen: „es macht nichts, es geht schon vorbei“, dann schwand das Be¬ 
wusstsein vollkommen und Patientin wurde in's Bett gebracht. Ich sah die Kranke um 
10 Uhr. Dieselbe lag paralytisch im Bett. Gesichtszüge verfallen, stertoröse unregel¬ 
mässige Respiration, von Zeit zu Zeit Zuckungen der Extremitäten und zwar beidseitig 
und gleichzeitig aus leichter Flexionsstellung in stärkste Extension: „Streckkrämpfe“. 
Augen geschlossen. Pupillen mehr als zur Hälfte erweitert, gar nicht 
reagirend und alle beide bimförmig verzogen, der breitere Theil nach 
innen und unten, der schmälere Theil nach aussen und oben gerichtet Mehrmals Er¬ 
brechen. Gesichtsmuskeln schlaff, auf keine Reizungen reagirend. Masseteren contrahirt. 
Bulbi etwas nach aussen rotirt. Puls 50— 56, unregelmässig, hie und da aussetzend, die 
Respiration nimmt mehr und mehr den Cheyne- Stocke 'sehen Typus an. Temperatur nicht 
erhöht. Absolute Ruhe. Eisblase auf den Kopf und Blutegel an die Schläfen wurden 
ordinirt, zeitweise etwas stimulirendes Getränk. Nachmittags 2 1 /, Uhr erfolgte der pro- 
gnosticirte Exitus letalis unter vorangehendem Verfall der Kräfte und langer Agonie. 

8ection den 13. October 1880, Nachmittags 2 Uhr. Sehr fetter Körper. Todten- 
starre. Wenig Livor mortis. Kopfhaut und Schädelkapsel mässiger Blutgehalt, nichts 
Abnormes. Schädeldach enorm dick, mit der Dura mater an mehreren Stellen ziemlich 
innig verwachsen. Nach Lösung präsentirt sich die Dura blutreich, an der Oberfläche 
trocken. In der Pia mater starke Füllung der grösseren und mittleren Gefässe; sie fühlt 
sich trocken an, kein Oedem, ist leicht löslich, am sulcus longitudinalis einige Pachyoni - 
sehe Granulationen. Sulci des Gehirns verstrichen, die Gyri abgeplattet, Hirnoberfläche 
trocken., kein Oedem. Beim Herausnehmen und Lösen des Gehirns aus den Schädel¬ 
gruben zeigt sich an der Hirnbasis ein mehr als daumeo bailengros Bes, fest 
am Gehirn adhärentes Blutgerinnsel gerade über dem Chiasma nervorum 
opticorum und bis gegen das Kleinhirn sich erstreckend. Der apoplectische Herd besteht 
aus festgeronnenem schwarzrothem Blutklumpen, in welchem zerstreut einige scheinbar 
organisirte blass rostrothe Partikel vertheilt sind — zertrümmerte Gehirnmasse. 
Beim vorsichtigen Lösen und Losspühlen des Gerinnsels zeigt sich die Gehirnsubstanz bis 
gegen die rechte Fossa Sylvii zertrümmert und reicht die Zerstörung in die Tiefe bis in 
den mittlern und den rechten Seitenventrikel. 

Die Arterien des Gehirns, besonders die A. basilaris wie übrigens auch die mittlern 
und kleinern Gehirnarterien sind sämmtlich hochgradigst verfettet. Hirnsubstanz wenig 
blutreich. Nach flacher Eröffnung der Ventrikel von oben her findet sich der ganze rechte 
Seiten Ventrikel, der mittlere Ventrikel sowie das Hinterhorn des linken Seitenventrikels 
mit einem Blutgerinnsel gleicher Beschaffenheit wie das an der Gehirnbasis erfüllt. Bo¬ 
den des rechten Seitenventrikels bis in die grossen Gehirnganglien hinein erweicht und 
zertrümmert, so dass eine grosse Communicationsöffnung nach der Basis hin zu dem dor¬ 
tigen Gerinnsel führt. Zwischen Pons und Medulla oblongata, zwischen die Pedunculi 
ad Cerebellum und zwischen die Pyramiden hinein sind mehrere besondere Gerinnsel 
eingekeilt. Im Cerebellum nichts von palpabeln Veränderungen. In den Hinterhaupts¬ 
gruben sammelt sich ca. 60,0 grmm. blutig-seröse Flüssigkeit 

Das Herz ist bedeutend vergrössert — cor bovinum — mit mächtigen Fettauflage¬ 
rungen. Linker Ventrikel sehr verdickt, bis auf 1,6—2,6 cm. und verfettet; Papillar- 
muskeln hypertrophisch; verkalkte Partien an den Klappen, besonders an den Aortal¬ 
zipfeln. Ventrikel und Atrien leer. Die Arteria Aorta zeigt stark ausgebildete atheroma- 
töse Degeneration. 

Lungen emphysematös gebläht, stellenweise mit dem Rippenfell verwachsen. Kein 



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Oedem; Hyperaemie der hintern und untern Partien — Hypostasen. In den Pleurahöhlen 
wenig Berum. 

Magen und Gedärme von Gasen enorm aufgetrieben. Magenschleimhaut blass, nicht 
gewulstet, keine Ecchymosen. Leber gross, blassgelb, seifig anzufühlen. An der Gallen¬ 
blase nichts Besonderes zu finden. 

Milz bedeutend vergrössert und sehr blutreich. Pancreas ohne nachweisbare Ver¬ 
änderung. Nieren gross, von bedeutenden Fettmassen umhüllt, Nierengewebe verfettet. 
Peritonäum und besonders das Omentum majus mit colossalen Fettknollen durchsetzt. 

Anatomische Diagnose: Allgemeine Fettsucht, atheromatöser Process, Ver¬ 
fettung und Verkalkung der grossen mittleren und feineren Arterien; apoplectischer Herd 
an der Hirnbasis mit Zertrümmerung des Ventrikelbodens rechts und Blutung in die Bei- 
tenventrikel und den mittleren Ventrikel. Blutung und Erguss bis zum Pons und ver¬ 
längerten Mark. Verfettung, Hypertrophie und Dilatation des Herzens, Lungenblähung 
und pleuritische Adhäsionen. Hyperaemie und Vergrösserung der Milz. Fettige Degene¬ 
ration von Leber und Nieren. Enorme Fettbildung im Bauchfell und im Netz ins¬ 
besondere. 

Epicrise. Die directe Todesursache ist die wirklich enorme Apoplexie an der 
Hirnbasis und deren zerstörende Einwirkung auf Hirnsubstanz und Ventrikelhöhlen. Die 
secundäre Veranlassung zur Apoplexie ist die allgemeine Fettsucht und der atheromatöse 
Process, welcher in der Degeneration der Hirnarterien directe Veranlassung zur tödtli- 
chen Blutung — Apoplexie — wurde. Der Sitz dieser letztem und deren deletäre de- 
structive Einwirkung auf bedeutende Bezirke der Hirnsubstanz, sowie die Ergüsse in die 
Ventrikel und abwärts gegen Pons und Pyramiden erklärt auch die intra vitam beobach¬ 
teten doppelseitigen Erscheinungen, die Verziehung der Pupillen, die Streckkrämpfe der 
Extremitäten. Zum Verwundern ist nur, dass das Leben nicht viel früher erlosch und 
ein blitzartiger plötzlicher Exitus erfolgte. 

3) Insultus apoplecticus; linksseitige Hemiplegie, links¬ 
seitige Facialisparese. 

Frau Bch., 58 Jahre alt, marantische, schwächliche, abgemagerte Frau, erlitt am 

3. October 1880 einen apoplectischen Insult. Das Bewusstsein ist vollkommen aufge¬ 
hoben, die Extremitäten und die ganze übrige linke Seite vollkommen gelähmt, sowie 
auch die ganze linke Gesichtshälfte schlaff herunter hängt und auf äussere Reize gar 
nicht reagirt, während rechts die Sensibilität erhalten ist. Puls 50—60, Temperatur 
nicht erhöht, Pupillen mittelweit reagirend, . gleich gross , mehrmals Erbrechen. Sedes 
inscientes. Eisblase auf den Kopf. Ergotin 1,5 : 150 Colatur. 

4. October 1880. Im Allgemeinen Status idem, doch streckt Pat. auf lauten Anruf 
die Zunge mit Mühe ein wenig heraus und zwar nach links. Mit Mühe wird die Zunge 
wieder zwischen den Zähnen zurückgezogen. Es gelingt, der Pat. etwas Nahrung bei¬ 
zubringen. 

5. October. Sensorium immer noch sehr getrübt. Auf peripherischen Reiz an den 
gelähmten Extremitäten zeigen sich Reflexzuckungen , die Paralyse jedoch ist immer 
gleich absolut. Pupillen gleich schlecht reagirend. 

6. October. Pat. soll einige Mal gesprochen haben, jedoch sofort wieder in den so¬ 
porösen Zustand zurück verfallen sein. Puls 66, Temp. nicht erhöht. Schnarchende Re¬ 
spiration. Herztöne scharf accentuirt, keine Geräusche. Stuhl und Urin immer noch in's 
Bett. Paralyse gleich. Eisblase, Ernährung. 

8. October. Die letzten zwei Tage ist das Sensorium mehrmals auf Momente so 
weit zurückgekehrt, dass Pat. verständlich einzelne Worte und kurze Sätze sprach. Die 
Nahrungsaufnahme geht ordentlich von Statten. 

10. October. Ad pejus. Sensorium absolut aufgehoben seit vorgestern, tiefer Sopor. 
Stertoröse Respiration. Puls 70, klein, unregelmässig. Pupillen nicht reagirend, die 
rechte Pupille sehr deutlich grösser als die linke. 

11. October. Exitus letalis nach einer protrahirten Agonie. 

12. October. Section. Kopfhaut und Schädeldach nichts Abnormes. Schädelkapsel 
mit der Dura mater nicht verwachsen. Mittlerer Blutgehalt der Dura. Auf der ganzen 
rechten Hirnhälfte, am intensivsten aber über dem lobus medius im subduralen und 
subpialen Raum „Bluterguss“ , der diffus verbreitet ist und seinen Ursprung vom 


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mittlern Lappen nimmt. Linke Hirnhälfte frei. Kein Oedem, geringer Blutgehalt. Von 
der Hirnbasis aus constatirt man in der rechten Fossa Sylvii einen apoplecti- 
sehen Herd, der den ganzen mittleren Lappen durchsetzt und die hintern untern Par¬ 
tien in ihrer Himsubstanz zerstört hat durch Zertrümmerung und Erweichung. 
Die apoplectische Betheiligung zieht sich nach hinten bis gegen das Cerebellum, beson¬ 
ders auch auf dem pedunculus cerebri dexter. Ventrikelinhalt nicht vermehrt. Atheroma- 
töse Degeneration der Arterien. 

4) Tumores cerebelli. 

B. L., 8 Jahre altes, erethisch-scrophulöses Mädchen in elendesten Verhältnissen, 
öfter schon krank an catarrhalischen Affectionen der Schleimhäute der Luftwege und 
deren Adnexe, machte im Februar 1880 Masern, Scharlach und Diphtheritis rasch nach 
einander glücklich durch. Doch blieb das Kind von da an noch schwächlicher und die 
vorher sehr massige Intelligenz ward noch mehr reducirt. In der zweiten Woche März 
fing das Kind an über Kopfweh, Uebelkeit, allgemeines Unwohlsein zu klagen. Appetit 
vermindert sich, Uebelkeit, einige Male Erbrechen, 8chlaf unruhig, trotz beständigem, 
duselig-schläfrigem Wesen. Am 13. März 1880 sah ich das kranke Mädchen zum ersten 
Mal. Dasselbe ist äusserst abgemagert, liegt zusammengekauert im Bett, mit Vorliebe 
auf der linken Seite. Pupillen reagirend, mittelweit, keine Differenz. Puls 80—90, Tem¬ 
peratur 38,6°. 

Die Diagnose lautete in Hinsicht auf Anamnese und Status präsens auf tuberculöse 
Meningitis. Bei den täglichen Besuchen constatirte ich den immer deutlicher sich aus¬ 
bildenden Status cerebralis. Das Kind liegt meist in linker Seitenlage etwas verdreht, 
Zähneknirschen, spärliche Emesis , sporadische leichte Zuckungen an Extremitäten und 
Gesichtsmuskeln. Schlaf immer sehr unruhig. Durchdringende Schreie von Zeit zu Zeit, 
cris hydrocöphaliques. Vom 19. März 1880 an treten eigentliche grosse Convulsionen auf 
und zwar beidseitig an Extremitäten, Stamm und Kopf. Nackenstarre, Trismus, kahn¬ 
förmiger Bauch, starr gestreckte Extremitäten, Tremor. Puls 80—100, Temperatur meist 
über 38,5°. Respiration coupirt. Häufiges, durchdringendes Schreien. Pat. liegt immer 
mehr nach links und wälzt sich beinahe aufs Gesicht. Grosse Unruhe, besonders Nachts. 
Verfall der Kräfte. 

Bis zum 23. März 1880 Andauer dieses Zustandes. Neben der in solchen Fällen 
gebräuchlichen Therapie ward mit Wickelung und relativ grossen Chloraldosen zeitweise 
etwas Ruhe geschafft. Aeusserst schmerzvolle , 2 Tage dauernde Agonie , mit weithin 
hörbarem Schreien. 

Bohren, Wälzen und Drehen mit Kopf, Hals und Rumpf, in ganz auffallender 
Weise nach links. Exitus am 23. März, Abends. 

Section am 24. März 1880. Kopfhaut mittlerer Blutgehalt. Rhachitisch ver¬ 
dünnte Schädelkapsel, mittlerer Blutgehalt der nicht adhärenten Dura. Pia ziemlich blut¬ 
reich, wenig Transsudat im subpialen Raum, leicht löslich. Gyri et Sulci nicht verstri¬ 
chen. Substantia cerebri mittelfeucht, keine Hyperämie. An der Hirnbasis fand sich die 
erwartete basilar-meningitische Auflagerung nicht vor. Weder in Pia noch * Arachnoi- 
dea noch entlang den Gefässen können die erwarteten Miliartuberkel gefunden werden. 
Ventrikel nicht dilatirt Kein Hydrocephalus internus. Im Grosshirn weder in den Lap¬ 
pen noch den grossen Ganglien ein Herd zu finden. Cerebellum mässig blutreich. Am 
hintern Rand nahe der Peripherie, links gegen die Medianlinie, findet 
sich ein haselnussgrosser Tumor von rundlicher Form, ziemlich harter Consi- 
stenz, gelblicher Farbe, vom Gewebe des Cerebellums deutlich abgegrenzt, durchschneid¬ 
bar ohne Knistern, aber mit einiger Resistenz, der Materie nach unzweifelhaft aus t u - 
borculöser Masse bestehend. Im rechten Cerebellum , tiefer in die Substanz 
eingelagert, findet sich ein pfefferkorngrosser ähnlicher Tumor. Die 
Section der Brust- und Bauchhöhle bestätigt die angedeutete Provenienz der Tumoren des 
Cerebellums. Es fanden sich einige verkäste Bronchialdrüsen und geschwellte Mediastinal- 
und Retroperitonealdrüsen. 

Dieser Fall bietet mehrfaches Interesse sowohl nach Verlauf als nach dem^Sections- 
resultat. 

5) Disseminirte gehäufte Tuberkel der Convexität. 

K. H., 36 Jahre alt, ein gänzlich heruntergekommenes Individuum, das der Potation 


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in hohem Grade ergeben, einen vagirenden Lebenswandel führte, kam am 24. März 1876 
in meine Behandlung. Pat., in einer elenden Dachkammer liegend, zeigt sich stupid, mit 
fast ganz aufgehobenem 3ensorium, einzelne zitternde Bewegungen der Extremitäten. 
Nahrungsaufnahme ist sehr erschwert. Bis zum 28. unter zunehmendem Sopor, zeitweise 
unterbrochen von tonischen und clonischen Convulsionen, dauerte dieser Zustand, dann 
erfolgte der Exitus letalis. Die Diagnose war auf Meningitis tuberculosa gestellt worden. 

Section am 29. März 1876. Kopfschwarte und Schädeldach bieten nichts Besonde¬ 
res. Ziemlicher Blutgehalt der Dura mater. Mehrere adhärente Stellen. Zahlreiche 
Pachioni’Qche Granulationen. Oedem der Pia. Starke Injection der Blutgefässe der Pia, 
die im Allgemeinen leicht löslich. Ueber die ganze Convexität und bis an die 
Basis cerebri in der Rinde disseminirt eine Anzahl hanfkorn- bis 
pfefferkorngrosser Tuberkelknoten, die sebarf umgrenzt, von gelblicher 
Farbe, sich über die Peripherie der Hirnrinde etwas erheben. Ziemlich resistent anzu¬ 
fühlen, ergibt sich beim Durchschneiden ein massiger Widerstand, und zeigen die Schnitt¬ 
flächen das Bild eines kleinen Tuberkeltumors. Es fanden sich Uber 20 solcher 
Tuberkelknoten ziemlich gleichmässig Uber die ganze Hirnperipherie zerstreut. Miliar- 
tuberculose der Hirnhäute wurde nicht gefunden, und auch kein wesentlicher Hydro- 
cephalus internus. Section der Brust und Bauchhöhle ergab Tuberculose der serösen 
Häute, Verkäsung sämmtlicher Drüsen, ausgebreitete Zerstörung der Lungen. 

6) Erysipelas traumaticum, septische Meningitis. 

K. E., 2 1 /, Jahre altes Töchterlein von zarter Constitution, sonst aber gesund, sehr 
lebhaft und intelligent, zog sich in der letzten Woche Juli 1880 durch Umfallen eine 
ganz kleine Schürfung am rechten Knie zu. Der fürchterliche Donnerschlag, der dem 
Blitzschlag in die GrossmUnsterthürme in jenen Tagen folgte , erschreckte das Kind so 
enorm, dass es in Convulsionen verfiel. Die damals requirirte ärztliche Hülfe unternahm 
gelegentlich auch eine Untersuchung des etwas empfindlichen Kniees rechts, mit der 
kleinen Schürfwunde. 

Am 31. Juli sah ich das Kind zum ersten Mal, Abends spät, und constatirtc um die 
Excoriation herum einen gut doppelthalergrossen erhabenen rothen Hof, das Knie etwas 
geschwollen, Temp. 39,0°, Puls 120, sonst relative Euphorie. Diagnose auf Erysipe¬ 
las traumat. war unzweifelhaft. Sofort wurde strengste Antisepsis in loco morbi an- 
goordnet und bei vorzüglicher Pflege durchgeführt, innerlich Natr. salicyl. 

Die nächsten Tage zeigt sich das Erysipel als migrans und bullosum. Euorme 
Blasen, Vorschreiten der Infiltration nach unten und oben trotz Antisepsis und subcutanea 
2°/ 0 Carbolwasserinjectionen. Nach 8 Tagen war das ganze rechte Bein von der Fuss- 
spitze bis zum Glutaßus und Labium majus inbegriffen, unförmlich geschwollen, missfarben 
roth, bedeckt von Epidermisfetzen — Rudera der mächtigen Blasen — innen am Ober¬ 
schenkel und am rechten Labium grosse gangränöse Partien, die bis tief in’s Zellgewebe 
hineiureichen. Enorme Schmerzhaftigkeit, Febris continua. Puls immer sehr frequent, 
120—150. 

Vom 9. August 1880 an treten Symptome einer Cerebralaffection auf, 
Zähneknirschen, Vomitus, Strabismus, Nystagmus, Nackenstarre; am 10. und 11. traten 
zeitweise Convulsionen hinzu, und am 12. August 1880 erfolgte der endlich ersehnte Exi¬ 
tus letalis, um den enormen Qualen der kleinen Dulderin ein Ende zu bereiten. Section 
nicht gestattet Als Consiliarius stand Herr Prof. 0. Wyss in freundlicher Weise helfend 
und rathend zur Seite. 

Die Diagnose auf septische Meningitis wurde von demselben bestätigt 

Riesbach. Dr. med. Bohrer . 


W oehenberioht. 

Schweiz. 

Eidgenössische Hedlclnalpröftnngen 1880. Wir sind autorisirt, die 
Resultate der eidgenössischen Medicinalprüfungen des Jahres 1880 mittheilen zu dürfen 
und durch freundliches Entgegenkommen des Herrn Präsidenten des leitenden Ausschus¬ 
ses in die Lage gesetzt, die Mittheilung jetzt schon machen zu können, nachdem soeben 
(9. Dcc.) das letzte Examen (in Basel) abgehalten wurde. 


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23 


Es ergibt sich folgende, uns zugestellte Uebersicht: 

Eidg. Medicinalprtifungen 1880. 


med. 


pharm. 

thier- 

ärztl. 


Basel. 

Bern. 

Genf. 

Lausanne. 

Zürich. 

Zusamm. 

Total 



T3 

fl 


fl 


fl 


fl 


T3 

fl 


a 

Genü- 

T3 

fl 

© 

60 

c 

© 

60 

T3 

fl 

© 

60 

fl 

© 

60 

fl 

© 

60 

fl 

© 

60 

gend Im 

© 

60 

A3 

C 

fl5 

V 

60 

A3 

fl 

A3 

© 

A3 

© 

60 

A3 

fl 

A3 

© 

A3 

© 

60 

9 

fl 

A3 

und 

© 

60 

© 

60 

A3 

fl 

© 

6C 

© 

60 

A3 

fl 

© 

60 

© 

60 

unge- Ganzen. 

« 

O 

fl 

P 

© 

0 

o 

p 

© 

0 

fl 

P 

© 

0 

a 

P 

© 

0 

□ 

P 

© 

0 

fl 

P 

nügnd. 

Prop. Pr. 12 

4 

29 

8 

5 

3 

— 

— 

25 

8 

71 

23 

941 

179 med. 

Fachpr. 16 

3 

19 

11 

12 

2 

— 

— 

19 

3 

66 

19 

85 f Prüfungen. 

Vorpr. 3 

1 

3 

2 

— 

— 

— 

— 

3 

2 

9 

5 

14 

t 87 pharm. 

Prop. Pr. 3 

— 

2 

— 

2 

— 

13 

4 

2 

1 

22 

5 

27 

[ Prü- 

Fachpr. 1 

1 

7 

1 

6 

1 

14 

3 

9 

3 

37 

9 

46 

| fungen 

Prop. Pr. — 

— 

2 

2 

— 

— 

— 

— 

12 

1 

14 

3 

17 

[ 35 thier- 

Fachpr. — 

— 

4 

— 

— 

— 

— 

— 

9 

5 

13 

5 

18 

ärztl.Prüfg. 


35 9 66 24 25 6 27 7 79 23 232 69 301 301 Prüfgn. 


44 


90 


31 


34 


102 


301. 


Es lassen sieb natürlich aus den Zahlen eines Jahres keine allgemeinen Schlüsse 
ziehen: die letztem bleiben einem spätem, sich auf eine längere Reihe von Jahren stützen« 
den Rückblick Vorbehalten. Die Zahl und die Art der Prüfungen wechseln jährlich sehr 
beträchtlich ; Bern hatte jedoch auch letztes Jahr weitaus die meisten ärztlichen Examina. 

Die Prüfungen Hessen dieses Jahr mehr Hoffnungen zu Wasser werden als 1879: es 
fanden Prüfungen statt 301 (1879: 283), wovon Durchfälle 22,5% (1879: 21,2%)- Stellen 
wir die Durchfälle übersichtlich zusammen, so finden wir als Durchschnitt aller Prüfungs- 
sitze bei den sämmtlichen Prüfungen 22,5% Durchfälle, bei den medicinisch-propädeuti¬ 
schen Prüfungen 24,4, der medicinischen Fachprüfung 22,3 (bei beiden zusammen 23,4%), 
der pharmaceutischen Vorprüfung (Maturität) 35,7 , der pharmaceutisch-propädeutischen 
Prüfung (Gehilfenexamen) 18,4, der pharmaceutischen Fachprüfung 19,4, der thierärztlich- 
propaedeutischen 17,5 und der thierärztlichen Fachprüfung 27,7%. 

Für die medicinischen Prüfungen allein ergeben sich Procente der 

Durchfälle. Zahl der Prüfungen. 

Propaed. Prop. und 



Propasd. und 

Prüfung 

Fachprüfung Fachprüfung 

Propsod. 

Fach- 


Fachprüfung. 

allein. 

allein. 

zusammen. 

Prüfung. 

prüfung. 

Basel 

20 

25 

15,7 

19,5 

17,0 

22,3 

Bern 

28 

21 

36,6 

37,4 

39,3 

35,2 

Genf 

22,7 

37,5 

14,2 

12,2 

8,5 

16,4 

Zürich 

20 

24 

13,6 

30,7 

35,1 

25,8 


Wir wiederholen, dass sich aus den Zahlen eines Jahres keine allgemein gültigen 
Schlüsse ziehen lassen. So stehen z. B. die 37,5% der Durchfälle bei der propädeuti¬ 
schen Prüfung in Genf nicht in correspondirendem Verhältniss zu den Resultaten des 
letzten Jahres, finden aber die Möglichkeit ihrer Entstehung leicht in der kleinen Zahl 
der Examinirten. 

Die Vertheilung der anno 1880 abgehaltenen ärztlichen Prüfungen (propädeutischen 
und Fachprüfungen) nach der Cantonsangehörigkeit und den Prüfungssitzen (die Zahlen 


bedeuten Prüfungen, nicht Personen) zeigt folgende Uebersicht: 


A. Schweiz. 

Basel. 

Bern. 

Genf. 

Zürich. 

Zusammen. 

Aargau 

5 

7 

— 

6 

18 

Appenzell A.-Rh. 

1 

— 

— 

1 

2 

Baselland 

1 

— 

— 

— 

1 

Baselstadt 

3 

— 

— 

1 

4 

Bern 

— 

14 

2 

— 

16 

Freiburg 

— 

4 

2 

1 

7 

Transport 

10 

25 

4 

9 

48 


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24 



Basel. 

Bern. 

Genf. 

Zürich, 

Zusammen. 

Transport 10 

25 

4 

9 

48 

St. Gallen 

1 

10 

— 

7 

18 

Genf 

— 

1 

1 

— 

2 

Graubünden 

— 

3 

— 

5 

8 

Luzern 

— 

5 

— 

1 

6 

Neuenburg 

3 

1 

2 

3 

0 

Schaffhausen 

— 

— 

— 

2 

2 

Schwyz 

2 

1 

— 

3 

6 

Solothurn 

1 

4 

1 

1 

7 

Tessin 

— 

1 

— 

2 

3 

Thurgau 

1 

— 

— 

5 

6 

Unterwalden 

N.-W. 1 

2 

— 

— 

3 

» 

O.-W. 1 

— 

— 

— 

1 

Waadt 

6 

8 

9 

— 

23 

Wallis 

2 

— 

2 

— 

4 

Zürich 

1 

— 

— 

11 

12 

Zug 

4 

1 

— 

1 

6 

B. Ausland. 
Deutschland 1 

3' 

1 

3 

8 

Oesterreich 

1 

2 

2 

— ■ 

5 

Russland 

1 

— 

— 

1 

2 

England 

— 

— 

— 

1 

1 


35 67 22 55 179 ärztl. Prüfgn. 

Die Cantoae Appenzell I.-Rh,, Glarus und Uri siod nicht vertreten. 

Die hohen Zahlen lehren uns sprechend, welche grosse Last von Arbeit und Mühe 
in all’ diesen Prüfungen sowohl für den leitenden Ausschuss, namentlich seinen Präsiden¬ 
ten, als auch für die Examinatoren liegt. Für sie Alle werden die Examina oft genug 
auch zur „Prüfung“ ! 

Es freut uns aber doch, dass sich die Neuerung so rasch und so ganz eingelebt hat. 
Wir sind überzeugt, dass es mit der Durchführung des eidgenössischen Seuchen ¬ 
gesetzes ganz ähnlich gehen würde. 

Die Aerzte der Schweiz sind allen bei dem Prüfungsgeschäfte mitwirkenden Männern 
zu Dank verpflichtet. 

Eidgenössische HedidnalprAftiDgeii« Wir veröffentlichen die nach¬ 
folgende „Bekanntmachung, zu Händen der HH. Studirenden der Medicin, Pharmacie und 
Thierheilkunde“, die vom eidg. Departement des Innern genehmigt wurde. 

Der leitende Ausschuss hat in Ausführung des Artikel 73 des Reglements vom 
9. Juli 1880 und mit Genehmigung des eidg. Departements des Innern betreffend Einfüh¬ 
rung des oberwähnten Reglements und Anwendung desselben im Uebergangsjahre 1881 
beschlossen, wie folgt: 

Vom 1. Januar 1881 an treten in Kraft und werden nach Anleitung des Reglements 
ausgeführt: 

a) die Abschnitte I und II, resp. die Artikel 1—38 des Reglements vom 2. Juli 
1880, behandelnd die Organisation des Prüfungswesens und die allgemeinen Prüfungs¬ 
bestimmungen. 

b) der Abschnitt III, behandelnd die besondern Prüfungsbestimmungen und die 
Bchluss- und Uebergangsbestimmungen, also Art 39—74 , mit folgenden Modifi- 
cationen: 

1) die ZulaBsbedingungen sind für das Jahr 1881 noch an allen Prüfungssitzen die 
nämlichen wie die bisher an denselben geltenden; 

2) bezüglich des Inhalts der Prüfungen sollen folgende Erleichterungen für das Jahr 
1881 eintreten: 

in der medicinischen Fachprüfung werden erlassen: die Prüfung in der Physiologie 
(Art 51, 1) an denjenigen Prüfungssitzen, an welchen sie bisher nicht gefordert wurde; 
ferner an allen 8itzen diejenige Abtheilung der pathologisch-anatomischen Prüfung, welche 
unter Art 45, lit. b aufgeführt ist; ferner an allen Prüfungssitzen die practische Prüfung 


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25 


in der Augenheilkunde (nach Art. 49), wofilr an den deutsch-schweizerischen Sitzen wie 
bisher in der mündlichen Schlussprüfung Über Augenheilkunde geprüft werden soll; 

in der pharmaceutischen Fachprüfung werden im Jahr 1881 erlassen: die quantita¬ 
tive Analyse (Art. 58, 2, b) und die microscopische Bestimmung (Art. 58, 3) an den¬ 
jenigen Sitzen, an welchen sie bis jetzt nicht gefordert worden ist; jedoch ist in diesem 
Fall im mündlichen Examen über quantitative Analyse wie bisher zu prüfen; 

in der thierärztlichen Fachprüfung wird im Jahr 1881 erlassen : die microscopische 
Präparation (Art. 65, 1); 

in allen übrigen Theilen wird nach dem neuen Reglement verfahren werden. 

Die HH. Studirenden werden ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass vom 
1. Januar 1882 an alle diese Modificationen aufhören, resp. dass von da an das neue 
Reglement ausnahmslos und stricte zur Anwendung kommen wird, auch für diejenigen, 
welche vor dieser Zeit ein Examen versucht, aber nicht bestanden haben. 

Bern, den 6. December 1880. Für den leitenden Ausschuss: 

F. Müller , Präsident. 

So schwindet das Uebergangsstadium Schritt für Schritt, und wir begrüssen den 
Tag, der uns zu rufen erlaubt: Le roi est mort — vive lo roil 

Statistik der durch die Aerztecommlssioii veranlassten Zu¬ 
sammenstellung der Zahl der Aerzte ln den verschiedenen Can¬ 
toneu auf 1. Januar 1881. 

Davon der 

Patentirte ärztl.Cant.- Name des Präsidenten Name des Actuars 

Canton. Aerzte. Gesellschaft derselben. derselben, 

angehörend. 


Zürich 

184*) 

149 

Prof. Oscar Wyss (Zürich). Dr. W. v. Muralt (Zürich). 

Bern 

186 

164 

Prof. Kocher (Bern). 

Prof. Pflüger (Bern). 

Luzern 

Uri 

78 

7 

50 

4 ’ ' 

Dr. J. Rösli (Pfaffnau). 

Dr. N§ger (Luzern). 

Schwyz 

Obwalden 

26 

8 

9) 

8 

Dr. Rohrer (Sächseln). 

Dr. Reinert (Kerns). 

Nidwalden 

10 

8 

Dr. C. v.Desch wanden (Stans). 

Dr. J. Würsch (Buochs). 

Glarus 

22 

19 

Dr. Schüler (Mollis). 

Dr. Streiff (Mollis). 

Zug 

15 

13 

Dr. J. Hürlimann (U.-Aegeri). 

Dr. Schobinger (Baar). 

Solothurn 

28 

21 

Dr. A. Kottmann (Solothurn). Dr. Reinhard (Öolothurn). 

Baselstadt 

59 

48 

Dr. Th. Lotz (Basel). 

Dr. Daniel Bernoulli (Basel), 

Baselland 

21 

16 

Dr. Rippmann (Sissach). 

Dr. Osc, Fries (Sissach). 

Schaffhausen 

27 

20 

Dr. v.Mandach sen. (Schaffh.). 

Dr. Rahm (Schaffhausen). 

Appenzell 1. R. 
Appenzell A.R. 

6 

23 

H 

20) 

Dr. Kürsteiner (Gais). 

Dr. Edra.Schläpfer (Trogen). 

St. Gallen 

119 

112 

Dr. Jung-Morel (Wyl). 

Dr. Mauchle (Uzwyl). 

Graubünden 

62 

50 

Dr. Kaiser (Chur). 

Dr. Killias (Chur). 

Aargau 

97 

59 

Dr. Bruggisser (Wohlen). 

Dr. Zumsteg (Möhlin). 

Thurgau 

51 

42 

Dr. Rob. Binswanger (Kreuz- Dr. E. Haffter (Frauenfeld). 

Tessin 

106 

— 

— [lingen). — 

Neuenburg 

52 

30 

Dr. E.Reynier fils (Neuch&tel. Dr. Borel-Laurer (Neuebat.). 

Freiburg 

33 

22 

Dr. Castella (Freiburg). 

Dr. Perroulaz (Bulle). 

Waadt 

120 

. 91 

Dr. de Cörenville (Lausanne). Dr. Hausamman (Lausanne). 

Wallis 

23 

16 

Dr. Ch. Bonvin (Sion). 

Dr. Pitteloud (8ion). 

Genf 

79 

50 

Prof. Juillard (Genf). 

Dr. Picot (Genf). 


Total 1881 1442 1027 = 71%. 

1878 1459 936 = 64%. • 

1876 1544 932 = 60%. 

Aerztlicher Central verein. Rechnung vom 1. März 1879 bis 31. December 
1880, abgelegt von Cassier Dr. Alfred Steiger in Luzern. 

*) Incl. 2 Aerztinnen. 


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26 


I. Einnahmen. 

Saldo *) vom 1. März 1879 
Zins von angelegtem Geldc 


Fr. 546. 25 
„ 15. - 

Fr. 561. 25 


11. Ausgaben. 

28. März 1879 an Schweighauserische Druckerei für Einladungs- 
circulare 

24. Mai Becherwein in Bern 

4. Sept an Schweighauserische Druckerei für Einladungs¬ 

circulare betreffend Maturitätsprüfung 

25. Oct. in Olten für Portier und Zimmermiethe 

81. Dec. au J. U. Schalch, Reparatur des Bechers 

„ an Dr. Sonderegger für lithographische Ausfertigung der 

Petition für h y giein i s c h e n Unterricht an 
den Universitäten 
„ an Cassier für Porti, Mandate 

7. Juli 1880 für Drucksachen an Dr. Ph. de la Harpe (betreffend 

Spitalsachcn) 

20. April an Sohwcighauserische Druckerei für Einladungs- 

circ ulare 

22. Mai an Dr. Sonderegger für 200 Exemplare: „Ge heim- 

mittelmarkt“, an die Mitglieder der Bundesver¬ 
sammlung 

13. Oct an Schweighauserische Druckerei für Einladungs- 

cir culare 

81. Dec. pr. Trinkgeld an den Schwurgerichtssaalportier in Zürich 

„ pr. Porti etc. 

Saldo pro 31. December 1880 


Fr. 31. 50 

„ 9. - 

„ 53. 35 

w 10 - 

* 9. - 


„ 61. 50 

„ 4. 70 

„ 16. 50 

„ 44. 70 

„ 120 . - 
„ 36. - 

» 5- - 

»_ 3. 50 

Fr. 404. 75 
„ 156. 50 
"Fr. 561. 25 


— Das „Bulletin de la Soclätä m£dicale de la Snisse romande“ , bis dahin 
in so excellenter und hingebender Weise von den Herren DDr. Dufour und Secretan in 
Lausanne redigirt, siedelt vom 1. Januar an nach Genf Uber und wird hinfort unter dem 
Titel „Revue mädicale de la Suisse romande“ von den Herren Prof. Prevost 
und Reverdin und Dr. Picot in gleichem Modus wie bisher (einmal monatlich) herausgegebeu 
werden. 

Die bisherige Redaction, deren Motive des Rücktritts uns nicht bekannt^ sind, hatte 
es verstanden, mit Liebe die freundschaftlichen Beziehungen zu den Collegen der deut¬ 
schen Schweiz zu pflegen und so die gegenseitigen collegialen Bande immer fester zu 
ziehen. Wir sind überzeugt, dass auch die neue Redaction auf diesem Wege fort¬ 
schreiten wird. Und so drücken wir denn den scheidenden Redactoren die Freundeshand 
und rufen unserer literarischen Schwester im neuen Gewände ein herzliches „Glückauf!“ 
zu. Unsere gegenseitigen Relationen können zwar nicht freundschaftlicher werden, als 
sie bisher es gewesen sind , aber die bewährten Namen der neuen Redaction sind uns 
Bürge dafür, dass es so bleiben wird , und dass die Fortsetzung des Bulletin treuen 
Händen anvertraut worden ist. 

Neuenbürg. Pocken. In Chauxdefonds sind vom 21. November bis 18. De¬ 
cember weitere 15 Personen an den Pocken gestorben, zusammen in den 10 Wochen vom 
10. October bis 18. December: 34 = 1,5% 0 der Einwohner. Das ist wohl ein Stück 
Illustration zu der individuellen Freiheit, für welche einer der neuenburgischen Vertreter 
im Ständerathe so warm und so hartnäckig eingetreten ist. 

St. Gallen« Im Cantoosspitalc ist soeben eine wichtige Aenderung vollzogen 
worden. Die Zahl der Spitalkranken , insbesondere der operativen Fälle, hatte in den 
letzten Jahren so sehr zugenommen, dass es Herrn Dr. Kuhn unmöglich geworden , die 


*) S. Corr.-Bl. 1879, S. 250. 


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27 


ganze Arbeit allein und neben seiner Privätpraxis zu bewältigen. Es ist nun gelungen, 
ihn als Arzt der hinlänglich erweiterten Abtheilung für Frauenkrankheiten zu behalten; 
für die chirurgische Abtheilung wurde Herr Dr. Feurer gewählt, welcher schon früher im 
Cantonsspitale als Assistenzarzt und als Stellvertreter gewirkt und auch lange Zeit die 
Stelle des ersten Assistenten bei Herrn Prof. Kocher in Bern bekleidet hat und der eben¬ 
falls alle Gewähr für eine glückliche Wirksamkeit der Anstalt bietet. 

Zürich. Universität« An die chirurgische Lehrkanzel hat der Regierungsrath 
unsern ausgezeichneten Landsmann Prof. Dr. Krönlein berufen. Wir glauben, der Facultat 
ebenso sehr zu dieser Wahl Glück wünschen zu können, als wir den nun leider zur 
Thatsache gewordenen Weggang Prof. Ebertti s (nach Halle) bedauern. 

Ausland. 

Deutschland. Die Dibydroxylbenzota (Resorcin, Brenzcatechin und 
Hydrochinon) sind von Dr. Brieger neuerdings wiederholt klinisch versucht worden. 
Resorcin wirkt bei 1,5 ; mehr als 3,0 ist unzulässig. Die Temperatur hebt sich nach B. 
aber sehr rasch (längstens nach 3 Stunden) wieder, ohne dass anderweitige Besserung 
zu constatiren wäre. Hydrochinon ist weniger giftig und wirkt schon bei 0,2. Die Ex- 
citationserscheinuugen treten erst bei Gaben von 0,8—1,0 auf. Man kann es (2 Spritzen 
einer 10% Lösung) auch subcutan anwenden. Es schmerzt nicht, weshalb es auch vor- 
theilhaft bei Blennorrhoe der Augen und bei Gonorrh® zur Verwendung kommt. 

(Pharm. Ztg. Nr. 90.) 

— Ueber die L08lichkeitfiVerbältlli§86 des Jodoforms bei gewöhnlicher Tem¬ 
peratur schreibt Dr. Vulpius in Heidelberg (im Arch. f. Pharm.), dass diesbezügliche 
Angaben von Pharmacop®, medic. und pharm. Handbüchern meistens unrichtig seien. 
Eine Reihe eigener Versuche lassen ihn zu folgendem Resultat gelangen. Gollodiumlösung 
(10—15 : 90) wird erhalten durch einfaches Schütteln des in wenig Aether vertheilten 
Jodoforms mit der entsprechenden Menge Collodium. Glycerin (0,6 : 1001), Oel 2:98, 
Alcohol 4 : 96. Siebenmann . 

— Eine neue snbeotane Operatlonsmetbode zur Entfernung von Neubildungen 
im Innern des Kehlkopfes empfiehlt Prof. Rossbach (Würzburg) in Nr. 5 der Berliner 
klinischen Wochenschrift vom 2. Februar 1880. — Dieselbe ist bestimmt, die Spaltung 
des Schildknorpels zu umgehen in den Fällen, wo die intralaryngeale Operation nicht 
ausführbar ist. Unter Spiegelbeleuchtung des Kehlkopfes , in gewöhnlicher Stellung des 
Kranken, wird ein schmales, spitzes, lanzenartiges Messerchen durch die Lamina med. 
cartil. thyreoid., unter dem untern Winkel der Incisura thyreoidea superior gerade in der 
Mittellinie direct nach hinten eingestochen. Das Instrument erscheint nun dicht öberhalb 
der Stimmbänder im Kehlkopfinnern und ohne dass der Kranke etwas spürt, Schluck¬ 
oder Hustenbewegungen macht, kann die Neubildung bequem abgetragen werden. Das 
Messer dringt selbst bei Greisen leicht durch den Knorpel durch, die Blutung und der 
Schmerz sind minim, die kleine Hautwunde ist in 1—2 Tagen geheilt. — Verf., welcher 
sein Verfahren ausser an Thieren auch in zwei Fällen am Menschen (Cyste an der vor¬ 
dem Commissur, Polyp des 1. Stimmbandes) mit gutem Erfolg erprobt hat, empfiehlt 
dasselbe als leichter und rascher zum Ziele führend als die intralaryngeale Operation 
und glaubt, dass es diese letztere in den meisten Fällen mit Vortheil ersetzen wird. 

Münch. 

— In derselben Nummer der Berl. klin. Wochen sehr, beschreibt Dr. Carl Langenbuch 
(Berlin) eine zwar schon früher von Roser angegebene Modification der Malgaigne 1 sehen 
Laryngotomia subhyoidea, welcher er den Namen Laryngotomift sabhyoldü V61H 
8. 8llbepiglOttfca gibt. Die Ausführung geschieht mittelst eines transversalen Haut¬ 
schnittes. Ablösung der Muskeln vom Zungenbein und quere Abtrennung der Membr. 
hyothyreoiiea längs des obern Randes des Schildknorpels, mediane Spaltung des ligamen - 
tösen Dreieckes in der obern Incisur des Knorpels bis in letztem hinein und quere Durch¬ 
trennung der Wurzel der Epiglottis. Der Kehlkopf kann nun mittelst Häkchen leicht aus 
dieser Wunde hervorgezogen und in demselben operirt werden. Verf. entfernte auf diese 
Weise mit Leichtigkeit einen erbsengrossen Polypen an der vordem Stimmbandcommis- 
sur, welcher auf intralaryngealem Wege kaum wäre zu erreichen gewesen. Geringe 
Blutung ; Naht der Hautwunde; rasche Heilung mit völliger Wiederherstellung der 
Stimme. M. 


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28 


England. Tonga, ein neues Mittel gegen Neuralgien. Seit circa 
einem Jahre wird von den unermüdlichen Experimentatoren auf pharmacognomischem 
Gebiet, Sidney Ringer und William Murray , ein neues Präparat bei Neuralgien speciell im 
Bereiche der Kopfnerven angewendet, das sich in kurzer Zeit eine ausserordentliche Be¬ 
liebtheit in England erworben hat, und das von dem Importer Tonga benannt wird. Dies¬ 
mal ist es nicht das südliche Amerika, das uns die Drogue liefert, sondern dieselbe 
stammt von den Fidji-Inseln und soll dortselbst schon seit 200 Jahren als Geheimmittel 
in Anwendung sein. Sie kommt in Gestalt von kleinen Säckchen in den Handel, welche 
ein Gemenge von Rinde, einer holzigen Faser und von Blättern enthalten, und zwar wiegt 
an Quantität die Rinde weit vor, die Fasern sind in mässigem Quantum am Boden des 
Säckchens vorhanden und die Blätterfragmente nur in minimer Menge durch die Drogue 
zerstreut. Nach den Untersuchungen A. W . Gerrard 's und E . M . Holmes ist es vorzugs¬ 
weise die Faser, welche ein flüchtiges Alcaloid, vorläufig als Tongin bezeichnet, enthält, 
und welche wohl einer mit den Aroideen verwandten Pflanze Raphidophora entstammt. 
’Versnche nun mit dem Extract dieser Drogue (englischer Fluidextract) ergaben in zahl¬ 
reichen Fällen von Neuralgien, besonders im Bereiche des Quintus ganz auffallende Er¬ 
folge und es wird von dem Hause Allen & Hanburys in London ein solches Fluidextract 
in den Handel gebracht, das zu 3 Kaffeelöffeln pro die sehr wirksam sein soll. Durch 
die Freundlichkeit von Herrn Prof. Schär in Zürich bin ich in Besitz des Extracts ge¬ 
kommen und werde, sobald die Umstände es gestatten, das Resultat der damit angestell- 
ten Versuche mittheilen. Massini . 


Stand der Infections-Krankheitcn In Basel. 

Vom 11. bis 25. December 1880. 

(Die Zahlen in Klammern geben jeweilen die Anzahl der in früheren halben Monaten 

aDgemeldeten Fälle an.) 

Von Varicellen, die sehr verbreitet herrschen, sind 25 Fälle gemeldet aus allen 
Stadttheilen (11, 19). 

Von Morbilli ist seit Monaten zum ersten Mal wieder 1 Fall von unbekanntem 
Ursprung im Birsigthal beobachtet worden. 

Scharlach nur 1 Fall auf dem Nordwestplateau (2, 4, 2). 

Typ hu s fälle sind 20 angezeigt (20, 29, 18), darunter 2 von auswärts importirte; 
unter den einheimischen sind 2 Fälle mitgerechnet, die hier erkrankt und in Olten in 
Spitalbehandlung gekommen sind (gemeldet in verdankenswerther Weise von Herrn Dr. 
Christen in Olten). Die hiesigen Erkrankungen vertheilen sich auf: Nordwestplateau 6 
(8, 11, 5), Birsigthal 4 (3, 2, 3), 8üdostplateau 3 (3, 5, 4), Birsthal 0 (1, 2, 0), Klein¬ 
basel 5 (2, 8, 5). 

Diphtherie und Group weisen 20 Erkrankungen auf (18, 36, 19), davon 6 in 
Kleinbasel, 2 von auswärts importirt. 

Pertussis herrscht epidemisch; angemeldet sind 33 neue Erkrankungen (24, 36,20). 
Erysipelas 3 vereinzelte Fälle. 

Kein Puerperalfieber. 


Bibliographisches. 

1) Delachaux, Dr. L., Station climatörique Interlaken, Oberland bernois, ses avantages 

hygiöniques et ses agrdments. Interlaken, Aemmer & Balmer, 1880. 64 Seiten. 

1 Karte. 

2) Wille, Prof. L., und H. Widmer y Assistenzarzt, Aerztlicher Bericht über die Irrenab¬ 
theilung des Bürgerspitals in Basel vom Jahr 1879. 31 Seiten und Tabellen. 

3) Falk , Das Fleisch. Gemeinverständliches Handbuch der wissenschaftlichen und prac- 
tischen Fleischkunde, mit 12 lithogr. Tafeln. Marburg, El werte Verlagsbuchh. 

4) Klebs , Beiträge zur pathologischen Anatomie. Mittheilungen aus dem k. k. patholo¬ 
gisch-anatomischen Institut der Universität Prag. II. Heft. Prag, Verlag von Do- 
minicus. 


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- 29 


Briefkasten. 

Herrn Dr. BruggUser: Besten Dank: Für den Kalender aber zu spät. — Herrn Dr. Both, 
Brüggen; Haab , Zürich; Zürcher , Aarau; Prof. Dr. Kocher , Bern; Dr. F. Schüler, Mollis; Prof. Schär , 
Zürich; Prof. Aeby, Bern; Prof. 0. IFyas, Zürich: Besten Dank. — Herrn Dr. Banga , Chicago: Un- 
sern Dank und herzlichen Glückwunsch. Sendung erhalten ? 


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unter der ärztlichen Leitung von Dr. A. W. Münch. 

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Blätter für Gesundheitspflege 

dem Volke gewidmet 

von 

der Gesellschaft der Aerzte des Kantons Zürich, 
redigirt von Professor Dr. Oskar Wyss; — erscheinend bei David BUrkli in Zürich, 
werden auch im nächsten Jahre wieder wie bisher zu dem billigen Preise von 2 Fr. por 
Jahr, wenn bei der Expedition abgeholt, von Fr. 2. 80, wenn bei der Post abonnirt, 
erscheinen. Da die Fragen der öffentlichen, wie der privaten Gesundheitspflege immer 
brennendere werden, da wie im verflossenen Jahre im Kanton Zürich so auch im kommenden 
voraussichtlich jeder Bürger seine Stimme über Gesetze und Verordnungen aus diesem 
Gebiete wird abgeben müssen, und die politischen Blätter in diesen Fragen, wie die Er¬ 
fahrung des letzten Jahres gelehrt hat, nicht alle sich objektiv verhalten, sondern bald 
einer vorgefassten Meinung, bald einer politischen Tendenz huldigend, hygieinische Fragen 
vom politischen Standpunkte aus zu beantworten suchten, so ist es um so wünschenswerter, 
wenn Gelegenheit geboten ist, sich über diese Dinge in einem Journal, das um die Po¬ 
litik sich nicht kümmert, sondern die hygieinischen Fragen blos vom Standpunkte der 
Wissenschaft und der Erfahrung zu beantworten sucht, sich zu orientiren. Bei dem billigen 
Preis unserer Zeitschrift ist Das Jedem möglich. Es seien desshalb auch für das kommende 
Jahr die Züricher Blätter für Gesundheitspflege bestens zum Abonnement empfohlen. 


FRANZ JOSEF 

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wo dies gewünscht wird. [H- 4014 -Q] 


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(importirt von den Fidji-Inseln). 

Sieho: 

Ueber chem. Zusammensetzung: A. W. Gerrard. F. C. S., in Pharm. J. & Trans. 1880 
p. 849 (Nr. 513); 

Ueber botan. Abstammung: E. M. Holmes, F. L. S.. in Pharm. J. & Trans. 1880 
p. 889 (Nr. 515); 

Ueber medizin. Wirkungen: Sydney Ringer, M. D. und W. Murreil, M. D., in „Lancet* 
v. 6. März 1880, ferner: „Lancet“ vom 20. März und 29. Mai etc. 

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Allen & Hanburys, pharm. Chemists, 

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wenden.) 



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30 „ Morph, muriat. Fr. 17.—, 15 Gr. * 9. —, 
100 „ Natr. benzoic. e. gummi . . . „ 6. —, 
100 „ Natr. salicyl. albis. pulv. (Schering) „ 3.50, 

500 „ dto. .„16.—, 

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Gesundheitspflege in Dresden enthält die < 
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Kreis-Irrenanstalt Erlangen, der medicin. Klinik \ 
Ä der Universität Greifswald, der städt Poliklinik 
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Einladung zum Abonnement. 


Mit dem 1. Januar 

Centralblatt für Chirurgie 

herausgegeben von 

Prot Br. E. Siebter, Prof. Dr. B. Volk manu, Prof.Dr.F. König, 
Breslau Halle Göttin gen 

seinen 8. Jahrgang und wird wie bisher in 
wöchentlichen Nummern von mindestens einem 
Bogen gross 8° zum halbjährlichen Preise von 
M. 10. — erscheinen. 


1881 beginnt das 

Centralblatt für Gynäkologie 

herausgegeben von 

Dr. H. Fehling und Dr. H. Fritsch 

Stuttgart Halle 

seinen 5. Jahrgang und wird wie bisher aller 
14 .Tage in Nummern von mindestens I 1 /* Bogen 
gross 8° zum halbjährlichen Preise von M. 7. 50 
erscheinen. 


Alle Buchhandlungen und Postanstalten nehmen Abonnements darauf entgegen und stehen Probe¬ 
nummern und Prospekte gratis zu Diensten; auch vermittelt jede Buchhandlung die Einsicht in komplete 
Exemplare der früheren Jahrgänge. 

Leipzig, December 1880. [H-36778] Breitkopf & Härtel. 


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litäten) verfertigt. Die Erweichung des Filzes zur Application auf dem lebenden 
Körper geschieht entweder durch Dampfapparate oder durch Eintauchen in heisses 
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1) Orlginalarboiten: Dr. Bans v. Wyss: Die chirurgische Antisepsis und die gerichtliche lCedicin. — Dr. 
CL Hoafr: Kleinere ophthalmolorijche Mittheilongen. — 2) Vereinsberichte: Gesellschaft der Aerzte in Zürich. — 3) Re¬ 
ferate «ad Kritiken: Dr. W. Winternitz : Die Hydrotherapie anf physiologischer und klinischer Grundlage. — Alb. Burek- 
kjrdi-Msriom: Ueher den Scharlach in seinen Beziehungen zum Gehörorgan. — 7. Bericht über die Wirksamkeit der Anstalt 
mmr Hofhuai Ar schwachsinnige Kinder in Basel. — Dr. Ph. Biedert: Die Kinderernährung im Siuglingsalter. — Dr. L. v. Thann- 
ka/ar: Das Microscop und seine Anwendung. — Dr. Adolf Weil: Handbuch and Atlas der topographischen Percussion. — Sterfte- 
itiat vaa Vederland over 1860—1874. — ff. Bircher: Beitrag znr operativen Behandlung der Ohreneiternn^en. — 4) Canto - 
mala Casrespondsnzen: Aargau, SL Gallen. — Contrerdville. — 5) Wochenbericht. — 6) Bibliographisches. — 
7) Brieftasten. 


Original-Arbeiten. 

Die chirurgische Antisepsis und die gerichtliche Medicin. 

HabilitAtionsvorlesung, gehalten am 10. November 1880 von Dr. Hans V. Wyss 

in Zürich. 


Die gerichtliche Beurtheilung der Körperverletzungen hat seit uralter Zeit be- 
senders im germanischen Recht eine grosse Rolle gespielt. Man findet in einer 
Anzahl altdeutscher Gesetzessammlungen aus dem 7.-8. Jahrhundert, ganz beson¬ 
ders eher in der Lex alamanorum eine so genau detaillirte Aufzählung einer 
g roospn 'JReihe von Verletzungen, die je nach ihrer Dignität in Betreff der Folgen 
für daa>Leben oder den nachherigen Gesundheitszustand der Verletzten verschie¬ 
den tgfcirt werden, dass wir als unzweifelhaft annehmen müssen, es haben schon 
bpi der Abfassung dieser Gesetze sachverständige Aerzte mitgewirkt, die dann 
auch wohl bei einzelnen streitigen Fällen vor Gericht um ihre Meinung befragt 
worden. So detaillirt übrigens diese Scala ist, so ist doch auf den Ausgang der 
Verletzung dabei gar keine Rücksicht genommen, die Strafe richtet sich nur nach 
dem unmittelbar zugefügten Schaden. Immerhin erforderte dessen genaue Con- 
atatirnng gewiss sehr oft die Beiziehung Sachverständiger. Wenigstens kommen 
bei der Aufstellung dieser Scala Unterscheidungen vor, die kaum der blossen Be¬ 
sichtigung eines Laien zugemuthet werden können, sondern eine gewisse Erfah¬ 
rung in der Beobachtung solcher Fälle voraussetzen. Es werden z. B. die Ver¬ 
letzungen des Auges je nach ihrer Schwere ganz verschieden taxirt, es wird die 
Verletzung des untern Augenlids doppelt so schwer gebüsst, als die des obern, 
weil die erstere Thränenfluss bedingt Ferner wird das Abschneiden des Daumens 
und kleinen Fingers gleich schwer gebüsst und zwar mit der doppelten Strafe als 
die gleiche Verletzung des Mittelfingers. 

Ueberbaupt dürfen wir wohl annehmen, dass zu jeder Zeit die Lehren der 






Chirurgie, wie sie dem jedesmaligen Stand der Kenntnisse entsprachen, bei der 
richterlichen Beurtheilung von Vergehen, welche Leib und Leben betreffen, eine 
wichtige Rolle gespielt haben. Einen schönen Beweis hiefür finden wir z. B. in 
der constitutio crimiualis Carolina, in welcher ausdrücklich vorgeschrieben ist, dass 
die Wundärzte und Sachverständigen zu Zeugen dienen sollen, ob ein Verletzter 
an seinen Verletzungen oder ob er wegen anderer Ursachen gestorben sei. Dass 
schon frühzeitig von Seite der Verteidigung in solchen Fällen das Moment viel¬ 
fach benutzt worden sein mag, den schlimmen Ausgang dem Verhalten des Pa¬ 
tienten oder der Behandlung seines Arztes zuzuschreiben, dürfen wir wohl ohne 
Weiteres voraussetzen. 

Wie unklar und verworren aber, wie weit von der wirklichen Naturbeobach¬ 
tung entfernt diese Wegleitung des richterlichen Urteils bis in die neuere Zeit 
hinein noch gewesen ist, davon haben wir ein schlagendes Zeugniss in der Ent¬ 
wicklung der Lehre von der sogenannten Lethalität der Verletzungen und von 
den verschiedenen Graden derselben. Eine künstlichere und verwirrtere Aufstel¬ 
lung dieser Grade überbot die andere. Jede neue chirurgische Beobachtung, jede 
neue kühnere Operation musste ein solches Gebäude, das blos am grünen Tische 
ersonnen, der Wirklichkeit aber keineswegs entsprach, wieder Umstürzen. Galt es 
ja nicht einmal, den Grad der Tödtlichkeit einer Verletzung danach zu bemessen, 
ob und wie viele Menschen nach gewissen Verletzungen gestorben seien , kannte 
man ja nicht einmal die Dignität der wichtigsten Organe für die Erhaltung des 
gesammten Organismus. Nein, es wurden einfach die Aussprüche alter Autoritäten 
wie Hippokrales und Galenus zitirt betreffend die Gefährlichkeit dieser oder jener 
Verletzung und danach das Urtheil bemessen. So merkwürdig verrannte man sich 
in diesen Dogmatismus, dass man gar nicht einsah, dass selbst mit der Aufstellung 
eines vollkommenen Schema’s der Lethalitätsgrade, selbst wenn ein solches über¬ 
haupt denkbar wäre, dem Richter gar nicht gedient sein würde, der ja nur aus 
der Beachtung sämmtlicher Detailumstände des concreten Falles sein Urtheil ge¬ 
winnen darf und für den es höchst gleichgültig ist, ob diese oder jene Verletzung 
im Allgemeinen oft zum Tode führe oder nicht. Etwas practisch Brauchbares 
haben also diese sämmtlichen theoretischen Aufstellungen der Lethalität nicht zu 
Tage gefördert. In foro werden wohl die berufenen Sachverständigen die vorge¬ 
legten Fragen, wenigstens wenn sie gewissenhaft verfahren wollten, hauptsächlich 
nach den Erscheinungen des einzelnen Falles beurtheilt haben, ohne sich streng 
an das Schema der Lethalitätsgrade zu halten. Indessen ist es unzweifelhaft, dass 
nur in Folge dieser Theorien manches schiefe und ungerechte Urtheil zu Stande 
gekommen ist. 

Als ein Beispiel einer solchen Aufstellung führen wir hier das von Wildberg •) 
angegebene Schema an: 

Die Verletzungen sind entweder tödtlich oder nicht tödtlich. Die tödtlichen 
sind unbedingt oder bedingt tödtlich. Letztere sind entweder durch im Körper 
des Verletzten gelegene Umstände tödtlich oder sie sind es durch äussere Ur- 

*) S. bei Henke , Abhandlg. &. d. gerichtl. Medicin I., pag. 124. 


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35 


Sachen. Bei den ersten wirkten diese Umstände schon vor der Verletzung, wäh¬ 
rend derselben oder nach derselben. Die Umstände, welche während der Ver¬ 
letzung wirkten, tbaten dies entweder durch Jemandes Schuld oder ohne eine 
solche. Dieselbe lag in den erstem Fällen entweder am Thäter oder am Verletz¬ 
ten selbst oder an andern Menschen. 

Wie sich die Chirurgie mit einem solchen Schema zurechtfinden mag, darüber 
sind keine Worte zu verlieren. Es muss angenommen werden, dass zu solch’ un¬ 
fruchtbaren Bestrebungen der Umstand viel beigetrögen habe, dass die Gerichts¬ 
ärzte lange von der irrigen Meinung befangen waren, sich selbst an der Fassung 
und Aufstellung des Criminalrechts betheiligen zu müssen und daselbst gewisse 
Categorien aufzustellen, nach denen die Beurtheilung vorkommender Fälle von Ver¬ 
letzungen zu geschehen hätte. 

Wenn gegenwärtig von dem Gerichtsarzt zu verlangen ist, dass er mit den 
Grundsätzen des Strafrechts nicht unbekannt sei, so geschieht es nur darum, da¬ 
mit er sich über die Grenzen klar werde, in denen er sich zu bewegen hat, und 
sich nicht auf Gebiete begebe, welche Sache des Richters sind. 

Gegenwärtig hat sich Theorie und Praxis sowohl der Rechtspflege als der 
gerichtlichen Medicin vollkommen dahin geeinigt, dass der concrete vorliegende 
Fall allein die Grundlage der Beurtheilung bilden müsse und dass die mit allen 
Hülfsmitteln der Wissenschaft erreichbare Ermittelung des thatsäcblichen Bestan¬ 
des ihr voranzugehen habe. Erwägungen rein theoretischer Art sollen dabei mög¬ 
lichst vermieden werden. Eine Aufstellung bestimmter Categorien, nach denen in 
praxi dann die Facta zu registriren wären, muss also durchaus verwerflich erschei¬ 
nen. Mit dieser Erkenntniss ist eine weitere verbunden, die sich ebenfalls erst in 
neuerer Zeit gänzlich Bahn gebrochen hat, nämlich, dass der Arzt, der die Folgen 
einer Körperverletzung constatirt, damit für die Schuldfrage des Angeklagten un¬ 
mittelbar noch gar nichts ausgesagt hat. Früher dachten die Aerzte bei Bestim¬ 
mung der Lethalität an Stelle des Richters zu stehen, sie waren es eigentlich, die 
mit dem Grade der Unmittelbarkeit des eintretenden Todes nach einer Verletzung, 
den sie bestimmten, zugleich den Grad der Verantwortung, welche den Thäter 
traf, festsetzten. Dabei wurde ganz übersehen, dass eine grosse Menge anderer 
Momente, welche gänzlich ausserhalb der Competenz des Arztes liegen, auf die 
Schuldfrage viel unmittelbarer einwirken, als die Bestimmung der sogenannten 
Lethalität. Es kann somit das ärztliche Gutachten, welches den Zusammenhang 
zwischen der Verletzung und deren Folgen möglichst genau erläutert, in den Hän¬ 
den des Richters zunächst blos einen allerdings wertbvollen und wichtigen Theil 
der Ermittelung des Thatbestandes bilden. Es sei z. B. ein Mensch durch Schläge 
auf den Kopf derart verletzt worden, dass sein Schädel zerbrach und er nachher 
starb, so wird der Arzt dies einfach zu constatiren haben. Es kann für den Rich¬ 
ter ganz gleichgültig sein, ob in andern Fällen, wo die gleiche Verletzung vorlag, 
etwa Heilung eingetreten ist, denn dieses Moment kann offenbar auf die Bestim¬ 
mung der Schuldfrage im gegebenen Fall absolut keinen Einfluss haben. War 
etwa in einem solchen Fall die einwirkende Gewalt unbedeutend, der Schädel da¬ 
gegen abnorm dünn, so wird der Arzt dies als einen Theil des Thatbestandes 


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30 


allerdings erwähnen, kann aber füglich dem Richter überlassen, ob er darin einen 
mildernden Umstand für den Angeklagten erkennen will oder nicht. Oder es sei 
Einer von einem Andern in einen Graben gestürzt worden, habe dadurch eine 
complicirte Fractur erlitten und nachher Tetanus bekommen, so wird der Gerichts¬ 
arzt einfach zu erklären haben, der Betreffende habe eine complicirte Fractur er¬ 
litten und diese habe den Tod zur Folge gehabt Damit ist die Todesursache 
festgestellt und es wird zunächst irrelevant sein, ob die complicirte Fractur lebens¬ 
gefährlich war oder nicht. In der Begründung dieses Gutachtens wird er aber 
genau angeben, auf welche Weise der tödtliche Ausgang erfolgt sei, um den Rich¬ 
ter über alle Umstände des Verlaufs im concreten Fall aufzuklären. Damit aber 
hat er seine Aufgabe beendet und es ist nun ganz allein Sache des Richters, die 
Schuldfrage des Thäters zu erörtern. Dass aber in solchen Fällen dem Richter 
auf ein möglichst objectives Urtheil des Arztes, das sich auf genaue Berücksichti¬ 
gung aller Momente stützt, sehr viel ankommt, liegt auf der Hand. 

Mit der Anführung dieser allgemeinen Momente lag uns zunächst nur daran, 
zu zeigen, auf was für einen Standpunct sich die Richter und Aerzte bei der Be- 
urtheilung von Körperverletzungen im Allgemeinen zu stellen haben. Wir glaub¬ 
ten diese Betrachtung vorausschicken zu sollen, um nachher für die Beurtheilung 
der uns beschäftigenden Specialfrage eine Grundlage zu gewinnen. 

Es ist nun nicht, zu läugnen, dass mit den Fortschritten in der Erkenntnis^ 
und Behandlung der Verletzungen und ihrer Folgen die Frage des ursächlichen 
Zusammenhangs sich gegenwärtig vom rein chirurgischen Standpunct wesentlich 
anders stellt als früher. Seitdem man weiss, dass die den Verwundungen folgen¬ 
den Krankheiten wirklich accidentelle sind, d. h. dass die Wunde nur die Ein¬ 
gangspforte für neue, fremde, krankmachende Agentien darstellt, die ohne dieses 
Thor dem Körper nichts anhaben können , ist auch die Würdigung dieser Vor¬ 
gänge eine wesentlich andere geworden als früher, da man die accidentellen Wund¬ 
krankheiten noch zum Theil als nothwendige Folgen der Verletzungen und mit 
diesen untrennbar verbunden auffasste oder aber sie einfach auf das Verhalten des 
Patienten oder die Art der angewandten Heilmethode zurückführte. 

Wem würde es z. B. vor 15 Jahren eingefallen sein, einen Arzt für das Auf¬ 
treten von Erysipel, Pysemie u. dgl. verantwortlich zu machen. Einzig die Er- 
kenntniss, dass solche Krankheiten in Spitälern häufiger Vorkommen als ander¬ 
wärts , führte schon frühzeitig auf die Idee, dass die Gefahr sich durch das Zu¬ 
sammensein vieler Verwundeter in hohem Maasse steigert und dass mangelhafte 
Hygieine der Spitäler die Hauptschuld trägt. Den Einzelnen traf dabei sozusagen 
keine Verantwortung, höchstens etwa die der mangelhaften Aufsicht, oder sie wurde 
bald der administrirenden Behörde, bald dem Baumeister einer solchen Anstalt 
zugeschoben. Jedenfalls war aber die Grundstimmung diesen Krankheiten gegen¬ 
über diejenige eines gewissen Fatalismus, der zu einer Zeit seine Berechti¬ 
gung hatte, als man die krank machenden Ursachen als den Verwundeten ur¬ 
sprünglich fremde und neu hinzugetretene zwar erkannt hatte, dagegen ihrem 
Wesen und der eigentlichen Art ihrer Wirksamkeit noch ganz fremd gegenüber- 
stand. 


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Seither hat sich nun freilich in neuester Zeit ein gewaltiger Umschwung in 
diesen Ansichten vollzogen. 

Als die Anschauung mehr und mehr Boden gewann , dass die Erreger der 
accidentellen Wundkrankheiten organisirte Wesen seien, dass es sich dabei nicht 
um Dinge handle, die einfach in der Wunde selbst nothwendiger Weise entstehen 
und erst im Uebermaass den ganzen Organismus gefährden, besann man sich auf 
die Wege, welche die unheilstiftenden Keime einschlagen, um in die Wunden ein- 
zntreten. Die erschreckende Wahrnehmung ihrer Ubiquität führte nun erst auf 
den richtigen Gedanken, alles, was überhaupt an die Wunde herankommt, also 
Loft, Wasser, Arzneien, Verbandstoffe, Finger, Instrumente, denen die Keime an- 
haften könnten, als verdächtig zu erklären. Mehr und mehr hat sich die Theorie 
der Entstehung der Wundkrankheiten durch directe Contagion der Wunden ihren 
Boden erobert und sie wird wohl auch, nachdem tausende von Thatsachen ihre 
Richtigkeit dargethan, niemals mehr verschwinden. 

Dass man aber bei dieser Sachlage nicht resignirt die Hände in den Schooss 
legte, sondern nach allen Seiten hin auf Bekämpfung des Feindes, dem man nun 
klarer in’s Auge sah, dachte, kann nicht Wunder nehmen, vereitelten doch die 
gefürchteten Krankheiten sehr oft wieder die hervorragendsten Leistungen selbst 
der besten Chirurgen. Eine Vergleichung der Vorgänge in den Wunden mit den¬ 
jenigen, die sich bei der Gährung und Fäulniss abwidkeln, also dieselbe Ueber- 
legung, die schon zu der richtigen Auffassung des Wesens der genannten Erkran¬ 
kungen mit am meisten beigetragen hatte, führte auch da auf die richtige Spur. 
SAon lange waren bei den Vorgängen der Gährung und Fäulniss gewisse Agen¬ 
den bekannt, welche dieselbe aufheben oder beschränken und zwar dadurch, dass 
sie die Organismen, durch deren Stoffwechsel die genannten chemischen Um¬ 
setzungen bewirkt werden, vernichten. Die Frage, ob dieselben Körper, die so¬ 
genannten Antiseptica, nicht ebenfalls im Stande seien, die krankheitserzeugenden 
Keime in Wunden zu zerstören, ist in positivem Sinne gelöst worden. Die Auf¬ 
gabe bestand nun blos noch darin, die richtige Methode ausfindig zu machen, die 
Wunden, sowohl die natürlichen als die künstlichen, in vollkommen ausreichender 
Weise mit Hülfe der genannten Mittel vor dem Eindringen der Keime zu schützen 
und da, wo schon Zersetzungsvorgänge im Werke waren, durch energische Ein¬ 
wirkung die Erreger derselben in der Wunde selbst zu zerstören. Welche unsäg¬ 
liche Arbeit und Mühe, wie viel Scharfsinn hiefür aufgewendet worden ist, weiss 
Jeder, der diese Entwickelung mit erlebt hat. Dass man aber dem Vorgesetzten 
Ziel, die accidentellen Wundkrankheiten als vermeidbare thatsächlich verschwinden 
zu machen, in so hohem Grade nahe gekommen ist, wie nie zuvor, lehrt die Ge¬ 
genüberstellung der Resultate der antiseptischen Behandlungsmethode mit den 
früher erhaltenen, sowie die genaue Vergleichung des antiseptischen Wund ver¬ 
laufe und der an Wunden ohne diese Cautelen sich abspielenden Vorgänge. 

Wir sehen darin ein Beispiel, wie aus rein theoretischen Anfängen die Praxis 
eich nur langsam entwickelte, dann aber fast plötzlich in Würdigung der gewon¬ 
nenen Resultate einen selbstständigen Weg einschlug, und nun der Theorie weit 
vorausgeeilt ist. 


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Während es gegenwärtig keinem Chirurgen mehr erlaubt ist, ohne sich der 
Unwissenschaftlichkeit schuldig zu machen, bei der Behandlung von Wunden und 
Verletzungen ohne antiseptiscbe Cautelen, mag die Verbandmethode im Speciellen 
sein, welche sie wolle, vorzugehen, so sind ja in der Theorie noch sehr viele 
Detailfragen unklar und ungelöst. Doch hiesse es eine völlige Verkennung des 
ärztlichen Berufs, wenn man um dieser theoretischen Unklarheit willen sich nicht 
entschliessen wollte, das practisch über alle Zweifel als richtig Erkannte nicht zu 
befolgen. Unter keinen Umständen können wir aus diesem Grunde eine Entschul¬ 
digung der Versäumniss obiger Cautelen mehr herleiten. Wollte z. B. ein Arzt 
erklären, er halte bei Operationen Vorsichtsmaassregeln gegenüber der Gefahr 
einer Infection so lange für überflüssig, als ihm der Infectionsstoff mit allen seinen 
Eigenschaften nicht ad oculos vorgezeigt werden könne, so würde man ihm mit 
genau dem gleichen Recht entgegnen, dass er dann überhaupt alle Schutzmaass¬ 
regeln gegen infectiöse Krankheiten für Unsinn erklären müsse. Es ist gar nicht 
zu läugnen, dass die Möglichkeit der Wundinfection durch fremde Stoffe, dass im 
eigentlichen Sinn septische Vorgänge in Wunden zu den besser beglaubigten 
Thatsachen gehören, als manche scheinbar längst feststehende Sätze der Lehre von 
den innern Infectionskrankheiten. Wer es nicht vermag, aus dem Verlaufe einer 
antiseptisch behandelten Wunde verglichen mit demjenigen, wie er nach der früher 
allgemein üblichen Methode der gewöhnliche war, durch die einfache Beobachtung 
den durchgreifenden Unterschied zum Vortheil der erstem zu erkennen, dem müs¬ 
sen wir die Fähigkeit zur Beobachtung überhaupt absprechen. 

Wenn wir nun auch die gewonnene Erfahrung für eine sichere halten, die 
niemals wieder verloren gehen kann, mögen die speciellen Methoden der Wund¬ 
behandlung noch diese oder jene neue Form gewinnen, so haben wir doch darauf 
hinzuweisen, dass sie im Ganzen noch eine sehr junge Erfahrung ist und noch 
einige Zeit vergehen mag, bis sie in ihrer Wichtigkeit überall anerkannt und zum 
unverlierbaren Gemeingut geworden ist. Studien und Theorien über das Auftre¬ 
ten der stets so gefürchteten accidentellen Wundkrankheiten sind gewiss so alt, 
als die Chirurgie überhaupt. Die Erkenntniss ihres Wesens und ihrer Entstehung 
ist durch eine Reihe seit alter Zeit gemachter Beobachtungen zum Theil vorbe¬ 
reitet worden, an Versuchen zu ihrer Verhütung, die ebenfalls zum Theil den rich¬ 
tigen Punct berührten (wir erinnern nur an die Behandlung frischer Wunden mit 
dem Glüheisen und erhitzten Körpern überhaupt), hat es nie gefehlt, aber wir 
dürfen doch behaupten, dass zu keiner Zeit die Bestrebungen zu ihrer Verhütung 
mit dem gleichen Erfolg gekrönt gewesen sind, als in der unsrigen, ja, dass alle 
früheren Versuche dagegen weit zurückstehen müssen. 

(Schluss folgt.) 

Kleinere ophthalmologische Mittheilungen. 

Von Dr. 0. Haab in Zürich. 

I. Antisepsis und operative Fortschritte. 

Ein Decennium ist verflossen, seit Albrechl von Gräfe starb und das gewaltige 
Erbe seines Geistes und seines unermüdlichen Schaffens den zahlreichen Schülern, 


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die sich um ihn geschaart hatten, zur weitern Pflege und Vermehrung anheimfiel. 
Doch war es eine schwere Aufgabe, dem, was v . Gräfe hinterlassen, Neues beizu¬ 
fügen. In welcher Richtung auch der heutige ophthalmologische Forscher weiter¬ 
arbeitet, er wird fast immer von Gedanken Gräfe' s ausgehen, oder bei seinen Ar¬ 
beiten, seien sie nun experimenteller, anatomischer oder klinischer Natur, mit ihm 
irgendwo Zusammentreffen, nur in wenigen Specialgebieten aber etwas wesentlich 
Neues finden, was nicht schon v. Gräfe bekannt war. 

Dennoch wurde in den letzten zehn Jahren in der Augenheilkunde emsig wei¬ 
ter gearbeitet und auch da und dort Neues und Wichtiges gefunden. Es dürfte 
daher wohl die folgende kleine Skizze einiger wichtigerer neuerer Fortschritte im 
Gebiet der Ophthalmologie, ganz besonders solcher, die practisch bedeutsam und 
vielleicht nicht allgemein in ärztlichen Kreisen bekannt sind, gerechtfertigt sein. 

Sind der Augenheilkunde durch den Einfluss der antiseptischen Principien ähn¬ 
liche Bereicherungen und Fortschritte zu Theil geworden, wie der Chirurgie ? 
Dieser Frage werden wir in erster Linie Berücksichtigung schenken müssen, wenn 
wir tlie fortschrittlichen Leistungen unserer Disciplin in’s Auge fassen wollen. 

Nach den bis jetzt vorliegenden Thatsachen zu urtheilen und gestützt auf 
eigene vielfältige Versuche scheint es mir, man dürfe in der Hoffnung nicht zu 
weit gehen , dass antiseptische Maassnabmen einen wesentlichen oder gar umge¬ 
staltenden Einfluss auf die operative Richtung der Ophthalmologie gewinnen 
werden. Bei den meisten Augenoperationen liegt die Gefahr eines schlechten Re¬ 
sultates bei auch nur einigermaassen reinlichem Vorgehen viel weniger in der ln- 
fection der Wunde, als in andern Factoren. Immerhin aber wird z. B. bei der 
Staaroperation gewiss die Statistik der glücklichen Erfolge durch gewisse anti¬ 
septische Cautelen sich noch um mehrere Procente vermehren lassen. Nur darf 
man nicht vergessen, dass gute und sorgfältige Operateure, die Instrumente 
und Verbände möglichst sauber hielten und unter günstigen Aussenbedingungen 
operirten, schon vor Einführung eigentlich antiseptischer Maassnahmen bei besag¬ 
ter Operation nahezu hundert Procent gute Erfolge hatten. 

Wo aber unter ungünstigen hygieinischen Bedingungen operirt werden muss, 
zumal bei heruntergekommenen Individuen, da wächst rasch die Gefahr der Infec- 
tion und da werden wirkliche antiseptische Cautelen auch bei Augenoperationen 
von grossem Nutzen sein und die Resultate wesentlich bessern. Hievon bin ich 
überzeugt und in diesem Sinne habe ich auch vielfache Experimente, ein für das 
Auge passendes antiseptisches Verfahren ausfindig zu machen, unternommen. Von 
Luter können wir nicht den Verband, sondern blos die Principien acceptiren und 
müssen auf diesen basirend selbstständig ein Verfahren aufbauen. Gerade das 
Phenol nämlich kann der Ophthalmologe nicht brauchen wegen zu starker Läsion 
der Cornea durch dasselbe. Wir müssen also zuerst ein Antisepticum ausfindig 
machen, das diese schädlichen Eigenschaften nicht hat. Als Ideal eines solchen 
muss ich nun nach zahlreichen Versuchen entschieden das Resorcin bezeichnen, 
ein Stoff, mit dem ich mich nun seit mehr als einem Jahr eingehend beschäftige, 
nachdem mich einige Chemiker auf dessen Verwandtschaft mit dem Phenol auf¬ 
merksam gemacht und mir von vornherein versichert hatten, das Resorcin müsse 


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gemäss seiner Structurformel ein vorzügliches Antisepticum sein. Dem war auch 
so. Das Resorcin besitzt dieselbe antiseptische Kraft wie das Phenol, hat dabei 
den Vortheil, viel weniger zu ätzen und viel leichter in Wasser löslich zu sein 
(zu 50%). Es lädirt die Cornea auffallend wenig. Während ein Spray von 0,3% 
Saücyl- oder 0,3% Phenollösung im Verlauf einer Minute das ganze Cornealepithel 
eines Kaninchens trübt, thut dies eine 5% Resorcinlösung erst nach 5 Minuten, 
bei 3% Lösung (gleichwerthig dem gebräuchlichen Phenolspray von 3%) entsteht 
auch nach 5 Minuten keine solche Eschara, vorausgesetzt, dass das Resorcin rein 
und nicht, wie es so gern der Fall, noch mit Phenol verunreinigt ist. Ueber- 
giessungen der Cornea und des Conjunctivalsackes vor und nach grösseren Ope¬ 
rationen mit 3—5% Resorcinlösung, wie ich dies jetzt immer mache (der Spray 
ist durch Verschleierung des Operationsfeldes recht störend) hat weder momentan 
noch später Reizung und Schmerz zur Folge. Die Verbandwatte tauche ich in 
3% Resorcinlösung und lege sie nass auf, wodurch sie sich innig an die Haut 
anlcgt und dermaassen dann eine Art Occlusivverband zu Stande kommt. 

Nun hat auch Borsäurelösung die Eigenschaft, gut zu desinficiren und dabei 
recht wenig zu reizen, fast so wenig wie Resorcin. Borsäurelösung greift jedoch 
die Instrumente, wie mir diesbezügliche vergleichende Versuchsreihen zeigten, 
rasch und energisch an. Den Hauptwerth des Antisepticums muss ich aber ge¬ 
rade darin erblicken, dass die Instrumente vor der Operation einige Zeit in dem¬ 
selben ohne Schaden liegen können und dass unter Umständen sogar mit nassen 
Instrumenten (wie bei chirurgischen Operationen) operirt werden kann. Das würde 
bei Borsäurelösung kaum angehen, mit Resorcin thue ich es immer und ohne 
Schaden. •) 

Meine Versuche zeigen, dass, wie geschildert, eine kräftige antiseptische En- 
cheirese sehr wohl bei Augenoperationen möglich ist. Ob sie nothwendig, 
das heisst die Statistik wesentlich verbessernd ist, das kann erst die Zukunft, mit 
anderen Worten, eine grosse Zahl von Operationen lehren. 

Dass in der Augenheilkunde wie auf chirurgischem Gebiet die Acra der An¬ 
tisepsis ganz neue Operationen ermögliche, davon können wir leider noch nicht 
viel erzählen. Doch können wir bei der Neuheit der Sache nicht wissen, was die 
Zukunft uns bringt. 

Es steht uns nämlich auf operativem Gebiet leider ein Ideal, das vielleicht 
schon r. Gräfe vorgeschwebt hatte, noch so fern und unerreichbar wie je: die Er¬ 
setzung einer total getrübten Cornea durch eine normale thierische oder menschliche. 
Trotz zahllosen Bemühungen und Versuchen hat die Transplantation der Cornea noch 
kein blindes Auge bleibend sehend gemacht. Die Einheilung der überpflanzten 
Cornea gelang wohl endlich nach vielen Versuchen, aber diese Cornea blieb nicht 
klar, sie wurde allemal nachher trüb. Und doch harren noch so viele Tausend 
Blinde der Hülfe, die diese Operation, wenn sie gelingt, ihnen bringen könnte. 


*) Was das Hydrochinon und Brenzcatechin betrifft, so sind diese Körper dem Reaor- 
ein gleich zu stellen, aber sie sind für practische Zwecke zu theuer. Schon beim Resorcin Ist der 
hohe Preis ein Uebelstand, der einzige, den ich demselben zugestehen muss. Mit einem Antisepticum 
muss man verschwenderisch umgehen können. 


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Wer das Ziel erreicht — und es wird gewiss erreicht werden — dem schuldet die 
Menschheit für alle Zeiten Dank. 

Dagegen dürfen wir hier mit Befriedigung zweier neuerer Operationen geden¬ 
ken, die geeignet sind, eine grosse Zahl von Augen vor sicherem Untergang zu 
bewahren. Es ist dies die Entfernung subretinaler Cysticerken durch 
den Scleralschnitt und die Extraction von Eisensplittern aus der 
Tiefe des Bulbus durch den Magneten. 

Die erste dieser Operationen bildet einen wahren Triumph operativer Geschicklich¬ 
keit und Kühnheit. Die in Norddeutschland recht häufig (bei uns nur ab und zu) unter 
der Retina sich ansiedelnde Cysticercus-Blase wurde, wenn sie nahe dem hintern Augen- 
pöl sass, für inoperabel gehalteu, bis vor 2 Jahren Alfred Qrdfe in Halle mit Erfolg kurz 
nach einander 2 solche Blasen, die eine von 6, die andere von 2 mm. Durchmesser, von 
aussen her durch die Sclera einschneidend, aus der Gegend des hintern Poles entfernte. 
Er durchschnitt zuerst temporal von der Cornea die Conjunctiva, dann zum Theil oder 
auch ganz den Rectus externus und drehte dann den Bulbus möglichst stark nasalwärts, 
bis der hintere Theil desselben in der Wunde zum Vorschein kam. Dann incidirte er 
in der Gegend, wo gemäss der ophthalmoscopischen Untersuchung das Thier liegen 
musste, die Sclera in meridionaler Richtung in genügender Ausdehnung und nun trat 
entweder die Blase von selbst heraus oder wurde mit der Pincette geholt. Sodann nähte 
er den durchschnittenen Rectus externus wieder an den Sehnenstumpf fest, so dass die 
Wendung de9 Auges nach aussen erhalten blieb. Die Heilung verlief ohne Störung uud 
das Sehvermögen wurde bis zu einem gewissen Grade gerettet. Seither wurde diese 
Operation öfter wiederholt (so auch mehrmals von Cohn in Breslau) und zeigt sich als 
unbedingt nutzbringend. Denn solche Augen mit Cysticerken gehen ohne Ausnahme bei 
weiterem Wachsthum des Parasiten allmälig an chronischer Entzündung zu Grunde. Je 
früher die Operation vorgenommen wird, je jünger also die BJase, um so besser sind die 
Aussichten auf Erfolg. 

Was die Verwendung des Magneten zur Entfernung von Eisensplittern aus der 
Tiefe des Auges betrifft, so muss hier zunächst der Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit Er¬ 
wähnung gethan werden, welche das Fassen eines im Glaskörper, der Chorioidca oder 
Retina sitzenden Eisen Splitters vermittelst irgeud einer Pincette, sei sie beschaffen wie 
sie wolle, darbietet. Da die Scleralwunde, durch die man in solchen Fällen dem Fremd¬ 
körper zu Leib geht, nur klein sein darf, so dass man den Splitter gewöhnlich nicht sicht 
und dessen Lage blos aus der ophthalmoscopischen Untersuchung kennt, so wird mau 
mit der Pincette meist so lange suchen und fehlgreifen, bis das Auge nicht mehr zu ge¬ 
brauchen ist. Ferner entgleitet ein im Glaskörper oder anderswo sitzender Stahlsplitter 
gewöhnlich äusserst beharrlich der Pincette, auch wenn man ihn glücklich gefasst hat. 
Somit ist die Extraction solcher Fremdkörper vermittelst des Magneten keine blosse Spie¬ 
lerei, sondern basirt auf ganz richtigen Ueberlegungen. 

Die hohe practische Bedeutung dieser Operation aber resultirt aus folgenden That- 
sachen. Fremdkörper, welche die Bulbuskapsel durchschlagen uud in die vordere Kammer 
oder in die Tiefe des Auges Vordringen, sind viel häufiger Eisensplitter, als man glaubt, 
und sind auch dann ohne Ausnahme Eisen- und nicht Steinsplitter, wenn der Patient 
himmelhoch betheuert, es sei ihm z. B. beim Kartoffelhacken oder beim Hacken im Reb¬ 
berg ein Steinchen an’s Auge gespritzt Es sind, wie dies Prof. Horner hinlänglich fest- 
gestellt hat, von der Hacke abspritzende Splitter. — Vermehrt wird sodanu das Contiu- 
gent dieser Patienten durch Schmiede, Schlosser und Metalldreher. 

Nun dürften nach ungefährer Schätzung nur allein in der Schweiz jährlich etwa 50 
bis 100 Augen durch Eindringen von Eisensplittern zu Grunde gehen. Bisher war aber 
die rationelle Behandlung solcher Fälle die, dass man das verletzte Auge beförderlichst 
enucleirte, um einer Panophthalmie oder gar der sympathischen Entzündung des andern 
Auges aus dem Wege zu gehen, zumal solche Augen so wie so allmälig erblinden. Durch 
Zuhülfenahme des Magneten wird ohne Zweifel eine gewisse Quote von Augen, die 
auf diese traurige Weise verunglückten, sich dem verhängnissvollen Schicksal abringen 
lassen und die schmerzliche Nothwendigkeit, noch scheinbar recht gut sehende und gut 


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aussehende Augen enucleiren zu müssen, etwas weniger häufig an den Augenarzt heran¬ 
treten. Aber allerdings nur dann, wenn die Verunglückten möglichst bald durch ärztliche 
Untersuchung und Diagnose über ihren Zustand aufgeklärt werden und nicht so lange in 
kalten Umschlägen und Blutegeln ihr Heil suchen, bis das ganze Auge der Tummelplatz 
wild emigrirender Eiterkörperchen geworden ist. 

Es war Mac Keown in Dublin, der vor 3 Jahren den Magneten, mit dem man schon 
früher ab und zu fruchtlose Versuche gemacht hatte, wieder aufs Neue empfahl, gestützt 
auf eigene nicht ungünstige Erfahrungen. Nun auf einmal mehrten sich die glücklichen 
Extractionen von Eisensplittern vermittelst des Magnets, offenbar deshalb, weil man bald 
zu den viel kräftigeren Electromagneten griff. So wird von einem weichen Eisen¬ 
stab (z. B. 1 Fu8s lang und 1 Zoll dick), der mit einem übersponnenen Draht richtig 
umwickelt wird und an dessen Enden je eine dünne Eisensoude angeschweiset ist, bei 
Durchgang des electrischen Stromes durch den Draht eine starke magnetische Wirkung 
ausgeübt und ein kleiner Eisensplitter von den Sonden kräftig angezogen. Höchst wich¬ 
tig ist nun eine jüngst gemachte Beobachtung. Nach glücklicher Extraction eines Split¬ 
ters, der von einem Schmiedehammer abgesprungen und in den Glaskörper gelangt war, 
zeigte es sich, dass der Splitter selbst magnetisch war und dass dies bei solchen Hummer- 
Splittern gewöhnlich der Fall ist. Näherte man nun den Splitter dem gleichnamigen Pol 
des Electromagneten, so fand natürlich keine Anziehung, sondern Abstossung statt. Man 
wird also bei der Extraction durch den Magnet immer die Wirkung beider Pole des 
Magnets (resp, der daransitzenden Sonden) versuchen müssen, ehe man die Operation 
aufgibt. 0 ) Unterlässt man dies, so wird der kräftigste Magnet, wenn man seinen Unrechten 
Pol dem Splitter nähert und dieser sich nicht leicht drehen kann, wirkungslos bleiben. 

Wenn diese beiden eben geschilderten Operationen einzelnen Operateuren auch 
ohne alle antiseptischen Maassnahmen gelungen sind, so dürfte doch gerade bei 
solchen starken Eingriffen ein möglichst grosser Schutz vor Infection dringend ge¬ 
boten sein, wenn nicht in kurzer Zeit in Folge einiger Eiterungen die gute Sache 
in Misscredit gerathen soll. 

(Fortsetzung folgt) 


"V ei*eimsl>ericlite. 

Gesellschaft der Aerzte in Zürich. 

6. Sitzung, den 7. Februar 1880. 

Hötel zum Hecht. 

1) Vortrag von Prof. Eberlh: [Jeber die amyloide Degeneration. — 
Nach neuen Untersuchungen des Vortr. ergreift die amyloide Entartung nicht wie 
bisher allgemein angenommen wurde , die verschiedenartigsten Gewebselemente, 
sondern bleibt auf das Bindegewebe allein beschränkt Durch die starke Quellung, 
welche die in amyloider. Umwandlung begriffenen Partien des Bindegewebes er¬ 
fahren, die schliesslich zur Bildung amyloider Klumpen und Schollen führt, werden 
die angrenzenden parenchymatösen Theile comprimirt und gehen endlich zu Grunde. 
Indem die amyloiden Klumpen von aussen in die Zellen des Parenchyms hinein¬ 
wachsen und fest an jenen haften bleiben, entsteht der Eindruck amyloider im 
Innern der Zellen entstandener Massen. Letztere hängen aber immer zusammen 
mit dem amyloiden Bindegewebe der Umgebung und niemals finden sie sich iso- 
lirt in den innersten Partien der Zellen. 

*) Wie mir scheint, wird es noch vortheilh&fter sein, einfach den Strom mittelst Stromwenders 
umzukehren, wobei aus dem Nordpol ein Südpol wird. 


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Discussion. Prof. Wyss fragt, was Eberih für die Bildungsstätte und Quelle 
des Amyloids halte , bevor es in diesen bindegewebigen Membranen und Grenz¬ 
säumen deponirt werde. Ob wohl die Fischer 'sehe Ansicht, dass das Amyloid im 
Eiter gebildet werde, richtig sei. 

Eberth möchte nicht bestimmt entscheiden, wo die Bildung statthabe. Im Eiter 
und Blut habe er nichts von Amyloid gefunden. Wir müssen uns vor der Hand 
damit begnügen, dass jetzt wenigstens festgestellt ist, dass es eine Gewebsform, 
das Bindegewebe, ist, welche der amyloiden Degeneration unterliegt. 

2) Prof. Huguenin trägt vor: Ueber Hemiopie. Wenn in dieser Frage 
auch noch nicht Alles ganz klar ist, bietet doch die Zusammenfassung des jetzt 
bekannten und in letzter Zeit vermehrten Stoffes Interesse Zunächst müssen wir 
genau zwischen Stabkranz-Hemiopie, der gewöhnlicheren Form, und zwischen 
Rinden-Hemiopie unterscheiden. Fälle letzterer Art sind selten, aber von 
grossem Interesse. Bei dieser letztem Form ist das Rindencentrum des Opticus 
der einen Hemisphäre ausser Function gesetzt Es existirt nämlich und zwar zu 
hinterst im Occipitalhirn an der innern und obern äussern Seite des Occipital- 
Lappens ein Rindenbezirk, der mit dem Gesichtssinn in Verbindung steht und man 
nimmt an, dass dieses Gebiet z. B. der rechten Hemisphäre sowohl mit dem 
rechten Opticus als auch mit dem linken und zwar je ungefähr zur Hälfte in Ver¬ 
bindung steht, wonach also bei Laesionen dieses Rindengebietes nicht blos der 
gleichseitige, sondern auch der gegenüberliegende Opticus zur Hälfte ohne Seelen - 
centrum ist, daher die Hemiopie. So ist auch in den wenigen bis jetzt bekannten 
Fällen durch die Zerstörung jenes Rindenbezirks am Occipitallappen wirklich ge¬ 
genüberliegende Hemiopie entstanden. 

Vortr. kann diesen Beobachtungen eine neue beifügen, die er vor Kurzem ge¬ 
macht. Die Erkrankung zeigte sich bei einem 8jährigen scrophulösen schwächli¬ 
chen Kind Anfangs 1879, indem dasselbe vergesslich und kopfwehleidend wurden 
Dann trat Brechen und Convulsionen ein. Ohne dass nun aber irgend welche 
Lähmung sich einstellte, konnte nach 4 Monaten Hemiopie constatirt werden: es 
war jederseits die rechte Hälfte der Retina blind. Dies war und blieb das ein¬ 
zige Herdsymptom bis zum Tod (Monat Juni). — Bei der Section fanden sich 
2 Tumoren, einer sass in der Spitze des linken Stirnhirnes (blos an der Convexi- 
tät), ein Käseknoten von 2,5 cm Länge, 1,75 cm. Breite und 1 cm. Dicke. Der 
zweite grössere, ebenfalls käsige Tumor befand sich an der medialen Fläche des 
rechten Occipitallappcns, direct im Sulcus Hippocampi. Es unterliegt keinem 
Zweifel, dass blos der zweite Tumor mit der Hemiopie in Verbindung zu 
bringen ist. 

Die Diagnose einer Cortexhemiopie resultirt gewöhnlich daraus, dass alle an¬ 
dern Herdsymptome fehlen und dass auch jede Basislaesion sich ausschliessen lässt. 
Schnelles Auftreten einer Hemiopie spricht gleichfalls für Cortexhemiopie. 

Was die Stabkranzhemiopie betrifft, so gibt es bis jetzt keinen einzigen Fall 
von reiner Stabkranzhemiopie. Häufig ist Hemianaesthesie dabei. Auch Läh¬ 
mung des gegenüberliegenden Olfactorius oder Glossopharyngeus kann dabei Vor¬ 
kommen. Hemiopie in Folge von Laesion des hintersten Theiles des Thalamus 


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opt. hält Vortr. für ganz zweifelhaft Er hat einen Fall gesehen, wo das ganze 
Pulvinar fehlte und dieser Mann war nicht hemiopisch gewesen. 

Verwandt mit der Cortexhemiopie ist das Flimmerscotom. Vortr. sah 
einen Fall von Flimmerscotom, wo das Flimmern rechts bestand und wo der 
Patient nachträglich an multipler Sclerose der ganzen linken Hemisphäre zu 
Grunde ging. Er glaubt, dass hier Reizung des Opticuscentrums statt hatte. 

Prof. Homer erwähnt, dass man das Flimmerscotom oft bei nervösen und etwas 
ermüdeten Personen und zwar gewöhnlich im Zustande der Nüchternheit finde. 
In der Regel folgt Kopfweh und Erbrechen. Hemiopie tritt dabei immer auf. 
Homer hat ferner Fälle gesehen, wo auf Flimmerscotom endlich schwere Cerebral¬ 
erkrankungen folgten, ferner sah er Glaucom danach auftreten. Die Hemiopie bei 
Flimmerscotom ist gewiss eine corticale. 

Haab schildert kurz einen ganz analogen Fall reinster Cortexhemiopie, den er 
ebenfalls in jüngster Zeit beobachtet hatte. Hier trat die Hemiopie plötzlich und 
begleitet von apoplectiformen Erscheinungen bei einer 61jährigen, an Mitralisin- 
sufficienz leidenden Dame auf. Auch hier war beiderseits die rechte Hälfte der 
Retina blind, Patientin bot aber sonst, nachdem eine leichte linksseitige Hemiparese 
bald nach der Embolie zurückgegangen war, gar keine weiteren Herdsymptome. 

Die Section ergab, wie vermuthet: Herd im rechten Occipitallappen und 
zwar eine hauptsächlich die Rindengegend des Sulcus Hippocampi destruirende 
(emboliscjje) Erweichungscyste. Anderweitige Herde fehlten. — Haab macht dar¬ 
auf aufmerksam, dass diese Patientin, wie es in der Regel bei Hemiopie der Fall 
ist, nur über Sehstörung am linken Auge, niemals aber über den Defect am 
rechten Auge geklagt habe. Es kommt dem Hemiopischen gewöhnlich nur auf 
dem Auge, wo die nasale Hälfte der Retina blind ist, die Blindheit zum deut¬ 
lichen Bewusstsein („Wolke“, „Häutchen“). Ohne Gesichtsfelduntersuchung wird 
man also meist die Hemiopie übersehen. Ferner ist zu erwähnen, dass in diesem 
Falle, der ein ganzes Jahr in Beobachtung war, nie irgend eine pathologische 
Erscheinung im ophthalmoscopischen Bilde der Optici und Retinae sich zeigte. 

Dr. 0. Haab. 


Referate und Kritiken. 

Die Hydrotherapie auf physiologischer und klinischer Grundlage. 

Von Dr. W. Winternilz. Zweiter Band, II. Abtheilung: Der Eiuflusö allgemeiner thermischer 
Applicationen auf Körpertemperatur und Stoffwechsel. 324 Seiten Text, Namen- und 
Sachregister, mit 12 Holzschnitten. Wien, Urban & Schwarzenberg. 

Beinahe mit der Ausführlichkeit und Vollständigkeit einer Monographie behandelt 
Verfasser in dieser letzten Abtheilung seines epochemachenden Werkes über Hydrothera¬ 
pie die Fragen von der Constanz der Körperwärme, von der Wärmebildung, Wärme¬ 
retention oder Wärmestauung, Wärmeabgabe und Wärmeregulation im menschlichen Kör¬ 
per. Mit einer ausgedehnten Kenntniss der neuesten monographischen und experimentel¬ 
len Bearbeitungen dieser physiologischen Fragen, mit einer Wissenschaftlichkeit und 
Gründlichkeit, die wir in den vorhergehenden Abtheilungen des Werkes schon keimen 
gelernt, geht Winternilz hier von der 21, bis zur 29. Vorlesung an die Darstellung und 
Analyse des Einflusses thermischer Applicationen auf die Wärmebildung und die Wärme¬ 
abgabe und damit auf die Temperatur des Körpers. Begreiflicher Weise bildet hier die 
Bedeutung der Hydrotherapie als Antipyreticum par excellence 


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den Glanzpunct dieser Abtheilung. Meisterhaft sind die feinen Unterschiede in der 
Technik der hydriatischen Behandlung des Fiebers je nach den verschiedenen Indicu- 
tionen begründet und dargestellt. Mit wahrer Genugthuung sicht man den Verf. Front 
machen gegen jene rohe Auffassung der Autipyrese, welche ganz einfach in der möglichst 
raschen und möglichst ausgiebigsten Wärmeentziehung die einzige Richtschnur bei der 
Fieberbehandlung erblickte. 

Wie seiner Zeit die Physiologen gegen jene Richtung in der Erforschung der Ver¬ 
dauungsvorgänge, die den Magen einfach als Retorte betrachtete, reagirten , so ist es 
wahrlich längst nöthig geworden, gegen die Auffassung zu protestiren : dass das Fieber 
einfach, wie die Quecksilbersäule im Thermometer, durch Versetzung der Körperoberfläche 
in ein möglichst kaltes Medium herabzustimmen sei. 

Als ein hohes Verdienst des Verf. betrachte ich es auch, dass er der consequenten 
Anwendung von wiederholten nassen Einpackungen bis zur dauernden 
Herabsetzung der Fiebertemperatur so hohen Werth als antipyretisches Ver¬ 
fahren beilegt. Bezüglich der Technik dieses Verfahrens auf das Original verweisend, 
führe ich hier nur noch an , dass ich selbst seit 18 Jahren in meiner Landpraxis die 
consequente Anwendung der nassen Einpackungen, ganz wie W. sie schildert, als eine 
vorzügliche, in den allerprimitivRten häuslichen Verhältnissen immer noch durchführbare 
und dabei kaum je im Stiche lassende antipyretische Methode anwende und hoch¬ 
schätze. 

Nachdem Verf. die Verbindung der Hydrotherapie mit dem rationellen innerlichen 
Gebrauche von Alcoholicis in der Fieberbehandlung gewürdigt, geht er Uber zur Betrach¬ 
tung des Badecollaps und des Herzcollaps. An diese Schilderungen reiht sich eine Dar¬ 
legung der hydriatischen Proceduren bei catarrhalischen und rheumatischen Erkrankungs¬ 
formen. 

In der 29. und 30. Vorlesung behandelt W. den Einfluss thermischer Einwirkungen 
auf den Stoffwechsel und zwar auf die Abgabe von CO, und die Aufnahme von 
O, auf die Steigerung des Verbrauches an Kohlenhydraten, auf die Mehrzersetzuug stick¬ 
stoffhaltigen Körpermateiiales und vor Allem auf die Ausscheidungen des Schweisscs und 
des Urins. Die Methodik der Schwitz euren: Dampfkastenbäder, besonders aber 
die Priessmtz sehe trockene Einpackung und das darauf folgende kalte Vollbad wird genau 
erörtert und es schliesst sich daran die Betrachtung des Einflusses der innerlichen An¬ 
wendung des Wassers: Beeinflussung des Stoffwechsels durch methodisches 
W assertrinken und durch Wassereinfuhr in den Darm. Nach Erörterung der Wir¬ 
kung vermehrter Wassereinfuhr auf Körperwärme, Circulation , Salzgehalt des Blutes, 
Kohlensäureausscheidung und Harnstoffabsonderung, folgt die Begründung der practischon 
Verwendbarkeit dieser Abtheilung der Hydrotherapie als die Absorption und die Aus¬ 
scheidung mächtig fördernde Methode in verschiedenen Dyscrasien. 

In der 31. und 32. Vorlesung endlich ergeht sich der Verfasser in Erklärungen über 
die Bedeutung der Hydrotherapie als diätetische, abhärtende und prophylactische Behand¬ 
lungsmethode; vor Allem aber fesselt uns die Beschreibung der thermischen Behandlungs- 
weise der Nervenkrankheiten, der Hysterie, der Psychosen und schliesslich 
der Rückenmarkskrankheiten und der constitutioneilen Syphilis. 

Indem ich auf mein Referat über die früheren Abtheilungen dieses Werkes ver¬ 
weise , erlaube ich mir hier nur noch wenige Worte über den Gesammteindruck des 
Letzteren. 

WintemUz hat mit seiner Hydrotherapie, wie sie nun vollendet uns vorliegt, unstreitig 
das bedeutendste und vollständigste Werk geliefert, das je über diesen Zweig des medi- 
cinischen Wissens geschrieben wurde. Das Buch macht seinem Titel die höchste Ehre : 
es bietet uns wirklich die Hydrotherapie in ihrem gesammten Umfange auf phy¬ 
siologischer und clinischer Grundlage basirt! 

Gründliche Kenntniss der einschlägigen Literatur, Vertrautheit mit den Ergebnissen 
der neuesten physiologischen Forschungen auf diesem Gebiete, Initiative und Originalität 
der eigenen Experimentreihen (vgl. Volummessungen, calorimetrische Bestimmungen u. v. a.), 
feine Unterscheidungsgabc und vollständige Beherrschung der hydriatischen Technik, 
Verwerthung eines sehr grossen Beobachtungsmateriales mit sorgfältiger Auswahl, be¬ 
geisterte und schneidige und doch vorurteilslose Behandlung des Gegenstandes — alle 


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diese Vorzüge im Vereine, machen aus den scheinbar lose aneinander gereihten 32 Vor¬ 
lesungen ein harmonisches, abgerundetes, in seiner Art vollkommenes Werk. 

Dr. Wagner (Albisbrunn). 

Ueber den Scharlach in seinen Beziehungen zum GehBrorgan. 

Von Alb. Burckhardt-Merian. (Nr. 182 der Volkmann sehen Sammlung klinischer Vorträge.) 

Leipzig, Breitkopf <fr Härtel. 

Der in der medicinischen Gesellschaft Basels in der Sitzung vom 4. März 1880 ge¬ 
haltene Vortrag enthält in gedrängter Kürze zunächst einen historischen Ueberblick der 
bisher üblichen, sehr unvollständigen und grösstentheils fehlerhaften Betrachtungsweisen 
der den Scharlacbprocess begleitenden Affectionen des Gehörorganes. Hieran reiht der 
Verfasser seine durch statistische Erhebungen bei einzelnen genauer beobachteten Schar¬ 
lachepidemien gestützten Angaben Uber die Häufigkeit der Ohrerkrankungen bei Scharlach 
und wendet sich hierauf zur Erledigung der Frage nach den besonderen Veranlassungen 
dieser in ihrer Bedeutung für die Existenz des Hörorganes sowohl als für die allgemeine 
Prognose des Falles so äusserst wichtigen Complication. Er sieht mit Wilde und vor 
Allem mit Heydloff die Ursache der Scharlach-Ohi erkrankungen in einer Fortpflanzung der 
croupösen Scharlach-Rachenerkrankung und der Scharlach-Rachendiphtberitis durch die 
Eustachische Trompete nach dem Mittelohre und seinen Adnexen. Sehr interessant und 
für den practischen Arzt äusserst lehrreich sind die nun folgenden Angaben über den 
Symptomencyclus und die Verlaufswcise dieser Ohraffectionen, über die anatomischen Be¬ 
dingungen für die hierbei so häufig beobachteten hochgradigen Zerstörungen des Trommel¬ 
fells u. s. w. Mit Recht macht Burckhar dt- Merian sowohl die locale Prognose der 
Scharlach-Obrenaffection als theil weise ebenfalls die allgemeine Prognose 
derartig complicirter Scharlachfälle von der möglichst frühzeitigen 
und rationellen Behandlung der keineswegs gutartigen, vielmehr sehr häufig 
destructiven Mittelohr-Entzündungen und -Vereiterungen abhängig. Sehr 
präcis und practisch empfehlenswerth sind die den Schluss dieses zeitgemässen Vortrages 
bildenden therapeutischen Rathschläge und speciellen medicamentösen Vorschriften. 

Bezüglich der auf pag. 1512 und 1513 des Vortrages uumaassgeblich augeregten 
Frage, „ob die beim Scharlachprocesse zur Zeit übliche Kaltwasserbad- und Wickel¬ 
behandlung vielleicht im Stande sei, durch den hierbei unvermeidlichen Blutandrang zum 
Kopfe das Entstehen der Mittelohrerkrankuug zu begünstigen 1 *, sei mir hier die Bemer¬ 
kung erlaubt, dass ich bei Durchsicht meiner ziemlich zahlreichen Scharlachfälle bis jetzt 
aus den betreffenden Krankengeschichten keine Bestätigung einer solchen Annahme schö¬ 
pfen konnte. Vielmehr boten diejenigen meiner Fälle, welche vor dem Beginne der Kalt¬ 
wasser-Therapie nach der früher üblichen Occlusionsweise durch genannte diaphoretische 
Maassnahmen u, 8. w. behandelt worden waren, die schwersten und ungünstigst verlau¬ 
fenden complicirenden Ohrerkrankungen dar, und fehlten die Letzteren andererseits bei 
einer grössern Reihe sehr consequent gebadeter und gewickelter Scharlachpatienten oder 
verliefen hier wenigstens entschieden gutartiger. 

Demme. 


7. Bericht Uber die Wirksamkeit der Anstalt zur Hoffnung für schwachsinnige Kinder 

in Basel, 

umfassend den Zeitraum vom 1. October 1876 bis 1. October 1879. 

Diese Anstalt, gegründet im Jahre 1868 vom verstorbenen Prof, Jung , verfolgt ein 
so eigenartiges philanthropisches Ziel, dass es sich der Mühe lohnt, unsern Lesern Eini¬ 
ges aus dem vorliegenden Berichte mitzutheilen. 

Im Eingang sucht der Bericht die im Publicum zeitweise auftauchenden Vorwürfe 
zu widerlegen, als weise die Anstalt im Ganzen wenig Erfolge auf und leiste speciell für 
Basel nichts. 

Was den Zweck der Anstalt anbelangt, so verweist der Bericht auf das Urtheil der 
Armen- und Waisenbehörden, welche am besten Auskunft geben könnten über die 
Schwierigkeit der Versorgung schwachsinniger Kinder. Sozusagen von der Strasse her¬ 
ein, von Jedermann verachtet und verstossen, geistig und meistens auch körperlich ver¬ 
kümmert, oft moralisch verdorben, anscheinend keiner Erziehung fähig, kommen die armen 


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Geschöpfe gewöhnlich durch Vermittlung von Behörden oder privaten Wohlthatem in die 
Anstalt. Viele sind in ihrem 8.—10. Jahre noch nicht im Stande, ein vorgesprochenes 
Wort nachzusprechen und antworten auf jeden Befehl mit jenem bekannten selbstzufrie¬ 
denen Lachen. Solchen Kindern Schreiben, Lesen und Rechnen beizubringen, sie an Ar¬ 
beit und Reinlichkeit zu gewöhnen, ist wahrlich keine leichte Aufgabe! Wenn Taub¬ 
stummeninstitute bessere Erfolge aufweisen, so ist dies erklärlich, denn dort sind nur der 
Gehörssinn und deshalb die Sprache mangelhaft entwickelt, bei den Schwachsinnigen aber 
das Gehirn. 

Von 73 Kindern, welche seit 1868 in der Anstalt aufgenommen wurden, hatten ihren 
Wohnsitz in Basel 19, Glarus 10, Zürich 10, St. Gallen 6, Graubünden 4, Schaffhausen 
4, Thurgau 4, Eisass 3, Grossh. Baden 3, Appenzell 3, Aargau 2, Solothurn 2, Baselland 
8, Schwyz 1. 

Am 1. October 1876 befanden sich in der Anstalt 15 Knaben, 6 Mädchen. Seither 
wurden aufgenommen 14 Knaben, 4 Mädchen, entlassen ebenso viel, es verblieben somit 
am 1. October 1879 16 Knaben, 6 Mädchen. Gesammtbestand der Anstalt also 21 
Kinder. 

Anschliessend an diese Zahlen bringt der Bericht sehr interessante Mittheilungen 
über das Verhalten und die Leistungen von 18 schwachsinnigen Anstaltskindern. 

Ueber die Erfolge bei den von October 1876 bis October 1879 entlassenen 18 Kin¬ 
dern, gibt der Bericht folgende Zahlen: Ohne Erfolg war der Aufenthalt bei 4 Knaben, 
2 Mädchen; von theilweisem Erfolg bei 3 Knaben, 2 Mädchen; von gutem Erfolg bei 
7 Knaben. Die durchschnittliche Verpflegungsdauer eines Kindes beträgt 3 Jahre 97i 
Monate. Der längste Aufenthalt eines Kindes währte 9 Jahre, der kürzeste 3 Monate. 
Nach dem Erfolg eingetheilt gingen aus der Anstalt hervor mit gutem Erfolg 7 Kinder 
nach 6 Jahren 7 Monaten; mit theilweisem Erfolg 5 Kinder nach 3 Jahren 7 Monaten ; 
ohne Erfolg 6 Kinder nach 7 Monaten durchschnittlich. Auf diese Zahlen gestützt, zieht 
der Verfasser des Berichtes folgende Schlüsse: 

1) ein dauernd guter Erfolg benöthigt einen Aufenthalt von über 6 Jahren in der 
Anstalt; 

2) schwachsinnige Knaben erweisen sich bildungsfähiger als schwachsinnige 
Mädchen. 

Ob diese Schlüsse allgemeine Geltung haben, kann Referent nicht entscheiden. 

Als Lehrfächer sind verzeichnet: Lesen, Schreiben, Zeichnen, Rechnen, Singen, Tur¬ 
nen, Religion ; für Mädchen dazu weibliche Handarbeiten, Alle Kinder werden zu Garten¬ 
arbeit angehalten, sofern es ihre Kräfte erlauben. 

Wir rufen der Anstalt zu: Glückauf! Albrechi. 


Die Kinderernährung im Säuglingsalter. 

Von Dr. Ph. Biedert, Spital- und Kreisarzt zu Hagenau i. E. 

Stuttgart, Verlag von F. Enke, 1880. 

Fast könnte der Titel des Buches schon abschrecken, demselben einige Aufmerksam¬ 
keit zu schenken bei der Ueberfluthung von meist populär gehaltenen Abhandlungen Über 
Kinderernährung und Kinderpflege, Schriften, die zum grossen Theil auch als Reclamc 
dienen für irgend eines der zahlreichen Surrogate der Muttermilch. Freilich machen ein¬ 
zelne auch eine löbliche Ausnahme, wie z. B. dasjenige unseres Landsmannes Albrecht , und 
sehr begreiflich ist auch das Bestreben, Aerzte und Publicum für diesen wichtigen Gegen¬ 
stand zu interessiren, um so mehr, als verkehrte Ansichten hierüber trotz vielfacher Be¬ 
lehrung immer noch sehr verbreitet sind. 

Im vorliegenden Falle konnte schon der Name des Verfassers dafür garantiren, dass 
uns mit diesem kleinen Werke etwas Gründliches, auf eingehende physiologische Studien 
und ausgedehnte Erfahrung basirt, dargeboten werde. Seit Jahren ist der Name Bieder? s 
mit der Frage der Kinderernährung eng verknüpft; ich erinnere blos an die Arbeiten iu 
den letzten Jahrgängen des Jahrbuches für Kinderheilkunde über künstliche Kinderernäh¬ 
rung, über FettdiarrhcB, über das künstliche Rahmgeroenge. — Unsere Erwartungen sind 
durch die Lectüre dieses fast 400 Seiten fassenden Buches Übertroffen worden. Der 
Verfasser bespricht in erschöpfender Weise und anziehender Form darin die Kinder¬ 
sterblichkeit im 1. Lebensjahr, die Nahrungsorgane und Nahrungsmittel der Kinder, das 


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Stillen durch Mutter und Ammen, die künstliche Ernährung und die Störungen der Er¬ 
nährung. 

Der Raum mangelt uns leider, um auf besonders ansprechende und belehrende Ein¬ 
zelheiten aufmerksam zu machen ; doch darüber möchten wir unsere Freude aussprechen, 
dass wir* durch diesen competeutcn Forscher bestätigt finden, was bei uns seit Jahren 
unumstösslich feststeht, dass unter allen künstlichen Nahrungsmitteln die Kuhmilch in 
richtiger Darreichung obenan steht, dass hier Zusatz vou Gersten- und Iiaferabkochun- 
gen sehr werthvoll ist für die Verdauung, dass sämmtliche Kindermehle für die erste 
Zeit nichts taugen. Die wissenschaftliche Begründung dieses Satzes, den wir in unge¬ 
zählten Fällen in Spital, Krippe und Privatpraxis als richtig erkannt haben, möge im be¬ 
sprochenen Buche selbst nachgelesen werden, wie wir dasselbe überhaupt allen Collegen 
älterer und jüngerer Schule als höchst anregende und zugleich ansprechende Lectüre aus 
voller Ueberzeugung empfehlen möchten. Biedert hat in der Physiologie der Verdauung 
im Säuglingsalter seit vielen Jahren unausgesetzt wacker gearbeitet, hat selbst viel ex- 
perimentirt und ist daneben practischer Arzt. Seine physiologischen und practischen Er¬ 
fahrungen sind neben erschöpfender Benützung der einschlägigen Literatur hier nieder¬ 
gelegt; es verdient das Buch einen Ehrenplatz in der Bibliothek jedes practischen Arztes, 
der in der Kinderernährung ein Wort mitzureden hat E . H. 

Das Microsoop und seine Anwendung. 

Von Dr. L. v. Thannhofer , Professor in Budapest. Ein Leitfaden der allgemeinen micro- 
scopischeu Technik für Aerzte und Studirende. Stuttgart, Ferd. Enke, 1880. 8°. 

Der practische Unterricht in der microscopischen Anatomie ist jetzt an allen Uni¬ 
versitäten als eine wesentliche Aufgabe des Unterrichts in den Studienplan des Medici- 
ners aufgenommen. Was der Secirsaal für die descriptive Anatomie, das ist für die Ge¬ 
webelehre , sowohl die normale als pathologische , das sogen, microscopische Practicum. 
Jeder Mediciuer beschäftigt sich darin selbst mit der Herstellung von Präparaten und der 
Untersuchung gesunder oder erkrankter Gewebe. Die zahlreichen Kunstgriffe : das Zer¬ 
zupfen, Schneiden, Färben, Durchsichtigmachen, sind die unerlässlichen Vorbereitungen, 
um etwas sehen und beobachten zu können. Allmälig hat sich eine reiche und sehr 
coraplicirte Technik entwickelt, und der oben genannte Verfasser hat in einem kleinen, 
10 Bogen umfassenden Werkchen die wichtigsten Kunstgriffe und -kniffe klar und über¬ 
sichtlich zusammengestellt. Gute Holzschnitte erleichtern das Verständniss, und practisch 
ist der Anhang: Alphabetisches Verzeichniss der bei microscopischen Untersuchungen 
nothwendigen Reagentien, Färbemittel und Verschlussmasscn. Holtmann. 

Handbuch und Atlas der topographischen Percussion 

nebst einer Darstellung der Lehre vom Percussionsschall. Von Dr. Adolf Weil. 
Zweite, vielfach vermehrte und umgearbeitete Auflage. Mit 4 Ilolzschn. und 26 Tafeln. 

Leipzig, Verlag von F. C. W. Vogel, 1880. 

Die topographische Percussion ist das Secirmesser des Klinikers und des Arztes. 
Wo es sich am Lebenden um die Bestimmung der normalen und pathologisch verscho¬ 
benen Grenzen der Brust- und Unterleibsorgane handelt, da ist die Percussiou sein schärf¬ 
stes lustrument. Mit Recht wird auf die Uebung im Gebrauch dieses Hülfsmittels der 
Diagnostik ein grosses Gewicht gelegt, schon von den ersten klinischen Semestern an. 
Auf welch’ beträchtlichem Grade von Vollendung die Erklärung dieser schwierigen Ver¬ 
hältnisse angelangt ist, zeigt das vorliegende Werk durch den Atlas von 26 Tafeln, der 
die normalen Grenzen der Organe mit verschieden gefärbten Linien in den beiden gros¬ 
sen Rumpfhöhlen, sowie Abweichungen von der Norm darstellt. Stets sind jene Theile 
des 8kelettes, nach denen wir den Verlauf der Grenzen bestimmen , in den Rumpf ein¬ 
gezeichnet , wodurch die Uebersicht der complicirten Lagerung noch wesentlich erhöht 
wird. 

Das Werk zerfällt in einen allgemeinen Theil, der die Theorie des Percussions¬ 
schalles, die Methoden der Percussion, das specielle Verfahren bei der peYcussorischen 
Grenzbestimmung der Organe, starke und schwache Percussion u. s. w. enthält, und in 
einen s p e c i e 11 e n Theil, der die topographische Percussion der Lunge , des Herzens, 
der Leber, der Milz, des Magens, der Nieren, die Percussion von Flüssigkeit und Gas 


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in der Pleurahöhle (Hydro-, Pyo-, Hämato-, Pneumothorax), von Lungencavernen, von 
Emphysema pulmonum, von Flüssigkeit in der Peritonealhöhle, von Meteorismus peritonei 
aut intestinorum erörtert. 

Jedem dieser Hauptcapitel ist ein kurzer Abschnitt, „Anatomische Vorbe¬ 
merkungen", vorausgeschickt, in welchem sich der jetzige Stand der anatomischen 
Kenntnisse spiegelt. Dass auoh auf diesem so viel betretenen Gebiete die Forschung 
noch weitere Einblicke eröffnet, zeigen die Untersuchungen von W. His über den Situs 
viscerum. Arch. f. Anatomie und Physiologie, anatomische Abtheilung, 1878. Die Auf¬ 
nahme der Fig. 1 und 2 auf Taf. II jener Abhandlung würde jedem Leser noch eine 
willkommene Beigabe sein, was vielleicht bei einer neuen Auflage, die wir dem 
Buche wünschen, geschehen kann. Kollmam, 

Sterfte-atlas van Nederland over 1860—1874. 

Amsterdam, T. van Rossen, 1879. 

Dieser Atlas stellt auf 12 grossen Karten mit begleitendem Texte die Natalität und 
Mortalität der einzelnen Gemeinden und Provinzen der Niederlande in dem 15jährigen 
Zeiträume 1860 — 1874 dar; er schliesst sich nach seiner ganzen Anlage an einen früher 
erschienenen, den 20jährigen Zeitraum 1841—1860 umfassenden, Atlas an. 

Aus der kurzen Einleitung, welche über die Anordnung des Stoffes, die Art und 
Weise, wie die Bevölkerungszahlen etc. berechnet wurden, Auskunft gibt, erfahren wir 
auch, dass der Plan zu dieser Publication von der niederländischen Gesellschaft tot be- 
vordering der Geneeskunst ausging. Da das Gesuch um Ausführung des Atlas auf 
Staatskosten abgewiesen wurde, stellten zu diesem Zwecke die genannte Gesellschaft und 
die Redaction der niederländischen Tijdschrift voor Geneeskunde je 1500 Fr. zur Ver¬ 
fügung. 

Die Tabellen geben nun für jede Gemeinde der 9 Provinzen die Oberfläche, die 
Bevölkerung auf die Mitte des 15jährigen Zeitraumes, die Zahl der Geborenen, Todt- 
geborenen, Gestorbenen und die bezüglichen Verhältnisszahlen , ferner die Anzahl der 
Sterbefälle nach 8 Alterseiassen. Den Schluss bilden Uebersichten der Mortalität nach 
Geschlecht und Altersclassen im ganzen Reiche, in 20 grösseren Städten und in den Pro¬ 
vinzen ohne diese 20 Städte; endlich Angaben über die Mortalität in den Garnisonen 
und Gefängnissen des Landes. 

Die Mortalität zeigt sich natürlich in erster Linie beeinflusst durch die Natalität; 
(beide sind im Folgenden excl. Todtgeborene angegeben). So Anden wir, dass die 4 
Provinzen, deren Mortalität diejenige des ganzen Landes (26,38% 0 ) übersteigt, gerade 
auch die einzigen sind , deren Natalität diejenige des ganzen Landes (35,12%o) über¬ 
trifft; Südholland mit der ungünstigsten Mortalität hat auch die (excl. Todtgeb.) höchste 
Geburtsziffer. 

Provinzen mit Natalitätsziffer und Mortalitätsziffer Über dem Mittel des ganzen 
Landes: 

StidhoUand 40,79°/oo 8üdholland 30,66% 

Seeland 40,66 „ Utrecht 27,97 „ 

Nordholland 36,19 „ Seeland 27,19 „ 

Utrecht 35,93 „ Nordholland 26,62 „ 

Obgleich die Einwirkung von ausserordentlichen Umständen, Epidemien etc. in einem 
15jährigen Zeiträume sich einigermaassen verwischt, stossen wir doch in einzelnen Ge¬ 
meinden auf sehr extreme Zahlen. Die Krone gebührt dem Städtchen Oudewater in 
Südholland, das bei einer mittlern Einwohnerzahl von 2199 im Laufe der 15 Jahre 1519 
Lebendgeborene (46,52%) und 1572 Gestorbene (47,66%o)» darunter allein unter 1 Jahr 
720, aufweist. 

Alle diese Verhältnisse, zugleich mit der durch Schraffirung angedeuteten Boden¬ 
beschaffenheit f sind für die verschiedenen Provinzen resp. Gemeinden auf den Karten 
sehr übersichtlich dargestellt und unwillkürlich drängt sich der Gedanke auf, wie interes¬ 
sant ein solcher Sterblichkeitsatlas unseres auch in dieser Beziehung vielgestaltigen Vater¬ 
landes sein würde. Eine Frage aber, welche jeder Blick auf die schönen graphischen 
Darstellungen lebhaft hervorruft, bleibt unbeantwortet, nämlich: welche Ursachen — von 
der Natalität abgesehen — in einzelnen Provinzen und Gemeinden die Mortalität so un- 

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günstig gestaltet haben. So darf man an das vorliegende Werk wohl den Wunsch knü¬ 
pfen, es möchte ein künftiger „Bterfte-atlas van Nederland“ uns, wenigstens im Text, 
auch über die hauptsächlichsten Todesursachen Aufschluss geben. Lotz. 

Beitrag zur operativen Behandlung der Ohreneiterungen. 

Inaug.-Dissert. von H. Bircher, Spitalaizt in Aarau. 

An der Hand dreier Beobachtungen aus seiner Spitalpraxis bespricht Verf. die ope¬ 
rativen Eingriffe gegen die Ohreiterungen im Sinne der Entfernung der pathischen Pro¬ 
duc te durch das Evidement des Proc. mastoideus und er will dasselbe nicht nur bei der 
Eiterretention ex indic. vitali, sondern auch bei der Ostitis rarificans in Anwendung zie¬ 
hen. Unter strengster Beachtung der antiseptischen Cautelen legte Verf. bei seinen Ope¬ 
rationen in einem Falle das ganze Mittelohr blos und eröffneto zweimal die Schädelhöhle 
ohne eine Spur von darauf folgender Fieberreaction und ohne schlechte Eiterung. — Der 
Arbeit sind 6 Photographien (von Gysi in Aarau) beigegeben, deren hübsche Ausführung 
noch besondere Erwähnung verdient. 

Die Vorschläge des Verf. zu activerem Vorgehen gegen die Ohreiterungen sind sehr 
zu unterstützen, zumal wenn man bedenkt, wie der Ohrenfluss noch häufig so lange flies- 
sen gelassen wird, bis er von selbst aufhört, oder bis Pat. „sich zu Tode erbricht“, wie 
man in Wien zuweilen sagen hört. — Kaufmann . 


Cantonale Correspondenzen. 

Aargan« Sanitarische Recrutenuntersuchung. Die Abnahme der 
diensttauglichen Mannschaft seit dem Jahre 1875 ist für sämmtliche Divisionskreise con- 
statirt Nach dem Referat Hürlimam’a *) an die gemeinnützige Gesellschaft weisen im 
Jahre 1879 sämmtliche Divisionskreise gegenüber 1875 eine Abnahme um 6 — 27°/ 0 auf. 
Die Abnahme wird in Folge strengerer Anwendung der Instruction über die Untersuchung 
und Ausmusterung der Militärpflichtigen duroh die Untersuchungscommissionen im Jahre 
1880 wohl noch weiter erfolgt und damit vielleicht ein Normalstand der Tauglichkeit er¬ 
reicht sein, sofern nicht an ein Schwinden der Volkskraft in der nachwachsenden Gene¬ 
ration gedacht werden muss, wie sie vielleicht in einzelnen Recrutirungskreisen , aber 
wohl noch nicht für das ganze Land angenommen werden darf. 

Eine Durchmusterung der Untersuchungscontrolen der 6 aargauischen Recrutirungs- 
kreise für die Jahre 1878, 1879 und 1880 und die Ausscheiduug der Tauglichen, zeit¬ 
weise und bleibend Untauglichen in alte (zurückgestellte) und neue Recruten hat mir nun das 
Resultat ergeben, dass die Anforderungen der Militärtauglichkeit beinahe für die Hälfte 
der in’s wehrpflichtige Alter tretenden Mannschaft •*) verfrüht sind und dass ein Theil 
des unbefriedigenden Tauglichkeitsergebnisses diesem Umstande zur Last fällt. Im Can- 
ton Aargau galt vor Einführung der neuen Militärorganisation wirklich auch das voll¬ 
endete 20. Altersjahr zur Recrutirung. Und die aus Beobachtung und Erfahrung ab¬ 
geleitete Praxis scheint auch die richtige gewesen zu sein. Nach den Mittheilungen des 
eidg. statistischen Bureau waren von der Recrutenzahl von 43,059 Untersuchten der Jahre 
1878 und 1879 12,809 oder 29,7% mit ungenügendem Brustumfang erschienen. Die 
deutschen Gemeinden weisen einen Procentsatz von 31,8, die französischen von 24, die 
italienischen von 23,8 und die romanischen von 29,7 auf. Ueber 40% haben die Can- 
tone Aargau (49,6), Obwalden (44,8), Glarus (42,5) und Solothurn (40,8). Günstigere 
Verhältnisse in Bezug auf Brustentwicklung haben die Cantone Schaffhausen (18,5), Frei¬ 
burg (18,6), Tessin (23,1), Waadt (23,5), Uri (23,7), Neuenburg (24,7%) u * s» f 

Durchgehen Sie einmal mit mir die Zahlen der während der letzten 3 Jahre (1878 
bis 1880) im Canton Aargau untersuchten Stellungspflichtigen und Sie werden sehen, wie 


*) Ueber die Ergebnisse der sanitarischen Recrutenmusterung in der Schweiz während der Jahre 
1875—1879. Eine Besprechung dieser ausgezeichneten Arbeit durch eine competente Feder ist uns 
zugesagt, leider aber immer noch nicht eingetroffen. Red. 

* # ) Die bei der sanitarischen Untersuchung sich stellenden jungen Männer sind durchschnittlich 
im Alter von 19 1 /« Jahren. Siehe „Mittheilungen des eidg. statistischen Bureau betr. die ärztliche Un¬ 
tersuchung bei der Recrutirung für die Jahre 1878 und 1879“. 


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mit der strengem Handhabung der „ Instruction zur Untersuchung und Ausmusterung der 
Wehrpflichtigen 11 die Zahl der ZurUckgestellten jedes Jahr zugenommen hat. 

Im Jahre 1878 erschienen 506 Zurttokgestellte — 25,2% d. Stellungspflichtigen z. Untersuch. 
■ , 1879 n 740 , =81,«.. 

g d 1880 75 889 » — 40,4 „ „ „ » 

Entsprechend der Zunahme der sich wiederholt stellenden Reoruten fällt auch der 
Procentsatz der „Erstlinge“, wie folgende Zahlen beweisen: 

Im Jahre 1878 erschienen 1503 = 74,8% neue Recrutep. 

» „ 1879 9 1Ö59 = 68,4 „ , 

. ‘ » 1880 „ 1336 = 59,6 , , 

Bei den Zurückgestellten ist das Untauglichkeitsprocent ein höheres, als bei den 
neoea Recrnten, die Zahl der Tauglichen für zwei Jahrgänge geringer, für einen höher, 
die Zahl der zeitweise Untauglichen für alle drei Jahrgänge geringer als bei der erstmals 
erscheinenden Mannschaft 

Das Z&hlenverhältniss stellt sich daher wie folgt: 

a) Zurückgestellte: 


1878 

1879 

1880 

506 

740 

889 

Tauglich % 
158 = 31,2 
283 = 38,2 
234 = 26,3 

Zeitw. untaugl. °/ 0 

156 — 30,8 
228 = 30,8 
281 = 31,6 

Untauglich % 
192 = 37,9 
229 = 30,9 
374 = 42,2 

Total " 

2135 

676 = 31,6 

666 = 31,1 

795 = 37,2 



b) Neue Recruten. 




Tauglich % 

Zeitw. untaugl. % 

Blbd. untaugl. % 

1878 

1503 

606 = 40,3 

607 = 33,7 

390 = 25,9 

1879 

1559 

585 = 37,5 

636 = 40,8 

338 = 21,6 

1880 

1336 

489 = 36,6 

504 = 37,7 

343 = 25,7 

Total 

4398 

1680 = 38,8 

1647 = 37,3 

1071 = 24,3 


Aus der Tabelle für die Zurückgestellten drängt sich die Vermuthung auf, dass im 
Jahre 1879 mancher Recrut zurückgestellt worden ist, der den Tauglichkeitsanforderun- 
gea von 1880 binnen Jahresfrist nicht nach wachsen konnte und dass in dem Procentsatz 
von 42,2 Untauglicher des Jahres 1880 ein Schub unglücklicher Hoffnungscandidaten ex- 
mittirt worden ist, der die Vorhalle des Janustempels resp. der Untersuchungslocale nach 
uod nach zu verstopfen drohte. Trägt doch schon dieUebung, die meisten theilweise un¬ 
tauglichen Recruten für das nächste Jahr wieder vorzuladen, obschon bei sehr Vielen die 
Körpermaasse bis dahin voraussichtlich nicht in einer den Bestimmungen des Reglements 
entsprechenden Weise verbessert sein können, viel dazu bei, die Zahl der Zurückgestell- 
ten zu einer ständig hohen zu machen. 

Aus der Tabelle für neue Recruten liest sich das Bestreben, es namentlich gegen¬ 
über 1879 und 1878 mit den Anforderungen der Militärtauglichkeit genauer zu nehmen 
und die Ausscheidung in bleibend und zeitweise Untaugliche zu Gunsten der ersteren 
etwas zu erhöhen. 

Wichtig scheint mir, dass für das Total sämmtlicher Jahrgänge nur 1% mehr Taug¬ 
liche als zeitweise Untaugliche resultirt, zumal in Betracht fällt, dass fast sämmtliche 
zeitweise Untauglichen wegen ungenügender Körperentwicklung zurückgestellt sind. 

Ein U eberblick über die kreis weise Anordnung der Zahlen ergibt, dass der 6. Re- 
crutirungskreis (Frickthal) die besten Tauglichkeitsresultate liefert, nämlich von den erst¬ 
mals stellungspflichtigen Recruten im Total sämmtlicher 3 Jahrgänge 45%, dann der 
Kreis 9 (Freiamt und ein Theil des Bezirks Bremgarten) 42,8, zwei Kreise geben 39 
und zwei 34,3 und 33,3% Taugliche. Das grösste Contingent Untauglicher haben Kreis 
8 (Baden und ein Theil von Bremgarten), 5 (Bezirke Aarau, Lenzburg und Kulm) und 
4 (Zofingen), nämlich 29,6, 28 und 27,9%. Im Totalergebniss alter und neuer Recruten 
weisen Kreis 5 und 8 ebenfalls die grösste Procentzahl Untauglicher auf, nämlich 34,6 
uod 32,6. Ein sehr schlechtes Resultat weist der 5. Kreis im Jahre 1880 auf. 


1880 Taugliche. 

°l 

/o 

Zeitw. untaugl. 

% 

Blbd. untaugl. 

% 

Zurückgestellte 290 64 

22 

42 

14,5 

184 

63,5 

Neue Recruten 359 106 

29,6 

103 

28,6 

150 

41,8 

Total 649 170 

26,2 

145 

22,3 

334 

51,5 


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52 


Kreis 5 ist gross durch seine Tabakindustrie. Ohne seinen Glimmstengel erscheint 
auch kein Recrutenknabe zur Untersuchung und wenn er selbst so verzwergt sein sollte, 
dass er sein Tabakröllchen kaum zwischen den Zähnen zu tragen vermag. Statt der 
Milch gewöhnt man sich früh an ein wässriges Bier oder verdünnten Sprit und in dem 
weiblichen Theile der Bevölkerung an Kaffeesurrogate mit Kartoffeln. Vide das bezügl. 
Capitel von Burtscher und von Hürtimann! 

Im Canton Aargau wurden 1880 145 Mann weniger recrutirt als 1879, obwohl die 
Zahl der Untersuchten nur um 74 geringer ist und 41 Mann weniger als 1878, obschon 
die Untersuchten 214 mehr ausweisen als 1878. 


Zur Erweiterung des Kriegsbildes sehen Sie mir noch einige Zahlen aus den Ergeh» 
nissen des übrigen 5. Divisionskreises an! 



Recr.-Zahl. 

Taugl. 

0 / 

/o 

Zeitw. untg. 

% 

ßlbl. untg. 

% 

1878 Kreis 1 (Solothurn) 

922 

440 

47,7 

277 

30. 

205 

22,2 

1879 

1012 

375 

37. 

336 

33,2 

301 

29,7 

1880 , 

1016 

249 

24,5 

371 

36,5 

396 

38,9 

1878 Kreis II (Basellaud) 

583 

284 

48,8 

62 

8,9 

247 

42,3 

1879 

550 

292 

53,1 

126 

22,9 

132 

24. 

1880 

652 

287 

44. 

138 

21,1 

227 

34,9 

1878 Kreis III (Baselstadt) 

470 

247 

52,6 

115 

24,5 

108 

22,9 

1879 

495 

217< 

43,8 

135 

27,3 

143 

28,9 

1880 , 

554 

185 

33,4 

206 

37,2 

163 

29,4 

Die Zahlen sprechen ohne Commentar. Ueberall 

verminderte Tauglichkeit und er- 


höhte zeitweise und bleibende Untauglichkeit. Ein recht ungünstiges Bild in retrograder 
Richtung liefert namentlich der Canton Solothurn. 


Das Totalergebniss für den ganzen 5. Divisionskreis für die Jahre 1878—1880 ist 
folgendes: 


Recrutenzahl. 

Taugl. 

0 / 

'0 

Zeitw. untaugl. 

% 

Blbd. untaugl. 

% 

1878 3984 

1735 

43,5 

1107 

27,7 

1142 

28,8 

1879 4366 

1752 

40,2 

1461 

33,5 

1143 

26,2 

1880 4447 

1444 

32,5 

1500 

33,7 

1503 

33,7 

Mit 1880 ist 

nun vielleicht 

ein Normalstand der Tauglichkeit 

erreicht. Ein 

weiteres 


Zurückgehen derselben würde für den Bestand der tactischen Einheiten von höchst miss¬ 
lichen Folgen sein, sofern in andern Divisionskreisen dieselben oder ähnliche Recrutirungs- 
ergebnisse sich zeigen wie anno 1880 im ö. Wurden doch 1880 in demselben 308 Mann 
weniger recrutirt als 1879 I Allein aus dem Umstande, dass bei strenger Anwendung der 
Untersuchungs-Instruction das Procentergebniss der zeitweise Untauglichen dasjenige der 
Tauglichen bereits überschreitet, scheint hervorzugehen, dass wenigstens für den grössern 
Theil der deutschen Schweiz die Recrutirung, resp. die Anforderungen der Militärtaug¬ 
lichkeit an unsere Jungmannschaft verfrühte sind und dass das zurückgelegte 20. Alters¬ 
jahr noch früh genug käme, um den grossen Defect in der Körperentwicklung, nament¬ 
lich im Brustmaass unserer angehenden Recruten zu constatiren. Von den 3003 zeitweise 
und bleibend Untauglichen des Jahres 1880 sind nämlich 1812 oder 60,4% wegen mangel¬ 
hafter Körperentwicklung ausgemustert. Im Jahre 1878 waren es blos 30,61°/ 0 . Um 
das Ergebniss für das zurückgelegte 20. Altersjahr zu berechnen, müssten Mann für Mann 
der erstmals für ein Jahr Zurückgestellten gezählt, nach ihrer Militärfähigkeit in den 
Untersuchungscontrolen notirt und zu den Tauglichen des ersten wehrpflichtigen Jahr¬ 
gangs addirt werden, eine Arbeit, die meines Wissens noch nicht ausgeführt ist. 

Ernste Bedenken volkswirtschaftlicher Natur scheinen mir die Recrutirungsergebnisse 
in den obenbenannten zwei aargauischen Kreisen und im Canton Solothurn mit ihren alle 
andern Kreise überragenden Rückschrittstendenzen, die keineswegs vom Modus der Unter¬ 
suchung gemachte sind, in sich zu schliessen. 

Aarau, im December 1880. A. Zürcher , Platzarzt. 

St* Gallen« Dr. Stephan Stader f. Ganz unerwartet tritt oft der Tod an den 
Menschen heran; das ernährte sich auch bei unserm Collegen Heinrich Stephan Stader , pr. 
Arzt in Waldkirch, Canton 8t. Gallen. Aus einem anfänglich ganz kleinen unscheinbaren 
Bläschen im Genicke entwickelte sich in der kurzen Zeit von 15 Tagen ein enormer 
Carbunkel. Leider liess der etwas messerscheue Herr Collega die nötigen energischen 


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53 


Einschnitte erst am 17. Tage vornehmen, als es zu spät war, so dass leider sein Leben 
nicht mehr zu retten war; er verschied am 19. Tage seines schmerzvollen Krankenlagers, 
den 4. November 1880. 

Heinr. Stephan Studer war den 12. August 1819 geboren in St. Gallen, besuchte da¬ 
selbst die Primär-, Real- und Gymnasialschulen. Frühe schon sich für das Studium der 
Medicin entscheidend fand er Aufnahme bei einem Freunde seines Vaters, Dr. Moser in 
Grüningen, Cant Zürich, der ihm in Mineralogie, Botanik, Pharmacie, sowie bei Pfarrer 
Corrodi in Oettweil, der ihm im Lateinischen, Griechischen, Philosophie Privatunterricht 
ertheilte; daneben hatte er besonders Freude an der Entomologie und brachte es hierin 
im Laufe der Jahre zu einer schönen Sammlung. 

ln den Jahren 1837 und 1838 studirte er in Zürich. 1839 und 1840 weilte er in 
Würzburg. Im Jahre 1840 bezog er die Universität Bern, wo er die Cliniken besuchte. 
Nach St. Gallen zurückgekehrt, leistete er einige Zeit Aushülfe bei einem kränkelnden 
Collegen, und machte sodann 1843 sein Staatsexamen mit bester Zufriedenheit der Sani¬ 
tätsbehörde. 

Von da an practicirte er 9% Jahre in Flawil und 27 x / % Jahre in Waldkirch; seine 
37jährige ärztliche Laufbahn auf dem Lande war eine beschwerliche, er hat mit grosser 
Pflichttreue und Hingebung derselben seine Kraft geweiht. 

Mitglied des damaligen Toggenburger ärztlichen Vereins stellte er 1858 in einer Ver¬ 
sammlung den wohl motivirten Antrag, es möchte die Freizügigkeit der Aerzte auf dem 
ganzen Gebiete der Eidgenossenschaft angestrebt werden und der Verein möchte dies¬ 
falls die Initiative ergreifen. Der Antrag fand allgemeine Zustimmung und unter dem 
Präsidium des Sanitätsrath es Dr. Hartmann wurde von dem Actuar, Dr. Weber- Lüthi, sofort 
eine Petition in diesem Sinne verfasst und der hohen Bundesversammlung übermittelt; 
vermittelst der Unterstützung des St Gallischen cantonalärztlichen Vereins und des erfol¬ 
genden Beitritts von ärztlichen Vereinen anderer Cantone wurde das zeitgemässe Bestre¬ 
ben später mit Erfolg gekrönt. 

Collega Studer functionirte auch 4 Jahre als Unter- und 27 Jahre als Bataillonsarzt, 
war Mitglied der Militär-Untersuchungscommission, mehrere Jahre Adjunct des Physicats 
Gossau und 9eit ihrem Bestehen Mitglied des ärztlichen Vereins Hygieia. Immer ein 
grosser Freund der Naturwissenschaften war er eifriges Mitglied der cantonalen und 
schweizerischen naturforschenden Gesellschaft. 

Aus dem gedrängten Lebensabrisse des Collegen Studer ersehen wir, dass er es mit 
seinem Studium und seinem Lebensberufe ernst genommen hat; er war stets bemüht, mit 
der Zeit und ihren Fortschritten in jeder Richtung Schritt zu halten; er war ein ge¬ 
schickter, pflichttreuer Arzt und hat die 37jährige Prüfung des practischen Lebens wohl 
bestanden. Er hatte einen offenen, heiteren Charakter, ein leutseliges Benehmen und 
eine freundlich collegialc Gesinnung. Dass er auch in seinem Wirkungskreise beliebt 
und geschätzt war, bekundete die grosse Menge der Leidtragenden, welche ihm bei seiner 
Bestattung die letzte Ehre erwiesen. 

ln gratam ejus memoriam ! Hygieia. 

Ctontoesrövllto« Contrexävillo, vormals ein ärmliches Dorf, nur von feudalen 
Landarbeitern bewohnt, nunmehr ein berühmter Curort, entwickelt sich Dank der in immer 
weitem Kreisen Anerkennung findenden Heilquelle in stetig wachsendem Maasse und in 
stattlicher Weise. Zahlreiche Hötels und wohlgebaute Maisons meubläes zieren die Rei¬ 
hen der Häuser und von Mitte Juni, dem Beginn der Saison, bis Mitte September, ihrem 
Schlüsse, sind die beiden Hauptstrassen belebt und mit Fussgängern, mit Reise-, Lust- 
und Lastwagen bedeckt. — Doch vergebens sucht man den Ort auf den Generalkarten 
Frankreichs ; bis dahin haben die Kartographen noch keine Notiz von seiner jetsigen 
Bedeutung und seinem mächtigen Aufschwung genommen. Dem Departement des Vosges 
angehörend findet man ihn kaum in der Specialkarte desselben, in der Nähe von Vittel, 
5 Kilometer von demselben entfernt. — Ausser Contrexäviile besitzt dieses Departement 
noch 4 f ark besuchte Heilquellen, nämlich Plombiöres, Bains, Bussang und das 

ebe 4. 

en, welche, obgleich sehr nahe bei einander dem Boden entspru- 
de chiedener Zusammensetzung sind, hat eigentlich nur die Source da 


\ 


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Pavillon den Ruf dieses Curortes begründet, hingegen tragen die beiden andern, Source 
des Bains et du Quai in nicht geringem Grade dazu bei, die Indicationen zu erweitern 
und die Wirkung der Hauptquelle zu unterstützen. Letztere zwei, theilweise reicher an 
Balinischen Bestandteilen und an Eisen, werden wohl auch getrunken, aber besonders 
zu den Bädern und Douchen verwendet. Die hauptsächlichsten Mineralstoffe der 3 Quel¬ 
len sind Natron, Kali, Magnesia und Kalk, an Kohlen-, Schwefel- und Salzsäure gebun¬ 
den. Die Source du Pavillon ist diejenige, welche am leichtesten verdaut und vertragen 
wird, und durch die Wirksamkeit ihrer Bestandteile und die VerbindungsVerhältnisse 
derselben gegen goutte und gravelle ihren wohlverdienten Ruf begründet hat. 

Sie wird ausschliesslich zum innern Gebrauch verwendet und versandt. Der spe- 
cifische Charakter der Quelle ist aber nicht allein gegen die beiden Krankheitsformen im 
engern Sinne gerichtet, sondern auch gegen alle damit in ursächlichem Zusammenhang 
stehenden Affectionen sowohl initialer als consecutiver Art Somit gehören sowohl alle 
die chronischen Ernährungsstörungen, Leber- und Magenleiden, welche zu Gicht und 
Steinkrankheit führen, als anderseits die Affectionen der Blase und ihrer Adnexa, welche 
die Entstehung der Blasensteine und des Blaseucatarrhs bedingen, zu den Heilobjecten 
der Quelle. 

In Frankreich machen sich für die Bekämpfung der genannten Krankheiten drei Orte 
den Rang streitig, nämlich ausser Contrexöville noch Vichy und Evian, und wenn man 
das Unglück hat, an der einen oder andern Krankheit zu leiden, so fehlt es nicht an 
verschieden lautenden Empfehlungen, welche dem Unerfahrenen die Wahl schwer ma¬ 
chon. Es könnte demnach scheinen, als ob es am Ende gleichgültig sei, wohin man sich 
wende, bei näherer Prüfung und nach Besprechung mit Personen, welche aus eigener 
Erfahrung im Falle sind, eine Vergleichung anzustellen , ergibt sich aber doch ein nicht 
zu vernachlässigender Unterschied. 

Unter den Gegenständen der Conversation, besonders während der Trinkpausen im 
Park, nimmt die Frage nach dem Befinden und die Besprechung seiner Leiden und sei¬ 
ner Erfahrungen bezüglich der Wirksamkeit des Wassers , öfters unter Vorzeigung der 
abgegangenen corpora delicti, wie überall den ersten Platz ein. Da werden die Badeärzte 
und ihre Aussprüche der Beurtheilung unterzogen , die Quellen von Vichy und Evian in 
Vergleichung gebracht; der Eine ist schon mehrere Male an dem einen oder andern Orte 
gewesen und ist somit im Falle, die Quelle von Contrexdville in ihrer Besonderheit su 
erfahren — das Alles gewährt für den incognito an der Unterhaltung theilnehmenden 
Arzt nicht wenig Interesse. 

Der specifische Unterschied beider Wasser gibt sich schon durch den Umstand su 
erkennen, dass das von Contrexöville die normale saure Reaction des Urins, der vorher 
lange Zeit entweder neutral oder gar alcalisch gewesen, bald wieder herstellt, während 
im Gegentheil Vichy den Ubersauern Urin alcalisch macht und in dieser Btimmung erhält. 
Im Allgemeinen scheint sich als Resultat der vergleichenden Untersuchung zu ergeben, 
dass Vichy sich mehr für die chronischen Störungen des Digestionsapparates eigne, Con- 
trexöville dagegen für die schwerem Fälle der ausgebildeten Arthritis und der Lithiasis; 
Evian passender sei für die leichtern Formen, und besonders zur Nachcur und zur Be¬ 
seitigung der letzten Ueberreste diene. Bei den französischen Aerzten gilt Evian allge¬ 
mein als die schwächere Quelle. 

Als Thatsachen, die mit Leichtigkeit von jedem Curgast erkannt und bestätigt wer¬ 
den können und für die Zuträglichkeit und Wirksamkeit des Wassers von C. beweisen¬ 
des Zeugniss ablegen, möchten folgende hervorgehoben werden. 

Das Wasser ist krystallhell und klar, hat keinen unangenehmen Geschmack, kann in 
grossen Quantitäten getrunken werden, ohne die VerdauungsWerkzeuge zu belästigen, bis 
16 Gläser ä drei Deciliter (ipse vidi), getrunken zwischen ö und 9 Uhr Morgens, nüch¬ 
tern; es wirkt rasch auf die Diurese, in gelindem Grade auf den Stuhlgang, weckt und 
steigert den Appetit selbst bei Solchen, die vorher lange denselben schmerzlich hatten 
missen müssen. Eine bis 1 */ a Stunden vor dem Ddjeuner um 10 Uhr soll allerdings das 
Trinken beendigt sein. Wenn dann die Glocke zur Tafel einladet, wie rasch sind da die 
Plätze besetzt, wie neugierig werden die „Menus“ zur Hand genommen, wie freut sich 
Jeder auf die in Aussicht gestellten leckem Gerichte der vortrefflichen französischen 
Küche, und wenn man vollends die Gäste an der ständigen, gastronomischen Arbeit sieht, 


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55 


da schwindet der letzte Zweifel, dass der Appetit auch durch die grössten Quantitäten 
des genossenen Wassers keinen Abbruch erleide und nicht vielmehr auf’s höchste gestei¬ 
gert werde. 

Die Hauptsache ist und bleibt immerhin die, dass mit Unterstützung der Bäder und 
Douchen die Besserung des Befindens nicht allzu lange auf sich warten lässt, dass die 
gebildeten Goncretionen in Balde sich zu entleeren beginnen, und die Gichtbrüchigen sich 
erleichtert fühlen, und dass nach einer durchschnittlich dwöchentlichen Gur die meisten 
entweder gänzlich geheilt oder in sehr befriedigendem Zustande von dannen ziehen kön¬ 
nen, und man sich gerne entschliesst, wo nöthig sich einer zweiten und folgenden Gur 
zu unterziehen. 

Indessen wäre es für keinen Patienten rathsam, ganz einfach die vielbetretenen 
Pfade der Gur ohne ärztliche Anleitung zu verfolgen, was übrigens als eine ganz allge¬ 
meine und selbstverständliche Regel für alle Heilanstalten dieser und ähnlicher Art gel¬ 
ten muss. Es ist klar, dass auch hier individualisirt werden muss, und dass nicht Alle, 
wie man zu sagen pflegt, über einen Kamm geschoren werden dürfen. Immerhin wird 
noch oft genug diese Regel nicht genugsam beachtet und es passirt noch manches mit 
und ohne Schuld der Badeärzte, was wohl zu beklagen, aber nicht wohl zu ändern sein 
dürfte. — 

Der reiche Gehalt an Kohlensäure und Sauerstoff spielt bei der Erzielung dieser 
höchst anerkennenswerthen Resultate sicher eine grosse Rolle, indem demselben sowohl 
die Annehmlichkeit und Verdaulichkeit als auch die Erregung des Appetits zu einem 
grossen Theile zugeschrieben werden darf. 

Welchen mineralischen Bestandteilen und welchen besondern Verumständungen be¬ 
züglich der Mengen und Proportionen derselben die Quelle ihre Heilkraft verdankt, möchte 
schwer zu bestimmen sein. Fast die gleichen Elemente kommen in annähernden Ver¬ 
hältnissen auch andern Quellen zu, ohne dieselbe Wirksamkeit zu besitzen. Es muss 
darum wohl die Heilkraft von Contrexöville weniger in dem Was als in dem Wie be¬ 
gründet sein. 

Die vorwaltenden mineralischen Bestandteile sind die doppeltkohlensauren Balze des 
Kalks, der Magnesia, des Natrons und des Eisens, während das ähnliche Wasser von 
Vichy seine besondere, anders gerichtete Wirksamkeit dem reichern Gehalt an Kali und 
Natron verdankt. 

Die leise abführende Wirkung ist hauptsächlich den schwefelsauren Salzen der Mag¬ 
nesia, des Natrons und Kali zuzuschreiben, welche verglichen mit Vichy wiederum in 
geringem Proportionen vorhanden sind, dagegen scheint der stärker vertretene schwefel¬ 
saure Kalk in besonderer Beziehung zu goutte und gravelle zu stehen, zwar nicht rein 
an und für sich, wohl aber in Verbindung mit den andern Bestandteilen und ihren Pro¬ 
portionen. 

In viel geringem Verhältnissen zu den angeführten 8toffen stehen die Chlorverbin¬ 
dungen mit Natron, Kali und Magnesia, welchen weder laxirende noch tonisirende Eigen¬ 
schaften zukommen, die aber gerade in Folge ihrer schwächere Vertretung die besondere 
Wirksamkeit des Wassers von Contrexäville mit bedingen mögen. Dem Gehalt ferner 
an Silicium und Aluminium, so gering er ist, wird auflösende Kraft für die Harnsäure 
und ihre Verbindungen zugeschrieben, welche ja eben die Hauptrolle bei beiden Contrexd- 
viller Krankheiten spielen. 

Endlich enthält die Quelle noch Eisen in Verbindung mit Arsenik und Fluor, welche 
an der Luft sich absetzen und sichtbar zu Tage treten. Ob diese Elemente hier eine 
Rolle spielen und welche, möchte ebenfalls schwer zu ermitteln sein. 

Der verhältnissmässig ziemlich hohen Lage wegen, gegen 400 Meter über Meer, be¬ 
ginnt das Badeleben erst recht Mitte Juni, seinen Höhepunct erreicht und behauptet es 
Mitte Juli bis Mitte August, nimmt von da an ab und hört Mitte September schon wieder 
auf. Die höchste Präsenzzahl mag auf 900 ansteigen, wovon ein Viertel auf die Frauen¬ 
welt fällt 

Die grösste Mehrzahl der Gäste liefert Frankreich selber, daneben kommen die um¬ 
liegenden Länder kaum in Betracht; jedenfalls folgen zunächst die Engländer, Belgier 
und die Schweizer, unter diesen hauptsächlich Basler. — Das Badeleben spielt sich zum 
grössten Theil im Park ab; von Morgens 5 Uhr bis Abends spät trifft man hier immer 


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56 


Gesellschaft an. Ausser mit Wassertrinken, Baden und Douchen und mit beiden Mahl¬ 
zeiten wird die Zeit mit Conversation, Anbören der Curmusik, mit allerlei 8pielen, na¬ 
mentlich billardartige, mit Lustfahrten in die Umgegend und Abends mit Besuch der Con- 
certe und Theatervorstellungen ausgefüllt. 

Die beschäftigteren unter den dortigen Aersten, welche wie die Gäste beim Beginn 
der Saison sich in Contrexöville einfinden und ihr Sommerquartier hier beziehen, sind 
vom frühen Morgen bis spät am Abend von Consultanten belagert, und wenn die Au¬ 
dienzen beendigt sind, beginnt für sie die zweite Arbeit, der chemischen und microscopi- 
schen Untersuchung des Inhalts der von den Patienteu mitgebrachten Urinflaschen. 

Die therapeutische Thätigkeit der Aerzte dreht sich hauptsächlich um die Regulirung 
des Gebrauchs des Quell wassere, der Bäder und der Douchen. Für letztere zwei erhält 
der Consultant eine genaue schriftliche Ordonnanz, worin Art, Ort, Wärmegrad und Dauer 
angegeben sind. Bei jeder Mutation eine neue schriftliche Verordnung. 

Die Source du Pavillon befindet sich im Park, eingeschlossen in ein achteckiges 
Kiosk, und ergiesst sich durch 6 Röhren von ungefähr 4 cm. im Licht. Ein oirculäres 
Bassin nimmt das Wasser auf und übergibt es einem unterirdischen Abzugscanal. Je 
nach dem Zudrang besorgen 2—4 sauber gekleidete Mädchen die Füllung der dargereich¬ 
ten Gläser, so flink, dass wenn auch 40—50 Trinker die Quelle umstehen, der Aufent¬ 
halt sich kaum bemerklich macht. 

An den Wänden ringsum hängen an numerotirteu Häkchen oder stehen auf Schäften 
die behenkelten Gläser, so dass jeder Trinker während der Cur sein eigenes Glas hat, 
und es stets an seinem Orte findet. Nach jedem Glas ist eine viertelstündige Bewegung 
geboten, die in der Regel gewissenhaft eingebalten wird. Die an einer der 8 Säulen 
angebrachte Uhr mahnt und sorgt für die Regelmässigkeit. — Bei Regenwetter ergeht 
sich die Gesellschaft theils in der hufeisenförmigen, zur Hälfte geschlossenen Gallerie, 
welche vom Kiosk als ihrem Mittelpunct nach beiden Seiten ausgeht und zugleich den 
Hof des Hötel de rEtablissement abschliesst, — theils in dem laugen gedeckten, nach 
beiden Seiten offenen Gange, der im rechten Winkel zur Axe des Hofes sich befindet 
und am Eingänge des Parkes ausmündet Eine Contribution von 20 Franken, im Bureau 
zunächst der Quelle abgestattet, hat jeder Curgast mit Ausnahme der Aerzte zu entrich¬ 
ten. Letztere haben sich behufs ihrer Legitimation entweder an den Mödecin-inspecteur 
des Bains oder an irgend einen andern Badearzt zu wenden, der sie dann mit einer Em¬ 
pfehlung an den Directeur de rEtablissement versieht, welcher ihnen eine Freikarte zu¬ 
stellt für alle Gebrauchsarten des Wassers, also auch für die Bäder und Douchen. 

Das Badhaus befindet sich in dem genannten Hof, ein stattliches, palastartiges Ge¬ 
bäude, dessen Plainpied für die Bad- und Doucheeinrichtungen bestimmt ist, die obem 
Stockwerke zum Logiren der Gäste dienen. — Für jedes Bad und jede Douche muss im 
Bureau zuvor eine Karte gelöst werden, welche dann im Hausgange des Badhauses der 
Portiere abgegeben wird. 

Der Park sammt den grössern Hötels, de rEtablissement, de Mons» Schukraft und 
de la Providence befindet sich in dem Winkel, welcher vom Flüsschen Vair (Dorfbach) 
und der einzigen, senkrecht auf die Dorfstrasse einmündenden Seitenstrasse gebildet wird. 
Er hat einen Umfang von circa 12 Minuten, besteht aus drei Abtheilungen, und gewährt 
von allen Seiten gesehen einen malerischen Anblick, hervorgebracht sowohl durch die 
geschickt angebrachten Gruppen und Reihen der Bäume, als durch die Vertheilung der 
Bäche, welche ihn durchziehen und die vielfach verschlungenen Wege und Anlagen von 
Spielplätzen. 

Die 3 Quellen sammt Park und Hötel de rEtablissement gehören dem Staat und 
sind einer Gesellschaft zum Betrieb in Pacht gegeben. Ein zweiter Park, gegen Süden 
gelegen, hinter den Gebäulichkeiten des Grand Hötel de France und von der erwähnten 
Seitenstrasse aufsteigend, gewährt eine um so erwünschtere Abwechslung, als die Um¬ 
gegend zu kleinern Promenaden keine günstige Gelegenheit bietet. 

Das Dorf selbst hat eine Länge von nahezu einer Viertelstunde und ist längs des 
Flüsschens Vair angelegt, nur mit einer einzigen Strasse versehen. Kaum ein Drittel 
trägt noch das Gepräge des frühem Bestandes, der grössere Theil befindet sich in mo¬ 
derner Umwandlung begriffen. Auch die Pachtgesellschaft thut reichlich das Ihrige, um 
den Ansprüchen der Gäste gerecht zu werden. Durch einen mechanischen Balayeur neue- 


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57 


ster Construction wird alle Morgen, so oft es nöthig ist, die Strasse gereinigt, um den 
Gang zur Quelle und zu den Bädern bei jeder Witterung zu ermöglichen. 

Die Gegend um Contrexöville trägt den Charakter der Bodenbeschaffenbeit des gan¬ 
zen Departements. Es ist ein welliges Hügelland, in grössern und kleinern Entfernungen 
von niedern Bergrücken und Bergkuppen (mamelons) unterbrochen, theils mit ausgedehn¬ 
ten Tannenwäldern, theils mit kahlen Ackerflächen bedeckt, und mit spärlichen Verbin¬ 
dungswegen und noch seltenem Hauptstrassen durchzogen, die nur im engen Thale eben, 
sonst aber stets allmälig steigend und ebenso fallend sind. 

Von Basel führt der Weg über Beifort, Epinal, Mirecourt nach Aulnois an der Route 
nach Nancy. Hier verlässt man die Eisenbahn, die man bis dahin dreimal gewechselt 
hat, um den Postwagen oder irgend ein anderes Vehikel zu besteigen und über Bugne- 
ville (Poststation) nach Contrexdville zu gelangen. Noch vor Abschluss dieses Jahres 
wird zwar eine neue Verbindungsbahn, welche bei Hymont in der Nähe von Mirecourt 
abgeht und nach Langres zielt, die Reise um dO Kilometer abkürzen, so dass wenn die 
Bahnwechsel und die damit verbundenen Aufenthalte von %—1 Stunde nicht wären, 
man bequem in 4 1 / 2 Stunden an Ort gelangen könnte. Bis jetzt brauchte man 8 Stunden. 
Abgang Morgens 9 Uhr 55 Min. Ankunft in Contrexöville Abends 6 Uhr. 

ln Controxäville angekommen , dürfen wir den Wegweiser noch nicht abdanken; 
selbstverständlich bedürfen die zahlreichen, jährlich wiederkehrenden Stammgäste dessel¬ 
ben gar nicht. In der Regel bestellt man sich allerdings sein Quartier schon vor der 
Abreise, und folgt dabei vorzugsweise dem Rathe Erfahrener, welche Contrexäville aus 
eigener Anschauung kennen. Für manche Andere, die diese gute Gelegenheit nicht ha¬ 
ben , mag es aber erwünscht sein, da Eines nicht für Alle passt, zur freien Auswahl 
eine Uebersicht der Logir- und Speiseanstalten sammt ihren Preisen zu erhalten, um mit 
Rücksicht auf die sonstigen, nicht unbeträchtlichen Nebenausgaben einen Ueberschlag 
machen zu können. Wie schon erwähnt, sammeln sich auf der Höhe der Saison bis 
gegen 1000 Personen hier an, die alle beherbergt werden müssen. Diese Leistung be¬ 
sorgen 12 Hötels und 17 Maisons meublöes. 

Unter erstem steht obenan das Grand Hötel de TEtablissement. Seine Räume um- 
schliessen Alles, was für den Curgast von Interesse ist: Wohnungen mit allem Comfort 
nach neuestem Geschmack ausgerüstet, den prächtigen Park mit seinen Quellen, die Bad- 
und Doucheeinrichtungen, Casino und Theater u. s. f. Den grossen Vortheilen entsprechen 
auch die Preise. Unter 10 Franken kommt Niemand weg. — An dieses Hötel reiht sich 
sowohl in Bezug auf Frequenz als Ausstattung das Grand Hötel de France, das Hötel 
de la Providence und das Hötel de Paris. Dejeuner und Diner, jedes zu 2 Franken, 
das Zimmer im ersten Stock zu 4, im zweiten zu 3 und im dritten zu 2 Fr. per Tag. 

Von mittlerer Grösse und Ausstattung und mit etwas mässigern Preisen zu 9—6 Fr. 
folgen sich Hötel des Apötres, Hötel Parisot, de l’Anneau d'or. — Hötels dritten Ranges 
sind Hötel du Parc, Hötel Martin ainö, Martin Mansuy, du Vair, Harmand zu 7—5 Fr. 
per Tag. 

Was die Maisons meubldes betrifft, so wird man gut thun, wenn man nicht schon 
mit einer wohl empfohlenen Adresse versehen oder gar schon angemeldet ist, die erste 
Nacht in einem der Hötels zuzubringen, um den andern Tag mit Müsse sich die ver¬ 
schiedenen Localitäten anzusehen und die Wahl zu treffen. Die Kost kann man dann 
nach Convenienz in einem der nächsten oder der besten Hötels nehmen. — Es ist Gele¬ 
genheit gegeben für Jeden, sich nach seinen Mitteln einzurichten. — 

Die Auslagen, welche die Cur im engern Sinne veranlasst, beziehen sich auf den 
Gebrauch des Arztes und des Wassers in seinen verschiedenen Formen der Anwendung. 
— Es gilt als allgemeine Regel, dass für die gewöhnlichen Consultationen in der Woh¬ 
nung des Arztes ein Fixum von 40 Fr. bei der Abschiedsvisite bezahlt wird.' Für Be¬ 
suche am Eirankenbette und sonstige ausserordentliche Bemühungen werden die Aerztc 
entweder nach eigenem Ermessen im Verhältnis der bessern Situation bezahlt oder man 
läset sich die Rechnung stellen wie anderwärts. Man hat die Wahl unter folgenden, 
alphabetisch geordneten Aerzten : MM. Ayme , Bokhox , Brongmart^ Debout dEstree, Inspecteur, 
Le Gier , Pierre, Jamin Despalle *, Thierry, Treuille. 

Für die Trinkcur an der Quelle hat jeder Ankömmling ein Permis mit 20 Fr. zu 
lösen. Davon sind ganz ausgenommen die Aerzte, welche auch für die übrigen Ge- 


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brauchsarten des Wassers von der Zahlung befreit sind. — Auch die zahlreich vertrete¬ 
nen Geistlichen gemessen in allen Beziehungen eine Ermässigung und zwar um die 
Hälfte. 

Die Preise für die Bäder sind folgende: für ein einfaches Bad bis zur Dauer einer 
Stunde zahlt man Fr. 1. 50, für ein Kieienbad Fr. 2, mit Soda Fr. 2, mit aromatischen 
Zuthaten Fr. 2. 50 und ebenso viel für ein geschwefeltes. Die Douchen kosten: eine 
aufsteigende 75 Cts., die grande Douche k percussion Fr. 1. 50. Für ein Sitzbad mit 
laufendem Wasser werden Fr. 1. 50, für ein bain minärale k domicile Fr. 3, für ein 
Kleienbad daselbst Fr. 3. 50 bezahlt. Die nöthigen gewärmten Tücher nebst Badmantel 
sind inbegriffen in obigen Preisen; wer mehr beansprucht, wie etwa einen zweiten Bad- 
raantel, leinenen oder wollenen, hat 15—25 Cts. darauf zu legen. Alle Leistungen und 
Lieferungen im Badhaus erfolgen nur gegen Abgabe einer Karte, welche im Bureau 
jedesmal gelöst worden. Man kann auch die Bäder in seine Wohnung bringen oder Bich 
selber in das Badhaus tragen lassen. Für Hin- und Hertransport ist 1 Fr. zu ent¬ 
richten. 

Die übrigen Ausgaben sind mehr oder weniger Luxus und beziehen sich auf die 
Benützung des Casino mit seinen Theatervorstellungen, Concerten und Bällen, mit seinen 
Spiel- und Lesesälen, Billards etc. Das Abonnement kostet für eine Person 25 Fr., für 
mehrere zusammengehörende Personen verhältnissmässig weniger. Wer nicht abonnirt 
ist, zahlt per Tag der Benützung aller dieser Gelegenheiten 3 Fr. 

Allgemein beliebt sind die Spazierfahrten in die Umgegend, wofür in reichlichster 
Weise gesorgt ist. 

Wenn in Vorstehendem Contrexdville als ein Curort erster Classe mit einer gewissen 
Vorliebe eingehender behandelt worden , so geschah es in vollster Anerkennung seiner 
grossen Wirksamkeit in siegreicher Bekämpfung der qualvollsten Leiden des Menschen¬ 
geschlechts. Sowie aber der Mensch erst dann die Gesundheit recht schätzen lernt, 
wenn er sie verloren, so wendet auch nur der Gicht- und Steinkranke seine Trost 
und Hülfe suchenden Blicke auf Contrexdville und freut sich der ihm bis dahin unbe¬ 
kannt gebliebenen Existenz einer so viel verheissenden und das Vertrauen so reichlich 
belohnenden Heilquelle. Vivat, floreat, crescatl 

Basel, im September. Dr. D. BckHn. 

* W ochenberioht. 

Schweiz. 

Universitäten. Frequenz der mcdicillischfll Facultäten im Winter- 
semester 1880/81. 

Aus dem Aus andern 



Canton 

C&ntonen 

Ausländer 

Summa 

Total 


M. 

W. 

M. 

W. 

M. 

W. 

M. 

W. 


Basel 

15 

— 

78 

— 

6 

— 

99 

— 

99*) 

Sommer 1880 

14 

— 

60 

— 

3 

— 

77 

— 

77 

Winter 1879/80 

16 

— 

67 

- — 

2 

— 

85 

— ■ 

85 

Sommer 1879 

16 

— 

58 

— 

3 

— 

77 

— 

77 

Bern 

38 

— 

70 

— 

26 

25 

134 

25 

159*) 

Sommer 1880 

41 

— 

69 

— 

25 

28 

135 

28 

163 

Winter 1879/80 

33 

— 

74 

— 

14 

31 

121 

31 

152 

Sommer 1879 

46 

— 

57 

— 

18 

17 

121 

17 

138 

Genf 

14 

— 

58 

— 

32 

7 

104 

7 

111t) 

Sommer 1880 

21 

— 

55 

— 

36 

6 

112 

6 

118 

Winter 1879/80 

23 

— 

60 

— 

27 

7 

100 

7 

107 

Sommer 1879 

12 

— 

33 

— 

23 

2 

68 

2 

70 

Zürich 

37 

— 

81 

1 

29 

7 

147 

8 

155 

Sommer 1880 

41 

— 

82 

1 

32 

9 

155 

10 

165 

Winter 1879/80 

43 

— 

81 

1 

27 

11 

151 

12 

163 

Sommer 1879 

39 

— 

93 

1 

27 

8 

159 

9 

168 


*) Dazu 5 Au8cultanten. f) Dazu 28 Auscult&nten, worunter 2 Frauen. 


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59 





M. 

W. 

Total. 

Summa in der Schweiz 

im 

Winter-Semester 1880/81 

484 

40 

524 

» n v n 

n 

Sommer- „ 1880 

479 

44 

523 

» » » n 

n 

Winter- „ 1879/80 

457 

50 

507 

» V 7) * 


Sommer- „ 1879 

425 

28 

453 


Ausland. 

Deutschland. Uebergang von Flüssigkeit ans der BanchhShle in die 
weiblichen Genitalien. In Nr. 17 des „Centralblatt für Chirurgie“ veröffentlicht 
Pimer (Freiburg) sehr interessante experimentelle Untersuchungen über den Uebergang 
in der Peritonealhöhle befindlicher Stoffe in die weiblichen Genitalien des Säugethieres. Nach 
Injection leicht nachweisbarer corpusculärer Elemente wie Tusche , Zinnober , Eiterkör¬ 
perchen in die Bauchhöhle weiblicher Kaninchen konnte er fast constant schon 2 */a Stunden 
nach der Injection diese Stoffe in den Tuben, den Uteri und in der Scheide nachweisen. 
Daraus folgert Verf., dass der Transport durch die Tube zu den Strassen zu rechnen ist, 
auf denen Bestandtheile des Bauchhöbleninhaltes den Peritonealraum verlassen können. Die 
bei den Tuben bestehende Flimmerbewegung erhält einen beständigen Strom der serösen 
Flüssigkeit, von welchem corpusculäre Elemente mitgerissen werden. K, 

— Anknüpfend an einen Fall von ncnrogenfm DlabetCS mellitus bei einem 
16 Jahre alten Mädchen, welcher unter den Symptomen des diabetischen Coma 
CKussmaui) tödtlich endete, bespricht Quincke die Entstehung dieses noch wenig studirten 
Symptomencomplexes. Auf Grund von chemischen Untersuchungen und von Thierversu¬ 
chen kommt er zu dem Schlüsse, dass das diese Intoxication bedingende abnorme Stoff- 
wechselproduct nicht, wie gewöhnlich angenommen wird, Acetessigäthcr (Aceton) sein 
könne, sondern wahrscheinlich ein diesem nahe verwandter Körper sei oder vielleicht aus 
mehreren solchen bestehe, aus deren Wirkungen das im einzelnen ziemlich variable Bild 
der Vergiftung resultirt. (Berl. klin. Wochenschr.) Af. 

Paris. Unter dem Titel „AfchiVfiS d’ophth&linologie* wird von unserm Lands¬ 
mann Landolt in Verbindung mit dem neu ernannten Professor der Augenheilkunde, Panas , 
und dem Prof, agrögö, Paneel\ eine neue Zeitschrift herausgegeben, welche zum Zwecke 
hat, umfangreichere französische Arbeiten aus dem Gebiete der Ophthalmologie aufzu¬ 
nehmen. Dieselbe erscheint in ^monatlichen Heften von je 96 Beiten. Den Original¬ 
arbeiten ist jeweilen ein bibliographischer Theil beigefügt, in welchem wo möglich alle 
ophthalmologischen Publicationen erwähnt und die wichtigsten derselben kurz besprochen 
werden sollen. Die vorliegende Probenummer enthält eine Reihe tüchtiger Arbeiten, z. 
Th. mit recht instructiven Illustrationen. 

Wir können dem Unternehmen um so sicherer einen guten Erfolg versprechen als 
dasselbe eigentlich nur an dem in Brüssel erscheinenden „Annales d’Occulistique“ eine 
ernste Concurrenz findet 


Stand der InfeetIons-Krankheiten In Hasel. 

Vom 26. December 1880 bis 10. Januar 1881. 

(Die Zahlen in Klammern geben jeweilen die Anzahl der in früheren halben Monaten 

angemeldeten Fälle an.) 

Von Varicellen, die verbreitet herrschen, sind 16 Fälle angezeigt (11, 19, 25), 
darunter eine erwachsene Magd neben varicellenkranken Kindern (ausser jeglichem Ver¬ 
dacht auf Variola). 

Morbilli 2 Fälle unbekannten Ursprungs in derselben Familie auf dem Nordwest— 
plateau. 

Bcarlatina 2 vereinzelte Fälle auf dem Nordwestplateau und im Birsigthale 

( 4 , 2 , 1 ). 

Typhus zeigt im Birsigthale und auf dem Nordwestplateau einegZunahme, ange¬ 
zeigt sind 31 Erkrankungen (29, 18, 20), darunter 1 von auswärts importirter; die ein¬ 
heimischen vertheilen sich auf: Nordwestplateau 12 (11, 6, 6), Birsigthal 10 (2, 3, 4), 
Südostplateau 2 (5, 4, 3), Birsthal 1 (2, 0, 0), Kleinbasel 5 (8, 5, ö). 

Diphtherie und Croup weisen 24 neue Erkrankungen auf (36, 19, 20), davon 
9 in Kleinbasel. 


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60 


Von Pertussis sind 14 noue Fälle angczcigt aus allen Stadtthcileu mit Ausnahme 
des Birsthales (36, 20, 33). 

Erysipelas 8 Fälle in allen Stadttheilen mit Ausnahme des Nordwestplateaus. 
Puerperalfieber 7 Fälle, darunter 5 im Laufe weniger Tage in der Praxis 
einer (atillgestellten) Hebamme. 

Bibliographisches. 

5) Gerber , Chemisch-physicalische Analyse der verschiedenen Milcharten und Kinder-* 
mehle unter besonderer Berücksichtigung der Hygieine und Marktpolizei. Ein Buch 
aus der Praxis für Chemiker, Apotheker, Aerzte, Sanitätsbeamte und Unterrichts- 
anstalten. Mit 11 Abbildungen, 4 Tabellen und Analysen. 90 S. Bremen, Verlag 
von Heinsius. 

6) Eulenburg ; Real-Encyclopädie der gesammten Heilkunde. Medicinisch-ohirurgisches 
Handwörterbuch für practische Aerzte. Mit zahlreichen Illustrationen in Holzschn. 
Lieferung 21—26 (Carlsbad — Conjunctivitis). Wien, Urban & Schwarzenberg. 

7) Mendel\ Dr. £., Die progr. Paralyse der Irren. 12 Abbildungen. Berlin, 1880. Aug. 
Hirschwald. 352 3. 

8) Waldenburg , Prof. Dr., Die pneumatische Behandlung der Respirations- und Circula- 
tionskrankheiten im Anschluss an die Pueumatometrie und Spirometrie. II. Auf!., 
erweitert um einige Beiträge über das Höhenklima. Mit Holzschn. Berlin, Aug. 
Hirschwald. 618 S. 

9) Boursier , Dr. Andrd, De Intervention chirurgicale daua les tumeurs du corps thyroide. 

Paris, G. Masson, 1880. 210 S. 

10) Varrentrapp , Dr. (?., Offener Brief an Herrn Dr. Erhordl .... betr. Canalisation von 
München. 1880. M. Rieger, München. 24 S. 

11) Soyka , Dr. J ., Hygieinische Tagesfragen I. Kritik der gegen die Schwemmcanali- 
sation erhobenen Ein wände. 1880. M. Rieger, München. 96 8. 

12) Ziemssen, Prof. Dr. H. e., Handbuch der allgemeinen Therapie 1. Bd. 2. und 3. Theil. 
(Liebermeister , antipyretische Heilmethode; Jürgensen , autiphlogistische Heilmethode ; 
Eulenburg , percutane, intracutane und subcutane Arzneimittelapplication). Leipzig, 
F. C. W. Vogel, 1880. 432 8. 

13) Levy, Dr., Microecopie und Sterilität. 1 Tafel. München, *1879. J. A. Finsterlin. 
40 Seiten. 

14) v. Nutsbaum , Die Operation einer Intercostalneuralgie. München, 1879. J. A. Fin- 
sterlin. 16 S. 

15) v. Nussbaum , Enterotomie, Gastrotomie und Leberdrainage. München, 1880. J. A. 
Finsterlin. 22 S. 

16) v. Nussbaum , Einfluss der Antiseptik auf die gerichtliche Medioin. München, 1880. 
J. A. Finsterlin. 33 S. 

17) Demme , Prof. Dr. Ä., XVII. med. Bericht des Jenner' sehen Kinderspitals. Bern, 1880. 
J. Dalp. 66 8., 1 Tafel. 

18) de la Harpe, Dr., Note sur l'alimentation du soldat suisse. Lausanne, 1880. 

19) Schnitzler , Wiener Klinik 1880; Wien, Urban & Schwarzenberg. 

3. Heft Benedikt , Ueber Katalepsie und Mesmerismus. 

Eulenburg , Ueber Galvano-Hypnotismus, hysterische Lethargie und Kata¬ 
lepsie. 

4. „ Englisch , Ueber die fungöse Gelenksentzündung und ihre Beziehung zur Tu- 

berculose der Knochen. 

5. „ Rosenthal , Ueber den Einfluss von Nervenkrankheiten auf Zeugung und Ste¬ 

rilität. 

6. „ Weiss , Ueber Tabes dorsalis. 

7. „ Werräch , Ueber den gegenwärtigen Stand der Desinfeotionsfrage. 

Per Jahrgang 12 Hefte: Preis 8 Mark. 

20) Wertheim, Analytische Diagnostik der Krankheiten im Gebiete der Dermatologie und 
Syphilidologie, verbunden mit therapeutischen Rathschlägen. Für angehende Aerzte 
verfasst. 82 S. Wien, Verlag von C. Gerold. 


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61 



21) Köppe, Die Homöopathie Hahnemann’s und die Neuzeit. Eine vergleichende Studie. 
100 S. Berlin, Verlag von Birsohwald. 

22) flley, Die Kuhmilch in der Kinderstube. Ein Buch aus der Praxis, gewidmet den 
deutschen Frauen. 102 8. München, bei Finsterlin. 

23) Erlenmeyer , Zur Dehnung grosser Nervenstämme bei Tabes Dorsalis. ÖeJJ.-Abdruck. 
Centralbl. f. Nervenheilk. 

24) Volfonanria Sammlung klinischer Vorträge. Leipzig, Breitkopf & Härtel. 

Nr. 186, Berlin, Ueber den anatomischen Zusammenhang zwischen orbitalen und 
intracraniellen Entzündungen. 

Nr. 187, Landau, Ueber Erweiterungsmittel der Gebärmutter. 

Nr. 188 } Rheinstddter, Ueber weibliche Nervosität. 

25) Albu } Beschaffung guter Milch zur Ernährung und Gesunderhaltung der Kinder, so¬ 
wie zur Verhütung der grossen Kindersterblichkeit in Städten durch den patentirten 
Bertüng’achan luftdicht verschliessbaren Milchkochapparat. Ein Beitrag zur Kinder- 
Diätetik. Berlin, Verlag von R. Damköhler. 

26) Knoll f Ueber den Einfluss modificirter Athembewegungen auf den Puls des Menschen. 
Mit mehreren Holzschn. und 2 lithogr. Tafeln. Sep.-Abdruck. Prag, Verlag von 
Tempsky. 

27) KnoU, Ueber Myocarditis und die übrigen Folgen der Vagussection bei Tauben. Mit 
2 lithogr. Tafeln. Sep.-Abdruck. Prag, Verlag von Tempsky. 

Briefkasten. 

Herrn Dr. Chdielain , Pröfargier: Mit Dank erhalten; erscheint in nächster Nummer. — Herrn 
Prot Aeby, Bern; 0. Wy$$ , Zürich; Prof. Pflüger , Bern; Dr. Weibel, Königsfelden: Besten Dank. 

Schweizerischer Medicinalkalender. Herrn Dr. H. in Y.: Sie refasiren den in Basel her¬ 
aasgegebenen und versandten Medicinalkalender mit den dick und breit geechriebenen Worten: *dd- 
teste le föderal et les fous de Berne. tt Das schöne Waadtland gehörte früher ja ganz specieH zu den 
fons de Berne. Sollte vielleicht ein hereditärer Ableger in Vivis eine fruchtbare Keimstätte gefunden 
haben? 

Vorräthig in allen renommirten 
Mineralwasser-Ü^pöts. 

Niederlagen werden zu ooulantesten 
Bedingungen überall durch die Yer- 
sendungs-Direction in Budapest errichtet, 
i Das anerkannt wirksamste aller Bitterwässer, wo dies gewünscht wird. [H-4014-Q] 


T 




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— e« — 


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Wegen Abreise billig zu verkaufen: Eine gut eingerichtete Hausapotheke, ein Re¬ 
spirations-Apparat, ein Elektrisir-Apparat, nebst verschiedenen medizinischen Büchern etc. 
Nähere Auskunft ertheilen B. Griiter & Cie., 

[M- 3681 -z] Inkasso-Geschäft, Seehof, Luzern. 


T © i d A 


Nouveau remfcde spöcial contre les ndvralgies 

(introduit des lies de Fidji). 

Voyez: 

Snr la composition chimique: A. W. Gerrard, F. C. S., dans „Pharm. J. & Trans.“ 
1880 p. 849 (Nr. 513). 

Sur l’origtne botanique: E. M. Holmes, F. L. S. dans „Pharm. J. & Trans.“ 1880 
p. 889 (Nr. 615). 

Sur l’action mädicale: Sydney Ringer, M. D. et W. Murreil, M. D., dans le journal 
„Lancet“ du 6 Mars 1880, aussi „Lancet“ du 20 Mars et 29 Mai etc. 

Extrait fluide de Tonga 

pr6pare par les importeurs 

Allen & Hanburys, pharm. Chemists, 

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en flacons de fr. 6 et fr. 14 (prix de d6tail au public). 

Seul depdt pour la Suisse: 

. Pharmazie Hammerstein (Ed. Schcer), Zürich . 

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d^taila ult4rieurs.) 

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„ „ Damian» „ Impotenz. 

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JHrecter Import. — Gros et Detail. 



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& 
9 

9 

9 

s 

9 

o 

3 

91 
9! 
9 
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9 
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9 

9 
9 
9 
9 
9) 
91 
9 
9 

3 

9l 
9 
9 



fe - sich die Herren Aerzte auf die 

g nachstehende diätetische Nenheit 

i Liebe’s Leguminose 

| in löslicher Form 
d (lösliches Kraftsuppenmehl) 
aufmerksam zn machen, 
to Vor gewöhnlicher Handeisleaumlnose hat das 

£ Liebe’sche Präparat nachstehende Vorzüge: 
jj Das cellalosefreie, staubfeine Mehl ist 
E bereits gar (ohne Kochen verwendbar), wohl- 
j® schmeckend, aufnahmefähiger, weil an Stelle 
5? eines Theiles Stärkemehl Dextrin getreten 
fe ist. Die vorschriftgemäss daraus bereitete, 

E wenig schleimige, deeshalb von Gesunden 
H und Kranken bevorzugte Suppe enthält ca. 
fe das vierfache an Gesammtnährstoffen, weil 
g letztere durch Druck unter höherer Tem- 
| peratur in eine lösliche Modification über- 
j£ geführt wurden. 

E Nach der amtlichen Analyse der könig- 
E liehen chemischen Centralstelle für öffentl. $ 
§ Gesundheitspflege in Dresden enthält die 9 
B lösliche Leguminose 24,3% Albnminate, ist ^ 
i nahezu wasserfrei; somit am 10—12% werth- 3 
g voller, an und für sich aber billiger. 

£ Preise der Blechdosen zn 7 » und 1 Ko. 
t M. 1. 25, 2. 25. 

Ausser bei einer grösseren Zahl Aerzten 
fand Liebe’s Leg. Aufnahme in der ktfnigl. 
Kreis-Irrenanstalt Erlangen, der medlcin. Klinik 
der Universität Greifswald, der städt Poliklinik 9 
CkemnHz etc. _ 112140 ] 9 

Proapect« and Harter Teraende gratis. i? 

Dresden. J. Paul Liebe. 3 

9 


Preisreduction 

von 

C. Fi*. Hausmann, 
Hechtapotheke, St. Gallen. 

Seit der Herausgabe meiner letzten Preisliste 
sind folgende Preisändernngen eingetreten: 

Chinin sulfuric. 100 Gramm Fr. 56, 50 Gr. Fr. 28. 
Chinin muriat. 10 Gramm Fr. 8. 

Jodoform 10 Gramm Fr. 1. 50, 50 Gr. Fr. 6. 50. 
Kalium Jodat. 100 Gramm Er. 4.50, 250 Gr. Fr. 10. 
Vaseline americ. acht Cheseborongh 100 Gr. 70 Cts., 
1 Kilo Fr. 6. 

Gewohnte Conditionen. Franko. [H-93-Q] 


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Kinder empfehlenswerth, 

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Natr. salicylic. puriss., 

Chloralhydrat puriss., 

Chloral-Chloroform puriss., 

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grösserer Abnahme mit speciellen Vorzugs¬ 
preisen zu Diensten [H- 94 -Q] 

C. Fr. Hausmann, 
Hechtapotheke in St. Gallen, 

Fabrik chemisch-pharmac. Präparate. 
Verlag von August Hirschwald in Berlin. 

Centralblatt 

für die 

medicinischen Wissenschaften. 

Redigirt von 

Prof. Dr. H. Kronecker und Prof. Dr. H. Senator. 
Wöchentlich 1—2 Bogen, gr. 8. Preis des Jahrg. 20 Mark. 
Abonnements bei allen Buchhandlungen und Poetanstalten. 


An die Abonnenten von Meyers Konversations-Lexikon. 

Wir kehren zum zweitenmal wieder, nnsern Subskribenten die Ergänzung ihres kost¬ 
baren Werks für 1880/81 zn bringen als 

Zweites Jahres-Supplement 

zu Meyers Konversations-JLexikon. 

Wie im vorigen Jahr ist unsere Redaktion bemüht gewesen, dasselbe nach allen Richtungen 
hin mit dem Zuwachs an interessanten Geschehnissen der jüngsten Vergangenheit und der Gegen¬ 
wart auszustatten, so dass der Band ein erschöpfendes Lexikon des Jahres bildet. 

Die Anordnung des Stoffs ist, wie im Hauptwerk, die alphabetische. Ein systematisch 
geordnetes Inhaltsverzeichniss wird dagegen eine bequeme Uebersicht über alle den einzelnen 
Fächern zugehörigen Artikel gewähren und die ausserordentliche Reichhaltigkeit der Supplemente 
veranschaulichen. 

Der Preis des Jahres-Snpplementes, geheftet wie gebunden, ist derselbe wie für die Lie¬ 
ferungen und Bände des Hauptwerks. 

Warnung vor fremden Druckerseugnisssn, welche mch durch Entlehnung unseres Titels einsu- 
•Anmg gefn rucken und durch Nachahmung des Umschlags und Einbands auf Täuschung berechnst sind. 

Bibliographisches Institut in Leipzig. 


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Dr. Sanders’ Pepton, 

erhalten durch künstliche Verdauung von gutem holländischem Ochsenfleisch 
mittelst Pepsin und Ochsenpankreatin; also Fleisch künstlich in derselben Weise 
vorbereitet, in welcher diese innerhalb des Körpers stattfindet. 

Das Pepton ist das beste Nahrunosmittel in allen möglichen Schwächozuständon, für 
Rekonvaleszenten, in den verschiedenen Krankheiten und Störungen des Verdaunngsapparates, 
z. B. bei Magengeschwüren, in Typhus etc. etc. Ferner in allen Fällen, in welchen eine rasche 
und kräftige Ernährung gewünscht wird, in jedem Alter. 

Das Pepton ist das beste Nahrungsmittel In der Fieberdiät 

Das Pepton ist das kräftigste Nahrungsmittel, welches zugleich nicht allein leicht ver¬ 
daulich ist, sondern selbstverständlich gar keiner Verdauung mehr bedarf und direkt 
vom Blute aufgenommen wird. 

Das Pepton ist ansserdem das einzig Indlzirte Nahrungsmittel in denjenigen Fällen, in 
welchen Ernährung per Klysma erfordert oder gewünscht wird. 

Beines Fleischpepton und Pepton-Chokolade in V« Kilo-Büchsen k Fr. 3. 50. Brod- 
Pepton k Fr. 2. 30. Pepton-Symp und Pepton-Essenz in '/* Kilo OFlacons k Fr. 4. &0. 

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Dr. H. Sanders, 

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tüchtiger, erfahrener Arzt gesucht. Wartgeld 
Fr. 17 k 1800. Nähere Auskunft ertheilt die 
Gemeindeschreiberei Meiringen, bei welcher An¬ 
meldungen, versehen mit den nöthigen Attesten, 
bis und mit dem 15. Januar nächsthin einzu¬ 
reichen sind. 

In allen Buchhandlungen ist zu haben: 

Die 

häusliche Krankenpflege 

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Dr. L. G. Courvoisier. 

Preis Fr. 3. 

Basel. Benno Schwabe, 

Verlagsbuchhandlung. 


Offene Arztstelle. 

Die Gemeinde Andeer (Kt. Granbünden), Hanpt- 
ort des ca. 2000 Einwohner zählenden Kreises 
Schams und angehender Curort, sacht einen 

S atentirten Arzt. Informationen and Anmel- 
ungen wolle man unter Beilage von Zeug¬ 
nissen und Ausweisen innert Monatsfrist richten 
an den Gerne!udeVorstand. 

Andeer, 12. Januar 1881. 




ADMINISTRATION : 

PARIS, 22, boulevard Montmartre. 

ORANDE GRILLE. — Lymphatisch Leiden, 
Krankheiten der Versdaanngsorgane, Verstop¬ 
fen« der Leber and der Afils. Eingeweide- 
Verstopfung, Steingalle n. s. w. 

HOPITAL.— Leiden derVersdauungsorgane, Ha 
genbesch werden. schwere Verdauung, Appetitlo¬ 
sigkeit, Magenkrampf, Verdauonguchwccbo. 
CfcLESTINS. — N iereo-Leiden, Blaseo-Harn- 
gries, Blasenstein-, Podagra-, Harnruhr- and 
Eiweissstoff-Leiden. So 

HAUTERIVE. — Nieren-, Blasen-, Harngries-, ^ 
Harnruhr-, Podagra-, Blasenstein-und Ei- ~ 
weissstoff-Leiden. 

Es is darauf zu achten, dass der Name derOoelit 
sich anf der Kapsel befindet 

ä Bäte chez E. Ramsperger. 


Schweighauserische Buchdruckerei. — B. Öchwabe, Verlagebuchhandlung in Basel. 


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CORRESPONDENZ-BLATT 


Am 1. and 15. jedes 
Monats erscheint eine Nr. 

V/t —2 Bogen stark; 
am Schluss des Jahrgangs 
Titel u.lnhaltsverzeichniss. 


für 

schweizer Aerzte. 

Herausgegeben von 


Preis des Jahrgangs 
Fr. 10. — für die Schweiz; 
der Inserate 

35 Cts. die zweisp. Zeile. 
Die Postbnreanx nehmen 
Bestellungen entgegen. 


Prof* Alb* Burekhardt-Merlan und 

in Basel. 


llr* A. Baader 

in Basel. 


N" 3. XL Jahrg. 1881. 1. Februar. 


Inhalt: l) Originalarbaiten: Prof. L. Wille: Die Aetiologie der fortschreitenden Paralyse der Irren. — I)r. Hans 
v. Wyss: Die chirurgische Antisepsis nnd die gerichtliche Medicin. (Schluss.) — Dr. 0. H>:ab: Kleinere ophthalmologische Mit¬ 
tbeilungen. (Fortsetzung.) — 2) Vereinsberichte: Ordentliche Homraerversammlung der medicinisch-chirurgischen Gesellschaft 
des Cantons Bern. — 3) Referate und Kritiken: Dr. Friedrich Krismann: Die Desinfectionsarbeiten auf dem Kriegsschau¬ 
plätze der europäischen Türkei während des russisch-türkischen Feldzuges 1877/78. — Dr. H. Weher: Climatotherapie. — Prof- 
O. Leichtenslem .- Balneotherapie. — Jahresbericht der chirurgischen Abtheilung des Spitals zu Basel über das Jahr 1878. — 
4) Can tonale Correspondenzen: Neuchätel, Schwyz. — 5) Wochenbericht. — 6) Bibliographisches. — 7) Brief¬ 
kasten. 


Original-Arbei teil. 

Die Aetiologie der fortschreitenden Paralyse der Irren. 

Von Prof. L Wille. 

Der Mensch ist in gleicher Weise das Kind seiner Organisation wie seiner 
Zeit. Mittelst der ersteren ist er an die Vergangenheit geknüpft und steht durch 
sie unter dem Einflüsse seiner Vorfahren. Das zweite Verhältnis stellt ihn unter 
die Einflüsse der Gegenwart und seiner engeren und weiteren Umgebung. Dieser 
Satz hat ebenso wohl Geltung für die Erscheinungen des geistigen und des kör¬ 
perlichen Lebens, wie für die Vorgänge des normalen und des kranken Lebens. 

Wenn wir denselben für die Aetiologie der paralytischen Geisteskrankheit in 
Anwendung bringen, so wird demnach zunächst der Einfluss der Vorfahren, also 
die Frage der Vererbung, zu untersuchen sein. 

Ueber die Erblichkeit der fortschreitenden Paralyse herrschen sehr verschie¬ 
dene Ansichten. Die Einen lassen diesen Einfluss von viel geringerer Bedeutung 
für diese Art von Geistesstörung als für die einfache sein. Andere nehmen an, 
dass in dieser Beziehung zwischen einfacher und paralytischer Geistesstörung kein 
wesentlicher Unterschied sei. Die Dritten lassen gar keinen Einfluss der Heredi¬ 
tät auf diese Krankheit gelten, während Einzelne diesen Einfluss von grösserer 
Bedeutung bei der Paralyse als bei den einfachen Psychosen erachten. 

Weitaus der überwiegende Theil der Schriftsteller, die diesen’ i Gegenstand be¬ 
arbeitet haben, kommen darin überein, dass die Erblichkeit bei der Paralyse weit 
seltener vorkomme als bei den nicht paralytischen Geistesstörungen. 

Ich selbst habe unter 54 Paralytikern (48 M. 6 Fr.), die ich die letzten 5 Jahre 
hier in Basel zu untersuchen Gelegenheit hatte, Heredität im weiteren Sinne bei 
mehr als 60% dieser Kranken nachweisen können, also in einem Verhältnisse, das 
sich von dem bei den einfachen Psychosen nicht wesentlich unterscheidet. 

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Auch über die Art und Weise der Vererbung herrschen verschiedene Ansich¬ 
ten. Nach den Einen vererbt sich Paralyse nie als solche, während Andere die 
Nachkommen von Paralytikern öfters auch paralytisch werden sahen. Nach den 
Einen ist die Paralyse vorzugsweise das Resultat einer progressiven Vererbung, 
also eine auf Vererbung beruhende Degenerationsform des centralen Nervensystems. 
Sander gibt von seinen Paralytikern an, dass sie bis zum Ausbruche der eigent¬ 
lichen Krankheit, entgegen dem Verhalten der erblichen einfachen Geisteskranken, 
geistig und körperlich gesund gewesen seien; während wieder Andere der durch 
Vererbung beeinflussten Paralyse specifische Eigenschaften in Bezug auf Symptome 
und Verlauf zuschrieben. Eine grössere Zahl von Beobachtern endlich betont das 
Vorkommen von Hirnapoplexie bei den Ascendenten von Paralytikern. 

Nach meinen persönlichen Erfahrungen möchte ich auch den Einfluss der 
progressiven Vererbung bei der Paralyse für einen sehr bedeutenden annehmen, 
indem ich zwar unter den Vorfahren der Paralytiker weniger eigentliche Geistes¬ 
störung als die Symptome eines hochgradig ungewöhnlichen bis abnormen geisti¬ 
gen Naturells, sodann aber bei den Geschwistern der Paralytiker auffallend häufig 
Zustände traf, die man als Constitutionsanomalien auf degenerativem Boden be¬ 
trachtet wie Taubstummheit, Imbecillität, Epilepsie, Hysterie, Trunksucht und ver¬ 
schiedene andere moralische und physische perverse und krankhafte Erschei¬ 
nungen. 

Wenn es sich also auch nicht direct um Psychosen bei den Ascendenten han¬ 
delte, so zeigten sie doch Symptome, die auf eine krankhaft gereizte oder ge* 
schwächte nervöse und geistige Constitution hindeuteten. 

Dagegen ganz und gar nicht stimmen meine Beobachtungen mit denen Sander *8 
überein, dass diese erblichen Paralytiker bis zum Ausbruche der Paralyse körper¬ 
lich und geistig normal sich verhielten. Ich habe vielmehr beim weitaus über¬ 
wiegenden Thcile derselben in beider Hinsicht den Bestand abnormer Symptome 
nach weisen können, die die Betreffenden ihrer Umgebung auffallend erscheinen 
Hessen. 

Das Vorkommen von Hirnapoplexie konnte ich bei den Vorfahren der Para¬ 
lytiker nicht in einem stärkeren Maasse constatiren, wie bei denen der übrigen 
Geisteskranken, ganz abgesehen davon, dass Hirnapoplexie kaum in vollem Maasse 
als gleichwerthig mit dem Auftreten von Psychosen und andern Hirnkrankheiten 
und besonders von Neurosen bei den Vorfahren von Geisteskranken betrachtet 
werden kann. 

In gleicher Weise habe ich nach meinen Beobachtungen den Einfluss der He¬ 
redität auf den Verlauf der Paralyse nur ausnahmsweise in der Art bestätigt ge¬ 
funden, wie ihn mehrere französische Irrenärzte angeben. 0 ) 

Was nun das Verhältniss der Paralytiker zu ihrer Zeit und Umgebung betrifft, 
so hielt man sich geradezu für berechtigt, von der paralytischen Geistesstörung 


# ) V. hierüber unter anderm: Erlenmeyer sen. Die Gehirnatrophie der Erwachsenen. Neuwied 
1857. — Th. Simon. Die Gehirnerweichung der Irren. Hamburg, 1871. — Mendel , Hereditäre An¬ 
lage und progressive Paralyse der Irren im Arch. f. Psych. X. 8. — Die Verhandlungen der Sociätd 
m?d. psychol. in Paris in den Annales m6d. psychol. 1877. 


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als von der speciellen Krankheit unseres Jahrhunderts zu reden, wie meines Wis¬ 
sens der französische Irrenarzt Lunier zuerst gethan hat. Ist es ja doch eine That- 
sache, dass diese Krankheit erst ungefähr vom Beginne unseres Jahrhunderts an 
als solche erkannt wurde; sprechen ja doch manche Gründe dafür, dass sie erst 
seit dieser Zeit, wenigstens in stärkerer Verbreitung, aufgetreten ist. Die Krank¬ 
heit wurde aber weniger wegen diesen ihren zeitlichen Beziehungen so genannt, 
sondern vielmehr deshalb, weil in den specifischen Einflüssen, die die Gegenwart 
auf die Menschen ausübt, die Quellen ihrer Entstehung und Verbreitung gesehen 
werden wollten. Man nannte daher auch noch die Paralyse eine Krankheit der 
gegenwärtigen Civilisation. 

Es darf gewiss als eine lohnenswerthe Arbeit in culturhistorischer wie in hy- 
gieinischer Beziehung betrachtet werden, diesen angegebenen Zusammenhang näher 
zu untersuchen. 

Wenn wir die hauptsächlichsten geistigen Strebungen und Strömungen in’s 
Auge fassen, durch die sich die letzten Jahrzehnte gewissermaassen charakterisir- 
ten, so kann uns eine gewisse Verwandtschaft zwischen ihnen und den Erschei¬ 
nungen der uns beschäftigenden Krankheit nicht entgehen. 

Man schreibt nicht ganz mit Unrecht unserer Zeit den Charakter der Ruhe¬ 
losigkeit und der Uebertreibung, der Selbstüberhebung, der Maasslosigkeit und 
Schwindelhaftigkeit in ihren Bestrebungen und Handlungen zu. Erscheinungen, 
die insbesondere zur Zeit der sogenannten Gründerperioden jeden unparteiischen, 
ruhigen Beobachter mit Besorgniss einer weiteren Entwicklung der Dinge zusehen 
lassen mussten. Es erinnern diese ihre Eigenschaften lebhaft genug an die Symp¬ 
tome des Grössenwahns, der maass- und grundlosen Selbstüberschätzung, der 
schrankenlosen Unternehmungslust und Plänemacherei, wie sie die von Paralyse 
Befallenen darbieten. 

Nicht weniger darf die gesteigerte Sinnlichkeit, verbunden mit raffinirter Lebe- 
und Genusssucht, wie sie sich in den verschiedenen gesellschaftlichen Schichten, 
hier in der Form des überschwänglichen Wagner - und MjrÄarf-Cultus, dort in der 
Ueberhandnahme der Prostitution und des Alcoholismus, da in der sinnlich und 
geistig zehrenden Form der sogenannten geistigen und geistlichen Liebe, dort in 
den ekelhaftesten Scenen unserer Tingeltangelvorstellungen und dem Inhalte eines 
grossen Theils unserer modernen Roman- und Theaterliteratur darbieten, als Ana¬ 
logie der krankhaft erregten Sinnlichkeit und Genusssucht, des Cynismus und des 
geschlechtlichen Grössenwahns des Paralytikers aufgefasst werden. 

Dass auch der den Paralytiker vorzugsweise kennzeichnende primäre höhere 
Blödsinn in Verbindung mit gemüthlicher Verwilderung unserer Zeit nicht fehlt, 
davon haben wir uns an der Geschichte des zweiten Kaiserreichs, am Triumph¬ 
zuge des Spiritismus, an den Judenhatzen, an der allgemeinen Anbetung des gol¬ 
denen Kalbes, des Hauptgötzen unserer Tage, genugsam überzeugen können. 

Ich unterlasse es, noch weitere verwandte Züge aufzuzählen, wie sie gemein¬ 
sam hervorragende Merkmale unserer Zeit und die Erscheinungen unserer Krank¬ 
heit bilden. 

Ich wende mich zu einem andern Theile meiner Aufgabe, nämlich zur Unter- 


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suchung, ob sich für die verwandten Erscheinungen auch gemeinsame in den Ver¬ 
hältnissen der Gegenwart liegende Ursachen auffinden lassen. 

Das, was unser Jahrhundert gewissermaassen als seine Signatur aufweist, sind 
vor Allem die durch den Aufschwung der technischen, der Naturwissenschaften 
überhaupt herbeigerührten Veränderungen unserer Erwerbs-, Verkehrs- und Be¬ 
völkerungsverhältnisse. 

Die Vereinfachung und Erleichterung der Gewinnung des Lebensunterhalts 
für Tausende von Menschen, die Bildung einer Menge von stark bevölkerten Ar- 
beitscentren auf Kosten der Bevölkerung des platten Landes, die Massenproduction 
aller möglichen Lebensbedürfnisse, die Gründung colossaler Vermögen in den 
Händen Einzelner, waren die unmittelbaren Folgen dieser Verhältnisse. 

Wir sehen diese neuen Verhältnisse bald mannigfaltige Wirkungen auf das 
geistige Leben der Menschheit der Gegenwart ausüben. In erster Linie begegnen 
wir einer viel allgemeineren Antheilnahme der Menschen an den geistigen Bewe¬ 
gungen unserer Zeit, als sie den vergangenen Jahrhunderten eigen war. 

Während früher die grosse Masse des Volkes stumpf und träge, ohne Inter¬ 
esse und Verständniss, oder günstigsten Falles als ruhige Beobachter den geisti¬ 
gen Kämpfen der Zeit gegenüberstanden, oder höchstens zur Zeit ihrer Hochfiuth 
mechanisch mit fortgerissen wurden, sind es gerade jetzt die Massen, die die Trä¬ 
ger gewisser Zeitideen auf dem Gebiete der Politik und der Einrichtung der Ge¬ 
sellschaft bilden und als die leidenschaftlichsten Kämpfer für ihre Durchführung 
dastehen. 

In zweiter Linie haben das gedrängte Beieinanderwohnen, ein rasches An¬ 
wachsen der Bevölkerung mit ihren Folgen und die Schwankungen unserer In¬ 
dustrie und ihres Absatzes, einen in allen Beziehungen aufs höchste gesteigerten 
Kampf um’s Dasein erzeugt, dessen Wecbselfälle um so intensiver einwirken muss¬ 
ten, als sie bald einen excessiv gesteigerten und ungeregelten Lebensgenuss er¬ 
möglichten, bald mit schwerem Mangel und Entbehrungen auch der nothwendig- 
sten Lebensbedürfnisse verbunden waren. 

In dritter Linie ist es ein intensives Streben , das die Menschen der Gegen¬ 
wart beseelt, hinaus zu gelangen über die angestammten und anererbten Verhält¬ 
nisse. Eine allgemeine Unzufriedenheit mit dem Bestehenden treibt die Menschen 
an, es vorwärts zu bringen, sei’s in eine höhere Stelle zu gelangen, sei’s reich zu 
werden etc. etc., wozu die grosse Leichtigkeit, womit man zu oft grossem Ver¬ 
mögen und dadurch zu gesellschaftlicher Geltung gelangen konnte, anspornte. Ein 
aufreibender Ehrgeiz, eine verzehrende Sucht nach Besitz, Geltung, nach Erfolg 
überhaupt, tritt einem in allen gesellschaftlichen Schichten entgegen. 

Es sind alle diese Factoren in einer viel stärkeren Weise wirksam, als je 
zuvor und sie bedeuten physiologisch gesprochen nichts anderes, als dass in den 
Verhältnissen der Gegenwart das Hirn der Menschen viel grössere Leistungen zu 
vollführen hat, dass Hirnstoff und Hirnkraft viel stärker wie sonst, ja in unver- 
hältnissmässiger Weise in Anspruch genommen werden. 

Es ist jeder denkende Mensch in der Gegenwart darüber klar, dass es, um 
die das Hirn erwartenden ausserordentlichen Leistungen zu befriedigen, dazu kräf- 


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tiger, wohlausgestatteter Gehirne bedarf. So ist denn der Mahnruf ein allgemei¬ 
ner geworden nach Bildung und abermals Bildung, indem man annimmt, dass 
durch Ausbildung und Steigerung dieses Factors die Schäden und Gefahren , die 
unverkennbar im Leben der Gegenwart immer drohender zu Tage treten, ihre 
Verminderung, wenn nicht gar ihre Heilung finden könnten. Man bemüht sich, 
die heranwachsenden Generationen auszurüsten mit einer Fülle geistigen Materials, 
das für alle die sie erwartenden Wechselfälle und Aufgaben im Leben die hin¬ 
länglichen Fonds zu ihrer Ueberwältigung böte. Es besteht ein wahrer Wetteifer 
in den maassgebenden Kreisen, der Jugend ein immer mehr umfassendes Wissen 
beizubringen. Wenn wir die Lehrpläne unserer mittlern und höhern Schulen bei¬ 
der Geschlechter betrachten, so gibt es wenig mehr in allen Gebieten des Wissens, 
das nicht darin eine Stelle als Lehrgegenstand fände. Die Kinder werden vom 
frühen Morgen bis zum Abend mit Wissenschaft genährt, und noch nicht genug, 
es wird dafür gesorgt, dass sie bis in die Nacht hinein sich mit der Ueberwälti¬ 
gung des Lernstoffes plagen müssen. 

Man sucht auf solche Weise die Gehirne der frischen Generationen auf das 
höchste Maass ihrer Leistungs- und Ertragsfähigkeit zu bringen. Ich gestehe es 
gerne, dass auch ich in der Bildung und im Wissen ein wichtiges Mittel sehe, um 
den harten Kampf des Lebens ordentlich bestehen zu können. Ich halte daher 
die Absicht unserer Staatsmänner für eine zweifellos gute; aber wie sie erreicht 
werden will, muss immerhin ernste Bedenken von ärztlicher Seite erregen. 

Ganz abgesehen davon, ob denn wirklich das Wissen allein das ist, was die 
Jugend für’s Leben bedarf, muss man sich doch wohl fragen, ob nicht ein solches 
Verfahren, an den jugendlichen, erst in der Entwicklung begriffenen Gehirnen in 
Anwendung gebracht, auf eine grosse Anzahl derselben zum allerwenigsten auch 
überreizend und krankhaft erregend wirken müsse? Ob es anders möglich sein 
kann, als dass diesen Ueberreizungen naturnothwendig in einer grossen Anzahl 
von Fällen eine Abspannung und Abschwächung folgen muss, die nicht nur den 
ursprünglichen Zweck nicht erreichen lässt, sondern die Betreffenden selbst blei¬ 
bend beschädigt? Es ertragen eben doch nur die vollkräftigen Gehirne, die mehr 
als Mitteltypen repräsentiren, die an sie gestellten Zumutbungen, während die die 
überwiegende Mehrzahl bildenden übrigen ihnen nicht gewachsen sind. 

Ich habe die Ueberzeugung, dass Mancher schon von der Schule weg ein 
schwaches, in seiner Leistungs- und Widerstandsfähigkeit herabgesetztes Hirn 
mitgenommen hat, das, statt grossem und stärkern Anforderungen gewachsen zu 
sein, schon den gewöhnlichen schwierigen Verhältnissen erlegen ist, wie sie das 
Leben mit sich bringt. — 

In diesen Momenten theils angeborener, theils erworbener Hirnschwäche als 
Grundlage, in Verbindung mit den spätem erregenden Momenten sehe ich zwar 
nicht die unmittelbaren directen Quellen der paralytischen Geisteskrankheit; aber 
ich sehe darin den Samen, aus dem bei günstiger Befruchtung die schlimme Frucht 
erwachsen muss. Ich sehe dadurch den Boden geschaffen, die Disposition für die 
spätere Erkrankung. Es bedarf jetzt nur weiterer erregender Momente, wie sie 
z. B. alcoholische, Absinth und geschlechtliche Excesse, ungewohnte geistige An- 


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strengungen, erregende Affecte, die Hirnirritation durch Kopf-Erysipele oder an¬ 
dere fieberhafte Krankheiten, wie sie Insolation, strahlende Wärme, cessirende 
Menses oder Hämorrhoiden und Fussschweisse mit sich bringen, und die nun aus¬ 
brechende Krankheit ist ätiologisch hinlänglich klargelegt. 

Ich will damit nicht sagen, dass es keinen andern Weg gibt als den ange¬ 
gebenen, der zur Paralyse führt, sondern nur, dass der angegebene der nach mei¬ 
nen Erfahrungen regelmässigste und häufigste ist. Statt der durch Vererbung an¬ 
geborenen Hirnschwäche, statt der erregenden und erschöpfenden Einflüsse des 
täglichen Lebens können langdauernde hochgradige Excesse, die das frischeste 
Lebensmark verzehren, mit ihrem häufigen Gefolge von tiefgreifenden Constitutions¬ 
anomalien besonders specifischer und alcoholischer Natur, kann ein aufreibender 
Kampf um’s Dasein, können Traumen, Schädelverletzungen, schwere langdauernde 
Krankheiten treten, die die Krankheit erzeugen; aber immerhin glaube ich, dass 
die Momente letzterer Art viel seltener der Krankheit der Paralyse zu Grunde 
liegen. 

Auf Grund dieser Anschauungen verliert eine Anzahl von Thatsachen im Ge¬ 
biete der Aetiologie der Paralyse ihr Auffallendes. In ihnen liegt die einfache 
und natürliche Erklärung dafür, dass um so viel mehr Männer als Frauen von der 
Krankheit ergriffen werden; denn erstere sind es, die allen fraglichen Schädlich¬ 
keiten vorzugsweise ausgesetzt sind. 

Ebenso natürlich erklärt sich dadurch das Auftreten der Krankheit im Alter 
von 35—45 Jahren, also in und nach dem Ablaufe derjenigen Lebensperiode, in 
der dem Nervensystem die grössten Leistungen zugemuthet werden, in der durch 
gesteigerte Arbeit und gesteigerten Genuss, durch intensivstes Empfinden und 
Streben, mit Nervensaft und Nervenkraft rücksichtslos gewirthsebaftet wird. 

Darin liegt die Ursache, dass mehr die Bewohner der grösseren Städte als 
die des platten Landes der Krankheit verfallen. Ferner liegt hierin der Grund, 
dass die Krankheit vorzugsweise in Mitteleuropa und Nordamerika auftritt, wäh¬ 
rend der Süden Europa’s, Amerika’s und der Orient in viel geringerem Maasse 
daran betheiligt sind. Es sind diejenigen Länder und Staaten, die von den geistig 
strebsamsten, ihrem Gefühlsleben nach am höchsten entwickelten, den mannigfal¬ 
tigsten Einwirkungen eines erhöhten Culturlebens am meisten ausgesetzten Men¬ 
schen bewohnt werden. 

Eine andere Frage ist, ob auch gewisse Stände und Lebensverhältnisse vor¬ 
zugsweise unter diesen Einflüssen stehen. Es ist bekanntlich in jedem Buche über 
Psychiatrie zu lesen, dass es von den Männern besonders Officiere, Kaufleute und 
Fabrikanten, sodann überhaupt die »viel und volllebigen turgescirten Naturen“, 
dass es »die Classe der in verzehrenden, ehrgeizigen Bestrebungen sich bewegen¬ 
den Politiker, Dichter, Künstler und Virtuosen, die Classe der höheren Weltmänner, 
die mit höherer Bildung starke Sinnlichkeit verbinden;“ s . Maudsley, »Menschen im 
Vollgenusse der Gesundheit und auf der Mittagshöhe ihrer Manneskraft;“ dass cs 
endlich „der Leidenschaft des Erwerbens und Geniessens hingegebene Speculan- 
ten, Politiker, Weltmänner“ sind, die der Paralyse verfallen. 

Ich glaube, man hat in dieser Beziehung mehr unter dem Einflüsse einzelner 


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JQP • T 

- 71 — 

ergreifender Erfahrungen, als auf Grund zuverlässigen statistischen Materials die 
bekannten poetischen und phrasenreichen Schilderungen der Aetiologie der Para¬ 
lyse entworfen. Dazu kommt noch, dass früher weit mehr Paralytiker aus den 
bessern Lebensclassen als aus den geringeren in die Irrenanstalten kamen. Ich 
kann wenigstens nach meinen Erfahrungen diese obigen Prävalenzen nicht bestä¬ 
tigen. Ich habe im Gegentheile vorzugsweise Menschen von ganz gewöhnlichen 
Anlagen und Eigenschaften, viele solche unter dem mittleren Maasse begabte, die 
den verschiedenen mittleren oder niederen Ständen und Classen der Gesellschaft 
Angehörten, ja nicht selten geradezu wirkliche Schwächlinge in geistiger und kör¬ 
perlicher Beziehung paralytisch werden sehen. 

Es spricht für diese Auffassung auch das Auftreten der Paralyse bei den 
Frauen, bei denen es statistisch sicher gestellt ist, dass nur ausnahmsweise Frauen 
aus den besseren gebildeten, geistig sich beschäftigenden Kreisen paralytisch wer¬ 
den, während wir die Paralyse bei Frauen aus den mittlern und niedern Ständen 
ziemlich häufig auftreten sehen. 

Es sind Sorgen, Entbehrungen, vorangegangene Anstrengungen, ein aufreiben¬ 
der Daseinskampf, puerperale Vorgänge, plötzlich cessirende Menses, die Zeit des 
Climacteriums, die wir, sich immer wiederholend, als Ursachen angegeben sehen. 
Die nämlichen Gelegenheitsursachen im Ganzen spielen auch im männlichen Ge- 
scblechte die gleiche Rolle, wozu bei ihnen statt der abnormen menstrualen und 
puerperalen Vorgänge noch erlittene Traumen, Hirnerschütterungen, Erkältungen, 
Durchnässungen, grosse Strapatzen kommen. 

Es erübrigt noch zu erwähnen, dass stets die Paralyse mit Excessen in Baccho 
und Venere, besonders mit letzteren und mit vorangegangener Syphilis ätiologisch 
in Zusammenhang gebracht wurde. In Frankreich waren es seiner Zeit Lallemand 
und Cavalher , in Deutschland Neumann , in England Maudsley , Sheppard , Shanlkey , die 
io sexuellen Excessen theils die hauptsächliche, theils die alleinige und ausschliess¬ 
liche Quelle der Paralyse sahen. Ich habe auf Grund langer Erfahrung die Ueber- 
zeugung gewonnen, dass nicht nur diese Annahme eine im hohen Grade übertrie¬ 
bene, sondern dass überhaupt solche Excesse durchaus weniger eine ätiologische, 
als vielmehr eine symptomatologische grössere Rolle spielen. Excesse in Baccho 
und Venere kommen im ersten Stadium der Paralyse als regelmässige Symptome 
vor, leiten selbst vielfach die eigentliche Krankheit ein als die ersten der Umge¬ 
bung auffallenden Erscheinungen, während ich diesen Verhältnissen als ausschliess¬ 
lichen Ursachen der Krankheit relativ selten begegnet bin. 

Sodann hat man häufig die constitutioneile Syphilis gerne mit der Paralyse in 
ätiologischen Zusammenhang gebracht. Eine Reihe guter nordischer Beobachter 
(aus Schweden, Norwegen, Dänemark), in Deutschland Jessen und Erlenmeyer sen., 
haben sogar direct die Paralyse für Hirnsyphilis erklärt. 

Ohne gerade soweit zu gehen, haben andere Forscher wenigstens sehr innige 
Beziehungen zwischen beiden Krankheiten gefunden. (Simon, Mendel). 

Bekanntlich hat auf Anregung Mendets dieser Gegenstand im Schoosse der 
Berl. medic.-psychol. Gesellschaft eine sehr eingehende und lebhafte Erörterung 
io jüngster Zeit hervorgerufen. Mendel behauptete, dass bei 76% seiner Paralyti- 


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ker Syphilis vorangegangen sei, während Westphal, Wernikc und Lewin , wie früher 
andere Beobachter (Clomion , Skä , Voisin , Fournier) diesen Zusammenhang zurück- 
wiesen. Ich muss gestehen, dass auch mir im Verlaufe der letzten 7 Jahre bei 
den männlichen Paralytikern in einem gegenüber früheren eigenen Beobachtungen 
auffallend häufigen Verhältnisse vorangegangene syphilitische Infection angegeben 
wurde. Es war in einer kleineren Anzahl dieser Fälle möglich, bei der Section 
hinlänglich beweisende extraccrebrale specifische pathologisch-anatomische Ver¬ 
änderungen zu finden. Ich bemerke, dass Symptome und Verlauf dieser Fälle von 
denen der gewöhnlichen Paralyse sich nicht unterschieden, insbesondere, dass 
eigentliche Hirnlues nach diesen klinischen Momenten nicht angenommen werden 
konnte. 

Trotzdem möchte ich doch der Syphilis im Ganzen keinen weitern Einfluss 
auf die Paralyse vor der Hand zuweisen, als den eines die Constitution verschlech¬ 
ternden Momentes. 

Ich möchte dabei immerhin die Angelegenheit nicht nur nicht für erledigt, 
sondern gegenwärtig selbst noch nicht einmal für spruchreif halten, wie ich vor 10 
Jahren sie nicht für spruchreif gehalten habe. 

Ich fasse das Gesagte nochmals dahin zusammen : 

a) Dass allerdings in den gesellschaftlichen und den Lebensverhältnissen der 
Gegenwart überhaupt Keime enthalten sind, die schädigend auf unser centrales 
Nervensystem einwirken und es daher zu einer späteren Erkrankung geneigt 
machen. 

b) Dadurch, dass dieselben reizend und schwächend auf dasselbe einwirken, 
ist zwischen ihnen und der paralytischen Geistesstörung einen nähern Zusammen¬ 
hang anzunehmen wohl gestattet. 

c) Es nehmen dadurch psychische Krankheitsprocesse, die sonst als einfache 
Störungen verlaufen waren, den paralytischen Charakter an. 

d) Es ist in der Paralyse somit nicht eine eigentlich neue psychische Krank¬ 
heitsform aufgetreten, sondern es hat sich ein Theil der früher als einfache Psy¬ 
chosen verlaufenden Krankheitsfälle in solche schwereren Charakters verwandelt. 

e) Man hat somit wohl die Berechtigung, die Paralyse in diesem Sinne als 
eine Krankheit unseres Jahrhunderts zu bezeichnen. 

Die chirurgische Antisepsis und die gerichtliche Medicin. 

Habilitationsvorlesung, gehalten am 10. November 1880 von Dr. Hans V. Wyst 

in Zürich. 

(Schluss.) 

Und nun stehen wir vor der Frage , die unser eigentlichstes Thema berührt, 
welches Maass von Verantwortung trifft den Arzt, der bei Behandlung von Wun¬ 
den die antiseptischen Cautelen verabsäumt und welche Wegleitung haben wir 
dem Richter zu geben, wenn jener für entstandenen Schaden zur Rechenschaft 
gezogen wird. 

Bereits ist von einer Seite •) der Versuch gemacht worden, wenigstens in der 

*) v. Nussbaum , Einfluss der Antiseptik auf die gerichtliche Medicin. München, bei Finsterlin, 1880. 


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Theorie den nachlässigen Antiseptiker vor den öffentlichen Richterstuhl zu ziehen. 
Wir können uns an dieser Stelle nicht versagen, etwas näher auf die Argumenta¬ 
tion dieser Stimme, die einem hervorragenden Vertreter der klinischen Chirurgie 
angehört, einzutreten, da sie auf den ersten Anschein wirklich viel Bestechendes 
hat. Wenn Prof, v . Nussbaum dabei die Absicht hatte, seinen Zuhörern die Wich¬ 
tigkeit des antiseptischen Verfahrens und die Gefahren der Vernachlässigung des¬ 
selben recht drastisch vor Augen zu führen , so haben wir zunächst dagegen gar 
nichts einzuwenden. Nachdem er, reeapitulirend, die Geschichte der Antiseptik 
in kurzen Zügen wiedergegeben und durch Beispiele erläutert, citirt er zwei Pa¬ 
ragraphen des deutschen Strafgesetzbuchs. Der eine betrifft die auf fahrlässige 
Tödtung gesetzte Strafe, wobei die Fahrlässigkeit eine active oder passive sein 
kann, der andere betrifft die Strafe der fahrlässigen Körperverletzung, wobei als 
Erschwerungsgrund noch beigefügt wird: Fahrlässige Tödtung oder Körperver¬ 
letzung von Seite eines Thäters , der zu der Aufmerksamkeit, welche er ausser 
Acht Hess, vermöge seines Amtes, Berufes oder Gewerbes, besonders verpflichtet 
war. Nussbaum will nun diese Paragraphen ohne Weiteres da angewendet wissen, 
wo ein ärztlich behandelter Verwundeter oder ein Operirter an Erysipelas oder 
Pyämie gestorben ist und der behandelnde Arzt entweder gar kein antiseptisches 
Verfahren eingeschlagen oder Fehler in demselben begangen hat, worunter auch 
die Fahrlässigkeit mit Bezug auf Desinfection seiner eigenen Person, ferner der 
angewandten Instrumente und Utensilien begriffen sein soll. 

Sehen wir nun zu, ob damit in der That der richtige Weg angedeutet ist. 
Verhielte es sich in der That so, wie v . Nussbaum sagt, dass überhaupt kein Fall von 
Erysipelas oder Pyämie bei antiseptischer Behandlung Vorkommen könne, wäre die 
Sachlage ferner so, wie er allerdings nicht sagt, dass alle nicht antiseptisch be¬ 
handelten Verwundeten an den genannten Krankheiten sterben müssen, so wäre 
die Frage dann einfacher in dem von v. Nussbaum gewollten Sinne zu entscheiden. 
Dass der zweite angeführte Punct glücklicherweise nicht zutrifft, darüber wäre es 
unnütz ein Wort zu verlieren, und was den ersten Punct anbetrifft, so wird auch 
wohl der überzeugteste Antiseptiker zugeben müssen, dass trotz antiseptischer Be¬ 
handlung hie .und da noch ein Verwundeter an einer der genannten accidentellen 
Krankheiten stirbt, ohne dass er dafür den Grund strenge nachzuweisen vermag.*) 
Wer gewissenhaft ist, wird wohl geneigt sein, bei diesen unglücklich verlaufenden 
Fällen irgend einen Fehler in der Behandlung anzuschuldigen, wird denselben 
auch öfter nachweisen können, dagegen manchmal auch nicht, und wird also dann 
zugestehen müssen, dass ihm die specielle Ursache für den Eintritt der genannten 
Krankheit im individuellen Falle unbekannt sei. 

Und nun, verehrteste Anwesende, erlaube ich mir zu fragen, hiesse es nicht, 
die oben bezeichnete Sachlage als richtig zugegeben, wieder gänzlich in den alten 
Fehler der gerichtlichen Medicin vergangener Zeit zurückfallen, wenn wir Aerzte 
die Justiz nöthigen wollten, den Schluss als absoluten zu acceptiren, der Verwun¬ 
dete ist wegen Mangels an antiseptischer Behandlung gestorben, daher fahrlässige 


*) Vgl. über die Frage Centralbl. f. Chirurgie 1880, S. 378 u. 490. 


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Tödtung von Seite des behandelnden Arztes! Gegen eine solche Auffassung werden 
wir uns allen Ernstes zu wehren haben, besonders wenn v. Nussbaum will, dass 
die Antiseptik durch einen Gesetzesparagraphen anbefohlen werde. Es würde 
dies ohne Zweifel der erste Fall sein, dass ein speciell therapeutischer Grundsatz 
Gegenstand eines Gesetzes von Seite des Staates wird, denn Schutzmaassregeln 
gegen Epidemien lassen sich damit doch nicht auf die gleiche Stufe stellen. 

Wie man sich die Consequenzen solcher Grundsätze in die Praxis Übertragen 
zu denken habe, will ich weiter hier nicht ausmalen, da sie ad absurdum führen. 
Jedenfalls müsste ein sachverständiger College den behandelnden Arzt stets bei 
seinem Thun und Lassen überwachen, um nötigenfalls als Zeuge dafür auftreten 
zu können, dass einmal eine Pincette oder dergl. nicht dcsinficirt worden sei. Da- 
gegen kann ich nicht unterlassen, hier auf einen weiteren Punct aufmerksam zu 
machen. 

Denke man sich den Fall einer nicht gerade schweren Körperverletzung, die 
bei einem Raufhandel vorgekommen ist. Der betreffende Verwundete sei vielleicht 
erst nach einiger Zeit in ärztliche Behandlung gekommen. Es sei für dieselbe das 
früher gewöhnliche Verfahren ohne Anwendung antiseptischer Mittel eingeschlagen 
worden und nach Hinzutreten eines schweren Erysipelas sei der Tod eingetreten. 
Der zur Begutachtung aufgefordertc Gerichtsarzt würde nun also nach obigen 
Grundsätzen zu erklären haben, die Verletzung sei an sich eine leichte gewesen, 
durch Vernachlässigung der Antiseptik aber sei Erysipelas dazu getreten und diese 
Krankheit habe den Tod herbeigeführt. Dem Richter würde nun, falls er conse- 
quenterweise nach v. Nussbaum verfahren wollte, nichts übrig bleiben, als den Thä- 
tor mit einer sehr gelinden Strafe davonkommen zu lassen, den behandelnden Arzt 
aber wegen fahrlässiger Tödtung zu verurtheilen. 

Ob ein solches Verfahren gerecht genannt werden dürfte, mag Jeder selbst 
beurtheilen. Wäre nämlich der Verstorbene gar nicht ärztlich behandelt worden 
und es wäre danach derselbe Ausgang eingetreten, so müsste doch die Verletzung 
nothwendig als Todesursache anerkannt werden. Wäre endlich die Behandlung 
durch einen Quacksalber erfolgt, dem man ein Vertrautsein mit der Antiseptik 
nicht zumuthen darf, so könnte demselben ebenfalls die fahrlässige Tödtung nicht 
zur Last gelegt werden. 

Es ergibt sich daher sehr bald, dass in der Praxis an eine consequente Durch¬ 
führung der von v. Nussbaum aufgestellten Grundsätze nicht zu denken ist, selbst 
bei noch so fester Ueberzeugung von der Bedeutung des antiseptischen Verfah¬ 
rens. Wir erkennen darin nur eine Bestätigung der schon oft gemachten Erfah¬ 
rung, dass es in der gerichtsärztlichen Praxis verkehrt ist, in Fällen, wo indivi¬ 
duelle Momente die wesentlichste Rolle spielen, nach a priori aufgestellten Cate- 
gorien urtheilen zu wollen. Dies gilt um so mehr für das uns speciell beschäfti¬ 
gende Gebiet, wo auch die wissenschaftlichen Fragen keineswegs allseitig 
gelöst sind. 

Wenn wir uns also nicht entschliessen können, der von v . Nussbaum beschrit- 
tenen Bahn zu folgen, fragt es sich, ob das antiseptisebe Verfahren gar keine Be¬ 
rücksichtigung von Seite der gerichtlichen Medicin verdiene, d. h. ob es bei der 


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75 — 


gerichtsärztlichen Beurtheilung von Verletzungen gar nicht darauf ankomme, nach 
der Behandlung 9 weise derselben zu fragen. Es kann dies offenbar nicht richtig 
sein. Schon die einfache Erwägung, dass die vollständige Erhebung des That- 
bestandes auch eine Berücksichtigung der Behandlung des Verletzten noth- 
wendig macht, zeigt, dass dieselbe auch Gegenstand gerichtsärztlicher Erörterung 
werden muss. Die Frage nach der Behandlung eines Verletzten steht aber offen¬ 
bar zunächst ganz ausser Zusammenhang mit denjenigen, welche den der Zufü¬ 
gung einer Verletzung Angeklagten betreffen. Selbst in dem Falle, dass der Ge¬ 
richtsarzt zu erklären hätte , es sei der Tod nach der Verletzung blos dadurch 
erfolgt, dass eine accidentelle Wundkrankheit hinzugetreten sei und diese den 
Tod herbeigeführt habe, während die Verletzung an sich keine Gefahr bedingt 
hätte, selbst in diesem Falle, sage ich, hätte derselbe erst abzuwarten, bis eine 
Anklage wegen vernachlässigter Behandlung erfolgt und er deshalb neuerdings zur 
Begutachtung aufgefordert wird, ehe erden behandelnden Collegen der Fahrlässig¬ 
keit zeiht. 

Gesetzt nun aber, es sei nach einer zufälligen Verletzung Erysipelas oder 
Pyämie eingetreten, der behandelnde Arzt habe antiseptische Cautelen verabsäumt 
und es sei nachher eine Anklage auf Fahrlässigkeit in der Behandlung des Ver¬ 
letzten erfolgt, so wird selbst in diesem Falle dem Gerichtsarzt, wenn er der 
Wahrheit dienen und nicht oberflächlich urtheilen will, vorläufig kein anderer Aus¬ 
weg bleiben, als möglichst genau die Chancen einer solchen Verletzung mit Bezug 
auf das Hinzutreten accidenteller Wundkrankheiten anzugeben, dagegen wird er 
nicht etwa blos schablonenmässig erklären, dies Erysipel oder diese Pyämie ist 
deswegen eingetreten, weil der Verletzte nicht antiseptisch behandelt worden ist. 
Der letztere Schluss wäre, so verlockend er auch erscheinen mag, doch entschie¬ 
den unrichtig, es wäre höchstens erlaubt zu sagen, die Gefahr des Eintritts einer 
der genannten Krankheiten wäre durch richtige antiseptische Behandlung um so 
und so viel vermindert worden. 

So weit wird man allerdings gehen dürfen, einen Arzt dafür zur Verantwor¬ 
tung zu ziehen, wenn er bei Behandlung äusserer Verletzungen oder bei Operatio¬ 
nen nachweisbar alle Vorsicht mit Bezug auf Antisepsis vernachlässigt hat, vor 
allen Dingen dann, wenn er bei Gelegenheit zu directer Infection der Wunde die 
nöthige Vorsicht versäumte. Wer zum Beispiel frisch von einer Section weg ohne 
vorhergehende gründliche Desinfection *) eine Ovariotomie vornimmt, oder einen 
Uterus ausräumt, handelt gewissenlos, und hat die Verantwortung für schlimme 
Folgen zu tragen. Dies wird heutzutage Niemand bestreiten. Anders aber stellt sich 
die Frage, wenn es sich um die Methode der Wundbehandlung handelt. 

Noch sind kaum 10 Jahre vergangen, seit dieses wissenschaftliche Thema so 
weit abgeklärt ist, dass feststehende Grundsätze darüber Gemeingut der Aerzte 
geworden sind, ja wir dürfen auch jetzt noch nicht sagen, dass sie Gemeingut 
aller Aerzte seien. Diese Grundsätze beziehen sich ebenso wohl auf Thun als 
auf Unterlassen, ihre Anwendung in praxi gestattet mancherlei Modificationen, ja 

# ) S. Volhn%ann } Centralbl. f. Chirurgie S. 417, dessen Anweisung betreffend diesen Punct uns 
maassgebend ist. 


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7ß 


wir können sagen, dass es vielleicht nicht zwei Chirurgen gibt, die ihre Verletzten 
und Operirten genau gleich behandeln. Der Eine wendet den Spray an, der An¬ 
dere lässt ihn weg, ja will ihn direct verboten wissen, wie Sie aus einer neuesten 
Publication*) erfahren haben, die Zahl der Antiseptica ist eine grosse, die Art 
ihrer Anwendung verschieden, eine Statistik über die Resultate zwar vorhanden, 
aber doch noch sehr der Erweiterung bedürftig. 

Bei solcher Sachlage erscheint es begreiflich, wenn das Urtheil über die Hand¬ 
lungsweise eines Arztes, das immer zu den schwierigsten Aufgaben, die dem Ge¬ 
richtsarzt zu Theil werden, gehört, ganz besonders hier sich sehr erschwert und 
es biesse wirklich ein hochmüthiges Pharisäertbum predigen, wenn man in der 
gegenwärtigen Zeit einen Arzt dafür zur Verantwortung ziehen wollte, dass er 
dieses oder jenes bestimmte antiseptische Verfahren bei einem Verwundeten oder 
Operirten nicht angewendet habe. Sollte eine Anklage wegen Fahrlässigkeit in 
dieser Beziehung in der That Vorkommen, so wird nur die genaueste Berücksich- 
tigung aller Details des individuellen Falles ein ungerechtes und einseitiges Gut¬ 
achten vermeiden lassen 

Wird nach diesen Grundsätzen in praxi verfahren, so dürfte der Fall kaum 
eintreten, dass eine leichtsinnige Verurtheilung eines Arztes aut schabloncnmässige 
Anwendung theoretischer Lehrsätze hin erfolgt, dagegen ebenso wenig wirklich 
fahrlässiges Handeln zu leicht gewogen werden. 

Aus dem Gesagten geht hervor, dass wir überhaupt die Meinung, es müsse 
das Wohl der Verletzten vorzugsweise unter den Schutz der Gerichte und des 
Gesetzes gestellt werden, nicht theilen können, sondern sie zurückweisen müssen. 
Das ärztliche Handeln durch Gesetze reguliren zu wollen, bedeutet einen gewalti¬ 
gen Rückschritt. Wer soll ein solches Gesetz handhaben? Zunächst wird die Con- 
trole jedenfalls von dem Betroffenen selbst, also gewöhnlich einem Laien, ausge¬ 
übt werden. Dass durch derartige Vorschriften zunächst blos Misstrauen gegen 
die Aerzte gesäet würde, liegt auf der Hand So gewissenhaft ein Arzt in der 
Darreichung innerer Mittel verfährt, wenn ihm deren Wirkungsart einmal bekannt 
ist, ebenso gewissenhaft wird er seine Verwundeten behandeln, sobald er die 
Gefahren kennt, die sie bedrohen und sobald ihm die Mittel geläufig sind, diese 
Gefahren zu vermeiden. Thut er es nicht, so wird ihn auch kein Paragraph des 
Strafgesetzes bessern. Die Vertrauensstellung und die Verantwortlichkeit, welche 
der Arzt besitzt, lassen sich einmal nicht in Regulative zwingen. Aber, wird man 
einwenden, die Gewissenhaftigkeit, ja selbst die blossen Kenntnisse des Arztes 
genügen eben nicht zur wirksamen Durchführung der Antisepsis. Es bedarf dazu 
ausserdem der practischen Uebung und Durchbildung, sonst werden immer Fehler 
gemacht werden, welche die Wirksamkeit der genannten Methode der Wandbe¬ 
handlung in Frage stellen, ja geradezu vereiteln werden. Es werden also, ganz 
abgesehen von der allgemeinen Anforderung an die Aerzte, um eine Garantie zu 
gewinnen für die Sicherheit der Verwundeten und Operirten, noch ganz besondere 
Vorschriften nothwendig sein, damit die Aerzte sich wirklich dazu verstehen, sich 
das richtige Verfahren zu ihrem Eigenthum zu machen. 

•) Fort mit dem Spray ! von Prof. Bruns. BerL klin. Wochenschr. 1880, Nr. 48, S. 609. 


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77 


Wir glauben nun, dass der Weg, hieflir ein Gebot zu erlassen, wiederum der 
unrichtige wäre. Soll eine Heilmethode zum ärztlichen Gemeingut werden, so 
darf sie nicht allzu viel Apparat erfordern und muss eine gewisse Einfachheit be¬ 
sitzen, da sie sonst allzu leicht der Vorwurf des Unpractischen trifft. Der noch 
zu erzielende Fortschritt wird also nicht darin liegen, die Aerzte durch strenge 
Gebote auf eine complicirte Methode gleichsam verpflichten zu wollen, sondern 
bei strenger Festhaltung des antiseptischen Princips auf thunlichste Erleichterung 
und Vereinfachung des practischen Verfahrens hinzuarbeiten. Darin wird die beste 
Garantie liegen, dass das Princip auch in der Praxis wirksam befolgt wird. 

In geburtshülflichen Fällen werden dieselben Principien zur Geltung kommen 
müssen. Ueber die antiseptische Behandlungsmethode des Wochenbettes gehen 
ja die Ansichten noch bedeutend aus einander und es wird um so weniger an- 
gehen, dafür bindende Vorschriften aufstellen zu wollen. Dagegen erscheint hier 
die Prophylaxis der Infection gegenüber um so mehr als ein Gebot der Pflicht 
und in diesem Sinne wird es nicht zu viel gefordert erscheinen, wenn bei grober 
Vernachlässigung der Vorsicht der Arzt soll zur Verantwortung gezogen werden 
können. Wird ja dasselbe gegenüber den Hebammen gethan.*) 

Nach Besprechung der Grundsätze, wie wir sie beim gegenwärtigen Stande 
der antiseptischen Wundbehandlung von Seite des Gerichtsarztes in streitigen Fäl¬ 
len angewendet wissen möchten, bleibt uns zu erörtern übrig, welche Aufgaben 
dem Gerichtsarzte selbst erwachsen, wenn er die antiseptischen Principien genau 
beobachten will. Wir haben von vorneherein zu erklären, dass wir mit Bezug auf 
diese Frage den von v. Nussbaum vertretenen Standpunct völlig theilen.**) Uebrigens 
hängt dieselbe mit derjenigen nach dem allgemeinen Verhalten des Gerichtsarztes 
dem behandelnden Arzte gegenüber zusammen. 

Als Princip glauben wir hier zunächst aufstellen zu sollen, dass der Gerichts¬ 
arzt vor allen Dingen Arzt ist, dass er, in welcher Eigenschaft er an das Kranken¬ 
bett treten mag, sich dessen in erster Linie bewusst sei. Es erscheint dies selbst¬ 
verständlich, und doch wird in der Praxis häufig scheinbar im Interesse der juri¬ 
stischen Seite gefehlt. Es werden Untersuchungen ohne Mitwissen der behandeln¬ 
den Collegen angestellt, Verbände entfernt, die Wunden manipulirt, mit Sonden 
darin herumgestöbert u. s. w. Dies Alles im Interesse der Erhebung eines ge¬ 
nauen Thatbestandes, oft aber zum Nachtheil des Patienten und zum Verdruss des 
behandelnden Collegen. Es wird oft ausser Acht gelassen, dass der Arzt, welcher 
den betreffenden Patienten in Behandlung genommen hat, damit auch die Verant¬ 
wortlichkeit für die Behandlung übernimmt und dass es nicht angeht, dass ein 
anderer Arzt ohne sein Vorwissen Dinge mit dem Patienten vornimmt, die, ob¬ 
schon sie anfänglich geringfügig erscheinen mögen, doch später ihre ernsten Folgen 
haben können. In der Verletzung dieser Regel sehen wir nicht blos ein Ausser- 
achtlassen der Courtoisie gegenüber dem Collegen, sondern eine Handlung, die mit 
der allgemeinen ärztlichen Aufgabe im Widerspruch steht, da sie unter Umständen 


*) Vgl. Frankenhauser etc. Centralbl f. Chirurgie 1880, S. 92. 
**) A. a. O. S. 24. 


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eine Schädigung des Patienten herbeiführen kann. Es gilt dies ganz besonders 
für chirurgische Fälle, bei denen stets der Arzt, welcher die Behandlung über¬ 
nommen hat, zur gerichtsärztlichen Untersuchung beigezogen werden sollte. Es 
können nun vielfach Umstände eintreten, welche eine solche Untersuchung im ge¬ 
gebenen Zeitpunct überhaupt sehr beschränken oder unmöglich machen müssen. 
Wir brauchen blos an Fälle zu erinnern, bei denen Verbände angelegt sind. Nach 
unserer Auffassung halten wir es da nicht für gerechtfertigt, wenn der Gerichts¬ 
arzt jedesmal darum unbekümmert die Untersuchung vornimmt Er handelt ent¬ 
schieden nicht blos humaner, sondern auch sachgemässer, wenn er zunächst blos 
den Bericht des behandelnden Arztes entgegennimmt und eine allfällige Unter¬ 
suchung auf spätere Zeit verschiebt. In den meisten Fällen wird dadurch für das 
Gericht kein Nachtheil entstehen und die Interessen des Patienten bleiben bei 
diesem Verfahren besser gewahrt Mag auch dadurch hie und da eine UnVoll¬ 
ständigkeit oder Verzögerung in der Lösung der Aufgabe des Gerichtsarztes ent¬ 
stehen, so kann er doch durch Angabe der Gründe seines Verfahrens sein Ge¬ 
wissen wahren. 

Ganz besonders aber muss ein solches behutsameres Vorgehen in Fällen an¬ 
gezeigt erscheinen, wo es sich um äussere Verletzungen handelt, die einer Infec- 
tion unterliegen können. Es scheint uns selbstverständlich, dass der Gerichtsarzt 
bei seiner Untersuchung Alles zu vermeiden habe, was zur Infection, sei es mit 
seiner Person, sei es mit Instrumenten, Veranlassung geben kann. Ueberhaupt 
soll als Regel gelten, dass Wunden in blos gerichtsärztlichem Interesse nicht be¬ 
unruhigt werden sollen. Dieses Interesse kann ja auch nur ein scheinbares sein. 
Was soll es z. B. nützen, die Tiefe einer Wunde nach Millimetern genau anzu¬ 
geben, die vielleicht bereits verklebt ist, oder in einer Kopfwunde herumzusuchen, 
um eine Fissur des Schädels zu entdecken ? Das, was schliesslich das Gericht in- 
terossirt, ist doch der Ausgang der Verletzung und nicht die genaue Diagnose des 
Arztes.. 

Dass der Gerichtsarzt in antiseptisch behandelten Fällen für seine speciellen 
Zwecke ohne weiteres nicht cingreifen darf, liegt auf der Hand. Ein correct an¬ 
gelegter antiseptischer Verband muss unter allen Umständen ein noli me tangere 
bleiben, bis die bestimmte Indication zum Wechsel desselben gegeben ist. Es 
steht ja nichts im Wege , dass der Gerichtsarzt seine Untersuchung auf diesen 
Moment verspart und den ersten Befund, der ihm allerdings auf diese Weise ver¬ 
loren geht, vom behandelnden Arzt einzieht. Wer einen correcten antiseptischen 
Verband anzulegen versteht, wird auch über die Beschaffenheit der Wunde rich¬ 
tige Auskunft zu geben im Stande sein. 

Mögen diese Bemerkungen zunächst kleinlich und überflüssig erscheinen, so 
ist doch zu bedenken, dass in der Durchführung der antiseptischen Methode eben 
Alles an scheinbaren Kleinigkeiten hängt und nur der von der Wichtigkeit der¬ 
selben durchdrungene Chirurg darin etwas zu leisten im Stande ist. 

Wenn wir oben gezeigt haben, dass eine Vernachlässigung der Antisepsis 
unter Umständen dem Arzte allerdings als Fahrlässigkeit zugerechnet werden 
muss, wenn wir auch darüber kein besonderes Gesetz aufgestellt wissen wollen, 


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so wird es auch Aufgabe des Gerichtsarztes sein, in erster Linie ihre Regeln zu 
befolgen und nie zu vergessen, dass das „nihil nocere“ über dem „fiat justitia“ 
steht. 

Kleinere ophthalmologische Mittheilungen. 

Von Dr. 0. Haab in Zürich. 

II. Parasitäre Augenkrankheiten. 

Von nicht zu unterschätzendem Einfluss auf die Ophthalmologie war in den 
letzten Jahren das Bemühen der Pathologen, organisirtc Gifte — Microorganismen, 
Micrococcen — als Entzündungs- und Krankheitserreger nachzuweisen und der Er¬ 
folg, mit dem dies in so vielen Fällen gelang. Diese wichtigen Arbeiten machte 
sich die Augenheilkunde rasch zu Nutze, um so mehr hiezu veranlasst, als ja ge¬ 
rade die erfolgreichen Impfungen auf die Cornea zu den sichersten Beweismitteln 
des deletären Einflusses gewisser Microorganismen auf lebende Gewebe sich ge¬ 
stalteten. So wurde dann die infectiöse Natur oder die durch parasitäre lnfection 
bedingte Complication mancher Augenkrankheit die Richtschnur nicht nur für eine 
richtige pathologisch-anatomische Anschauung, sondern auch für das therapeutische 
Handeln. Das Secret der Thränensackblenorrhoe wurde als im höchsten Grade 
infectiös erkannt (Schmidl-Rimpler , Stromeyer u. A.) und die fast immer bestehende 
Coincidenz von Ulcus serpens corneae (auch Hypopyonkeratitis genannt) 
mit Blenorrhce des Thränensackes machte klar, dass diese Geschwürsform wesent¬ 
lich durch lnfection von Seite jenes Secretes seinen eigenartigen Charakter und 
seine heftig destructive Einwirkung auf die Cornea erhält. Der Thränensackeiter 
aber wimmelt gewöhnlich von Micrococcen und die Proliferation dieser Organis¬ 
men in der Cornea lässt sich experimentell nachweisen. 

Auch bei der sogenannten neuroparalytischen Keratitis (nach Lähmung 
des Trigeminus) machte schliesslich der Nachweis (durch Eberlh ), dass es sich 
lediglich um eine Mycose der empfindungslosen und daher allen Verunreinigungen 
sich preisgebenden Cornea handle, dem langen Streit über die Natur dieser Er¬ 
krankung ein Ende. Es kann ein Mensch Jahre lang an Facialis-Paralyse leiden, 
so dass das Auge beständig offen steht, die Cornea wird doch durch jeweiliges 
Aufwärtsrollen des Bulbus von Staub und Schmutz gereinigt und vor Vertrock¬ 
nung geschützt. Sobald aber eine Trigeminuslähmung diese reflectorische Abwehr 
und Reinigung ausschaltet, wird im Lidspaltenbereich der Cornea sehr leicht zuerst 
Vertrocknung des Epithels und alsdann Eindringen schädlicher Keime stattfinden, 
die nun ungestört durch Proliferation ihr Zerstörungswerk vollbringen können. — 
Ganz analog gestaltet sich bei näherer Betrachtung die sog. Keratomalacie 
marantischer kleiner Kinder im Wesentlichen als eine Mycose. Es fallen wider¬ 
standslos die Corne® der Invasion von Coccen anheim und von kleinen Epithel- 
defecten, die im Lidspaltenbereich liegen, breitet sich rapid ein inficirtes Ulcus 
über die ganze Hornhaut aus. Ich konnte in einem solchen Falle, den mir Herr 
Prof. Homer zur Untersuchung überliess, — es handelte sich um Pemphigus neo¬ 
natorum — aufs klarste an den Geschwürsrändern gewaltige Micrococcenmassen 
nachweisen, welche spiessförmig sich zwischen die Cörneallamellen einschoben und 


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diese auseinander sprengten, wodurch die in diesem Falle ungemein rasch sich 
vollziehende, fast totale Zerstörung beider Corneae verständlich wurde. 

Durch den Nachweis ferner, dass eine Immigration von Eiterkörperchen aus 
dem Conjunctivalsack in die Cornea hinein — durch irgend einen Epithelverlust 
ermöglicht — sehr oft statthabe, wurde ein Verständniss dafür gewonnen, wie bei 
infectiösen Conjunctivalprocessen — Blenorrhoea neonatorum, Conjunctivitis gonor¬ 
rhoica und diphtheritica — so gerne sich rasch ausbreitende Ulcera Corneae bil¬ 
den. Denn man kann ungezwungen annehmen, dass mit den immigrirenden Wan¬ 
derzellen auch Coccen aus dem Conjunctivalsack in die Cornea eindringen und 
dort dann als heftigster Entzündungsreiz wirken. 

Auffallend lange dauerte es aber, bis man in den infectiösesten Secreten, 
welche in der Augenheilkunde eine Rolle spielen, dem der Blenorrhoea neonatorum 
und der gonorrhoischen Blenorrhoe, wirklich Micrococcen, die man als Träger der 
Infection auffassen kann, auffand. Erst vor einem Jahre theilte Neisser *) mit, dass 
er in sieben Fällen von Blenorrhoea neonator. verschieden langer Dauer charakte¬ 
ristische Micrococcen in aufiällig reichlicher Anzahl im eitrigen Secret gefunden 
habe und zwar Micrococcen ganz derselben Art, wie er sie in allen untersuchten 
Fällen — es waren 35 — von Tripper gefunden hatte. Auch in zwei Fällen 
von gonorrhoischer Blenorrhoe des Auges (Infection durch Trippersecret) hatte er 
diese selben Micrococcen constatirt. Was den Tripper betrifft, so will Walton 
Cheyne**) auch schon anno 1879 Coccen im Secret gesehen haben. 

Nach eigenen vielfältigen Untersuchungen sowohl bei Blenorrh. neonat, als bei 
Blcnorrh. gonorrh. und bei Tripper kann icli die Schilderung, welche Neitser von 
seinen Micrococcen gibt, Punct für Punct und bis in alle Details bestätigen. Die 
Coccen, welche man constant im Secret der Blenorrh. neonat, findet, sind puncto 
Form, Grösse, Vertheilung etc. absolut gleich denen des Trippers. Ebenso die im 
Secret der gonorrh. Angenblenorrhoe gewöhnlich in grossen Mengen sich vorfinden¬ 
den. Ich konnte mit den stärksten Vergrösserungen keine Differenz zwischen die¬ 
sen drei Micrococcenformen auffinden. Ebenso wenig aber traf ich in irgend einer 
andern eitrigen Flüssigkeit, z. B. im Eiter eines Zahaabscesses, eines Hirnabscesses 
u. s. w. solche Micrococcen wie dort. Das infectiöse Secret der Thränensack- 
blenorrhoe, das ich in zahlreichen Fällen untersuchte, zeigt constant ganz andere 
Organismen (Diplococcen und Ketten) und ebenso das Secret gutartiger eitriger 
Conjuncti viten. 

Vermittelst der ausgezeichneten und höchst bequemen Koch 1 sehen Methode ist es jetzt 
sehr leicht geworden, diese Parasiten in den betreffenden Secreten aufzufinden. Nachdem 
ein Tröpfchen Eiter auf dem Objectträger in eine möglichst dünne Schicht au6gebreitet 
worden, lässt man dieselbe eintrocknen, wohl bedeckt vor Staub. Dann wird ein Tropfen 
einer wässrigen Lösung von Methylviolett (5 B.) oder Bismarckbraun (ersteres ist vor¬ 
zuziehen) darauf gegeben und wenn die eingetrocknete Schiebt genügend gefärbt erscheint, 
wird das Violett mit Wasser abgespühlt. Nun lässt man wieder eintrocknen (während 
aber das Präparat noch nass ist, kann man schon eine vorläufige Untersuchung vorneh¬ 
men) und gibt dann einen Tropfen Canadabalsam und das Deckglas darauf. Betrachtet 
mau ein solches richtig gefärbtes Präparat mit schwächerer Vergrösserung (Hartnack 7 


*) Centralbl. f. d. med. Wies. 1879, Nr. 28. 
**) Brit. med. Joum. 1880, Nr. 1021. 


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oder 9), so sieht man die proliferirenden Kerne der Eiterkörperchen und allfällige Kerne 
von Epithelsellen lebhaft, das Protoplasma aber der Zellen nur ganz schwach oder gar 
nicht gefärbt. Sodann aber fällt auf, dass einzelne Kerne von Eiterzellen viel stärker 
tingirt erscheinen als andere. Untersucht man diese mit stärkerer Vergrösserung (Immer*. 
10 oder 13), so sieht man diese scheinbar stärkere Tinction darauf beruhen, dass auf 
diesen Kernen und darum herum grössere oder kleinere Häufchen intensiv dunkelviolett 
gefärbter Coccen liegen. Diese Coccen sind gross, rund, liegen selten einzeln da, sondern 
meist zu zweit beisammen oder es liegen ihrer vier nahe bei einander. Oft sieht man 
auch Biscuit- und Diplococcenformen, so dass man den Eindruck erhält, es finde hier 
eine rasche Vermehrung durch Zweitheilung statt Absolut charakteristisch nun ist, dass 
man diese Coccen nicht gleichmässig vertheilt, sondern immer in grössern und kleinern 
Gruppen durch das Präparat zerstreut findet und ferner, dass man diese Gruppen fast 
ausnahmslos auf Kernen von Eiterkörperchen antrifft oder nahe an solchen. Letztere 
Eigenschaft gibt diesen Blenorrhce- und Trippercoccen ein ganz charakteristisches Ge¬ 
präge. Denn so viele faulige oder sonst wie coccenhaltige Flüssigkeiten man auch unter¬ 
suchen mag, man wird nie diese fast ausschliessliche Gruppirung der Coccen auf Zell¬ 
kernen mit Freibleiben der interzellulären Partien des Objectes zu Gesicht bekommen, 
ln gewöhnlichem Eiter, der Micrococcen enthält (gewöhnlich sind dies Ketten- oder 
überall zerstreute Mono- und Diplococcen) finden sich diese in der Regel gerade nicht 
in oder über Eiterkörperchen, sondern mehr in der Flüssigkeit zwischen den Zellen oder 
es beherbergt wenigstens diese intorcelluläre Flüssigkeit die Mehrzahl der Coccen. 
Umgekehrt bei Blenorrhm und Tripper, was den Schluss erlaubt, dass hier die Organis¬ 
men hauptsächlich im Innern von Eiterkörperchen sich aufhalten und vermehren. — So 
lange Blenorrhrn- oder Trippersecret vorhanden war, habe ich auch die geschilderten Or¬ 
ganismen getroffen, sogar bei alten Nachtrippern. 

(Schluss folgt) 


"V ei*einst>ei*ioIite. 

Ordentliche Sommerversammlung der medicinisch-chirurgischen Gesellschaft 

des Cantons Bern. 

Samstag, den 3. Juli 1880, im Saale des Secundarschulhauses in Langnau. 

Präsident: Prof. Dr. Kocher . Secretär: Prof. Dr. Pflüger. 

Anwesend 32 Mitglieder und 3 Gäste. 

Das Präsidium theilt mit, dass von den von der letzten Sitzung schwebend 
gebliebenen Tractanden der Vortrag von Prof. Kocher über Radicalheilung des 
Krebses durch Publication in der deutschen Zeitschr. f. Chir. seine Erledigung 
gefunden und legt einen Separatabdruck desselben vor. Die übrigen Vorträge kom¬ 
men heute zur Verhandlung. Ein Tractandum, welches das Präsidium sich einzu¬ 
schieben erlaubte, ist die Vorstellung von kranken Go t th ar d tun ne 1 a r bei - 
tern durch Dr. Hans Fröhlich , der sich hiezu anerboten hat. 

Nachdem durch den im „Corr.-Bl. f. Schweiz. Aerzte“ erschienenen Bericht 
von Dr. Sonderegger die Aerzte mit der „Tunnelkrankbeit* bekannt ge¬ 
worden sind, schien es von Interesse, denselben zu directer Beobachtung Ge¬ 
legenheit zu geben. Bekanntlich ist von italienischen Autoren die Tunnel¬ 
krankheit auf das Anchylostomum duodenale zurückgefubrt worden, während 
Sonderegger die „Mineuranfiemie“ wesentlich aus den schlechten Luft- und Ernäh¬ 
rungsverhältnissen erklärt, denen die Arbeiter zum grossen Theile ausgesetzt 
waren. 

Ueber Erweiterung der Krankenpflege im Canton, speciell über die Inselneu- 

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baufragc, wird das Präsidium während des Mittagessens referiren, damit nicht die 
verfügbare Zeit, wie das letzte Mal, von diesem Tractandum zu sehr absorbirt 
werde. 

Dagegen liegt es ob, Bericht zu erstatten über 2 Aufträge, welche dem Comit4 
das letzte Mal von der Gesellschaft geworden sind, nämlich die weitere Fürsorge 
für das Zustandekommen der Feriencurse und für Acquisition einer Büste des ver¬ 
storbenen Präsidenten Dr. Schneider .' 

1. In der letzten Sitzung war das Comitä im Falle, Mittheilung zu machen, 
dass 14 Docenten der Berner Hochschule sich bereit erklärt haben, in den Herbst¬ 
ferien Curse für practische Aerzte abzuhalten. Von dieser Offerte wurde 
nach Weisung der Gesellschaft den einzelnen Aerzten unter’m 80. März 1880 Kennt- 
niss gegeben, mit der Bitte, ihre Anmeldungen bis zu einem bestimmten Termin 
einlangen zu lassen. Durch ein Missverständniss gelangte das Verzeichniss der 
Vorlesungen erst nachträglich im Correspondenzblatt zur Veröffentlichung, daher 
denn auch alle nachträglichen Anmeldungen Berücksichtigung erfuhren. 

Von dem Resultate wurde per Circular den betr. Docenten unter’m 8. Juni 
Kenntniss gegeben, mit der Anfrage, ob die Herren geneigt seien, unter den an¬ 
gegebenen Verhältnissen für nächsten Herbst ihre Feriencurse definitiv anzukiin- 
digen. Die Antworten auf letztere Circulare sind in ihrer grossen Mehrzahl ab¬ 
lehnend ausgefallen. 

Obschon nach diesem Ergebniss der Versuch der Einrichtung von Feriencur- 
sen als gescheitert zu betrachten war, so beschloss das Comitä der Gesellschaft, 
im Interesse der Freunde des Unternehmens, eine neue Aufforderung im Corresp.- 
Blatt erscheinen zu lassen mit einem Endtermin auf 10. Juli. 

Von dem Resultat gedenkt das Präsidium unter gleichzeitiger Veröffentlichung 
der Namen der Theilnehmer im Correspondenzblatt Kenntniss zu geben und es 
dann den Curstheilnehmern zu überlassen, bezüglich definitiver Regelung mit den 
Herren Docenten sich direct in’s Einvernehmen zu setzen. Zu diesem Behufe er¬ 
laubt sich das Präsidium, als leitende Ausschüsse von Seite der Herren Aerzte 
Ihnen die DDr. Bähler und Christener , von Seite der Docenten Proff. Lichtheim und 
Dr. 4. Valentin vorzuschlagen. Wenn dagegen keine Einwendungen gemacht werden, 
so betrachtet das Präsidium den Vorschlag als angenommen. 

2. Eine letzte Angelegenheit ist die Frage der Acquisition einer Büste von 
Dr. Schneider sei. Durch Beilage zum Feriencurscircular wurden die Aerzte auf¬ 
gefordert, sich über diese Angelegenheit auszusprechen, event. die nöthigen Bei¬ 
träge zu zeichnen. 

Mit Ausnahme von 3, welche für Gyps votirten, haben sich sämmtliche Aerzte 
für Marmorbüste ausgesprochen. Für dieselbe sind Fr. 170 gezeichnet wor¬ 
den. Dazu kommen von der Sammlung während der letzten Sitzung Fr. 56, macht 
total Fr. 2 26. Die Marmorbüste kostet nach Angabe der HH. Bildhauer Lanz 
Fr. 2300, die Gypsbüste Fr. 600. Soll demgemäss dem Wunsche der Mitglieder 
willfahrt werden, so müssen ungefähr Fr. 2000 als Beitrag aus der Gesellschafts- 
casse beschlossen werden. Ein solcher Beschluss würde den weitern impliciren, 
dass der daherige starke Ausfall aus der Casse durch eine einmalige Extrasteuer von 


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Fr. 12—15 per Mitglied gedeckt würde. Ich bringe diesen Antrag zur Discussion 
und Abstimmung. 

Die Versammlung beschliesst definitiv den Ankauf einer Marmorbüste und be¬ 
auftragt das Comit6, die Mitglieder durch ein neues Circular zur Zeichnung eines 
entsprechenden Beitrages einzuladen. 

3. Das Präsidium bringt zur Kenntniss, dass in ein Anerbieten, die Schrift 
des Herrn Dr. Th. Loiz in Basel, „Pocken und Vaceination“, Bericht im 
Namen der Schweiz. Sanitätscommission, von Vereins wegen für die einzelnen Mit¬ 
glieder zu erwerben, nicht eingetreten worden sei. Er empfiehlt die Acquisition 
des trefflichen Berichtes, sowie des interessanten Vortrages des Herrn R.-R. Steiger 
an den Grossen Rath, welcher die Zurückweisung der Petition der Herren Neuhaus , 
Luginbühl und Ad. Vogt zur Folge hatte. 

4. Eingelangte Schriften. Zu Händen der Gesellschaftsbibliothek sind 
8 Schriften eingelangt 

Das Präsidium legt auch die Brochure des Herrn Dr. Sonderegger: „Der Ge¬ 
heimmittelmarkt“, vor, welche trotz ihrer einschneidenden Kritik und der be¬ 
kannten markigen Sprache nicht vermocht hat, in den eidgenössischen Räthen das 
Geheimmittelgesetz gegen die hämischen Angriffe eines Karl Vogt und Dr. Scheuchzer 
zu schützen und zur Annahme zu bringen. 

Endlich wird die 1. Lieferung von Dr. Schneidens sei letzter Arbeit, 
„Das Seeland der Westschweiz“, vorgelegt, welche von der Gründlich¬ 
keit und Gediegenheit sowohl, als den edlen Bestrebungen des Verfassers ein ehren¬ 
volles Zeugniss ablegt. 

(Schluss folgt) 


Referate und Kritiken. 


Die Desinfectionsarbeiten auf dem Kriegsschauplätze der europäischen Türkei während 
des russisch-türkischen Feldzuges 1877/78. 

Von Dr. Friedrich Erismann aus öt. Petersburg. München, Verlag von Rieger. 

Diese Arbeit unseres verdienten Landsmanns wird von ihm bezeichnet als „Bericht 
über die Thätigkeit der russischen Commission zur Assainirung der von der Donauarmee 
besetzt gewesenen Theile der europäischen Türkei.“ Es handelt sich aber um ein Werk, 
das als eigentlich grundlegend anzusehen ist für diejenigen Einrichtungen und Arbeiten, 
welche bei Ausbruch eines Krieges in jeder Armee zur Verhütung des schlimmsten 
Feindes, des Auftretens epidemischer Krankheiten, getroffen werden müssen. Wenn auch 
erwartet werden darf, dass bei einem mitteleuropäischen Krieg nicht die argen Uebel- 
stände in sanitarischer Beziehung schon von vorneherein sich geltend machen, wie dies 
bei dem russisch-türkischen Krieg der Fall war, so sind doch die Hauptfactoren, welche 
für das Wohlbefinden der sich bekämpfenden Heere und des von diesen durchzogenen 
Landes in Frage kommen, stets und überall dieselben, was auch der Arbeit Erismann’s 
einen allgemeinen und bleibenden Werth verleiht. 

Wir beschränken uns darauf, der Arbeit einige Hauptpuncte zu entnehmen, in der 
Hoffnung, dieselben werden unsere Militärärzte veranlassen, das Buch sich anzuschaffen, 
das flott und frisch geschrieben ist, über Land und Leute manchen interessanten Auf¬ 
schluss gibt und namentlich deshalb einen lebendigen Eindruck macht, weil statt langer 
theoretischer Erörterungen die nackten Thatsachen und die gemachten Erfahrungen dem 
Leser die wissenschaftlichen Consequenzen von selbst vor das Auge führen. 

Als der russisch-türkische Krieg ausbrach, hatte die russische oberste Militärmedi- 


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cinalverwaltung, gestützt auf die im Krimkrieg gemachten Erfahrungen, bereits an die 
in den temporären Hospitälern der mobilisirten Armee vorzunehmenden Desinfecdons- 
maassregeln gedacht, eine bezügliche Instruction ausarbeiten und die Armee mit grossen 
Vorräthen von Desinfectionsmitteln versorgen lassen. Die Assainirung der Schlachtfelder, 
Kirchhöfe und Lagerplätze jedoch sollte das Centralcomitd des russischen rothen Kreuzes 
auf sich nehmen. Dieses letztere setzte sich mit Erismann in Verbindung und es wurde 
ein Instructionsentwurf für die Desinfection der Lazarethe, der Sanitätszüge, des Schlacht¬ 
feldes, der Lagerplätze und der durch Belagerung eingenommenen Städte und befestigten 
Orte ausgearbeitet, in welchem in erster Linie darauf abgestellt wurde, wie die Infection 
zu verhindern sei, während erst in zweiter Linie die Methoden und Mittel der Desinfec¬ 
tion aufgeführt wurden. Die Sache gerieth aber bald in’s Stocken, aus ächt russischen 
Gründen, die hier nicht näher anzugeben sind, die aber die Folge hatten, dass inzwischen 
Maassregeln versäumt wurden, durch welche, wie die Erfahrung zeigte, Tausende von 
Menschenleben hätten erhalten werden können. Das Centralcomitö des rothen Kreuzes 
sandte vorderhand eines seiner Mitglieder auf den Kriegsschauplatz, dessen Erfahrungen 
und Berichte sich in dem Satze gipfeln: „Ein Desinfector, der ein Hospital von Läusen 
befreit, wird hoch gepriesen werden und in jeder Beziehung Unterstützung bei der Ver¬ 
waltung und den Aerzten finden, während man für die Vernichtung der Krankheitskeime 
oft keinen Finger rühren will. tt 

Inzwischen schwoll im Lauf des Januars 1878 der Flecktyphus in den Kriegshospi¬ 
tälern Bulgariens und Rumäniens zu jener furchtbaren Epidemie an, „welche durch ihre 
grosse Verbreitung, die Bösartigkeit ihres Auftretens und die Zahl der Opfer, welche eie 
sowohl aus den Reihen der Combattanten, als auch des Sanitätspersonals wegriss, über 
ganz Russland Schrecken und Trauer verbreitete und Denjenigen ewig im Andenken 
bleiben wird, welche Gelegenheit hatten, das von ihr verursachte Eiend in der Nähe zu 
sehen. tt Kein Wunder daher, dass die oberste Militär-MediciualVerwaltung die Dienste 
des rothen Kreuzes zwar acceptirte, zugleich aber eine besondere Commission ernannte, 
welche direct unter dem Höchstcommandirenden der Donauarmee stand, ausgedehnte Voll¬ 
machten und unbeschränkten Credit erhielt und sofort an die Riesenarbeit ging. Die 
Commission bestand aus einem General als Präsidenten — in Russland muss stets ein 
General obenan stehen, wenn eine Einrichtung imponiren soll —, einem Hygieiniker als 
Gehülfen und Stellvertreter des Präsidenten , 6 Pharmaceuten und einem Veterinärarzt. 
Die Commission musste später noch durch weitere Pharmaceuten ergänzt werden und 
stand factisch unter der Leitung Erismann* s, des Hygieinikers. Der Commission wurden 
als bereits vorhandenes Desinfectionsmaterial zur Verfügung gestellt: 350 Pud ungereinig¬ 
ter Carbolsäure, 3440 Pud Eisenvitriol, je 200 Pud Braunstein und Kochsalz und 600 Pud 
gewöhnlicher Schwefelsäure (die drei letztgenannten Mittel zur Chlorgewinnung), ferner 
480 Pud Chlorkalk und 80 Pud Stangenschwefel. Auf die umständliche Chlorbereitung 
vermittelst Braunstein etc. verzichtete die Commission von vornherein aus sehr begreifli¬ 
chen Gründen, und hatte überdies genug zu thun, um die grossen Massen wieder so um¬ 
packen zu lassen, dass sie über den Balkan transportirt werden konnten; von Odessa aus 
hätte das Material billiger und rascher beschafft werden können. — 

Ueber die Reise der Commission auf den Kriegsschauplatz und ihre Thätigkeit im 
Einzelnen ist hier nicht der Ort, näher zu berichten. Wir greifen aus der Schilderung 
nur einzelne allgemein*interessirende Puncte heraus. Vor Allem ist zu erwähnen, dass 
Erismann sofort erkannte: das GrundUbel liege nicht in den Schlachtfeldern und den dort 
massenhaft liegenden Leichen, sondern in den meist schlecht eingerichteten Lazarethen 
und Militärhospitälern, in welchen nicht nur die an Flecktyphus, an Abdominaltyphus, an 
Recurrens und an Malaria kranken Russen unter- und neben einander lagen, sondern wo 
auch die inficirten Uniformen und Schafpelze der Kranken in den Kraukensälen aufbe¬ 
wahrt wurden. Die inficirten Kleidungsstücke wurden nach der Genesung den Recon- 
valescenten undesinficirt mitgegeben; zum Dienst im Spital wurden abwechselnd Soldaten 
verwendet, die den Infectionsstoff ihren gesunden Cameraden und der Ortsbevölkerung 
brachten; die Spitäler selbst wurden oft mitten in noch bewohnten Häusern aufgeschla¬ 
gen, so dass eine rapide Weiterverbreitung der ansteckenden Krankheiten unausweichlich 
erfolgen musste. Wir wollen hier gleich beifügen, dass nach Erismann die russischen 
Spitäler viel unreinlicher und schlechter gehalten wurden, als die türkischen Spitäler, 


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and dass die Russen überhaupt weit unreinlicher waren als die von ihnen bekämpften 
Türken. 

Für Russland charakteristisch ist die oft gemachte Bemerkung, dass das den Laza- 
rethen mitgegehene Desinfectionsmaterial nicht selten noch in seiner ursprünglichen Ver¬ 
packung in irgend einem Winkel des Hofes lag, während Lazareth und Umgebung der 
Desinfection im höchsten Grade bedürftig waren. Für das Waschen der Spital Wäsche 
hatte die Armeeverwaltung zwar mit den bekannten Schwindellieferanten des Feldzugs 
einen Vertrag eingegangen; eine Controle über die Wäsche fand aber nur höchst selten 
statt, so dass die letztere oft noch blutig in die Spitäler wieder zurückgeliefert wurde. 

Gleich beim Beginn seiner Thätigkeit stiess Erismann in Frateschti, einer Haupt¬ 
niederlage von Verpflegungsmaterialien und einem Samraelpunct der zur Evacuation be¬ 
stimmten Kranken, auf Verhältnisse, welche ihm als ausnahmsweise grauenhaft erschie- 
' nen, die er aber später noch oft und theilweise in erhöhtem Maasse antreffen sollte. In 
einem Sumpfe zwischen der Station und einer Hügelreihe „spielten sich alle die traurigen 
Scenen ab, von denen sowohl die Tagespresse als die russischen medicinischen Zeit¬ 
schriften während des Herrschens der Flecktyphusepidemie so Vieles berichteten; in 
diesem Sumpfe erlagen der Epidemie zahllose russische Krieger und so viele aus der 
Zahl der Aerzte, der sie besorgenden Krankenwärter und barmherzigen Schwestern/ In 
diesem Sumpfe und dessen nächster Umgebung befanden sich das temporäre Kriegs¬ 
hospital Nr. 75, das Hospital Nr. 46 und die Baraken des rothen Kreuzes. In diesen 
Anstalten waren bis 1. Januar 1873 76,000 zu evacuirende Kranke beherbergt worden ; 
darunter 26,000 Verwundete, 12,000 Typhus- und Wechselfieberkranke, 12,000 Kranke 
mit Dyssenterie und Diarrhcöen, 3000 mit erfrorenen Gliedern und 23,000 andere Kranke. 
Die Zufuhr der Kranken stieg zeitweilig bis auf 6000 im Tag; was in den Kranken¬ 
räumen keinen Platz fand, wurde unter freiem Himmel auf die Erde gelegt. Im Spital 
Nr. 75 konnte nicht constatirt werden, wie viele der Aerzte erkrankten und starben ; von 
22 barmherzigen Schwestern waren 18 erkrankt, von 11 Feldscherern 9. Unter dem 
Dienstpersonal waren 427 Erkrankungen vorgekommen; von den ursprünglichen 300 Mann 
waren noch etwa 70 vorhanden. Das Hospital bestand aus 6 grossen „Baraken* , d. h. 
Remisen mit drei und zwei Stockwerken, ohne genügende Fenster, mit Dächern von 
getheerter Pappe, mit Abtritten in den Baraken und so angelegt, dass die Excremente 
überall durch Wände und Fussböden zu Tage traten; in den Krankensälen fand sich hie 
und da ein Leintuch aufgehängt, die behufs Desinfection der Luft von Zeit zu Zeit mit 
Carbolsäurelösung bespritzt wurden!! Die Wäsche wurde nie desinficirt; im Genesungs¬ 
fall erhielt der Kranke seine Kleider und Wäsche wieder in demselben Zustande y in 
welchem er sie abgeliefert hatte. — Die Commission schritt kräftig ein. Die Kleider 
der Verstorbenen, die verdorbenen Tuchsachen der Spitalverwaltung, ein Theil der Wäsche 
wurden unter Aufsicht verbrannt; die neuern Sachen wurden in einer besondern Hütte 
mit schwefliger Säure desinficirt, die Wäsche vermittelst einer einprocentigen Lösung 
von Chlorkalk gereinigt, die Kranken in Zelte auf gesundem Boden verbracht, die Abtritte 
• neu erstellt, der Leinwandüberzug auf der Innenseite der verlassenen Baraken mit Chlor¬ 
kalklösung vermittelst Hydropulten bespritzt, herunter gerissen und mit dem Stroh zwi¬ 
schen der Innen- und Aussenwand verbrannt, die Innenwand mit einer Mischung von 
Kalk und Chlorkalk angestrichen, der Fussböden mit Carbolsäure getränkt, abgekratzt 
und mit Chlorkalklösung aufgewaschen. Stroh, Mist und Dünger in der Umgebung der 
Spitäler wurden verbrannt, der verunreinigte Boden mit Carbolsäure überschüttet und mit 
frischer gesunder Erde gehörig dicht zugedeckt. Dieses eine nicht schlimmste Bild mag 
einen Einblick in die Sachlage und in die Thätigkeit der Commission geben. 

Rechnet man hinzu, dass die Verwaltungen oft nicht willig waren, dass grobe Ver- 
stösse in Versorgung der Spitäler mit dem Nothwendigsten nicht selten vorkamen, dass 
das bezügliche Arbeitspersonal in verlassenen und verwüsteten Gegenden nur mit Mühe 
herbeigebracht werden konnte, so wird Jedermann klar, dass die Commission nicht auf 
Rosen gebettet war. In dem Berichte kommen Scenen des entsetzlichsten Elendes vor, 
die purer Nachlässigkeit und Gewissenlosigkeit der Verwaltung zuzuschreiben sind, wäh¬ 
rend anderseits sich wieder viel guter Wille zeigt, den Uebelständen abzuhelfen. Letz¬ 
tere lagen aber oft borgehoch vor der Commission. In dem Spital in Sistow mussten 
20,000 Stücke verbrannt werden; in verschiedenen Spitälern schueite und regnete es auf 


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die Betten der Kranken; in Wardin lagen die Soldaten krank in fensterlosen wirklichen 
Kellerräumen auf Pritschen; aus der Umgebung eines Spitals in Tirnowa mussten 200 
Wagenladungen mit Pferdemist, faulem Stroh und Unrath fortgeschafft werden, und in 
8ophia befand sich ausserhalb der Pferdeställe ein DUngerberg mit einem Inhalt von 
7000 Kubikmeter, der zum AuffUllen der daneben liegenden Sümpfe benützt, 2 Decimeter 
hoch mit Erde bedeckt und zur Gersten- und Gemüsecultur benützt wurde. Von beson¬ 
derem Interesse sind die Schilderungen über die Anstalten in San Stephano und in Bar¬ 
gas, wo die kranken Soldaten zur Verbringung nach Odessa eingeschifft wurden, and 
über die Maassregeln in Odessa selbst zur Verhütung der Weiterverschleppung der 
Krankheiten. 

Ueber die Schlachtfelder und ihre sanitarische Bedeutung enthält die Arbeit ErismamCn 
sehr überraschende Aufschlüsse. Die Leichen waren fast überall in Einzeln- oder in 
Massengräbern untergebracht und gaben zu keinen oder nur geringen Uebelständen Anlass. 
Die oberhalb Plewna und auf dem Schipkapass noch offen daliegenden Leichen waren in 
Folge der beträchtlichen Höhe entweder mumificirt oder verwest aufgefunden; in der 
Ebene hatten die zahlreich umherziehenden Hunde Menschen» und Thierleichen der- 
maassen abgenagt, dass die Commission sich zu keinen besondern Maassregeln veranlasst 
sah. Wo noch schlechter Geruch sich bemerkbar machte, wurden die Gräber mit frischer 
Erde bedeutend erhöht und um sie ein Wall mit Graben für den Abzug des Wassers 
gezogen. Wiedereröffnung von Gräbern und Fortschaffung von Leichen wurden nicht 
nöthig. Erismann kommt bezüglich der Leichenfelder zu folgendem Schluss : „dass alle 
die Leichen der in und um Plewna Gefallenen, auch wenn man sie ohne Erdbedeckung 
au freier Luft hätte verfaulen lassen, auch nicht einem einzigen Soldaten oder Bulgaren 
das Leben gekostet hätten, während jeder Flecktyphuskranke, jedes von solchen Kranken 
bewohnte und nicht radical desinficirte Gebäude, jedes solchen Kranken gehörige und 
nicht desinficirte Kleidungsstück u. dgl. Krankheit und Tod in den Reihen der Armee 
und Bevölkerung verbreiteten/ 

Die Commission, welche im Verlauf ihrer Wirksamkeit ihren Präsidenten und ein 
Mitglied am Flecktyphus verloren hat, legte in Odessa Bericht und Rechnung ab und 
wurde am 1. Mai 1879 officiell ihrer Functionen enthoben; sie hat im Ganzen etwa 
Fr. 88,000 ausgegeben und damit — was in Russland selten ist — den Beweis grosser 
Sparsamkeit und gewissenhafter Verwaltung abgelegt. Hervorzuheben bleibt schliesslich 
noch der Freimuth, mit welchem Erismann seinen Bericht an den Höchstcommandirenden 
abgefasst hat. Möge er guten Erfolg haben! Göttiskeim. 


Climatotherapie von Dr. H. Weber , und Balneotherapie von Prof. 0 . Leichlenstem. 

Leipzig, Verlag von F. C. W. Vogel. 

Wir entsprechen mit Vergnügen dem Wunsche der Redaction nach einem kurzen 
Referat über den ersten Theil des II. Banden des Handbuches der allgemeinen Therapie 
von Ziemssen. Denn derselbe enthält in der That zwei hervorragende Arbeiten, die in # 
kritischer Weise zwei Discipliuen unserer medicinischen Wissenschaften besprechen, 
wo leider heute noch aus vielerlei oft nicht sehr edeln Beweggründen recht geringe 
Waare als ächt und unfehlbar ausgeboten wird. Man hängt dem anzupreisenden Pro- 
ducte ein freilich oft recht armseliges wissenschaftliches Mäntelchen um und nachdem 
der Verfasser eines solchen Elaborats, in langjährigem Vorurtheil befangen, sich selbst 
gründlich getäuscht hat, täuscht er Andere und zwar etwa blos die Kranken? 

Wenn auch die Zahl Derer zum Glück nicht gering ist, welche schon seit Jahren 
redlich bestrebt sind, den Spreu von dem Waizen zu trennen, so begrüssen wir doch die 
Climatotherapie von Weber und die Balneotherapie von Leicktenstem als zwei 
sehr zeitgemässe, für jeden denkenden Mediciner werthvolle literarische Monographien. 
Besonderen Werth haben dieselben schon deshalb für uns, weil diese Gebiete nicht be¬ 
arbeitet sind von speciellen Cur- oder Badeärzten. Mit dieser Bemerkung wollen wir 
den zum Theil vortrefflichen Arbeiten von Brunnenärzten u. s. w. nicht zu nahe treten 
— im Gegentheil freuen wir uns über die sorgfältige Benützung unserer schweizerischen 
einschlägigen Literatur in der We6er’schen Arbeit, besonders über Höhendimata, wo die 
Arbeiten von Spengler, VoUand, Ludwig etc, gehörig gewürdigt werden —; eine gewisse 


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Einseitigkeit jedoch und ein unwillkürliches Beherrschtsein vom eigenen Cur* oder Bade¬ 
orte ist nur allzu begreiflich und gewiss auch verzeihlich. — In einem Werke, wie 
dem vorliegenden, ist aber absolute Unabhängigkeit und Objectivität vom grössten 
Werthe. — 

In der We6ir’schen Arbeit möchten wir den lehrreichen I. Abschnitt, der in höchst 
ansprechender Form von den Elementen oder den Factoren des Clima’s handelt (von der 
Atmosphäre, von der Wärme derselben, von den Feuchtigkeitsverhältnissen der Luft, von 
dem Licht, von der Dichtigkeit der Luft, Luftdruck etc.) besonders zum Studium em¬ 
pfehlen. Eine kleine Recapitulation gewisser Gebiete der Physik und Meteorologie kann 
dem practischen Arzte nichts schaden; im Gegentheil wird er sich sagen müssen, dass 
die Auffrischung dieser alten Bekanntschaft für ihn sehr noth wendig ist. — Im II. Ab¬ 
schnitt, der von den einzelnen climatischen Curorten selbst handelt, können wir uns Rath 
verschaffen über die verschiedenen See-, Insel- und Küstenclimate, über die feuchten und 
kühlen und über die trockenen See- und Küstenclimate, über die Niederungen und über 
die Höhenclimate. Namentlich die Besprechung der climatischen Verhältnisse der letzte¬ 
ren, mit denen wir Schweizerärzte naturgemäss uns am häufigsten zu befassen haben, 
zeugen von dem gründlichen theoretischen Wissen und der reichen practischen Erfahrung 
des Verfassers. — 

Leichtenstem schildert in dem ersten Theil der allgemeinen Balneotherapie die physio¬ 
logischen und therapeutischen Wirkungen der einfachen, der salz- und gashaltigen Bäder 
im Allgemeinen; im 1L Theil die physiologischen und therapeutischen Wirkungen des 
Wassertrinkens; im III. Theil die der Pharmacodynamik der Quellenbestandtheile zu- 
kommenden physiologischen und therapeutischen Wirkungen der wichtigsten Mineral - 
quellengruppen und ihre empirisch-rationelle Anwendung in gewissen Krankheitsformen. 

Den 8tandpunct, welchen der Verfasser in dieser noch so verschiedenartig behandel¬ 
ten Disciplin einnimmt, erkennen wir wohl am besten aus folgendem Citat: „Die Resul¬ 
tate, zu welchen verschiedene Forscher in ihren Untersuchungen über die physiologischen 
resp. pharmacodynamiscben Wirkungen gewisser Quellenbestandtheile, Uber die Wirkun¬ 
gen des kalten, warmen und heissen Bades, auf die Körpertemperatur, Wärmeabgabe und 
Wärmeregulation, auf die Kohlensäure- und Stickstoffausscheidung, die Respiration, Cir- 
culation u. s. w. gelangt sind, bilden, abgesehen von der hohen Ausbildung der Chemie 
der Mineralwässer, die Fundamente, auf welchen nach gleicher Methode rüstig weiter 
gearbeitet werden muss, wenn sich die Balneotherapie aus dem empirischen Stadium, in 
dem sie sich befindet, dereinst herausarbeiten und zum wissenschaftlichen Zweige am 

Baume der exacten, d. h. ihre Heilwirkungen erklärenden Therapie entwickeln soll. 

Es wäre sehr zu wünschen, dass mit der veränderten Methode der Beobachtung und 
Forschung auf balneologischem Gebiete auch die Literatur derselben den Feuilletonstyl 
endlich ablegen und sich der weniger blumenreichen Sprache der Wissenschaft befleissi- 
gen würde.“ R . H . 


Jahresbericht der chirurgischen Abtheilung des Spitals zu Basel Uber das Jahr 1878. 

(105 Seiten. Basel, Ferd. Riehm.) 

Chefarzt: Prof. Dr. A. Socin. Assistenzarzt: Dr. A, W. Münch. 

Zahl der Kranken 707, wovon 496 Männer, 211 Frauen. Auf das Jahr 1879 über¬ 
tragen: 62, bleiben für das Jahr 1878: 645 Kranke. Gesammtzahl der Verpflegungstage 
19,829. Auf einen Tag kommen 87,05 Männer, 16,83 Frauen. Das grösste Contingent 
stellte die Altersclasse von 21—30 Jahren (Männer) 143, (Frauen) 40 zwischen 11.—20. 
Altersjahr und 37 zwischen 51.—60. Altersjahr. Nach dem Gewerbe stellen bei den 
Männern die Zimmerleute und Maurer die meisten Kranken (71 : 455), bei den Frauen 
die Hausfrauen und Fabrikarbeiterinnen (84 : 190). Nach der Heimath vertheilen sich 
die Kranken: Schweizer 225, Ausländer 230, wovon aus dem deutschen Reich 179. Mor¬ 
talität für die Gesammtzahl der Kranken 4,03%. Für die Männer 4,17°/ 0 , für die Frauen 
3 , 6870 . 

Von Verletzungen und Erkrankungen der einzelnen Körpertheüe sind angeführt: 

I. Kopf und Ohr: Verletzungen ohne Gehirnsymptome 13, mit Gehirnsymptomen 11 
Fälle. Acute und chronische Entzündungen 3, Tumoren 3 Fälle. 


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II. Gesicht, Nasen* and Mundhöhle: Verletzungen 9, acute Entzündungen 6, Tumo¬ 
ren 14 (Carcinom 9) Fälle, Verschiedenes (6 Fälle). 

III. Hals und Nacken: Verletzungen 1 Fall, acute Entzündungen 4, Tumoren 20 
(Lymph. 12), Verschiedenes 4 Fälle. 

IV. Wirbelsäule : Verletzungen 2, chron. Entzündungen 3 Fälle. 

V. Brust und Rücken: Verletzungen 18 (Rippenfracturen 10), acute Entzündungen 2, 
chron. Entzündungen 6 Fälle. 

VI. Bauch: Verletzungen 5 (Contus. abd. 2), Tumoren 2, Verschiedenes 18 (Hernien) 
Fälle. 

VII. Harnorgane: Verletzungen 2, acute Entzündungen 1, chron. Entzündungen 2, 
Verschiedenes 3 Fälle. 

VIII. Männliche Geschlechtsorgane: Verletzung 1, acute Entzündungen 3, chron. Ent¬ 
zündungen 7 (Hydrocelen), Tumoren 8, Verschiedenes 3 Fälle. 

IX. Weibliche Geschlechtsorgane: acute Entzündungen 2, Tumoren (Carcin. mamme 
9) 16 Fälle. 

X. Becken- und Lendengegend: Verletzungen 13, acute Entzündungen 6, chron. Ent¬ 
zündungen 3, Tumoren 4, Verschiedenes 6 Fälle. 

XI. Obere Extremität: Verletzungen 83 Fälle (subcutane 81, offene 52), acute Ent¬ 
zündungen 20 (Phlegmon. 18), chron. Entzündungen 12, Tumoren 4, Verschiedenes 3 
Fälle. 

XII. Untere Extremität: Verletzungen 100 Fälle (subcutane 64, offene 30), acute 
Entzündungen 26, chron. Entzündungen 64, Tumoren 7, Verschiedenes 20 Fälle. 

XIII. Verschiedenes: Verletzungen an mehreren Körpergegenden zugleich: 26 
Fälle, mehrfache acute Entzündung 1, mehrfache chron. Entzündungen 4, mehr¬ 
fache Tumoren 4, Verschiedenes 4 Fälle. 

Von accidentellen Wundkrankheiten kamen vor: Erysipelas 6, Delirium 2, 
Tetanus 2 Fälle. 

Von Operationen wurden ausgeführt: Amputationen und Exartioulationen 31, Resec- 
tionen 15, Evidements 13, Reduction von Luxationen 6 , Operationen bei Hernien 14, 
Operationen an Tumoren 55, plastische Operationen 6, Verschiedenes 87. 

Der Bericht bietet durch seine Krankengeschichten in jeder Hinsicht ein hohes In¬ 
teresse und zwar vorzüglich betreffs der Behandlung der einzelnen Fälle. Dass Lister 
an der geringen Mortalität seinen guten Theil hat ergibt sich, ohne dass man in dieser 
Frage Optimist zu sein braucht, von selbst beim Durchlesen des Berichtes. Behr häufig 
ist übrigens auch der Tbymolgazeverband in Anwendung gezogen. Albrecht. 


Cantonale Coirespondeuzen. 

Heuehätel« Trös honord confrdre 1 Mr. le Dr. Gasquet, Tun des secrdtaires de la 
section des maladies mentales au pro chain congrds international de mdde- 
cine 4 Londres, m’adresse pour la transmettre aux alidnistes suissrs une cordiale 
invitation 4 y assister, et le meilleur moyen pour moi de la leur faire parvenir est d’avoir 
recours 4 l’obligeant intermddiaire du Correspondenz-Blatt. 

Lee sujets proposds 4 la discussion sont les suivants : 

Anatomie. 1. Mdthodes de prdparation des tissus nerveux. 2. Des apparences 
morbides dues aux mdthodes de prdparation. 3. Structure microscopique des diverses par- 
ties du cerveau. 

Physiologie. 1. Localisations cdrdbrales et symptomes cdrdbraux des maladies 
mentales, tels que rhallucination. 2. Hypnotisme. 

Pathologie. 1. L’idiotisme et ses caractöres histologiques et morphologiques. 
2. Rapports entre la folie et les affections organiques du cerveau. Rapporte entre la folie 
et la goutte, les maladies des reins, et le goitre exophthalmique. 

Clinique. 1. Folie 4 double forme. 2. Influence des maladies incidentes sur la 
folie. 3. Folies causdes par des agents toxiques. 

Thdrapeutique. 1. Emploi des bains, des narcotiques, de l'hydrate de chloral, 
de l’opium et de l’alcool. 2. Remddes nouveaux ou peu employds. 


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Administration. 1. Traitement en maison particuli&re, traitement en colonie. 

2. Les nouveaux Codes, et les projets de loi autrichiens, italiens et anglais. 

Situation civile des aliönös. t. Mariage. Testaments. 2. Folie et aphaeie. 

Criminels alidnös. Asiles spdciaux pour les criminels aliänds. 

Les alidnistes suisses qui voudraient bien se charger de faire un travail sur l’un 
ou l’autre de ces sujets, sont prids d'en donner avis sans retard ä Mr. le Dr, Gasquet St. 
George’s-Retreat, Burgess Hill, Sussex. 

Le congrdB aura lieu du 2 au 9 Aoüt. 

Je vous serais, trds honord confrdre, fort reconnaissant de bien vouloir insdrer cette 
communication dans le procbain No. du Correspondenz-Blatt, et vous prie d’agrder l’ex- 
pression do mes sentiments les plus distinguds. 

Prdfargier, 12 Jan. Dr. Chdtelain. 

8ehwjZ« Ancbylostoma daodenale. Anschliessend an die Mittbeilungen von 
Dr. Sonderegger und Prof. Bäumler kann ich Ihnen bezüglich Anchylostomum duodenale Fol¬ 
gendes berichten. Unter den während der letzten Monate in's hiesige Krankenhaus ein¬ 
tretenden Italienern — Arbeiter der Linie Brunnen-Flüelen — befanden sich 6 Kranke mit 
mehr oder minder ausgeprägter Anämie; Blässe, Müdigkeit, Kopfschmerz, Schwindel, 
mehr oder weniger Herzklopfen, Unterleibsschmerz, meist ohne Diarrhoe waren die ge¬ 
wöhnlichen Symptome — ohne Nachweis eines weitern organischen Leidens. Sie waren 
deshalb des Besitzes von Anchylostomum duodenale verdächtig und wirklich bestätigte 
das die weitere Untersuchung bei allen sechs. Bei 1 wurde die Gegenwart dieser 
Würmer durch die Section constatirt, bei weitern 4 durch den Abgang von solchen 
nach Anwendung von Anthelminth. und Naohweis der Eier im Stuhle; bei 1 blos durch 
Letzteres. Täuschung bezüglich der Eier konnte nicht wohl stattfinden; sie hatten bei 
allen Patienten das gleiche Aussehen und glichen sehr dem im v. Ziemsseri sehen 
Werke abgebildeten Oxyuris-Ei; viele Eier in Furchung begriffen; Keiner litt an Oxyu- 
ris vermic. — 

Bei dem unter den Erscheinungen höchstgradiger Ancemie ohne nachweisbare ander¬ 
weitige Erkrankung Verstorbenen wurden im Duodenum und Ileum ca. 800 Würmer ge¬ 
funden , am zahlreichsten im letztem und zwar weit über dessen Mitte hinaus, an der 
stärkst besetzten Stelle 20 auf 1 Quadratzoll; im untersten Theile desselben waren keine 
mehr zu finden; etliche lagen im Magen am Pylorus. Sie waren leblos in einen leicht 
schwärzlichen 8chleim eingebettet; in der blassen Darm wand reichliche blutunterlaufene 
Stellen von 2—6 mm. Durchmesser. — 

Also bei Alien, bei denen auf Würmer untersucht wurde, fanden sich welche. Immer¬ 
hin eine interessante Thatsache, die den Verdacht weckt, dass solche noch beim Einen 
und Andern mit weniger auffallenden Symptomen zu finden wären und dass die Ver¬ 
breitung des Uebels unter den fraglichen Arbeitern keine geringe sei. Beifügen will ich 
noch, dass sämmtliche 6 mehr oder weniger lange Zeit im St. Gotthardtunnel gearbeitet 
und zwar während 2—12 Monaten. 

Die Diagnose lässt sich unschwer mittelst Microscop stellen; die abgehenden Eier 
sind zahlreich und leicht bei löOfacher Vergrösserung zu finden, für Patienten und Arzt 
ist das unzweifelhaft das Zweckmässigete und sollte wohl jeder Anwendung von Anthelm, 
vorangehen. — 

Was schliesslich das therapeutische Resultat betrifft, so ist das leider noch nicht 
glänzend. Beim Verstorbenen konnten die Anth. keine kräftige Anwendung finden, weil 
allzu grosse Schwäche und sehr häufiges Erbrechen hinderlich waren ; in den übrigen 
Fällen wurden sie in grösserer Gabe im Allgemeinen recht gut ertragen. Pulv. filic. 
mar. bis zu 30,0 mit nachfolgender Jalappe und Santonin, 1 Mal Benzin, 200 Tropfen 
den Tag über und in 2 Fällen Calomel 0,5 mit Santonin 0,2 3 Mal mit nachfolgendem 
Ricinusöl, wo nicht Durchfall eintrat — wurden verwendet, worauf jedoch bei ge¬ 
nauer Untersuchung nur 0—4 Würmer im Stuhle gefunden wurden; der Abgang der 
Eier und der Zustand der Patienten weist aber unzweifelhaft auf eine grössere Zahl 
hin. Möge das nun in Function tretende Extr. filic. mar. ®th. anglic. bessern Erfolg auf¬ 
weisen. — 

Schwyz, 22. Januar 1881. Dr. Schönbächler . 


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W oohenbericht. 


Schweiz. 

Aerstestotistik. Während des Jahres 1880 haben folgende Aerste nach ab- 
gelegter Prüfung das eidg. Diplom erhalten: 

Dind, Emil, Saint-Cierges, Waadt; Weibel, Emil, Bern; Hertmann , Alois^ Baar, Zug; 
Pfyffer, Georg , Luzern; Brunner, Hans, Diessenhofen, Thurgau; Sandoz , Paul , DombressQo, 
Neuenburg ; Adolf , Zürich ; Schullhess , Wilhelm , Mühlethal, Aargau ; Imbach , Jrfrian, 

Sursee, Luzern; Ravenei, Michel, Neuenburg; Marlin, Henri , Grandeon, Waadt; Pan«, Fritz 
Emil, Peseux, Neuenburg; Müller, Oct. Albert, Milden, Waadt; Cotön, Lout«, Noirmont, Bern; 
Dr. Peters, Oswald, Brunsbüttel, Holstein ; ffyman, /ftm«, Beckenried, Unterwalden n./W.; 
Behrens , W/Ae/m, Chateau d’Oex, Waadt; Dr. 4A6f, Ferdinand , Hermetschwyl, Aarg&u; 
Bonnard, Alfred ConstarU, Nyon, Waadt; Pffift, Prf. Niklaus , Sarnen, Unterwalden o./W.; 
Gagnebin, Georg , Neuenburg; Ptiry, Konrad , Reinacb, Basellandschaft; Zeliweger, Otto Hans , 
Trogen, Appenzell a./Rh.; Schmid, Franz , Hitzkirch, Luzern; Cordey, Carl , Lutry, Waadt; 
Enzler, Xaver, Altstätten, St. Gallen; Mabus , Ludwig, Herzbausen, Preussen; Roux, Cesat , 
Ste. Croix, Waadt; Schnyder , vhrfon, Sursee, Luzern; Zehnder, Johann , Birmenstorf, Aargau; 
Fontana , Justus, Winterthur; Afeyer, Pan«, Nänikon, Zürich; Pffer, Pau/, Bischoffzell, Thur¬ 
gau; Dr. Forchhammer, Otto , 8t. Antonien, Graubünden; Nanni, Wilhelm , Anzonico, Tessin; 
For&rf, Louis, Villeneuve, Freiburg; Wys«, Adrian, Kappel, Solothurn; Lambert, Gustav , Orbe; 
Pachoud, Friedrich, Lutry; P/ot, Chateau d’Oex; Wintzenried , Luden Friedr ., Aigle, 

Waadt; Krupski, Stanislaus, Kussakow, Galizien; Stöckly, Florian, Lutbern, Luzern; Dtcl, 
Cör/, Bern; Schmitzberger , Joseph , Handenberg, Oesterreich; Steiner, Johann, Grossaffoltern ; 
4mua/, Edmund , Pruntrut, Bern; de WecA, Pan/, Freiburg; Martin , Johannes, Veyrier, Genf; 
Meuli, Johann , Nufenen; Dorizzi , Prosper , Poschiavo, Graubünden; Vonwiller, Alfred; Bösch , 
örfo, Wattwyl, St. Gallen; Hahn, Lorenz, Reichenburg, Schwyz; de Mestral, Victor , Lausanne, 
Waadt; Hauch, Emil; Schwendt, Anton; Reidhaar, Ludwig; Rütimeyer , Leopold, Basel; Studer , 
Theodor, Wittnau; /mAo/*, Robert, Aarau, Aargau ; P/ocA, Louis, Winterthur, Zürich; Binzegger, 
Carl , Baar, Zug; o. Muralt, Carl; Caumont, Friedrich; Widmer, Franz , Zürich. 

Wir haben also in der Waadt 12, Zürich 7, Bern, Luzern und Aargau je 5, Neuen¬ 
burg und Basel je 4, 8t. Gallen und Graubünden je 3, Zug, Thurgau und Freiburg je 2, 
Tessin, Solothurn, Genf, Unterwalden ob und nid dem Wald, Baselland, Appenzell a./Rh. 
und Schwyz je 1 (zusammen 62), sowie vom Auslande aus dem deutschen Reich und 
Oesterreich je 2, ira Ganzen demnach 66 Aerzte, welche im Jahre 1880 das eidgenöss. 
Diplom erhalten haben. 

Wir wiederholen ihnen den letztjährigen Wunsch: 

.Dir wünsch’ ich Weisheit, wenn der Tod 
Den Kranken, die dich rufen, droht, 

Viel Gold, wenn du sie ihm entrissen 
Und — sterben sie — ein gut Gewissen.“ 

Glück auf! 

Ulf 1 itärSAoitätswesexi« Beförderung: Dr. Aug, Fetscherin in Zäziwyl (Bern) 
zum Major. Ausgeschrieben war die Stelle eines Instructors I. Claas© der Sani¬ 
tätstruppen mit einer Jahresbesoldung bis auf 4500 Fr. An diese Stelle wurde ernannt 
Herr Öberlieut. Dr. Victor Bovet von Neuenburg. 

Luzern. Dr. Joh, Lütolf f. Wir wollen den im 59. Altersjahre gestorbenen Col- 
legen nicht scheiden lassen, ohne ihm einige Worte liebevoller Anerkennung nachzurufen. 
Während seiner Studienzeit verlor L . durch einen unglücklichen Zufall ein Auge — er 
studirte aber mit eiserner Ausdauer weiter, auch dann noch, als er wegen begeisterter 
Theilnahme an den Freischaarenzügen aus seinem Heimathcantone verbannt wurde. Die 
mit seinem Collegen J. Hätter damals im Exil herausgegebenen „Politische Gedichte an 
Luzern“ klangen hell und frisch in allen liberalen Kreisen Helvetiens wieder. In bessern 
Tagen, nach rühmlichst bestandenem Examen, in seine Heimath zurückgekehrt, wurde L . 
ein sehr beliebter Arzt, ein selbstloser Helfer in allerlei Noth und ein wackerer Bürger. 
Ehre seinem Andenken. 


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Zürich. Die Professur für pathologische Anatomie wurde durch 
den Regierungsrath mit der Berufung des ausserordentlichen Professors, Dr. Ziegler , z. Z. 
in Freiburg i. B., in glücklicher Weise besetzt. Wir sind überzeugt, dass der heimath- 
liche Boden der neuen Lehrkraft eine Stätte fruchtbarer Arbeit sein wird. 

Ausland. 

München» Vorträge zur Actiologie der InfeCttODSklUnkhettoll. Die sehr in¬ 
teressanten, im ärztlichen Verein zu München im Jahre 1880 gehaltenen Vorträge: Zur 
Aetiologie der Infectionskrankheiten mit besonderer Berücksichtigung der 
Piletheorie a sind soeben erschienen. (Bei J. Ant. Finsterlin in München, 202 Seiten. 
Preis 4 M.) Die ausgegebene erste Hälfte enthält: 

1) Ueber die durch Pilze bedingten Pflanzenkrankheiten. Von Prof. Dr. R . Har Hg. 
2) Ueber Pilzkrankheiten niederer und höherer Thiere. Von Prof. Dr. 0. Bollinger. 3) 
Ueber die Wirkungen der Spaltpilze im lebenden Körper. Von Prof. Dr. H. Büchner . 
4) Ueber Otomycosis. Von Prof. Dr. Fr. Bezold. 6) Zur Aetiologie des Abdominaltyphus. 
Von Dr. Port. 6) Ueber die Natur und die Verbreitungsweise der Infectionserreger. Von 
Prof. Dr. Soyka . 7) Die Pilze der Zahnkrankheiten. Von Dr. Ad. Weil. 

Die zweite demnächst erscheinende Hälfte wird bringen: 

8) Ueber Verbreitungsart der Cholera. Von Oeheimrath Prof. Dr. v. Pettenkofer. 9) 
Die dinisch wichtigsten Mycosen. Von Prof. Dr. v. Ziemssen. 10) Die neueren For¬ 
schungen über Wechselfieber, Pest und Gelbfieber. Von Prof. Dr. Soyka. 11) Ueber 
septische Erkrankungen des Auges. Von Prof. Dr. Aug. v. Rolhmund. 12) Ueber Fleisch¬ 
vergiftungen und Abdominaltyphus. Von Prof. Dr. Bollinger. 18) Ueber infectiöse Pneu¬ 
monie. Von Ober-Medicinal-Rath Dr. Kerschensteiner. 14) Ueber Diphtherie. Von Prof. 
Dr. Oertel. 

Es bilden diese Vorträge eine sehr erwünschte Rundschau des auf dem Gebiete der 
mycotischen Krankheitsursachen nunmehr eingenommenen Standpunctes und die Zahl der 
hervorragenden Mitarbeiter gibt uns eine Gewähr, dass mit Umsicht und ohne Einseitig¬ 
keit das gesammte heute vorliegende Material in diesen Arbeiten eine kritische Sichtung 
and Beleuchtung erfahren hat, die recht geeignet ist, die gewonnenen Thatsachen auch 
weitern Kreisen zugänglich zu machen. 


Stand der Infectiona-Krankheiten iu Basel» 

Vom 11. bis 26. Januar 1881. 

(Die Zahlen in Klammern geben jeweilen die Anzahl der in früheren halben Monaten 

angemeldeten Fälle an.) 

Von Varicellen sind 12 neue Fälle angezeigt (19, 25, 16). 

Scharlach 6 zerstreute Erkrankungen in allen Stadttheilen mit Ausnahme des 
Birsigthales (4 V 2, 1, 2). 

Eine plötzliche und auf alle Districte ausgedehnte Zunahme zeigt der Typhus mit 
126 neuen Erkrankungen (29, 18, 20, 31), darunter 1 von auswärts importirter Fall; die 
einheimischen vertheilen sich in den 5 letzten halben Monaten folgendermaassen: 



11.-25. Nov. 

26. Nov.-lO. Dec. 

11.-25. Dec. 

26.Dec.-10. Jan. 

11.-25. Jan. 

Nordwestplateau 

11 

5 

6 

12 

33 

Birsigthal 

2 

3 

4 

10 

28 

Südostplateau 

6 

4 

3 

2 

31 

Birsthal 

2 

— 

— 

1 

2 

Kleinbasel 

8 

5 

5 

5 

31 


Am zahlreichsten sind im Verhältnis zur Bevölkerung die Erkrankungen auf dem 
8üdostplateau. 

Diphtherie und Croup sind noch immer sehr häufig; angemeldet sind 32 neue 
Fälle (19, 20, 24) aus allen Districten mit Ausnahme des Birsthales. 

Pertussis 29 neue Anmeldungen, wovon 14 aus Kleinbasel (20, 33, 14). 
Erysipelas 12 Fälle (8) vom Nordwestplateau, Birsigthal und aus Kleinbasel. 
Puerperalfieber 2 Fälle (wovon der eine noch aus der Wirksamkeit der laut 
letztem Berichte wegen 5 Erkrankungen stillgestellten Hebamme). 


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92 


Bibliographisches. 

28) Bering , Zur Erklärung der Farbenblindheit aus der Theorie der Gegenfarben. 8ep.- 
Abdruck. Prag, Verlag von Tempsky. 

29) Lesser , Die chirurgischen Hilfsleistungen hei dringender Lebensgefahr (lebensrettende 
Operationen). 12 Vorlesungen, gehalten an der Universität Leipzig 1878 — 1879. 
194 8. Leipzig, F. C. W. Vogel. 

30) Hüter, Grundriss der Chirurgie, I. Hälfte, allgem. Theil: Verletzung, Entzündung, 
Wund- und Eiterfieber, Geschwulstbildung. Operations- und Instrumentenlehre. 
Verband- und Apparat enlehre. Mit 176 Abbildungen. 511 8. Leipzig, F. C. W. 
Vogel. 

31) Maron , Die Gesellschaft und ihre Geisteskranken. Ein Wort für gebildete Laien 
und für Aerzte. 45 3. Preis 1 Mark. Leipzig, Böhme. 

32) Ebner, Die Praxis des Nahrungsmittel-Chemikers. Anleitung sur Untersuchung von 
Nahrungsmitteln und Gebrauchsgegenständen, sowie für hygieinische Zwecke. Für 
Apotheker und Gesundheitsbeamte. Mit 72 Holzschnitten. Preis 4 Mark. 180 8. 
Leipzig, Voss. 

33) Samuel, Compendium der allgem. Pathologie für Studirende und Aerste. 432 S. 
Stuttgart, Enke. 

34) Schüller , Experimentelle und histologische Untersuchungen über die Entstehung und 
Ursachen der scropbulösen und tuberculösen Gelenkleiden. Nebst Studien über tu- 
berculöse Infection und therapeutische Versuche. Mit 30 Abbild, im Text. 236 8. 
Stuttgart, Enke. 

35) Biedert, Die Kinderernährung im Säuglingsalter. 392 8. Stuttgart, Enke. 

36) Uebermann , Grundzüge der Chemie des Menschen für Aerzte und Studirende. 238 8. 
Stuttgart, Verlag von Enke. 

37) Falk, Lehrbuch der practischen Toxicologie für practische Aerste und Studirende, 
mit Berücksichtigung der gerichtsärztlichen Seite des Faches bearbeitet 34 8. 
Stuttgart, Verlag von Enke. 

38) Heckei, Compendium der Unterleibsbrüche. 144 S. Stuttgart, Verlag von Enke. 

39) Weil, Handbuch und Atlas der topographischen Percussion nebst einer Darstellung 
der Lehre vom PercussionsschalL 2. vielfach vermehrte und umgearbeitete Auflage. 
Mit 4 Holzschnitten und 26 Tafeln. Leipzig, Verlag von F. C. W. Vogel. 

40) Pflüger , Augenklinik in Bern. Bericht über das Jahr 1879. Bern, bei Dalp. 

41) Wartmann , Recherohes sur Tenchondrome, son histoire et sagenöse. Dissert, inaug. 
Genöve et Bäle, Georg, Editeur. 

42) Glatz, L’hydrothörapie aux bains de Champel (pr&s Genöve). Genöve, 1879. Georg, 
Libraire. 

43) Hofmann , Franz , Die Bedeutung von Fleischnahrung und Fleischconserven mit Beäug 

auf Preisverhältnisse. Beitrag zur rationellen Verpflegung vom sanitären und wirt¬ 
schaftlichen Standpuncte für Aerzte und Beamte. Gr. 8. 119 S. 3 Mk. Leipzig, 

F. C. W. Vogel. 

44) Michel, Zur Behandlung der Krankheiten der Mundrachenhöhle und des Kehlkopfes. 

Practische Beiträge. Gr. 8. 120 S. 3 Mk. Leipzig, F. C. W. Vogel. 

45) Riqauer , Die Diphtherie und ihre Behandlung durch das kalte Nasenbad. Gr. 8. 98 
8.* Mk, 2. 80. Leipzig, F. C. W. Vogel. 

46) Kocher , Ueber Schusswunden. Experimentelle Untersuchungen über die Wirkungs¬ 
weise der modernen Kleingewehr-Geschosse. Gr. 8. 94 8. Mk. 2. 40. Leipzig, 

F. C. W. Vogel. 

47) Baginsky, Practische Beiträge zur Kinderheilkunde. 1. Heft Pneumonie und Pleuritis. 
156 S. Tübingen, Verlag von Laupp. 

48) Marlin , Lehrbuch der Geburtshülfe für Hebammen. Umgearbeitet in der 4. Auflage 
herausgegeben. Stuttgart, F. Enke. 

49) Encyclopädie des Impfens und seiner Folgen sowie eine Untersuchung des vorgeschla¬ 
genen Impfens mit Kalbslymphe (aus dem Englischen). Hannover, Hahn’sche 
Buchhandl. 

50) Jessen , Ueber klimatische Curen. 48 8. Berlin, Verlag von Reimer. 


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93 


51) Ziemssen , Handbuch der allgem. Therapie. II. Bd. 3. Th. Wintemiiz , Hydrotherapie, 
mit 15 Holzschn. 310 S. Leipzig, F. C. W. Vogel. 


Brieikasten. 


Herrn Prof. Thomas , Freiburg; Dr. C. Nauwerck , Zürich; Dr. Münch, Brestenberg; Dr. Ladame , 
Dombresson; Dr. Schönbächler, Schwyz; Dr. Bürlimann , Unter-Aegeri; Dr. Schwalbe , Magdeburg: 
Mit bestem Dank erhalten. — Offene Anfrage. Solothurn. (Einges.) Ist das am 2. October 
1879 auf der Fridau gewählte Comitö des Solothurner Aerztevereines eingeschlafen oder das Protocoll 
verloren gegangen ? M . 


Die Preise sämmtlicher Chemikalien wie 
Anfangs Januar 1881 unverändert. 

St Gallen Ende Januar 1881. 

C. Ehrenzeller, 
[H192-Q] _ Apotheker. _ 

Avis für Aerzte. 

Wegen Abreise aus Gesundheitsrücksichten ist 
in einem grossen industriellen Centrum der fran¬ 
zösischen Schweiz die Stelle eines Arztes sofort neu 
zu besetzen. Jährliche Einnahmen Fr. 10—12,000. 
Sich zu adressiren an die Expedition dieses Blattes. 

Offene Arztsteile . 

Die Gemeinde Andeer (Kt. Graubünden), Haupt¬ 
ort des ca. 2000 Einwohner zählenden Kreises 
Schams und angehender Curort, sucht einen 

S atentirten Arzt« Informationen und Anmel- 
ungen wolle man unter Beilage von Zeug¬ 
nissen und Ausweisen innert Monatsfrist richten 
an den Gemeindevorstand. 

Andeer, 12. Januar 1881. 

Verlag von August Hirscbw&ld in Berlin. 

Soeben erschienen: 

Syphilis und Ehe. 

Vorlesungen von Prof. Dr. Alfr. Fournier. 

Ins Deutsche übertragen von Dr. P. Micheison. 
_ 1881. gr. 8. 5 Mark._ 




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angenehmen Geschmach und machen 
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gens® u re und schwere Verdauung. 

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Kistchen für ein bad, solchen Personen ~ 
die nicht nach Vichy kommen kaennen. § 

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BEI ALLEN ERZEUGNISSEN DU MARKE 

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ln Basel bei E. Ramsperger. 




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G 

9 

9 

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9 

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& 

9 




Im Verlage von Eduard Avenarius in Leipzig 
erscheint auch für das Jahr 1881: 

Literarisches Centralblatt 
für Deutschland. 

Herausgegeben von Professor Dr. Frledr. Zarncke. 


Wöchentlich eine Kammer von 2 bis 3 Bogen gr. 4. 
Preis viertel jährlich M. 7. 50. 


Das „Literarische Centralblatt“ betrachtet es 
als seine Hauptaufgabe, einen Gesammtüberblick 
über das ganze Gebiet der wissenschaftlichen Thätlg- 
keit Deutschlands zu gewähren, und bespricht in 
fast lückenloser Vollständigkeit die neuesten Er¬ 
scheinungen auf den verschiedenen Gebieten der 
Wissenschaft, der Geschichte, der Technik, des 
Militarwescns, der Kartographie etc. Diese Be¬ 
sprechungen haben sich allgemein den ßnf der 
Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit erworben, 
und diesen Ruf seit nunmehr 30 Jahren unge¬ 
trübt erhalten. 

Ausser den Besprechungen neuer Werke bringt 
das „Liter. Centralblatt“ eine Angabe des Inhalts 
fast aller wissenschaftlichen und der bedeutenderen 
belletristischen Journale, der Universität«- und Schul¬ 
programme Deutschlands, Oesterreichs und der 
Schweiz, die Vorlesungs-Verzeichnisse sämmtlicher 
Universitäten und der landwirthschaftlichen Aka¬ 
demien; eine Bibliographie aller wichtigem Werke 
der in- und ausländischen Literatur; eine Ueber- 
sicht der in andern Zeitschriften erschienenen 
ausführlicheren nnd wissenschaftlich werthvollen 
Recensionen; ein Verzeichniss der antiquarischen 
Kataloge, sowie der angekündigten Bücher-Auctlonen; 
endlich gelehrte Anfragen nnd deren Beantwortung, 
sowie Personal-Nachrichten. Am Schlosse des Jahres 
wird ein vollständiges alphabetisches Register 
beigegeben. 

Probe-Nummern sind durch alle Buchhandlungen 
nnd Postanstalten zu erhalten. 




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Besitzern meines Laryngo-Phantoms ftbeile ich mit, 
dass hiezu auch ein Rhlno«Phantoin mit Bildern 
zu beziehen Ist, im Preise von 12 Mark. 

Dr. Isenschmid, München. 


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Neues specifisches Mittel gegen Neuralgien 

(importirt von den Fidji-Inaeln). 

Siehe: 

Ueber cbem. Zusammensetzung: A. W. Gerrard, F. C. S., in Pharm. J. & Tran*. 1880 

p. 849 (Nr. 513); 

lieber botan. Abstammung: E. M. Holmes, F. L. S., in Pharm. J. & Trans. 1880 

p. 889 (Nr. 515); 

Ueber medizin. Wirkungen: Sydney Ringer, M. D. und W. Murrell, M. D., in „Lancet* 

v. 6. März 1880, ferner: „Lancet“ vom 20. März und 29. Mai etc. 

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wenden.) 


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sammensetzung corrigirt und im Kindermagen 
fein flockig gerinnen lässt — hat sich als 
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und desshalb den kindlichen Verdauungs¬ 
organen besonders zuträgliches Prä¬ 
parat, eignet sich ausgezeichnet — sei es 
als Beigabe zu Kuhmilcn oder condensirter 
Milch, wie auch, namentlich bei Durchfall bloss 
mit Wasser zubereitet — für die Ernährung 

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ausreichend) Fr. 1. 30, resp. Fr. 1. 10. 


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haften Theile enthalten. Sämmtliche 3 Sorten, deren reizmildernde Wirkung auf die Ver¬ 
dauungsorgane bekannt ist, eignen sich vorzüglich zur raschen Bereitung zarter, nahr¬ 
hafter Scnleirae (Cremes), sowie namentlich als Zusatz zu Kuhmilch und andern Milcharten. 
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bingen, Prof. 0 . LEIOHTENSTERN in Köln, Prof. C. LIEBER¬ 
MEISTER in Tübingen, Prof. J. OERTEL in München, Dr. 
HERM. WEBER in London, Dr. W. WINTERNITZ in Wien 
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Plastischer Filz zur Immobilisirung der Wirbelsäule und der Extremitäten (Cocking’s 
adoptable poro-plastic Splints and spinal Jackets) seit Jahren angewendet und 
neuerdings von Herrn Prof. Paul Vogt empfohlen, wird bei mir selbst (in 3 Qua¬ 
litäten) verfertigt. Die Erweichung des Filzes zur Application auf dem lebenden 
Körper geschieht entweder durch Dampfapparate oder durch Eintauchen in heisses 
Wasser, lässt sich aber auch (nach Prof. Vogt) innerhalb weniger Minuten in 
jeder heissen Ofenröhre erzielen; 

Schflcking’sche Cterns-Irrigatoren etc. etc. 

liefert: C. Walter-BlondetU in Basel . 

Schweighauserische Buchdruckerei. — B. Schwabe, Verlagsbuchhandlung in Basel 




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COMESPONDMZ-BLATT 


Am 1. und 15. jedes 
Monats erscheint eine Nr. 

V/t —2 Bogen stark; 
am Schluss des Jahrgangs 
Titel u.Inhalts verzeichniss. 


für 

schweizer Aerzte. 

Herausgegeben von 


Preis des Jahrgangs 
Fr. 10. — für die Schweiz; 
der Inserate 

35 Cts. die zweisp. Zeile. 
Die Postbureaux nehmen 
Bestellungen entgegen. 


Prof. Alb« Burekhardt-Ilerlan und 

in Basel. 


Dr. A. Baader 

in Basel. 


N! 4. XI. Jahrg. 1881. 15. Februar. 


Inhalt: 1) Original arbeiten: Dr. H. Bircher: Beobachtungen zur Pathologie des Gehirns. — Dr. 0. Httab: Kleinere 
ophthalmologische Mitthcilungen. (Schluss.) — 2) Vereinsberichte: Ordentliche Sommerversammlnng dermedicinisch-chinirgi- 
schen Gesellschaft des Cantons Bern. — 3) Eeferato und Kritiken: Dr. med. Toüand: Ueber Verdunstung und Insolation. 
— Annie Besant: 1. Das Gesetz der Bevölkerung. — Dr. med. 0. Stille: 2. Der Neo-Malthusianicinus das Heilmittel des Pau¬ 
perismus. — Dr. Emst Ziegler: Ueber Tuberculose und Schwindsucht. — Frans Riegel: Ueber die Bedeutung der Pulsunter¬ 
suchung. — Derselbe: Die Diagnose der Pericardialverwachsung. — 4) Can tonale Correspondenzen: Basel, Baselland, 
Bern, Zürich, Zug. — 5) Wochenbericht. — 6) Bibliographisches. — 7) Briefkasten. 


Original-Arbeiten. 

Beobachtungen zur Pathologie des Gehirns. 

Von Dr. H. Bircher in Aarau. 

I. 

Zertrümmerung im Stirnlappen. 

Der 78jährige Polizeidiener Balthasar Hassler fiel am 12. Juli Nachts 10 Uhr 
rücklings eine Treppe von circa 10 Stufen in angeheitertem Zustande hinunter. 
Er wurde sofort bewusstlos aufgehoben und zu Bette gebracht. Das Bewusstsein 
stellte sich in einer halben Stunde wieder völlig ein. Am folgenden Morgen Ver¬ 
liese er das Bett und brachte den Tag bei der Familie zu, ass am Tisch und 
fühlte sich wohl. An den zwei darauf folgenden Tagen klagte er über allgemei¬ 
nes Unwohlsein und genoss nur etwas Milch mit Kaffee; dabei sprach er deutlich 
und klar und hatte nirgends bestimmte Schmerzen. 

Am Morgen des 5. Tages jedoch stellte sich eine auffallende Aufregung ein. 
Patient lief hastig im Zimmer herum, schimpfte weidlich und trank dabei noch 
etwas Kaffee. Um 8 Uhr fing er plötzlich an zu schreien und bekam einen 
Krampfanfall der rechten Seite. Es zeigte sich etwa eine Stunde darauf ganz 
leicbte Parese des rechten Facialis und gegen Abend der obern und untern rech¬ 
ten Extremität. Im Verlauf des Tages traten mehrere heftige Krampfanfälle auf; 
die Lähmung nahm aber nicht zu, so dass Hassler Abends noch 3 Stiegen hinunter 
und wieder hinauf stieg; die Sprache wurde jedoch etwas undeutlich. Am folgen¬ 
den Morgen (6. Tag) stellten sich die Anfälle immer häufiger ein. Das Bewusst¬ 
sein schwand allmälig gänzlich und um 5 Uhr wurde er in die Anstalt aufge¬ 
nommen. 

Zwischen den Krampfanfällen liegt Patient ruhig, somnolent da mit geöffnetem 
Mund und geschlossenen Augen. Die Pupillen zeigen keine Veränderung und re- 

7 


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agiren auf Lichtreiz. Der Athem schwer, röchelnd, 56 Züge in der Minute; Puls 
beidseitig gleich, 116 per Minute, Temp. 38 um 5 Uhr, 38,4 um 8 Uhr. Das Ge¬ 
sicht ist etwas nach links verzogen, rechter Arm und rechtes Bein werden nicht 
bewegt, wohl aber zuweilen linker Arm und linkes Bein. Die Sensibilität ist nir¬ 
gends gestört; Nadelstiche werden überall lebhaft empfunden. Am Kopf ist 
nirgends eine Verletzung zu constatiren. Auf der Brust sind blutunterlaufene 
Stellen; das rechte Schlüsselbein nahe am Sternum gebrochen. Die Krampfanfalle, 
welche alle 5—10 Minuten eintreten, beginnen mit einer Drehung des Kopfes nach 
rechts und aufwärts. Darauf zeigt sich leises Zucken des orbicularis palpebr. und 
des rechten Mundwinkels, worauf sämmtliche Gesichtsmuskeln der rechten Seite 
in clonischen Krampf verfallen. Dabei wird die Pupille verengert. Die Augen¬ 
achse wird nach rechts und aufwärts gerichtet und geht dann gegen Ende des 
Anfalles langsam der linken Seite zu. Etwa 15 Secunden nach dem Eintreten der 
ersten Anzeichen des Anfalles beginnt der Clonus im rechten Arm. Zuerst wird 
der Zeig- und Mittelfinger gestreckt, dann die Faust geballt und hierauf beginnen 
clonische Krämpfe sämmtlicher Muskeln des Armes, wobei derselbe immer nach 
aussen rotirt wird. Auf den Arm folgt der Krampf in gleicher Weise im rechten 
Bein. Schweiss auf beiden Körperhälften. Die Zunge ist während des Anfalles 
fest auf den Boden des Mundes gedrückt. Radialpuls rechts ganz klein, links hart 
mit hoher Pulswelle. Die Dauer des Anfalles beträgt 1—l 1 /» Minute. Nach dem¬ 
selben bleiben rechter Arm und rechtes Bein schlaff liegen, während hie und da 
unmittelbar nach dem Anfalle links willkürliche Bewegungen ausgeführt werden. 
Das Auf hören der Zuckungen findet in gleicher Reihenfolge statt, wie sie ange¬ 
fangen hatten, so dass also das rechte Bein die letzten Zuckungen macht. 

In den Intervallen schaut Patient bei lauter Anrede noch auf, beim Trinken 
überschluckt er sich sehr leicht. Im Verlauf der Nacht und des folgenden Tages 
werden die Anfälle heftiger, so dass der Krampf Anfangs ein rein tetanischer wird 
und erst gegen Ende des Anfalles die einzelnen Zuckungen wieder zu unterschei¬ 
den sind. Dabei fangen die Intercostalmuskeln, das Zwerchfell und die Bauch¬ 
muskeln an sich zu betheiligen. Die Krämpfe beginnen bei vielen Anfällen nicht 
mehr mit dem Facialis, sondern zugleich auf der ganzen rechten Seite und hören 
überall mit einander auf. Hie und da zeigen sich bei solchen allgemeinen Anfallen 
die letzten Zuckungen im Bereich des Facialis und einige Mal tritt überhaupt nur 
Krampf des Facialis auf. Abends zeigen sich von 6—8 Uhr die letzten 12 hefti¬ 
gen Anfälle, dann wird Patient ruhig, die Athmung immer schwerer und der Tod 
tritt unter den Zeichen der Erstickung um 9Vs Uhr ein, 6 mal 24 Stunden nach 
dem Sturz. Die Temperatur war bis auf 41 gestiegen, Puls 136, Athmung 60. 
Bei einer Consultation mit Prof. Hitzig wurde die Diagnose auf Verletzung der 
linken vordem Centralwindung gestellt; die Frage, welcher Art die 
Verletzung sei, blieb unerörtert Die Behandlung hatte sich auf Anwendung der 
Eisblase beschränkt 

Die am folgenden Tag vorgenommene Section ergab folgendes Resultat: 

Mittelgrosser Körper, gedrungene Statur, geringe Senkungshyperämien. Ueber 
dem rechten Sternoclaviculargelenk starke Blutsugillation. Clavicula und die drei 


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obern Rippen nahe am Sternum gebrochen. Herz ohne Veränderung, beide Lun¬ 
gen sehr hyperämisch, die linke hat in der Mitte c\es mittlern Lappens eine strah- 
lige Narbe. Baucheingeweide ohne Veränderung, links grosser Bruchsack mit star¬ 
ker Verwachsung. Blase fast leer. 

Auf dem Kopf zwei alte Hautnarben von 3 cm. Länge. Ueber dem linken 
Scheitelbein an der Spitze der Lambdanaht eine alte Schädelimpression. Starke 
Blutsenkung in der Galea über dem Hinterhauptsbein. Beim Durchsägen der 
Schädelknocben entleert sich etwas dunkelrothes Blut. Die Untersuchung des Ge¬ 
hirns (durch Prof. Hitzig ) ergibt: 

Die Dura haftet dem Schädeldach fest an, so dass sie mit demselben entfernt 
werden muss. Schädel ist asymmetrisch, indem die rechte Hälfte im Querdurch¬ 
messer erweitert, im Längsdurchmesser verkürzt erscheint. Die Adhäsionen der 
Dura betreffen den ganzen Hirntheil und die untere Hälfte der Scheitelbeine bei¬ 
derseits, erstrecken sich nach hinten zu mehr nach der Mittellinie, während in den 
vordem Partien und in der Scheitelgegend die Nachbarschaft der Sagittalnaht ganz 
frei ist. Nähte verhältnissmässig gut conservirt. Schädel ziemlich schwer. Diplce 
in mittlerer Menge, dunkel gefärbt, blutreich. Rechts von der Sagittalnaht 4 cm. 
hinter der Coronarnaht in der tab. extern, eine 3,5 cm. lange, alte Impression, wo 
Galea mit Knochen stark verwachsen. Auf der Innenfläche der Dura eine ziem¬ 
lich frische flächenhafte blutige Auflagerung, die die rechte Hälfte des Stirnbeines 
mit zusammenhängenden Flecken bedeckt, einige isolirte bohnengrosse Flecken in 
der rechten Scheitelgegend , ausserdem starke bräunliche blutige Imbibition der 
Dura über der ganzen rechten Hälfte, so jedoch, dass die medianen Partien frei 
bleiben. Linke Seite der Dura glatt. Die ganze Dura mässig verdickt. An der 
Basis zeigt sich an der rechten Hinterhauptsgrube eine stärkere gleichfalls flächen¬ 
hafte blutige Auflagerung, so jedoch, dass nirgends ein Coagulum von erheblicher 
Dicke vorkommt. 

Sin. longit. leer; Gefässe an der Basis wenig atheromatös. 

Pia erscheint zur Seite der grossen Längsspalte sowie in der foss. Sylv. weiss- 
Iich getrübt und verdickt. Zur Seite der grossen Längsspalte Haufen von Pac- 
chion. Granulat, mit starken Impressionen an der tab. interna. 

Die Membran (pia mater) wenig blutreich, an vielen Stellen dünn und zart. 
An ihrer linken Hälfte eine beträchtliche Suffusion mit Blut, welche den ganzen 
Stirnlappen einnimmt, so dass nur die obere Stirn Windung ganz und die zweite 
Stirnwindung in ihrem untern Drittel frei bleibt. Kleine blutige Suffusionen er¬ 
strecken sich über die untere Hälfte der vordem Centralwindung nach der hin¬ 
tern Partie des Scheitelhirns und dem Schläfenlappen zu. Die Basis erscheint nur 
wenig imbibirt, frei von flüssigem Blut Ein linsengrosses schwarzes Coagulum 
in der Sylv.-Grube, an der Stelle, wo der aufsteigende Ast sich abtrennt. Einige 
ganz dünne blutige Auflagerungen von sehr geringer Ausdehnung in der untern 
Hälfte der Scheitelgegend. Pia löst sich sehr leicht ab. Nach ihrer Entfernung 
zeigt sich : 

Dunkelbraunroth verfärbte Stelle auf dem Stirnlappen, welche den untern Ast 
der obern Stirnwindung, die ganze mittlere Stirnwindung und die untere Stirn- 


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Windung in ihren vordersten Theilen dicht an der Spitze des Hirnes einnimmt in 
einer sagittalen Ausdehnung von 3 cm. und einer frontalen von 6 cm. An dieser 
Stelle ist die Hirnmasse durch Extravasat zertrümmert. Hinter ihr sieht man noch 
eine ziemliche Anzahl von stecknadelknopfgrossen bis linsengrossen schwarzrothen 
Extravasaten, namentlich auf der mittlern Stirnwindung, einen etwas grossem ähn¬ 
lichen Fleck in der Broca ’sehen Gegend. Beim Einsebneiden zeigt sich, dass die 
kleinen Extravasate die Rinde eben durchsetzen; das grosse Extravasat jedoch 
hat die Gehirnsubstanz im Centrum der oben beschriebenen Stelle gänzlich zer¬ 
trümmert bis zur Basis der Windungen herab, das grosse Marklager jedoch ist 
kaum betroffen, hingegen zeigt dasselbe im Centrum des Herdes trübliche gelbe 
Erweichung. 

Bei Frontalschnitten durch die Windungen zeigt sich ein aus mehreren kleinen 
hirsekorngrossen Extravasaten zusammengesetzter Bluterguss von der Grosse einer 
Erbse in der untern Schichte der Rinde des obern Astes der untern Stirnwindung, 
dort wo dieselbe sich anschickt, sich zur Bildung des sulc. praecentral. nach unten 
umzubiegen. Im sulc. praecentral. selbst ein linsengrosses Blutgerinnsel. Eine 
grosse Zertrümmerung der Hirnsubstanz mit umgebender beginnender gelber Er¬ 
weichung im mittlern Theil der untern Stirnwindung bis in die oberste Schicht 
des Marklagers hineinreichend. Die Seitenventrikel massig erweitert, ganz frei. 
Hirnsubstanz sonst normal. 

Rechte Hälfte. Auch rechts löst sich die Pia leicht ab. Hier ist die Ober¬ 
fläche des Gehirnes ganz frei. Hintere Centralwindung etwas atrophisch. Sonst 
nichts Abnormes. Ventrikel etwas erweitert. 

Kleines Hirn zeigt an der Basis rechts eine wallnussgrosse, vollkommene Zer¬ 
trümmerung der Substanz, derart, dass das Gewebe mit Blutresten gemischt sich 
durch einen massigen Wasserstrahl fortspülen lässt. Die Zerstörung reicht bis 
oben in’s corp. rhomboid. heran. 

Resumiren wir nun die Resultate des Sectionsprotocolles, so weit es das Ge¬ 
hirn betrifft, so zeigt sich: 

1) eine flächenhafte blutige Auflagerung rechts auf der Innenfläche 
der Dura, besonders am Stirnbein und in der Hinterhauptsgrube; 

2) Blutsuffusion links in der Pia, hauptsächlich über dem Stirnlappen, leichte 
Herde über dem Scheitellappen, in der Schläfen- und Scheitelgegend; 

3) Zertrümmerung der Rindenschicht und der weissen Substanz im linken 
Stirnlappen mit secundärer Veränderung, theils bis in’s Marklager reichend; 

4) Zertrümmerung im rechten Kleinhirn. 

Wenn wir nun die Verletzungen des Gehirns mit den am Lebenden beobach¬ 
teten Erscheinungen in Beziehung bringen wollen, so müssen wir vorerst diese 
Verletzungen nach der Zeit ihres Entstehens in primäre Lsesionen und in secun- 
däre Veränderungen theilen. Zu den ersteren gehören die Blutsuffusionen und 
Blutextravasate, welch’ letztere die Hirnsubstanz zertrümmert haben; eine secun- 
däre Veränderung ist diebeginnende gelbe Erweichung im Marklager des Frontal¬ 
lappens. Primäre peripherische Symptome hat Patient nun nicht gezeigt, er ist 
volle 4 Tage nach dem Sturz wohl geblieben. Wir dürfen daher die am 5. Tag 


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auftretenden Krämpfe und die Lähmung nicht mit den primären Zerstörungen zu¬ 
sammenbringen, sondern müssen sie auf die secundäre beziehen, das heisst, der 
encephalitische Herd im Marklager des linken Frontallappens hat Krämpfe und 
Lähmung im Gebiet des rechten nerv. Facialis und d£r rechten Extremitäten ver¬ 
ursacht ohne Sensibilitätsstörung. 

Es stimmt dieser Fall mit den bisherigen Beobachtungen also nur theilweise 
überein. Wir wissen aus den Untersuchungen von Charcot , Pihres-Ferrier , Hitzig 
und Andern, dass diejenige Gegend des Thierhirnes psychomotorische Centren 
enthält, welche als aequivalent mit den Centralwindungen beim Menschenhirn und 
besonders der vordem Centralwindung betrachtet werden muss. Eine Anzahl 
Beobachtungen von Gehirnverletzungen in dieser Gegend, die unmittelbar von 
Krämpfen und Lähmungen in beschriebenen Muskelgebieten der andern Seite ge¬ 
folgt waren, unterstützen diese Lehre von der Localisation. 

An der untenstehenden Figur ist die Grenze der erregbaren Zone nach unserm 
heutigen Wissen ersichtlich ; die Mittelpuncte der Centren der einzelnen Nerven¬ 
gebiete sind durch Zahlen bezeichnet. (Die Grenzen sind nach einer Zeichnung 
in dem vortrefflichen Werk von Prof. Bergmann „Lehre von den Kopfver¬ 
letzungen“.) , 

Linke Hemisphäre nach Ecker. 

V Vordere Central Windung. 

II Hintere * 

11 Sulcus Rolando. 

S Fossa Sylvii. 

Sp Sulcus praocenlralis. 

Z Zertrümmerung. 

a Obere Stirnwindung. 
b Mittlere » 

c Untere „ 

1 Centrum des n. oculoin. 
ü „ der ob. Extrem. 

3 „ „ unt. * 

4 n des n. Facialis. 

5 „ der Sprache und Zungonbe- 

wegnng. 

--Grenzen des motor. Gebiets. 



Die Zerstörung, wie sie der Fall Hassler aufweist*, ist durch die Punctirung 
bezeichnet Wir sehen hier, dass diese Zertrümmerung ziemlich weit von der 
Grenze der erregbaren Zone abseits liegt; die Entfernung von deren vorderen 
Grenze bis zum encephalitiscben Herd im Marklager beträgt gut 5 cm. 

Es ist nun eine Anzahl Fälle veröffentlicht, bei denen enorme Zerstörungen 
in der Rinde des Frontallappens von keinerlei peripherischen Symptomen gefolgt 
waren. Der Fall Hassler bildet zu diesen einen neuen Beweis vom Fehlen moto¬ 
rischer Centren in der Rindensubstanz des Frontallappens. 

Wenn wir aber nun andererseits in der Casuistik nachsehen, welche Läsionen 
des Gehirns die nämlichen Krämpfe und Lähmungserscheinungen gemacht haben, 
welche unser Fall aufweist, so finden wir „apoplectische Herde in der Rinde der 
beiden Centralwindungen und im supersylvischen Gyrus (Huguenin) , Narbe im 
äus8ern Ende der vordem Centralwindung (Ziegler) , Narbe in der Verbindungs- 


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stelle der beiden untern Drittel der vordem Centralwindung mit dem obern Drittel.“ 
Vergleichen wir damit den Befund bei Hassler, so zeigt sich, dass die Zerstörung 
ziemlich weit auseinander gelegener, anatomisch ganz verschiedener Partien des 
Gehirns die nämlichen peripherischen Erscheinungen hervorrufen kann, und damit 
gewinnt der Fall Hassler eine practische Bedeutung. 

Wenn einer Verletzung des Gehirns sogleich peripherische Symptome folgen, 
so können wir auf eine Rindenlsesion schliessen und haben dann an den jetzt an¬ 
genommenen Centren Anhaltspuncte zu operativem Vorgehen (Trepanation etc.). 
Anders verhält es sich bei erst später auftretenden Symptomen; aus solchen kann 
nicht mit Sicherheit auf den Sitz eines Herdes geschlossen werden. Sie können 
einmal meningitische Erscheinungen sein, oder aber da, wo dies auszuscbliessen 
ist, kann der primäre Sitz des Erkrankungsherdes ganz ausserhalb des motorischen 
Gebietes liegen und können erst durch die Weiter Verbreitung der Entzündung auf 
die Nachbarschaft ein oder mehrere motorische Centren betroffen worden sein. 
Der Fall Hassler zeigt hiezu noch die weitere Möglichkeit, dass bei fehlender Me¬ 
ningitis und intacter motorischer Zone ein weitab im Marklager liegen¬ 
der Herd peripherische Symptome veranlassen kann, die wir primär bei Rinden¬ 
läsion des motorischen Gebietes auftreten sehen; ein neuer Beweis, dass bei se- 
cundären Symptomen kein Schluss auf die Localisation des Erkrankungs¬ 
herdes gezogen werden kann und somit die Trepanation in diesen Fällen unzu¬ 
lässig ist, wenn nicht etwa äussere Verletzungen (Schädelimpressionen etc.) dieselbe 
bedingen. 

II. 

Abscess in Medulla oblongata und Pons. 

Xaver B., Kaufmann in Aarau, 44 Jahre alt, bisher gesund, erkrankte am 
7. Februar 1880; er fühlte einen Schmerz im rechten Vorderarm und leichtes Un¬ 
wohlsein. Bei der Untersuchung am 9. Februar zeigte sich an der Volarfläche des 
rechten Vorderarmes eine leichte Röthung und Schwellung, mit sehr starker 
Schmerzhaftigkeit verbunden. Fluctuation war nicht nachzuweisen. Die verord¬ 
nten Eisumschläge brachten keine Linderung. Die Rothe und Schwellung nahm 
zu, ebenso der Schmerz. Die Haut in der Umgebung infiltrirte sich ein wenig 
und am 10. Abends konnte leichte Fluctuation nachgewiesen werden. Die Haut 
war dabei trocken heiss; Zunge ebenfalls trocken; Temp. 39,0, Puls 100. Da die 
Eröffnung des Abscesses verweigert wurde, legte man Cataplasmen auf. Am fol¬ 
genden Morgen (11.) hatten sich alle Symptome vermehrt und gegen Abend 
zeigte sich Patient müde und schläfrig, die Sprache wurde etwas langsam und 
schleppend, dabei klagte Patient über Ameisenkriechen und Eingeschlafensein des 
linken Armes und Beines. Lähmungserscheinungen Hessen sich keine nach weisen, 
ebenso wenig Sensibilitätsstörungen. Da Patient nun selbst das Gefühl der Ver¬ 
schlimmerung der Krankheit hatte, willigte er am Morgen des 12. in die Eröff¬ 
nung des Abscesses; es entleert sich dabei etwa ein Caffeelöffel voll grünlich¬ 
braunen stinkenden Eiters, dabei aber zeigt Patient eine leichte Parese des rech¬ 
ten nerv. Facialis. Das rechte Auge kann nicht geschlossen werden, die Con- 
junctiva ist ödematös geschwellt und stark geröthet, die Cornea getrübt. Zunge 


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wird schwer bewegt, nach links verzogen, die Sprache ist daher mühsam, aber 
noch deutlich. Ueber das linke Bein und den Arm klagt er wie gestern wegen 
Ameisenlaufen. Die ganze linke Rumpfhälfte, sowie die rechte Hälfte des Ge¬ 
sichtes ist auf Nadelstiche total unempfindlich. Das Sensorium ist frei, zuweilen 
stellt sich Brechreiz ein. Morgens Temp. 38,2, Puls 100, Abends Temp. 39,2, 
Puls 120. 

Am 13. Februar ist der Zustand ungefähr der nämliche. Die Lähmung des 
Hypoglossus ist stärker. Das Sensorium etwas benommen. Das Schlucken ist sehr 
beschwerlich. Hie und da Erbrechen. Temp. 38,0, Abends 39. Im linken Arm 
und Bein treten leichte Zuckungen auf. 

Am 14. Zustand wie am vorigen, doch Zuckungen im linken Arm und Bein 
stärker. 

Am 15. Consultation mit Prof. Huguenin. Der Abscess am Arm ist geheilt; 
rechts Lähmung des Facialis und Hypoglossus. Völlige Amesthesie der rechten 
Gesichts- und der linken Rumpfhälfte; leichte Parese des linken Armes und Bei¬ 
nes. Patient klagt über dumpfen Schmerz im Hinterkopf. Sensorium ziemlich 
benommen, so dass Prüfung über das Gehör resultatlos bleibt. Abendtempera¬ 
tur 38,6. 

Am 16. Morgens völlige Bewusstlosigkeit, heftige Athemnoth, blaues Gesicht, 
Tod gegen Mittag. 

Die am 17. vorgenommene Section ergab folgendes Resultat: 

Mittelgrosser Körper mit starker Todtenstarre und geringen Senkungshyperä¬ 
mien. An der Volarfläche des rechten Vorderarmes genau in der Mitte zwischen 
Ellenbogen und Handgelenk zeigt sich eine 2 cm. lange fest verklebte Schnitt¬ 
wunde. Die Haut lässt sich in der Umgebung von der Unterlage leicht ablösen. 
Das Unterhautzellgewebe enthält viele kleine Blutextravasate, ebenso sitzt ein 
solches im Muskelfleisch des Flexor digit. Von Eiter keine Spur. Der Schädel 
zeigt äusserlich keine Difformitäten, ebenso wenig inwendig. Die Dura leicht ab¬ 
lösbar. Die Venen und Sinus prall mit Blut gefüllt, die Pia ödematös glänzend, 
etwas trocken scheinend. Die Schädelbasis zeigt keine Difformitäten. Aus dem 
Rückenmarkscanal entleert sich reichlich dunkelrothes Blut. Die Hirnsubstanz ist 
sehr blutreich, graue von der weissen überall scharf abgegrenzt. Die Hirnhöhlen 
enthalten geringe Mengen klarer Flüssigkeit. Die Substanz des grossen und klei¬ 
nen Hirnes ist ohne Veränderung. Das Rückenmark zeigt keine Veränderung. Die 
Medulla oblongata enthält jedoch in der rechten Hälfte einen Abscess von stinken¬ 
dem, dunkelgrünem Eiter, welcher den Boden der Rautengrube beinahe durch¬ 
bricht. Derselbe hat den Umfang, wie die punctirte Linie in Figur I angibt. (Die 
Grenzen des Abscesses sind von Prof. Huguenin gezeichnet.) 

Aus diesen Schnitten ersieht man, dass ein grosser Theil des mittlern (II.) 
Projectionssystems fehlt, indem rechts die Haubenregion und ein grosser Theil des 
Pedunculus cerebri zerstört ist. Es erklären sich hieraus die Motilitäts- und Sen¬ 
sibilitätsstörungen, welche am Lebenden beobachtet wurden, vollständig. Die Pa¬ 
rese des rechten nerv. Facialis ist bedingt durch die Zerstörung seiner Fasern und 
vielleicht noch durch die Compression seines Kernes, welcher in der ödematös 


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durchtränkten Nachbarschaft des Abscesses liegt (Fig. IV), während wir es bei 
der Parese des rechten nerv. Hypoglossus jedenfalls nur mit einer Fernwirkung, 
einer Compression seines weichen Kernes zu thun haben. Die Krämpfe und die 
Parese des linken Armes und Beines hängen zusammen mit der Zerstörung im 
rechten Pedunculus cerebri, welche zugleich auch die linksseitige Anästhesie be¬ 
dingte* 




F 


1 


Fig. IV. 


Fig. III. 



Fig. I. MedolJa oblong, von oben. 
„ II. Schnittfläche A in Fig. I. 

* in. m B 

.IV. , C 

D Herd. 


a Vorderer Vierhögel. 
b Hinterer Vierhügolarm. 
c Pednncnlus. 
d Lemniecns. 
f Bindearm. 


g Crus Cerebell. ad pont. Schnittfläche, 
h Peduncnl. Cerebelli. „ 

i Haube, 
k Pons. 

1 Trigeminus. 


m Pyramiden, 
n n. Facialis, 
o moi. Kern d. Trig. 
p Kernd. Acuet. 
q Kern d. Fac. 


In Fig. II und III zeigt sich das motorische und sensible Kerngebiet des Tri¬ 
geminus theils zerstört, theils ist es wie seine Fasern höchst wahrscheinlich com- 
primirt, da sie ganz im durchtränkten nachbarlichen Gewebe liegen; wir sehen 
denn auch vollständige Gefühllosigkeit der rechten Gesichtshälfte und neuropara- 
lytische Entzündung des rechten Auges daraus resultiren. Vom Acusticus ist der 
Kern zerstört (Fig. III), man konnte jedoch, wie oben bemerkt ist, aus den An¬ 
gaben des Patienten keine Schlüsse auf die Hörschärfe ziehen. 

Wir haben es also hier mit einem Fall von alternirender motorischer und sen¬ 
sibler Paralyse (rechtes Gesicht und linke Extremitäten) zu thun. 

Eigenthümlich ist die Art der Infection, da der Abscess in der Medulla obl. 


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doch jedenfalls als Metastase des Abscesses am Arm aufzufassen ist. Aus welchen 
Ursachen dieser erstero entstanden ist, bleibt völlig dunkel, da Patient gesund 
war und eine Verletzung nicht stattgefunden hatte. 


Kleinere ophthalmologische Mittheilungen. 

Von Dr. 0. Haab in Zürich. 

(Schluss.) 

Um die Micrococcen beweiskräftig als Träger des Virus hinzustellen, wären 
nun freilich noch Züchtungen in passenden Nährlösungen und Impfungen mit so 
gezüchteten Coccen aut intacte Schleimhäute nothwendig. Mir misslangen bis jetzt 
die Züchtungen, auch wäre ich in Verlegenheit, Urethrse oder Conjunctivae zu 
finden, die zu solchen Versuchen hergegeben würden. Glücklicher scheint dies¬ 
bezüglich Bökai gewesen zu sein, der vor Kurzem mittheilte, *) dass er solche Coc- 
ccn aus Züchtungsflüssigkeiten mit Erfolg auf die männliche Urethra übergepflanzt 
habe, wo sie in mehreren Fällen Tripper producirten. Dieser letztere Beobachter 
schildert im übrigen die Coccen ganz so wie Neisser und ich. 

Einstweilen beanspruchen diese Organismen zum allermindesten eine wichtige 
pathognomonische Bedeutung und können bezüglich Diagnose und Prognose 
von grossem Werth sein, wie folgende zwei Krankengeschichten beweisen. 

Das drei Tage alte Kind N. N. bietet am 10. September das Bild beginnender Blc- 
norrh. neonat, beider Augen. Die Lider sind etwas geschwellt, gerötbet und durch eitri¬ 
ges ßecret verklebt, das beim Oeffnen der Lider in massiger MeDge aus dem Conjunc- 
tivalsack austritt. — O r d, Eiscompressen und Reinigung. — Im Secret finden sich aber 
auffallender Weise keine Coccen, trotz Absuchen mehrerer Präparate. — Am folgen¬ 
den Tag besteht noch eitrige Secretion, aber eher etwas weniger stark. Ord. Fortfahren. 
— Keine Coccen. — Am 12, September ist fast kein Secret mehr zu bekommen behufs 
Untersuchung. Ord. Leichte Pinselung mit arg. nitr. Lösung. — Keine Coccen. — Am 
14. September geheilt. — Hier haben wir es also mit einem gutartigen eitrigen Catarrh 
zu thun, der auch entsprechend rasch verlief. 

Diese Beobachtung zeigt, dass bei Neugeborenen Conjunctivitis mit eitrigem 
Secret Vorkommen kann, die mit Blenorrhoe und Tripper nichts zu thun hat. Diese 
Fälle sind aber nicht gerade häufig. 

Eine ähnliche Beobachtung, welche die hohe Bedeutung des Cocccnbefundcs 
darlegt, machte ich vor Kurzem. 

Herr N. N. leidet an Gonorrh. urethr. und kennt die Gefahr der Iufection des Auges 
durch Trippersecret, stellt sich daher sofort ein, wie er Entzündung des einen Auges 
bemerkt. Dieses zeigt am 17. December heftige Conjunctivitis: starke, Injection, schlei¬ 
mig-eitriges Secret und entsprechende Schwellung der Conjunctiva tars. Im Secret finden 
sich aber gar keine Coccen, was mir sehr auffiel, da ich nicht daran zweifelte, dass 
Pat. sich Urethralsecret in’s Auge gebracht habe. Ich verschloss vorsichtshalber das 
intacte andere Auge durch einen Collodiumschutzverband und behandelte das erkrankte 
Auge mit Eiscompressen, wie bei Blenorrh. gonorrh. — Ara folgenden Tage bietet auch 
das zweite Auge unter dem Verbände das Bild heftiger Conjunctivitis mit viel eitrigem 
Secret, das aber ebenfalls, sowie das des andern Auges, keine Coccen enthält. Bis zum 
20. December ging nun die Erkrankung beider Augen nicht im Sinne einer gonorrhoischen 
BlenorrhcB vorwärts, sondern eher langsam zurück. Ich pinselte jetzt beiderseits arg. 
nitr. Lösung auf die Conjunctiva und ebenso den folgenden Tag, worauf bis zum 23. Dc- 

*) Allg. med. Centralztg. 15. Sept. 1880. 


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oember die Entzündung beiderseits sich verlor und Pat. seinen Geschäften wieder nach¬ 
ging. Es gibt keine gonorrhoische Blenorrhos, die bei irgend welcher Behandlung in 
sechs Tagen abläuft, also auch hier simpler acuter Catarrh, zufällig zusammentreffend 
mit Tripper und die Abwesenheit der Coccen verständlich. 

Vom Standpunct der parasitären Natur mancher Augenkrankheiten aus müssen 
wir nun nochmals die Antiseptica und ihre Application in’s Auge fassen. Wäh¬ 
rend in der operativen Richtung unseres Handelns sie lediglich als Prseventivmittel 
zu fungiren haben, damit keine Infection durch organisirte Elemente aufkomme, 
sollen sie uns in der Behandlung eben erwähnter AfFectionen eine kräftige Waffe 
gegen schon bestehende mycotische Processe in die Hand geben. Damit legen 
wir auch den stärksten Maassstab an ihre Wirksamkeit und muthen ihnen das 
möglichste zu. — Dass die antiseptische Behandlung des Ulcus serpens sehr gute 
Resultate gibt, steht fest Tägliches energisches Ausfegen des Ulcus mit frische¬ 
stem, stärkstem Liq. Chlori (selten gut erhältlich) oder Resorcin. pur. 10—20% 
sistirt, verbunden mit antiseptischem Occlusivverband, gewöhnlich rasch den Pro¬ 
gress und führt zur Heilung. — Was aber die Behandlung der Blenorrhoea neonat 
betrifft, so ändert nach meinen Versuchen und Erfahrungen das Auffinden der 
neuen kräftigen Antiseptica wie Resorcin, Hydrochinon etc. nicht viel an der frü¬ 
heren Behandlung mit dem Höllensteinstift Nach vielen Versuchen kam ich zur 
Ueberzeugung, dass das Resorcin (noch weniger die Borsäure) den Lapis nicht 
verdrängen und den Verlauf der Blenorrhoeen leider nicht wesentlich abkürzen 
werde. Ich behandelte eine grössere Zahl von Blenorrhoeen bei Neugeborenen vom 
ersten Tag an mit Ausspühlungen und Abpinselungen des Conjunctivalsackes ver¬ 
mittelst 5 und 10% Resorcinlösung. In einzelnen Fällen verminderte sich nun 
zwar das Secret und die Schwellung der Lider und Conjunctiva auffallend (in 
anderen Fällen weniger), schliesslich musste ich aber, um die Geschichte zum Ab¬ 
schluss zu bringen, jedes Mal doch noch zum Stift greifen, sonst nahm das eitrige 
Secret kein Ende. Und warum? Der arg. nitr.-Stift desinficirt hier stärker und 
zweckmässiger, als die Resorcinlösung, indem er die oberflächlichsten Partien der 
Mucosa, die wohl von den Parasiten durchsetzt ist, rasch mortificirt und so den 
Organismen, falls er sie nicht auch tödtet, doch die Existenzbedingungen entzieht. 
Setzt man aber vermittelst starker Resorcinlösungen eine ebenso starke Eschara, 
wie der Lapis sie schafft, wobei aber leicht die Cornea in Gefahr kommt, so löst 
sich diese Resorcin-Eschara nicht so rasch, wie der argent. nitr.-Schorf, sie bleibt 
länger haften und nöthigt dadurch zu grösseren Pausen zwischen den einzelnen 
Cauterisationen. Daher der ungenügende Erfolg. — Eher zu empfehlen ist das 
Resorcin für die Behandlung des Trippers, namentlich in der ersten Periode der 
Erkrankung. 

Was die Thränensackblenorrhoe betrifft, so möchte ich, ebenfalls im Sinne der 
Antisepsis und gestützt auf recht gute Erfahrungen, die unverdünnte Jodtinctur 
empfehlen, die mit der Wecker 'sehen Canüle bei langsamem Zurückziehen derselben 
aus dem Thränennasengang, durch diesen und den Thränensack gespritzt wird, 
wobei aber nichts in’s Auge ausfliessen darf. Es empfiehlt sich diese Methode 
namentlich da, wo man mit der Sonde im Thränensack oder Thränennasengang 
aus irgend einem Grunde blossliegenden und gewöhnlich rauhen Knochen fühlt 


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V ereinsberieh te. 

Ordentliche Sommerversammlung der medicinisch-chirurgischen Gesellschaft 

des Cantons Bern. 

Samstag, den 3. Juli 1880, im Saale des Secundarschulhauses in Langnau. 

Präsident: Prof. Dr. Kocher . Secretär: Prof. Dr. Pflüger. 

Anwesend 32 Mitglieder und 3 Gäste. 

(Schluss.) 

lieber Schulhygieine im Canton Bern von Prof, Dt, Pflüger. Die Frage, 
über welche ich Ihnen heute referire, ist 2 Jahre alt. Angeregt durch ein Schrei¬ 
ben des seeländischen Schulvereines vom 6. September 1877 wurde sie zum Ge¬ 
genstand der Bestrebungen der cantonalen medicinisch-chirurgischen Gesellschaft. 
Um eine solide Basis für schulhygieinische Reformen zu gewinnen, beschlossen Sie, 
meine Herren, vor 2 Jahren, den gegenwärtigen Zustand einer grossem Anzahl 
bernischer Primarschulen mit Rücksicht auf ihre sanitarischen Verhältnisse zu er¬ 
forschen, statistisch zu erheben. 

Sie setzten damals eine Commission nieder mit dem Mandat, diese Aufgabe 
ihrer Lösung entgegen zu führen. Diese Commission beschloss nun in ihrer ersten 
Sitzung, die fragliche Untersuchung nicht auf einige Aemter oder auf einen oder 
mehrere Landestheile zu beschränken, sondern dieselbe auf den ganzen Canton 
auszudehnen; sie gab dadurch a priori der Aufgabe einen Umfang, welcher abso¬ 
lut das Ressort ihrer eigenen Leistungsfähigkeit überstieg. Die Durchführung der 
Arbeit innerhalb der weit gesteckten Grenzen war einzig noch möglich durch das 
Medium der Kräfte unseres cantonalen statistischen Bureau, die uns von den zu¬ 
stehenden Behörden auf die zuvorkommendste Weise geliehen wurden. 

Diese Kräfte zugeführt, machte sich die Commission an die Ausarbeitung eines 
Fragebogens, den ich vor einem Jahre Ihnen vorzulegen die Ehre hatte. 

Der ganze übrige Theil der bis jetzt geleisteten Arbeit wurde nun von dem 
durch die Directionen des Innern und der Erziehung unterstützten cantonalen ber- 
nischen statistischen Bureau besorgt. Die Fragebogen wurden an sämmtliche 
Primarlehrer und Primarlehrerinnen im Canton versandt und kamen beantwortet 
wieder auf das statistische Bureau zurück. Ein Theil der Fragen war unbrauch¬ 
bar, Hess zum vornherein erkennen, dass die betreffenden Fragen nicht verstanden 
worden waren, woran zum Theil die mangelhafte Präcision der Fragen und die 
Möglichkeit verschiedener Auffassung derselben Schuld war. Mit den dadurch 
häufig nothwendig gewordenen Ergänzungsfragen musste äusserst vorsichtig vor¬ 
gegangen werden, weil die Lehrerschaft durch dieselben in einen gewissen Un¬ 
willen versetzt wurde. Schon bei den erstmaligen Beantwortungen zeigten sich 
hie und da kleine Boshaftigkeiten von Seite der Pädagogen. So kamen u. a. auf 
die allerdings etwas heikle Frage 56: „Wie viele Kinder halten Sie für schlecht 
und ungenügend genährt?“ folgende 3 Antworten vor: 

1. Ungefähr 13-14 und der . . . Schulmeister! 

2. Habe bis dato noch keine Speisekarten zur Einsicht bekommen! 

3. Warum fragt man nicht, wie kommen die Schüler gekleidet? 


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108 


Im Allgemeinen hat sich die Lehrerschaft bei Ausfüllung der Fragebogen viel 
Mühe gegeben und können die Antworten als durchschnittlich recht gut bezeichnet 
werden. 

Es wurden circa 300 Nachfragen direct an die Lehrer gestellt; man war näm¬ 
lich genöthigt, sich direct an die Lehrer zu richten, wenn man über ungleichartige 
Fragen Auskunft erhalten wollte. War man im Falle , über die gleichen Puncte 
von einer grossem Anzahl Lehrer im nämlichen Schulkreise Auskunft haben zu 
müssen, so wendete man sich an das betreffende Schulinspectorat vermittelst förm¬ 
licher Collectivschreiben. Die einzelnen brieflichen Mitteilungen, welche, sei cs 
direct von der Lehrerschaft oder von den Tit. Schulinspectoraten, an’s statistische 
Bureau zurückkamen, beliefen sich ungefähr auf 600. Häufig gaben jedoch die 
Schulinspectoren einen umfassenden Bericht über die an ihre Adresse gelangten 
Antworten auf die sog. Ergänzungscirculare. 

Das mit so grosser Mühe und Zeitaufwand gewonnene Material wurde nun 
zunächst nach den einzelnen Fragegruppen in Tabellen geordnet, die ich Ihnen 
hier vorlege. Hierin liegt nun das wertvolle Urmaterial, das uns Aufschluss über 
die hygieinischcn Verhältnisse jeder einzelnen Classe der bernischen Primarschulen 
in allseitigster Beziehung gibt, eine Statistik, wie sie bis jetzt anderswo noch nir¬ 
gends erhoben worden ist 

In jedem Falle, wo bei um das Wohl ihrer Kinder besorgten Eltern Zweifel 
entstehen sollten über die sanitarische Unzulänglichkeit gewisser Schullocalien, 
haben wir blos einen Blick in unser Urmaterial zu werfen und wir können einen 
grossen Theil der gewünschten Erkundigungen in Zahlen ablesen. Der Sturm der 
Hausväter des obern Theiles der Stadt Bern gegen das Neuengassschulhaus war, 
wie Sie sich aus dem vorliegenden Status überzeugen können, ein wohlberechtigter. 

Dieses Stammmaterial wird voraussichtlich den Ausgangspunct bilden, diejeni¬ 
gen Gemeinden, in denen die schulhygieinischen Verhältnisse unter einem annehm¬ 
baren Mittel liegen, zur Beseitigung der gröbsten Uebelstände anzuhalten. In der 
Ausführung dieser weitschichtigen und schwierigen Aufgabe werden die Behörden 
voraussichtlich auf vielfachen Widerstand von Seiten der Gemeinden stossen. 
Gleichwohl steht in Aussicht, dass diejenigen Schulen, welche einem gewissen Mi¬ 
nimum von Anforderungen nicht entsprechen, in baldigen reformatorischen Angriff 
genommen werden. 

Das vorliegende Stammmaterial kann nicht als solches gedruckt werden; zu¬ 
nächst würden aus diesem Drucke sehr erhebliche Kosten erwachsen; ferner würde 
die Mehrzahl Derjenigen, die sich mit der einen oder andern der Fragen eingehen¬ 
der zu beschäftigen wünschen, viel zu viel statistische Arbeit zu besorgen übrig 
finden und höchst wahrscheinlich sich dadurch abschrecken lassen. 

Das Material müsste daher noch statistisch verarbeitet werden. Zu diesem 
Behufe würden in neuen stark erweiterten und präcisirten Schemata die aus dem 
Urmaterial herausgerechneten Durchschnittsergebnisse für jeden Amtsbezirk einge¬ 
tragen. Aus den für die Amtsbezirke gewonnenen Resultaten könnten die Mittel- 
werthe für die verschiedenen Landestheile und aus diesen das Mittel für den 
ganzen Canton berechnet werden. 


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Mit Ausnahme der Umrechnung einiger Tabellen in Procente ist diese Arbeit, 
welche für Diejenigen, die ihren Umfang und ihren Inhalt nicht genau kannten, 
scheinbar nicht werden wollte, jetzt zum Abschluss gelangt, ein Werk, welches 
die Arbeitsleistung eines Mannes von gut einem vollen Jahre repräsentirt, eine 
Riesenarbeit, welche die medicinisch-chirurgische Gesellschaft durch eigene Kräfte 
nie zu bewältigen imStande gewesen wäre, für die wir'und alle Diejenigen, wel¬ 
chen das Wohl der Jugend am Herzen liegt, den Behörden zum grössten Dank 
verpflichtet sind. 

Da der Drucklegung der Statistik keine weitern Hindernisse mehr im Wege 
stehen, hoffe ich, dass dieselbe bald der Oeffentlichkeit werde übergeben werden 
können und damit auch in die Hand jedes Arztes gelange. 

Wir Aerzte sind vor Allen berufen, die Pioniere der öffentlichen Gesundheits¬ 
pflege zu sein, auch da, wo es sich um das körperliche und damit auch um das 
geistige Wohl unserer zukünftigen Generationen handelt. Jeder von uns möge 
angeregt werden, in seinem Kreise der Frage der Schulhygieine seine Aufmerk¬ 
samkeit zu schenken, Eltern, Lehrer, Schul- und Gemeindebehörden über beste¬ 
hende , zuweilen unschwer zu hebende Uebelstände zu belehren und dadurch 
manche spontane Verbesserung zu veranlassen, ohne den Hochdruck von oben ab¬ 
zuwarten. 

Ist einmal das Interesse für die Frage der Schulhygieine ein allgemeines ge¬ 
worden , so wird die Aufstellung von rationellen, den modernen Anforderungen 
conformen Normalien für Schulhäuser einen geebneten Boden finden. — 

Gegenwärtig hat sich eine Specialcommission der permanenten Schulausstellung 
in Bern unter dem Präsidium von College Dr. A. Wyttenbach unter Anderm zur 
Aufgabe gemacht, an alle Gemeinden, von denen bekannt wird, dass sie sich im 
Falle eines Schulhausneubaues befinden, einen Fragebogen, der dem unserer 
Statistik zu Grunde gelegten sehr ähnlich sieht, zu übersenden mit dem An¬ 
suchen, die in demselben enthaltenen Fragen zu beantworten; sie hofft dadurch 
die betreffenden Behörden auf eine grosse Zahl sanitarischer Rücksichten auf¬ 
merksam zu machen, die sonst zum grössten Theile unbeachtet gelassen worden 
wären. 

Auf eine Anfrage an die Versammlung, ob die Mittheilung einiger Zahlen aus 
der Statistik interessiren würden, welche bejahend beantwortet wird , theilt der 
Vortragende folgende willkührlich aus dem grossen Ganzen herausgegriffene Da¬ 
ten mit: 

Schulzimmer. 

» 

In 1827 bernischen Primarclassen werden 93,409 Kinder, darunter 48,681 Kna¬ 
ben und 44,728 Mädchen unterrichtet. 

Zimmerlage. Von Erdgeschosszimmern sind unterkellert 659, nicht unter¬ 
kellert 173. 

Durch die Sonne werden direct beschienen: von Süd 161 Zimmer, von Ost 
424, von West 337, von verschiedenen Seiten 115. 

In der Stadt Bern sind nach den Angaben der Lehrer 19 Zimmer, welche von 
keiner Seite direct von der Sonne beschienen werden. 


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110 


Zimmerhöhe. Norm 350—450 cm. Durchschnitt im Canton 277 cm. Von 
den 1827 Classenzimmern haben eine Höhe von: 


unter und bis 200 cm. 

18 

von 240—260 

cm. 

337 

von 200—220 „ 

57 

„ 260 -280 

tt 

588 

* 220-240 * 

215 

„ 280 - 300 

Ti 

295 


Quadratraum pek* Schüler. Norm. Preussen verlangt 0,9—1,2 □ m., 
Varrenlrapp 0,9 — 1,2 Dm., Leis 1,2 Dm., Marly 2,7 Gm. Durchschnitt im Canton 
Bern 1,2 □ m. 

Cubikinhalt per Schüler. Als Norm verlangt VarretUrapp für jüngere 
Schüler 4 cP m., für ältere Schüler 5 cP ni. 

Durchschnitt im Canton per Schüler 3,27 cP m. 


Ti 

* Emmenthal 

Ti 

* 2,81 

Ti 

* Jura 

Ti 

„ 3,85 

Ti 

* Amt Schwarzenburg 

Ti 

„ 2,21 


Unter 1,50 cP m. per Schüler hatten im Canton 44 Zimmer. 

Von 1,50-2,00 * „ „ „ „ 162 „ 

T> 2,00 2,50 * * * * * * 318 * 

Ventilation. Besondere Vorrichtungen für Ventilation besitzen nur 137 
Zimmer. 

Wandungen. Holztäfel in 970, Mauer und Holztäfel in 440 Zimmern. 
Fenster. Fensterrichtung. 

Von 11,548 Fenstern schauen nach Süd 3,488 

* Ost 1,955 

* West 1,856 

* Südost 1,145 

* Nord 1,127 

Nach Südwest, Nordost, Nordwest je weniger als 1000. 

Fensterhöhe. Durchschnitt im Canton 163 cm., 150 cm. und weniger in 
683 Classen. 

Glasfläche als Procente der Bodenfläche. Norm 25—28%; sehr 
gut immerhin noch 20%, je nach der Configuration der Zimmer noch als genügend 
15-16%. 

Unter und bis 10% in 706 Classen. 

10— 11 n * 581 „ 

11— 12 w „ 279 „ 

12— 13* * 273 * 

13— 14* * 165 * 

14— 15 * * 153 * 


Die Schüler erhalten das Licht von 1 Seite 

in 

325 Classen. 

* 2 Seiten 

Ti 

874 

Ti 

Ti ^ Ti 

Ti 

524 

Ti 

einzig von links 

Ti 

98 

Ti 

n » vorn 

Ti 

233 

Ti 

* * rechts 

Ti 

56 

Ti 

* * hinten 

Ti 

30 

Ti 


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111 


Ofen. Im Canton haben Stein-Ofen 

337 Classen. 


Kachel- „ 

239 „ 


Blech- „ 

880 


Eisenguss- „ 

298 „ 


Der Durchschnitt der Heizfläche beträgt für den Canton 

5,99 □ m. 

r» 

das Oberland 

5,57 ,, 

» 

„ Emmenthal 

5,82 „ 

* 

„ Mittelland 

6,33 „ 

r> 

den Oberaargau 

7,04 „ 

r> 

das Seeland 

6,22 n 

n 

den Jura 

4,95 „ 


1 □ m. Heizfläche kommt durchschnittlich im Canton auf 26,9 dP m. Luft. 

„ Oberaargau * 23,2 „ „ 

„ Jura „ 33,8 „ „ 

Unterricht. Schüler in einer Classe. Officiell sind 80 Schüler in 
einer Classe erlaubt; in Wirklichkeit aber sind Classen von über 60 Schülern vom 
Uebel. 60 — 70 Schüler zählen im Canton 290 Classen. 

Längste Schulhaltung nach einander. 5 Stunden und mehr in 83 
Classen; davon kommen 2 auf Laufen und 81 aufs Oberland, ln diesen Fällen 
wird wegen des weiten Schulweges nur einmal täglich Schule gehalten, von 9—1 
oder 2 Uhr, oder von 10—2 Uhr. 

Pausen. 

Classen ohne Pausen während der Vormittagsschule im Oberland 33. 

„ Jura 129. 

„ Canton 203. 

Classen von 1 Pause Während der Vormittagsschule 

bis 5 Minuten im Canton 155 • 

von 6 — 10 „ „ „ 721 

„ 10 15 „ v „ 665 

„ 16 u. mehr * „ „ 84 

Classen ohne Pausen während der Nachmittagsschule im Oberland 115. 


„ Mittelland 163. 

„ Jura 170. 

„ Canton 666. 

Turnstunden. Keine Turnstunde per Woche im Jura in 167 Classen. 

„ Mittelland „ 176 „ 

„ Oberland „ 168 „ 

„ Canton „ 613 „ 

Eine Turnstunde per Woche im Canton in 200 Classen. 

Zwei Turnstunden „ „ » v » 909 „ 

Drei u. mehr Turnstunden „ „ » » „ 92 „ 

Anmerkung. Weitere Mittheilungen aus der Statistik sind seither durch 
eine Reihe von Correspondenzen im „Bund“ in die Oeflentlichkeit gelangt. 

Mit diesen abrupten Zahlen sich begnügend, um nicht zu ermüden, empfiehlt 


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112 


Pflüger angelegentlich (las Stadium der in Bälde zu veröffentlichenden Arbeit, welche 
des Interessanten die Fülle biete. 

In der sich anschliessenden Discussion stellt Dr. Kummer aus Aarwangen fol¬ 
genden Antrag: In Anbetracht, dass es noch geraume Zeit erfordern wird, bis die 
höchst bedeutsamen Resultate der vorgenommenen hygieinischen Schulstatistik zu 
einem bezüglichen Schulhausbaureglement verwerthet werden können, in Anbe¬ 
tracht ferner, dass die Stoffüberbürdung nach einstimmigem Urtheil aller Sachver¬ 
ständigen den grössten Fehler unserer modernen Schule bildet, beschliesst die 
Versammlung, in einer Vorstellung an die h. Erziehungsdirection mit allem Nach¬ 
druck zu verlangen, dass die durch den neuen Stundenplan für die Mittelschulen 
und Secundarschulen, Progymnasien und Gymnasien gegen früher erwachsene Stoff¬ 
vermehrung und Zunahme der Stundenzahl so schnell als möglich als eine der 
grössten Schädigungen der Schule wieder rückgängig gemacht werde. 

Dr. Fankhauser aus Burgdorf erweitert den Antrag dahin, dass in der Vorstel¬ 
lung an die h. Erziehungsdirection der Stundenplan für die Primarschulen eine 
ähnliche Berücksichtigung finde. 

Dr. Müller aus Sumiswald wünscht ferner, dass der beantragten Eingabe an 
die h. Erziehungsdirection das weitere Postulat hinzugefügt werde: Es möchte 
zeitweise eine gehörige Inspection sämmtlicher Schuleq des Cantons auch in hy- 
gieinischer und sanitarischer Beziehung stattfinden. 

Entgegen diesen Anträgen beschliesst die Gesellschaft auf Antrag des Präsi¬ 
diums die weitern Schritte in der Schulhygieine- Angelegenheit dem Comitd zu 
überlassen. 

Dagegen wird der weitere Antrag von Dr. Fankhauser erheblich erklärt, den 
Tit. Directionen der Erziehung und des Innern ihre bisherigen Bemühungen um 
die Schulhygieine zu verdanken. 

6. Dr. Hans Fröhlich spricht über die sogen. Tunnelkrankheit; er unter¬ 
scheidet 2 Formen derselben. Die erste charakterisirt sich durch bleiches, lym¬ 
phatisches, aufgedunsenes Aussehen der Leute, blasse Schleimhäute, gelbliche 
Conjunctiven, Zustand nicht fieberhaft, Puls äusserst schwach und langsam, Milz 
öfters vergrössert; Urin gewöhnlich ei weisshaltig; Gelegenheit zur Autopsie hat 
sich bisher nicht dargeboten. Die zweite häufigere Form, welche Fröhlich an einem 
mitgebrachten Arbeiter demonstrirt, ist der Scorbut. Die Leute beklagen sich im 
Anfang über starke ziehende Schmerzen namentlich in den Beugemuskeln der un¬ 
tern, seltener auch der obern Extremitäten. Es treten Blutextravasate unter der 
Haut auf, die sich später auch auf die Musculatur ausdehnen. Das Bein wird 
hart; oft sind die Hämorrhagien so stark, dass Fluctuation entsteht. 

Oefters, aber nicht immer, tritt auch die den Scorbut charakterisirende Ver¬ 
änderung des Zahnfleisches auf; doch kann dieselbe Vorkommen ohne nachweis¬ 
liche Hämorrhagien und umgekehrt. Milz hie und da vergrössert, Urin gewöhn¬ 
lich schwach eiweisshaltig; Fieber ist nicht immer dabei und wenn vorhanden, 
übersteigt die Temperatur nicht 39°. 

7. Dr. Hans Weber hält einen Vortrag über die Behandlung des Favus, 
der in extenso in Nr. 17 (1880) des Corr.-Bl. erschienen ist. 


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113 


8. Prof. Dr. P. Müller bespricht die Behandlung des Carcinoms der 
weiblichen Genitalien, constatirt die bedeutenden Fortschritte, welche die 
operative Therapie dieses Leidens in den letzten Jahren gemacht hat, erwähnt der 
verschiedenen neuern Operationsmethoden, erörtert die Hindernisse, weiche einer 
noch erfolgreichem Behandlung entgegenstehen und schliesst mit der Aufforderung 
an die Collegen, durch Verallgemeinerung der gynäcologischen Untersuchung zur 
frühzeitigen Entdeckung des Leidens und dadurch zur rechtzeitigen operativen Be¬ 
handlung beizutragen. 

Während des Mittagessens hielt der Präsident folgende Ansprache: 

Geehrte Herren Collegen 1 Es ist Ihnen bekannt, dass das gastliche Langnau, 
welches uns heute bewirthet, nicht nur seit Anfang dieses Jahrhunderts einen Auf¬ 
schwung genommen hat, der es jetzt zur Metropole des Käsehandels emporgeho¬ 
ben hat, sondern dass es vor ungefähr 100 Jahren auch eine ungewöhnlich weit¬ 
reichende medicinische Berühmtheit besass. Noch jetzt können Sie die Burg sehen, 
auf welcher der Emmenthaler Wunderdoctor hauste und diese „Michelsburg“ ist 
nicht in Trümmer gefallen, wie so viele andere und doch hat sie keine gewaltigen 
Zinnen und Mauern aufzuweisen. Hier lebte eben einer, der nicht von seiner Burg 
herunterstürmte, um den friedlichen Wanderer auszuplündern, nicht Einer, der sich 
vom Schweisse seiner Unterthanen nährte, sondern der bescheidene Schär er-Micheli, 
der dem Wohle der Leidenden sein Leben widmete und durch seine scharfsinnigen 
Diagnosen und seine wunderbaren Curen sich einen Namen machte, der weit über 
die Grenzen des engern Vaterlandes hinausging. Wenn er aber nach seinem Bio¬ 
graphen seinen Patienten als unfehlbarer galt als selbst der Papst, so mag es nur 
zur Erinnerung gesagt sein, dass sein Einfluss nicht nur auf den Erfolgen seiner 
Praxis, sondern auch auf dem packenden Beispiel beruhte, welches er durch ein 
glückliches Familienleben, durch unentwegtes Wohlwollen und Wohlthätigkeit und 
durch eine unerschütterliche Bescheidenheit gab. 

Möchte uns Allen vergönnt sein, mit denselben Mitteln die oft so hämischen, 
boshaften und ungerechten Angriffe auf unsern ärztlichen Stand zu pariren. 

Zu diesen Mitteln, unser Interesse für die bessere Seite unseres Berufes zu 
demonstriren, gehören die Bestrebungen zur Erweiterung der Krankenpflege. In 
den Vordergrund gedrängt durch die Verhältnisse ist der Neubau des Cantons- 
spitals. 

Aufgefordert vom Präsidium berichten die vom Actionscomitd für die Er¬ 
weiterung der Krankenpflege anwesenden Mitglieder, die Herren Prof. 
Ä. Schdrer , Dr. Imobersteg von Kirchlindach, Dr. Felscherin von Zäziwyl und Dr. 
Müllerlvon Sumiswald über das in der Angelegenheit bis jetzt in ihren Kreisen 
Geschehene. _ 

Referate und Kritiken. . 

lieber Verdunstung und Insolation. 

Ein Beitrag zur beseern Kenntniss des Hochgebirgsclima's. Von Dr. med. Vollend . 

Verlag von Schweighauser in Basel. 

Entstehung und Zweck des vorliegenden kleinen Schriftchens glaubt Herr Verfasser 
im Eingänge seiner Vorrede damit motiviren zu müssen, dass bis jetzt die Insolation und 

8 


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114 


Verdunstung, sowohl im Hoch- wie im Tiefland „noch nicht oder dann nur wenig* berück¬ 
sichtigt worden, die speciclle Untersuchung jener beiden Factoren jedoch für eine ein¬ 
gehendere Würdigung beider Climate unbedingt nothwendig sei. 

Zunächst nun jener ersten Behauptung des Herrn Verfassers, soweit sie wenigstens 
vorerst die Insolationsfrage betrifft, etwas entgegen zu treten und zwar an Hand eines 
kleinen zu diesem Zwecke angefertigten Literaturverzeichnisses, hernach aber kurz, auf 
Grund des in Herrn Dr. Volland & Arbeit — freilich etwas spärlich — niedergelegtcn Be¬ 
obachtungsmaterials, die erhaltenen Resultate desselben zu discutiren, die merkwürdiger 
Weise mit allen bis zur heutigen Stunde gemachten Erfahrungstatsachen im directesten 
Widerspruch stehen, war der einzig leitende Gesichtspunct bei der Abfassung der nach¬ 
stehenden Zeilen, welche unsere kritischen Bemerkungen zu Herrn Dr. Volland s Schrift- 
chen bilden sollen. 

Bereits vor mehr denn zehn Decennien hat der bekannte Naturforscher .Sasusttre*) 
über die Insolationsfrage eingehende Untersuchungen angestellt, und zwar sowohl im 
Hoch-, wie im Tiefland, wozu er auf seinen grossartigen Reisen in den Alpen jedenfalls 
Gelegenheit vollauf besass. 

Ebenso zahlreiche weitere Beobachtungen bezüglich der directen strahlenden Wir¬ 
kung der Sonne resp. also der Insolation existiren von Forbes $ Kämtz aus den 30er Jah¬ 
ren, ausgeführt auf dem Faulhorn und zu Brienz im Berner Oberlande mittels des von 
F. W. Herschel im Anfänge dieses Jahrhunderts construirten Actinometers. 

Die von letzteren Forschern gesammelten Thatsachen stimmen mit denen Saussure't 
vollkommen überein, dass nämlich die directe strahlende Sonnenwirkung stets zunehme 
mit der Höhenlage des Beobachtungsortes, und zwar für jede beliebige Jahreszeit 

Eine fernere grosse Zahl von Messungen liegen vor von den Gebrüdern Schlaginweü^ **) 
die auf ihren an mannigfachen andern Ergebnissen so fruchtbaren Reisen in Indien und 
Hochasien 1854 — 1855 ebenfalls nicht versäumten, wo immer nur möglich, Insolations- 
beobachtungen sowohl im Hoch- wie im Tiefland anzustellen, freilich unter Zuziehung 
eines etwas eigenthümlichen Beobachtungsmodus. Die Ablesungen geschahen jeweils an 
ungeschwärzten, frei der Sonne ausgesetzten Thermometern. Jedes dieser Instrumente 
gibt dann natürlich den Betrag der Insolation, d. h. der unmittelbaren erwärmenden Wir¬ 
kung der Sonnenstrahlen vermindert um den Betrag durch Wärmeausstrahlung (und bei¬ 
läufig bemerkt, abgesehen auch von den durch das Glasgefäss nicht sofort zur Wirkung 
kommenden reflectirten Strahlen). Im Verlaufe der Untersuchung stellte sich nun als 
Hauptergebniss das Resultat heraus, dass die Insolation von der feuchten Seeküste nach 
dem Innern (d. h. höher gelegenen Plateau) stets abnehme; im weitern die absoluten 
Insolationsmaxima fortwährend mit Tagen grösster absoluter Feuchtigkeit zusammenfielen; 
Thatsachen, die sich alle ohne Schwierigkeit erklären lassen, sobald man der Versuche 
Tyndairs , Frankland s, Buffori s etc. sich erinnert, wonach trockene Luft, die von irgend einer 
Quelle herrührenden Wärmestrahlen leicht durebiässt, der Wasserdampf für die leuchten¬ 
den Wärmestrahlen der Sonne sich zwar ebenso verhält, jedoch die von erwärmten nicht 
leuchtenden Körpern (also hier der Erdoberfläche) ausgehenden sogen, dunkeln Wärme¬ 
strahlen mehr oder weniger absorbirt, mit andern Worten, dass der Wasserdampfgehalt 
der Atmosphäre der Erdoberfläche die empfangenen Sonnenstrahlen gleichsam wie eine 
schützende Decke länger bewahrt, d. h. im Tiefland das unbeschattete frei der Sonne 
ausgesetzte Thermometer höher steigen lässt. — Noch eine allbekannte Thatsache ge¬ 
winnt hiedurch eine bessere Erklärung: ***) „Wenn wir uns bei erhöhter Feuchtigkeit 
der Luft, wie z. B. vor Gewittern etc., den Sonnenstrahlen aussetzen, fühlen wir die 
„stechende* Hitze der Sonne viel empfindlicher, während das beschattete Thermometer 
nichts davon weiss. Bisher konnten wir nur eine Art von subjectivem Grund für diese 
erhöhte Wärmeempfindung angeben, die verminderte Verdunstung an der Hautoberfläche, 
während wir nun auch einen objectiven Grund hiefür haben , nämlich die verringerte 
WärmeäuBstrahlung. “ 

Dies also, jedenfalls aber nicht die erhöhte Insolation, nach Herrn Dr. Volland & An- 


*) Saussure , Reisen durch die Alpen IV, 109. 

**) Sitzungsberichte der k. bayr. Academie 1864. 

***) Hann: Zeitschrift für Meteorologie, Bd. I, pag. 25. 


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115 


sicht,*) wird die eigentliche Ursache sein, warum wir im Tiefland zur Sommerszeit unter 
der wärmespendenden Kraft der Sonne mehr zu leiden haben, als unter gleichen Um¬ 
ständen, trotz vergrösserter Insolation in der trockeneren, wasserdampfärmeren Atmo¬ 
sphäre des Hochgebirge, die stets eine vermehrte Wärmeausstrahlung zulassen wird. 

Fernere zahlreiche Arbeiten, die noch in die 50er, theils auch in die 60er Jahre 
fallen und denselben Gegenstand berühren, übergehen wir hier der Kürze halber, um nur 
noch einige neuern Datums zu nennen. 

Auf der British Association zu Belfast (1874) legte F. W. Stow derselben eine grös¬ 
sere Abhandlung vor, in welcher er auf Grund zahlreicher Beobachtungen ebenfalls die 
lnsolationsfrage eingehend besprach. Seine (sowie auch der frühem hier nicht vollzählig 
angeführten Beobachter) sofort zu besprechende Beobachtungsweise ist bis heute die 
einzig richtige, bei allen „exacten“ Untersuchungen die einzig zulässige (und auch überall 
adoptirte), um auf verhältnissmässig einfachem Wege die directe strahlende Sonnenwirkung 
zu studiren, falls man sich, beiläufig bemerkt, nicht der von Pouittet , Vioüe etc. construirten, 
auf calorimetrischen Messungen beruhenden feinen, natürlich noch weit genauere Resultate 
liefernden Instrumente bedieneu will oder kann. 

Herr F. W. Stow stellte seine Beobachtungen über Sonnenstrahlung ganz wie Herr 
Dr. Voüand an einem geschwärzten Thermometer im Vacuum an, jedoch mit dem erheb¬ 
lichen Unterschiede, dass nicht die directe Ablesung am Insolationsthermometer genom¬ 
men , sondern dieselbe verglichen wird mit einem (unter den nöthigen Vorsichtsmaass- 
regeln) im Schatten (also die gewöhnliche Lufttemperatur zeigenden) aufgestellten Thermo¬ 
meter ; die Differenz in den gleichzeitigen Ständen dieser letztem kann dann als „ziem¬ 
lich genaues“ Maass der Intensität der directen Sonnenstrahlung an dem betreffenden 
Punct und für den betreffenden Moment angesehen werden. **) 

Die Ablesungen am lnsolationsthermometer allein werden natürlich trotz der schützen¬ 
den Glashülle des letztem und ganz insbesondere, wenn es sich um Maximalablesungen 
zur Zeit des höchsten Sonnenstandes handelt, von der verschiedenen Temperatur der 
äussern Glashülse (bezw. also der jeweils herrschenden Lufttemperatur) abhängig sein, da, 
wenn sich auch Anfangs das Glas (bezw. jene Hülle) adiatherman gegen die dunkeln 
Wärmestrahlen unseres Erdkörpers verhält, eine Durchstrahlung resp. Erwärmung der 
innem Kugel, in Folge der letztem Wirkung, nach und nach dennoch eintreten muss. 
Dieser störende Einfluss kann aber, wie leicht evident dadurch etwas paralysirt resp. eli- 
minirt werden, indem man eben die herrschende Lufttemperatur in Rechnung bringt. — 
F. W. Stow , der seine erhaltenen Resultate bezüglich der Insolation ausserdem noch in in¬ 
nigen Zusammenhang bringt mit dem jeweiligen Wasserdampfgehalt bezw. Feuchtigkeits¬ 
zustand der Atmosphäre, dem herrschenden Bewölkungsgrad, den verschiedenen Luftströ¬ 
mungen etc. . . ., kann aus seinen Beobachtungen ebenfalls nur eine Zunahme der Sonnen¬ 
strahlung mit der Seehöhe des Beobachtungsortes constatiren. 

Zuletzt endlich sei uns noch erlaubt, der von der pariser Academie preisgekrönten 
Abhandlung von Vioüe (Sommer 1875) zu gedenken, dessen feine, zwar auf ganz andern 
Principien beruhenden Messungen über die Intensität der Sonnenstrahlung (— es liegen 
solche vor vom Montblanc {4810 m.], den Grands-Moulets [3050 m.], Glacier des Bossons 
[1200 m.] und Grenoble [213 m.] —) ebenfalls wieder die obige Thatsache , bezw. den 
von Herrn Dr. Voüand angefochtenen Satz (Mohn, pag. 14): Je länger der Weg ist etc... 
aufs schönste bestätigen. 

Endlich auch nicht zu vergessen der bekannten Abhandlung von W. Steffen: Ueber die 
meteorologischen Verhältnisse von Davos etc., sowie dessen in den „Davoser Blättern“ ***) 
niedergelegten Arbeit, worin er sich ebenfalls über die Insolationsverhältnisse insbesondere 
des Höhenclima’s, soweit sie sein Interesse berühren, eingehend ausspricht. 

Zum Schlüsse erlauben wir uns nun noch ganz kurz eine kleine Discussion der von 
Herrn Verf. Dr. Voüand gewonnenen Erfahrungstatsachen bezüglich der Insolation, indem 
wir jeweils gemäss der obigen Entwicklung die Differenzen bilden aus den der Curven- 

# ) Vide pag. 16 dessen Arbeit. 

**) Eben weil hier, um dies nochmals zu betonen, die eigentliche Wirkung der leuchtenden 
Wärmestrahlen gleichzeitig comparirt wird mit derjenigen der indirecten sog. dnnkeln Wärmestrahlen, 
welche vom Erdboden reflectirt die die Thermometer umgebende Lufttemperatur bilden. 

***) Nr. 7, 8 und 10 (1877). 


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116 


tafel II (des Schriftchens) zu entnehmenden Insolationsmaxima und den angegebenen 
8chattentemperaturen für 2 h. p. m., wobei wir jedoch bemerken, dass diese gemessenen 
Lufttemperaturen jedenfalls nicht mit den abgelesenen maximalen Insolationsständen corre- 
spondiren, da letztere jedenfalls vor 2 h. p, m., gewöhnlich zur Zeit des höchsten ver- 
ticalen Sonnenstandes eintreten, diese Zeitdifferenz die in Strassburg gemessenen Schatten¬ 
temperaturen, zwar nicht viel, jedoch unbedingt die Davoser Lufttemperaturen etwas al- 
teriren wird, die entsprechenden Differenzen fUr Davos also jedenfalls etwas grösser aus- 
fallen werden, als die unmittelbaren jener Tafel entnommenen. 

Es ergibt sich uns auf diese Weise als mittlere Insolationswirkung der Sonne pro 
September 1875 3. IX.— 28. IX. für Strassburg circa 3 6°, für Davos etwa 34°C. f ein 
Resultat, das also jedenfalls der Wahrheit bedeutend näher rückt, als die von Herrn 
Verfasser angegebenen und verglichenen rohen Insolationsstände. Fügen wir hiezu nun 
noch die Bemerkung, welche Harrison •) aus seinen zahlreichen Beobachtungen zieht, dass 
nämlich eine ganz erhebliche Steigerung der Sonnenstrahlung statthat, wenn die Sonne 
entweder durch jenen feinen , leichten, von Auge kaum wahrnehmbaren Wolkenschleier 
hindurchscheint, der das baldige Herannahen des Aequatorialstromes anzeigt, oder dann 
an den Rändern vereinzelter, massiger, stark reflectirenden Haufenwolken vorüberzieht, end¬ 
lich die Insolationsgrösse bedeutend moditicirt werden kann durch die herrschende an 
dem Insolationsthermometer vorbeistreichende mehr oder weniger starke Luftströmung, 
so dürfte wahrscheiulich unser obiges, natürlich nur approximatives Resultat noch mehr 
zu unsern Gunsten sich umgestalten. Denn klar ist, dass correspondirende Insolations¬ 
beobachtungen nach dem eben Angeführten nur dann einen Zweck haben, wenn die Wit¬ 
terungsverhältnisse an den betreffenden Tagen genau dieselben sind an beiden fraglichen 
Orten; dass dies nun wirklich der Fall war vom 3.—28. IX. 1875 sowohl in Davos wie 
in Strassburg hat uns Herr Verfasser nicht überzeugt, da dergleichen detaillirtere, für 
das Ganze aber jedenfalls sehr nothwendigen Angaben der diesbezüglichen Witterungs¬ 
verhältnisse (— wenn man sich überhaupt ein vorurteilsfreies Resultat in dieser so 
subtilen Frage verschaffen willj in des Verfassers Beobachtungsjournal, soweit letzteres 
in dem Werkchen reproducirt worden, gänzlich fehlen. — Wenn man also bereits in der 
Wahl der einzelnen Beobachtungstage sehr vorsichtig sein muss, so wird es, dies liegt 
auf der Hand, ganz zu verwerfen sein, Beobachtungsdaten aus verschiedenen Jahren, wie 
Herr Verfasser gethau, zusammen zu stellen, um daraus dann vollgültige Schlüsse zu 
ziehen. Das Letztere an einem einfachen Beispiele zu illustriren, bedarf es ja nur einer 
Einsicht in die von W.\ Steffen io seiner Abhandlung enthaltenen Originalbeobachtungen 
bez. der Insolationsfrage, welch’ letztere von F. Redford in dem nur wenige Stunden von 
Davos-Dörfli entfernten Davos-Platz von September bis März 1876—1877 aufgenommen 
worden sind und Vergleichung der dort enthaltenen Werthe mit denen Strassburgs 
pro 1875! 

Dass natürlich Modificationen bezw. Abweichungen von den zu Grunde liegenden 
(theoretischen) Elementargesetzen auch hier bei der Insolationsfrage eintreten können und 
werden, ist an sich klar, weil eben die Abfassung der letztem streng genommen nur für 
die freie Atmosphäre Gültigkeit hat, in dieser aber directe Beobachtungen anzustellen, 
aus naheliegenden Gründen, wenn auch nicht unmöglich, so doch gewisse Schwierigkei¬ 
ten bestehen. Im weitem bildet ja gerade die Untersuchung resp. Aufklärung solcher 
Anomalien, unter steter Berücksichtigung der jeweils bestehenden Neben Verhältnisse, einen 
mächtigen Hebel für die fernere Förderung der Wissenschaft. 

Wir erinnern beispielsweise nur an die bekannte Thatsache der anomalen Tempera- 
turvertheilung resp. -Umkehrung, die sich beinahe jeden W r inter, wohl auch schon im 
Herbste in der Höhe geltend macht, eine Thatsache, die sich verhältnissmässig leicht 
unter Zuziehung und Berücksichtigung der bestehenden Luftdruck- und Feuchtigkeits¬ 
verhältnisse mit der Theorie in Einklang bringen lässt. — 

Dass aber, — falls wir auch Zeit und Mühe nicht scheuten, — eine eingehendere 
Untersuchung bezüglich der subtilen Insolationsfrage, gestützt auf die von Herrn Dr. 
Vottand gesammelten Beobachtungen uud im Hinblick auf dessen Beobachtungsmodus kaum 
möglich ist, wird der Herr Verfasser uns wohl selbst zugestehen müssen. 

*) On the Solar Radiation, Philos. Mag. (4). XXXIX. 

**) Nach pag. 13, 14. 


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11 ? 


Jedenfalls behält der von Herrn Dr. Volland angefochtene ^Mohri sehe Satz“ auch 
künftighin noch vollauf seine unumschränkte Gültigkeit, bis andere Beweise vorliegen. 

J. M. 


1. Das Gesetz der Bevölkerung. 

Von Anrtie Besant (51 S.). 

2. Der Neo-Maithusianismus das Heilmittel des Pauperismus. 

Von Dr. med. G. Stille (82 3.). 

Beide Schriften im Verlage Fr. Luckhardt. Berlin, 1880 und 1881. 

Mit allen Waffen , die Erfahrung und Wissenschaft an die Hand geben , sucht die 
gegenwärtige Gesellschaft über die Ursachen unserer bedrohlichen socialen Lage und 
ihre Folgen, aber auch über ihre Besserungs- und Heilmittel sich klar zu werden. Wenn 
auch im Allgemeinen eine gewisse Uebereinstimmung darin herrscht, dass eine Reihe von 
Staaten des alten Europa an Uebervölkerung leidet, so gehen die Ansichten um so mehr 
aus einander, wie diesem vorhandenen Uebelstande abzuhelfen ist. Während die Einen 
das Heil in der Massenauswanderung suchen, sehen es Andere in der Beschränkung der 
Ehen. Ich halte es für einen grossen Fortschritt in der Behandlung dieser Frage, dass 
dieselbe an der Hand „des Gesetzes der Bevölkerung nach Malthus“ untersucht und be¬ 
arbeitet wird. 

Es muss nämlich Jedermann einleuchten, dass in dem Hauptsatze desselben ein nicht 
unbedeutender Kern von Wahrheit steckt, dass die Zunahme der Menschen in 
einem rascheren Maassstabe erfolgt als das Wachsthum der zum 
Lebensunterhalte dieser Menschen nothwendigen Mittel. 

Es wird gewiss nicht mit Unrecht als Beweis für diesen Satz auf Frankreich hin¬ 
gewiesen, in welchem Lande eben die Zunahme der Bevölkerung eine viel geringere ist, 
als in der Schweiz, in England, Deutschland, Holland oder Belgien, und wo daher der 
National Wohlstand nicht nur ein grösserer, sondern vor Allem der Wohlstand ein allge¬ 
meinerer ist. 

Es muss die daraus resultirende Folgerung als eine berechtigte anerkannt werden, 
dass die Gesellschaft dahin arbeiten muss, dass nicht mehr Menschen erzeugt werden, als 
anständig ernährt werden können. 

Die zur Erreichung dieses Zweckes vorgeschlagenen Abhülfsmittel, als frühe, aber 
materiell gesicherte Ehen und nach dem Maasse dieser Sicherheit beschränkte Kinder¬ 
erzeugung, sind nun Gegenstände, die ganz vorzugsweise in das ärztliche Gebiet einschla- 
gen und daher von allen Aerzten studirt werden sollten. 

Sie bedürfen um so mehr des ernstesten Studiums von Seiten der Aerzte, als die 
vorgeschlagenen Mittel alle einer Besprechung noch sehr bedürftig sind, und .ja nur vor- 
hergegangene Studien derselben solche Besprechungen fruchtbringend machen können. 

In diesem Sinne empfehle ich das Studium der beiden Brochuren dem ärztlichen 
Stande auf’s dringlichste und in der Ueberzeugung, dass gerade diese Seite unserer so¬ 
cialen Frage die Hauptangriffspuncte bietet, die als Aufgaben den Aerzten bei der Lösung 
derselben zugänglich sind. L. W. 

lieber Tuberculose und Schwindsucht. 

Von Dr. Ernst Ziegler in Freiburg (Sammlung klinischer Vorträge von R. Volkmann ). 

Das tuberculose Knötchen setzt sich sowohl aus wuchernden Endothelzellen % als aus 
ausgewanderten farblosen Blutkörperchen zusammen, entsteht also sowohl auf dem Wege 
der Hyperplasie, als dem der Entzündung. Diese zwei verschiedenen Entstehungsarten 
sind aber nur im allerersten Uranfange erkennbar; sobald der Bau des Knötchens einige 
Entwicklung erreicht hat, ist nicht mehr zu unterscheiden, ob es auf diese oder jene 
Weise entstanden. Der Antbeil der Entzündung nimmt eine inferiore Stellung ein: nicht 
die 8tärke des Entzündungsreizes veranlasst die Zelle zur Wucherung, eine gewisse In¬ 
tensität derselben tödtet vielmehr die Zellen ; erst nachdem der Entzündungsreiz längst 
zu wirken aufgehört hat, erheben sich auch die fixen Zellen zur Thätigkeit und zwar 
unter dem Einfluss der veränderten Ernährung. — Der histologische Bau des tuberculösen 
Knötchens unterscheidet sich keineswegs durch specifische Formen seiner zelligen Ele¬ 
mente (z. B. Riesenzellen) von den Granulationen anderer Processe. Die Eigenartigkeit 


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der phthisischen Processe liegt in seiner weitern progressiv destructiven Entwicklung 
und in der Aetiologie; diese Eigenartigkeit scheint nicht einmal immer an das Vorhanden¬ 
sein der Knötchenbildung gebunden zu sein. — Die Infection ist zunächst eine locale, 
die Weiterentwicklung kann zunächst durch locales Umsichgreifen geschehen oder durch 
Translocirung ; hiezu können die zunächst ofifepen Wege: z. B. mit Schleimhaut bekleidete 
Gänge gewählt werden, wie die tuberculösen Affectionen d.es Urogenitalsystems und der 
Bronchien beweisen, oder die Blut- und vor Allem die Lymphbahnen, wodurch wieder 
localisirte Herde sich bilden können, besonders aber die Generalinfection zu Stande 
kömmt. In den Lungen hat die Fortpflanzung auf bronchialem Wege das Uebergewicht. 
Die Ursache der Prädilection der Spitzen liegt in deren geringerer Functionsfähigkeit, 
welche eine Stagnation des Secretes begünstigt; vielleicht ist eine geringere Blutfülle der 
Lungenspitzen als begünstigendes Moment heranzuziehen, doch ist solche bei genügender 
Function nicht erwiesen. Zur Erklärung des progressiv destructiven Charakters, durch 
welche die phthisischen Processe den übrigen Lungenkrankheiten als eine einheitliche 
Gruppe sich gegenüberstellen, muss man eine Giftigkeit der Infection annehmen und zwar 
dürfte der ungleichartige Verlauf durch die Verschiedenheit derselben bedingt sein. Höchst 
wahrscheinlich bilden den Träger der Infection auch hier Micrococcen, obschon deren 
Vorhandensein nicht sicher nachgewiesen. Das Tuberkelgift liegt nicht von vornherein 
im Körper und es wird auch nicht ein specifischer Schwindsuchtskeim vorerbt. Die In¬ 
fection kömmt von aussen in den Organismus, und zwar kann sie primär als tuberculöses 
Contagium herantreten, oder, was viel häufiger geschieht , als ein Miasma, welches 
dann erat im Körper Giftigkeit erlangt durch Umzüchtung der Spaltpilze, wie sie z. B. 
beim Milzbrand nachgewiesen. — Es kann auch der gesunde Organismus der Contagion 
verfallen — meist aber ist eine besondere Empfänglichkeit und Anlage erforderlich und 
darin besteht die Bedeutung der ererbten oder erworbenen Prädisposition wie auch der 
Scrophulose, welch* letztere sonst mit der Phthise nichts gemein hat. — Die Bekämpfung 
der Krankheit besteht in der Abhaltung der Infection , id cst in der Athmung reiner 
Luft, möge sich letztere nun hier oder dort finden, uud in der Beseitigung der phthisi¬ 
schen Anlage resp. Verbesserung der Constitution. — 

Dies die Grundzüge des inhalt- und gedankenreichen Vortrages, dessen eigenartige 
Fundamentalsätze der Verfasser selbst nicht als Dogma hinstellt, sondern Bie theilweise 
als blosse Perspectiven bezeichnet. M. 

Ueber die Bedeutung der Pulsuntersuchung. 

Von Franz Riegel Volkmant i’s Sammlung klinischer Vorträge Nr. 144—145. 

Die Diagnose der Pericardialverwachsung. 

Von Franz Riegel. Volkmann’s Sammlung klinischer Vorträge Nr. 177. 

Leipzig, Breitkopf & HärteL 

Es sind vorzüglich die sphygmographischen Pulsbilder, durch trefflich ausgeführte 
Curvenzeichnungen illustrirt, der Besprechung zu Grunde gelegt, und in erschöpfender 
Weise erläutert Der Pulsus paradoxus wird nicht als untrügliches Zeichen der Media- 
stinopericarditis gelten gelassen, da schon normaler Weise der Puls inspiratorisch an 
Grösse ab-, exspiratorisch an Grösse wieder zunimmt. Pulsus bigeminus und alternans 
sind weder besonders selten, noch haben sie irgend eine andere Bedeutung als andere 
Unregelmässigkeiten des Pulses; sie gehen häufig direct in einander über. Die systo¬ 
lische Einziehung der Herzspitzengegend kann nicht als ausschliessliches pathognomoni- 
sches Zeichen für Pericardialverwachsung betrachtet werden, denn sie kann bei Herz¬ 
beutelverwachsung fehlen oder durch andere Veränderungen bewirkt sein. Genaueres ist 
im Original nachzusehen. Seitz. 


Cantonale Correspondenzen. 

Basel. Irrsnschutz. Das vergangene Jahr hat uns als Christbescheerung 
einen Bericht der Commission für Irrenschutz E. E. Gesellschaft des Guten und Gemein¬ 
nützigen über die Nothwendigkeit der staatlichen und privaten Hülfe zur Verbesserung 
der hiesigen Irrenverhältnisse gebracht. Es war dieser Bericht nicht eigentlich eine 
Ueberraschung, da die Mängel unseres staatlichen Irreawesens hier männiglich bekannt 


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sind. Es wurde derselbe um so wohlwollender aufgenommen, als die qualitativen und 
quantitativen Mängel unserer hiesigen Irrenanstalt in ihren Eigenschaften als Heil- und 
Pflegeanstalt, sowie als klinisches Institut eine ruhig gehaltene und sachgeroässe Schil¬ 
derung fanden. Es darf derselbe auch deshalb als berechtigt angesehen werden, als beim 
Beginne des neuen Jahrzehntes unseres Jahrhunderts die übrigen für das laufende Jahr¬ 
sehnt nöthigen Aufgaben aus allen Gebieten der staatlichen Fürsorge zur öffentlichen 
Vorlage gelangten. Es dürfte endlich derselbe noch darin seine Berechtigung finden, als 
die unser Bürgerspital erwartende Aufgabe der Errichtung eines Absonderungs- und 
Blatternhauses nur allein in der gleichzeitigen Lösung unserer Irrenhausfrage die wahre 
principielle Lösung finden kann. 

Der Bericht weist auf die dringende Nothwendigkeit eines baldigen Neubaues einer 
vereinigten Irrenheil- und Pflegeanstalt in der Nähe der Stadt hin, die zur Aufnahme 
von 160 — 180 Kranken berechnet ist. Da wir für unsern kleinen Staat beiläufig eine 
Anzahl von 200—240 Geisteskranken annehmen müssen, so darf diese obige Berechnung 
um so weniger als eine übertriebene erscheinen, als ohne Zweifel auch die Landschaft 
gerne ihre acuten, frischen Kranken einer gut eingerichteten basier Anstalt zuweisen 
wird. Der Bericht wendet sich vertrauensvoll an die Tit. Behörden und Einwohner un¬ 
seres Staates und erbittet sich in gleicher Weise das Wohlwollen und die Unterstützung 
seiner Behörden wie die Opferwilligkeit und Wohlthätigkeit seiner privaten Kreise für 
die Erfüllung seiner Zwecke. Es ist kaum nothwendig, darauf hinzuweisen, dass 
es auch insbesondere eine Ehrenpflicht der basier Aerzte ist, nach Kräften für die Er¬ 
reichung dieses Zieles mitzuwirken, um so mehr, als schon im Jahre 1865 die damaligen 
Mitglieder des ärztlichen Vereines mit so gutem Beispiele in der Form einer lebhaften, 
aber erfolglosen öffentlichen Anregung dieser Angelegenheit vorgegangen waren. Wir 
wissen, dass der Materialismus der letzten Jahrzehnte nicht im Stande war, die 
damalige humane und wissenschaftliche Gesinnung unseres Standes in seinen gegenwär¬ 
tigen Vertretern auszulöschen oder auch nur zu vermindern. Wir hoffen aber auch in 
den weitesten Kreisen das Bewusstsein erstarken zu sehen, dass es die Pflicht des Staa¬ 
tes ist, nach Verfluss von 30 Jahren wieder einmal seine eingeheude und thatkräftige 
Fürsorge seinem nicht mehr auf der Höhe der Zeit stehenden Irrenwesen zu widmen. 

Baselland« Freigebung der Ausübung der Heilkunde. Schon längere Zeit 
wurde im Canton Baselland das Sanitätsgesetz nach allen Seiten hin übertreten, und der 
gute Wille des Sanitätsrathes, Ordnung zu schaffen, scheiterte an der Indolenz, der pas¬ 
siven Opposition der competenten Behörden. Der Versuch eines energischen Offensiv- 
stosses des Sanitätsrathes gegen einige allzu freche Curpfuscher rief einer Agitation, 
welche mit einem Initiativbegehren auf Abänderung des Sanitätsgesetzes schloss. Das 
Volk von Baselland hat leider diese Abänderung in seiner Herbstabstimmung beschlossen: 
zwei Bezirke verwarfen, zwei nahmen an und zwar mit der Mehrheit der gesammten 
abgegebenen Stimmen. — Der Regierungsrath hat nun ein Gesetzesproject auszuarbeiten 
und fragte zu diesem Zwecke in Appenzell A. Rh. und Glarus über die bisher gemach¬ 
ten Erfahrungen an. Appenzell antwortete, man sei mit der Freigebung zufrieden, Glarus 
dagegen notirte eine Anzahl schwerer Schädigungen. 

Ohne Zweifel wird das neue Gesetz den Grundsatz der Freigebung der Ausübung 
der Heilkunde bringen, vielleicht mit der Einschränkung, dass die Ausübung der opera¬ 
tiven Chirurgie und der Geburtshülfe, sowie hoffentlich die gerichtsärztlichen Functionen 
nur den patentirten Aerzten gestattet sein sollen. 

Die Aerzte Basellands hatten sich der undankbaren Aufgabe unterzogen, auch öffent¬ 
lich die Gefahren der Freigebung klar zu legen; die Folgen sind nicht ausgeblieben: an 
Verdächtigungen und persönlichen Beschimpfungen hat es nicht gefehlt. Mögen sich 
unsere Collegen mit dem Bewusstsein trösten, in schwieriger Lage das Richtige gewollt 
und, unbeirrt durch persönliche Kränkung, auch gethan zu haben. A. Baader . 

Bern. Freiwilliger &ranken¥erein in Burgdorf. Die beständige Zunahme der 
Arbeiterbevölkerung hat in Burgdorf je länger je mehr das Bedürfniss fühlbar gemacht, 
für die armen Kranken besser zu sorgen, als es von Seite der Behörden allein geschieht, 
besonders da die Arbeitgeber sich der Arbeiter meist nicht in dem Maasse annehmen, wie 
es an einigen andern Orten der Fall ist. 

Der Initiative des kürzlich verstorbenen Pfarrers Heuer ist es zu verdanken, dass naph 


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länger dauernden Vorbereitungen im letzten Herbst endlich der freiwillige Krankenverein 
sich constituiren und mit Anfang Januar seine Thätigkeit beginnen konnte. Er zählt 275 
Mitglieder, welche jährlich Fr. 4 bezahlen. Diese Beiträge würden ihm natürlich nicht 
genügen, wenn ihm nicht Geschenke zufliessen würden, die vorwiegend in Wäsche, Klei- 
dungs- und Bettstücken bestehen. Diese werden in einem unter der Aufsicht des C&a- 
siers stehenden Magazin aufbewahrt. — Die Stadt ist in 6 Bezirke eingetheilt, für die je 
ein Specialcomitä von einem männlichen und 3-4 weiblichen Mitgliedern sorgt Alle 6 
männlichen Mitglieder zusammen bilden mit einem siebenten, dem schon genannten Caa- 
sier, den Vorstand. Die Hauptthätigkeit fällt den Frauen der Specialcomitds zu; sie 
sehen nach, wo und in welcher Weise Unterstützung noththut. Dieselbe besteht haupt¬ 
sächlich io geeigneten Nahrungsmitteln , welche meist direct von Vereinsmitgliedern ge¬ 
liefert werden, sowie in nothwendigen Kleidungs- und Bettstücken u. s. w., die aus dem 
oben erwähnten Magazin leih- oder schenk weise bezogen werden. — Der Verein hat 
eine mit den örtlichen Verhältnissen vertraute Diaconissin, welche sich seit Jahren im 
hiesigen Krankenhause bewährt hat und in demselben auch fernerhin wohnt, als Stadt¬ 
pflegerin angestellt. Basel,*) wo vier Diaconissen in dieser Eigenschaft angestellt sind, 
hat uns als Vorbild gedient. Die Schwester hilft solche Kranke, welche von ihren An¬ 
gehörigen nicht genügend gepflegt werden können, besorgen und steht ihnen mit Rath 
und That bei. Die Stelle einer Stadtpflegerin hat sich als ein um so nothwendigeres 
Institut erwiesen, als bei der seit Neujahr 1880 bestehenden Einrichtung eines Armen¬ 
arztes — in frühem Jahren waren es jeweilen zwei, zwischen denen die Kranken die 
Wahl hatten, und ein Stellvertreter — die ärztliche Behandlung nicht immer ausreicht 
— Möge der neue Verein dem hiesigen Orte und dessen immer wachsender Arbeiterbe¬ 
völkerung reichen Segen bringen ! 

Zürich. Med. Dr. Albert Volkart von Zürich, pract. Arzt in Hombrechtikon am 
Zürichsee, geb. 1834, gestorben December 1880, besuchte die Unterrichtsanstalten in 
Zürich und zeichnete sich stets durch Fleiss und grosse Fassungskraft aus. Als die 
Wahl seiner künftigen Lebensstellung an ihn heran trat, hätte er sich lieber für das Bau¬ 
fach entschieden, wenn nicht seine Eltern auf dem 8tudium der Medicin bestanden hätten, 
das er dann auch mit vollem Eifer ergriff. In der Mitte seiner Studienjahre machte er 
einen schweren Abdominaltyphus durch, dem eine langsame Reconvalescenz folgte, und 
in dieser Zeit äusserte er öfter etwelche Abneigung gegen sein ergriffenes Studium. 
Lehrer und Freunde munterten ihn wieder auf und nach gemachtem Examen practicirte 
er in Giesker’ s orthopädischer Anstalt, bei Prof. Homer und Dr. Angst Dann folgte die 
wissenschaftliche Reise nach Berlin, Prag, Wien und Paris und schliesslich liess er sich 
als pract. Arzt in Hombrechtikon nieder. 

Durch die völlige Hingabe, die allein seinem Berufe galt, durch den menschenfreund¬ 
lichen Verkehr, den er der Bevölkerung voll und ganz widmete, erwarb er sich eine um¬ 
fangreiche Praxis, die ihm aber viel Anstrengung und Arbeit brachte. Er machte eine 
acute Polyarthritis und später eine langwierige Infection durch Leichengift durch und 
namentlich letztere Krankheit beängstigte ihn über ein Jahr lang. So treu er in berufli¬ 
chen Dingen war, ebenso treu hielt er sich an seine Collegen, und es musste jedenfalls 
ein gewichtiger Grund vorhanden sein, wenn er an den cantonalen oder seinen engern 
collegialen Vereinigungen zu fehlen gezwungen wurde. Um’s Jahr 1876/77 wurde der 
sonst stets heitere College zeitweise ernster gestimmt und stellten sich psychische Stö¬ 
rungen ein, von denen er nach einjährigem Aufenthalte in Königsfelden sich auffallend 
erholte, so dass er wieder seiner Praxis obliegen konnte. Aber schon nach einem Jahre 
kamen Recidive, die seine Aufnahme in’s Burghölzli nöthig machten, wo er unter den 
Symptomen der progressiven Paralyse fortlebte und am 21. December 1880 von seinen 
Leiden erlöst wurde. 

Die Obduction zeigte neben der Entartung der Paralyse noch einen apfelgrossen 
sarcomatösen Tumor an der fossa Sylvii mit umfangreicher Druckatrophie der umgeben¬ 
den Hirnmasse. 

Er ruhe in Frieden, der liebe Studiengenosse, der treue und dienstfertige College, 
der liebende Gatte und der sorgende Vater. Sigg. 

*) Wir machen solche Vereine auch auf die sehr nützlichen Krankenmobilienmagazine 
auftnerksam, wie sie in Zürich, Basel, Winterthur etc. eingerichtet sind. Redaat. 


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Zag. An die geehrten Herren Collegen ! Wie wir dem „Grütlianer“ entnehmen, 
beschäftigen sich die Sectionen des Grütlivereins gegenwärtig mit der Lösung verschie¬ 
dener Fragen ans dem Gebiete der Hygieine. Das Discussionscomitö genannter Gesell¬ 
schaft hat den etwas kühnen Entschluss gefasst, den Mitgliedern folgendes Thema zur 
Bearbeitung vorzulegen: 

Ist eine gesundheitliche Abnahme im schweizerischen Volke 
wirklich vorhanden? 

a) Welches sind die Aufgaben des 8taates und der Einzelnen? 

b) Welches sind überhaupt die Mittel, um bei unserm Volke mehr Interesse für die 
Gesundheitspflege zu erwecken? 

Wenn auch eine Beantwortung dieser Fragen für viele Sectionen grosse Schwierig¬ 
keiten bieten wird, so verdient doch der Entschluss des Vereinsvorstandes — das In¬ 
teresse für die Gesundheitspflege unter den Arbeiterclassen zu fördern — die volle An¬ 
erkennung der Aerzte. 

Unterstützen wir das Vorgehen des Vereins durch Zusendung von populären 
Schriften aus dem Gebiete der Hygieine an das D i s cus sio ns co m i 16 
in Arbon. 

Wenn unter den Arbeiterkreisen da und dort gegen den legitimen Arzt eine weniger 
günstige Stimmung berrsoht, als gegen den Curpfuscher; wenn speciell der Grütliverein 
in medicinisch-polizeilichen Bestrebungen von den Ansichten der grossen Mehrzahl der 
Schweizerärzte abweicht, so tragen gerade diese selbst die Schuld an diesen bedauerns- 
werthen Thatsachen. Treten wir doch diesen Arbeiterkreisen etwas näher I Wenn uns 
die Zeit nicht mangelt, an politischen Versammlungen Theil zu nehmen, uns in der Presse 
für alle socialen Fragen zu interessiren , so sollte uns anderseits die Gelegenheit nicht 
fehlen, zu einem populär-medicinischen Vortrag an einer Arbeiterversammlung , zu einer 
kleinen Skizze in ein Arbeiterblatt, zur Bekämpfung des Vorurtheiles, das überall unsern 
Bestrebungen, namentlich in der Handhabung der öffentlichen Gesundheitspflege, entgegen¬ 
tritt. H .nn. 


W ochenbericht. 

Schweiz. 

Doetor* Dissertationen im Jahre 1880. 

Basel« 1) Johannes Käser (Waadt), Ueber Carcinoma m am maß. 

2) Wilhelm Matzinger (Basel), Leber Colpoperineoplastik. 

8) Jules Turin (Valleyres, Waadt), Ueber die Temperaturverhältnisse bei der Menin¬ 
gitis tuberculosa der Kinder. 

4) Alfred Gönner (Basel), Ueber Handgelenkresectionen. 

6) Mich. A . Issigonis (Smyrna), Ueber die Theorie des Sehens und die Sinne bei Ari¬ 
stoteles. 

6) Wilhelm vonSpeyr, Ueber alcoholische Geisteskrankheiten (noch nicht gedruckt). 

Bern. 1) Barbara Tscherbatsche/f (Pultawa, Russland), Wirkung des galvanischen 
Stromes auf das normale Auge. 

2) Marie Ekurina (St. Petersburg), Ueber die Ursache der sauren Reaction der Or¬ 
gane nach dem Tode. 

8) Alexander Schiele (Zürich), Ueber Glycogen in normalen und pathol. Epithelien. 

4) Valerie Schiele (Zürich), Ueber die Dicke der Arterien Wandungen. 

5) Nadira Sieber (St. Petersburg), Ueber die chemische Zusammensetzung der 
Schimmelpilze. 

6) Carl Sommer (Aarau), Ueber die Körpertemperatur der Neugeborenen. 

7) Alice Ker (Deskford, Schottland), Ueber den antagonistischen Einfluss von Haut¬ 
reizen auf die Sensibilität symmetrischer Körperstellen. 

8) Cesar Roux (Ste. Croiz), Beiträge zur Kenntniss der Aftermuskulatur des Menschen. 

9) Adolf Lutz (Bern), Ueber die therapeutische Wirkung der Quebrachopräparate. 

10) H. Bridges Adams (London), Hesmoglobinausscheidung in der Niere. 

11) Ausderau (Thurgau), Die moderne Hernien-Radicaloperation unter antiseptischen 
Cautelen. 


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12) Eduard Peiri (Russland), Beitrag zur Lehre vou den Hemmungsapparaten des 
Herzens. 

13) Carl Arnold (Menzingcn, Zug), Beiträge zur vergleichenden Physiologie. 

14) Marie Oerlel (Odessa), Beitrag zur Aetiologie der fungösen Gelenkentzündung. 

15) Golll. Feurer (8t. Gallen), Ueber Spondylitis. 

16) Heinrich Genharl (Sempach), Die Oxydation des Aethylbeuzols im Thierkörper. 

17) Adelberl Russi (Solothurn), Die Umschnürung des N. opticus und ihre Folgen für 
das Auge. 

Genf. Keine pro 1880. 

Zürich» 1) Adeline Whilney (Walthann, U. 8.), Pyocephalus. 

2) Hans Slahel (Turbenthal, Zürich), Die Hämophilie in Wald. 

3) Carl Mallhey (Davenport, U. S.), Temperaturbeobachtungen in der Schwangerschaft. 

4) Mary Smith (Westfielt, U. 8.), Beitrag zur Lehre der fostalen Rachitis. 

5) Otto Roth (Mühlethal, Aargau), Lymphangioms cysticum retroperitoneale. 

6) Karl Ho/sleUer (Entlebuch, Luzern), Zur Casuistik der Ponstumoren. 

7) Bohuslava Keck (Prag), Ueber Strumabronchotomien. 

8) Wilhelm Rösli (Seen, Zürich), Complicationen im Abdominaltyphus im Zürcher Can- 
tousspital 1874—1878. 

9) Heinrich Pestalozzi (Zürich), Grenzen in der Anwendung der Lithotripsie. 

10) Walther Isler (Wohlen, Aargau), Studien über die Abhängigkeit des Strabismus 
von der Refraction. 

Neaenbnrg» Die Pocken fahren fort die nöthigen Illustrationen zur Nützlichkeit 
eines eidgenössischen Seuchengesetzes zu liefern. In Chauxdefonds sind nun vom 
10. October 1880 bis 5. Februar 1881, also in 17 Wochen oder nicht ganz 4 Monaten, 
au den Pocken 59 Personen gestorben = 2,6%o der Bevölkerung. Eine solche Blattern¬ 
mortalität im tiefsten Frieden, während nicht ganz Europa von einer Epidemie überfluthet 
ist, setzt schon eine starke Dosis jener libertd individuelle voraus, welche eine vernünf¬ 
tige Seuchenpolizei illusorisch macht. Bei einem solchen Feuer fehlt es nicht an Funken, 
und natürlich fliegen diese nicht nur in der Heimath des ständeräthlichen Minoritätsgut¬ 
achtens herum, sondern sie fallen auch auf das Dach des Nachbars. 

So hat Biel mehrfache Einschleppungen der Seuche von Chauxdefonds aus zu er¬ 
leiden gehabt (in der letzten Januarwoche 1 Todesfall); ferner sind am 31. Januar in 
Bern Blatternfälle entdeckt worden , die ohne Zweifel direct oder indirect ebenfalls 
ihren Ursprung in Chauxdefonds haben. Am gleichen 31. Januar ist dann in Langen¬ 
thal ein hannoverscher Handwerksbursche mit Blattern in’s Absonderungshaus ver¬ 
bracht worden, hat sich aber durch rasche Flucht der nähern Anamnese wieder entzogen, 
so dass dunkel bleibt, ob auch dieser Fall auf den Canton Neuenburg zurückzuführen ist; 
der Ausreisser wird inzwischen wohl, durch irgend einen cantonalen Grenzpfahl vor der 
seuchenpolizeilichen Bärentatze geschützt, sich mit Erfolg der ambulanten Weiterbehand¬ 
lung seines Exanthems widmen.*) X. 

Solothurn. Dr. August Kottmann wurde als Arzt des Bürgerspitals in Solothurn 
von der Gemeinde einstimmig mit Gehaltserhöhung bestätigt 

Ausland. 

England. J. R. Wolfe: Transplantation der Cornea. (The Brit. med. Journ. 
Nr. 1037, 1880.) Wolfe stellte der Section für Augenheilkunde (48. Congr. d. Brit med. 
A8soc.) einen Fall vor, wo er vor 10 Monaten ein Stück Cornea von einem frisch enu- 
cleirten menschlichen Auge transplantirt hatte, das Corneastück war vollkommen einge¬ 
heilt und hatte grössere Durchsichtigkeit, als er erwartet hatte. Der Patient konnte 
Finger zählen, einen Schilling von einem Sovereign und die Farben sehr gut unter¬ 
scheiden. Wolfe erklärt die Transplantations versuche durchaus nicht für hoffnungslos; die 
ganze Cornea könne nicht transplantirt werden , da für das Gelingen die Int&ctheit der 
unter ihr liegenden Gebilde Bedingung ist. Er nahm ein ovales Stück aus der Mitte 
oder etwas unter dem horizontalen Meridian mit zwei seitlichen Conjunctivallappen, welche 
die genaue Anlagerung und die Erhaltung der Vitalität ermöglichen. Der Patient war 
wegen Narbenbildung mit Staphyloma iridis nach Verbrennung operirt worden und war 

*) Soeben in St. Urban eingefangen. Red. 


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123 


das Resultat um so überraschender, als er bald nach der Einheilung seinem Erwerbe 
durch Zündholzverkauf in den Strassen wieder nachgegangen war. (Bayr. I.-Bl.) 

Frankreich« Znr Behandlung des Milzbrandes beim Menschen» Davaine , 
der berühmte französische Experimentator auf dem Gebiete der Infectionskrankheiten, be¬ 
richtet der Acadämie de Mädecine in Paris über Fälle von Milzbrand an Menschen, die 
unter Jodbehandlung günstig verlaufen sind. (Bull, de l’acad. de mdd., 1880, Nr. 30.) 
Er empfiehlt folgende Lösung: 

Jod 0,25—0,3; Jodkalium 0,5; Wasser 1000, theils zum Trinken, theils und ganz 
besonders zu Einspritzungen unter die ödematöse Haut, so viel und so oft als möglich, 
auch zu Klystieren, ferner Jodpinselungen u. s. w. 

Für die Behandlung des Milzbrandes muss man nach Davaine unterscheiden: 1) Das 
Stadium der Pustelbildung durch die erst im Schleiranetz der Haut sich findenden Bac- 
teridien; 2) die Bildung eines die Pustel mehr oder weniger weit umgebenden Oedems, 
in welchem nunmehr sich auch Bacteridien finden , die aber in’s Blut noch nicht einge¬ 
drungen sind; 3) Generalisation der Krankheit durch Eindringen der Bacteridien in’s Blut 
und die Organe. Im 1. Stadium genügt zur Heilung die Zerstörung der Pustel, im 3. ist 
jede blos örtliche Behandlung nutzlos. Im 2. Stadium aber war es , dass D . zuerst das 
Jod prüfte. Wenn er Blut von milzbrandigen Hühnern auf das 1000- oder 10,000fachc 
verdünnte und es 50—60 Minuten mit eiaer äusserst schwachen Jodlösung in Berührung 
liess, so blieben Meerschweinchen, denen er von dieser Mischung 1 —4 Tropfen ein¬ 
spritzte , am Leben, während sie die gleiche Menge nicht jodhaltigen Blutes unfehlbar 
getödtet hätte. Der Jodgehalt konnte bis auf Yieooo oder Yisooo sinken , ohne dass die 
Thiere starben; bei grösserer Verdünnung trat der Tod ein. 

Auch der frisch ausgepresste Nussblättersaft, auf welchen früher schon Nelalon hin¬ 
gewiesen, vermochte schon nach einstündiger Einwirkung auf Milzbrandblut dieses un¬ 
wirksam zu machen. (W. M. B.) 

Oesterreieh. Sonderbarer Schwärmer. Herr Karl Baiajthy , der dieser Tage 
in Miskolcz gestorben ist, hat dem Orte Balajt sein 40—50,000 fi. betragendes Vermögen 
zu Zwecken einer daselbst zu errichtenden juridischen und medicinischen Facultät hiutcr- 
lassen. Wo und was Balajt ist? Balajt ist ein kleines Dorf in der Nähe von Miskolcz. 
Der sonderbare Schwärmer sah wohl ein, dass man mit der obgenannten Summe keine 
Universität errichten könne, weshalb er denn auch anordnete, dass dieses Capital so 
lange verzinst werden soll, bis es 4—5 Millionen betragen wird. — Noch streiten sich 
Pressburg und Szegedin darum, wo die dritte Universität des Landes errichtet werden 
soll und sieh’ da, schon ist von einer vierten die Rede. (Ü. M. W.) 

Wien« Eino Migonrosootion« Billrottis Name wird in den nächsten Tagen wieder 
einmal besonders häufig genannt werden, denn abermals ist ihm ein grosser Wurf ge¬ 
lungen: In einem offenen Brief vom 4. Februar beschreibt er (Wien. Med. Wochenschr. 
Nr. 6) den Verlauf einer am 29. Januar wegen Carcinom des Pylorus von ihm ausge¬ 
führten Resection des Magens. 

Diese Operation, nicht etwa als tollkühnes Experiment am Menschen anzusehen, 
sondern physiologisch und technisch vollkommen vorbereitet, ist schon einmal (von Pean 
1879) vorgenommen worden; Pat. starb am 4. Tag; die Wahl der Operationsmethode 
und besonders des Nähmaterials (Catgut) war keine glückliche gewesen. 

B. bekam erst vorige Woche einen geeigneten Fall in die Hände, nach welchem er 
schon längere Zeit gesucht hatte. 

Eine 43jährige Frau erkrankte im letzten October ziemlich plötzlich mit den Symp¬ 
tomen des Krebses, vor Allem andauerndem Erbrechen. Die letzten 6 Wochen war 
saure Milch das Einzige, was sie wenigstens eine Zeit lang bei sich behielt, Pat. fühlte 
ihr Ende nahe. Da wurde ihr die Operation vorgeschlagen und sie willigte ein. 

Die Vorbereitung bestand in Gewöhnung an Peptonklystiere und Auswaschung des 
Magens. 

Operation: „Querincision über dem Tumor durch die dünnen Bauchdecken, etwa 
8 cm. lang. Die Geschwulst war wegen ihrer Grösse schwierig zu entwickeln; sie ergab 
sich als theils knotiges, theils infiltrirtes Carcinom des Pylorus und mehr als des untern 
Dritttheils des Magens. Lösung der Verklebungen mit dem Netz und Colon transvers. 
Vorsichtige Abtrennung des grossen und kleinen Netzes. Abbindung aller Gefässe vor 


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124 


ihrer Durchschneidung; äusserst geringer Blutverlust. Vollständige Vorlagerung des 
Tumors auf die Bauchdecken. Schnitt durch den Magen 1 cm. jenseits des infiltrirten 
Theiles, zuerst nur rückwärts, dann ebenso durch das Duodenum. Der Versuch, die 
8chnittenden an einander zu führen, zeigt die Möglichkeit der Vereinigung. 6 Nähte 
durch die Wundränder ; die Fäden werden noch nicht geknüpft, sondern nur benützt, die 
Wundränder in situ zu halten. Weiterer Schnitt durch den Magen schräg von oben und 
innen nach unten und aussen, entlang und immer 1 cm. entfernt von dem infiltrirten Theil 
der Magenwandung. — Nun zunächst Vereinigung der schrägen Magenwunde von unten 
nach oben, bis die Oeffnung nur so gross war, dass sie dem Duodenum angepasst werden 
konnte. Darauf völlige Ablösung des Tumors vom Duodenum 1 cm. jenseits der Infil¬ 
tration durch eine dem Magenschnitt parallele (einer Ovalär-Amputation ähnliche) Schnitt¬ 
führung. Genaue Einfügung des Duodenum in die übrig gelassene Magenöffnung. Im 
Ganzen einige 50 Nähte mit Czerny ’s carbolis. Seide. Reinigung mit 2°/ 0 Carbollösung. 
Revision der ganzen Naht; Anlegung einiger Hülfsnähte an schwach erscheinenden Stellen. 
Reposition in die Bauchhöhle. Schluss der Bauchwunde. Verband.* 1 

Operationsdauer incl. Narcose l 1 /, Stunde. Nachbehandlung: Per os in den ersten 
24 Stunden nur Eis, von da an saure Milch esslöffelweise, bis zuletzt 1 Liter im Tag 
(Bouillon mochte die Pat. nicht). Die Pepton- und Pankreasklystiere erzeugen Flatulenz 
und werden fortgelassen, dagegen sind Injectionen von Wein angenehm. 

Ausser mässigem Fieber ist in den 6 Tagen bis zur Abfassung des Briefes nicht die 
geringste Reaction eingetreten, und wenn auch Störungen, wie Abscesse um die Narbe, 
noch nachträglich sich zeigen können, so ist doch die Durchführbarkeit der Operation 
vollkommen bewiesen. Am 12. war die Bauchwunde vollkommen geheilt und wurden 
schon Ende voriger Woche alle Nähte entfernt. Die Patientin geniesst Milch, sowie etwas 
Wein; ihre einzigen Beschwerden liegen in dem etwas trägen Stuhlgange. 

Eine detaillirte Beschreibung des Falles behält Bich B . für später vor. 

Das excidirte Stück beträgt an der grossen Curvatur (horribile dictu!) 14 cm.; durch 
den Pylorus bringt man mit Mühe einen Federkiel. M— y. 

Stand der Iufectione-Krankheiten In Basel. 

Vom 26. Januar bis 10. Februar 1881. 

(Die Zahlen in Klammern geben jeweilen die Anzahl der in früheren halben Monaten 

aDgemeldeten Fälle an.) 

Von Varicellen sind 13 neue Fälle angezeigt zerstreut Über die ganze Stadt 
(26, 16, 12). 

Scharlach 3 Erkrankungen in Kleinbasel und auf dem Südostplateau (2, 1, 2, 5). 

Von Typhus, der im vorigen halben Monat plötzlich eine Zunahme von 31 auf 
126 Erkrankungen gezeigt hatte, sind 113 neue Fälle angemeldet worden (darunter 2 von 
Herrn Dr. Kunz in Liestal, 1 von Herrn Dr. Christen in Olten) (18, 20, 31, 126), welche 
sich folgendermaassen vertheilen : 

26. Nov.-lO. Dec. 11.-25. Dec. 26.Dec.-10. Jan. 11,-25. Jan. 26. Jan.-lO. Feb. 


Nordwestplateau 

5 

6 

12 

33 

36 

Birsigthal 

3 

4 

10 

28 

27 

8tidostplateau 

4 

3 

2 

31 

16 

Birsthal 

— 

— 

1 

2 

3 

Kleinbasel 

5 

5 

5 

31 

31 


Die Zahl der neuen Erkrankungen ist also im wesentlichen gleich derjenigen des 
vorigen Berichtes mit Ausnahme des Südostplateau, das einen merklichen Nachlass auf¬ 
weist. Es stammt aber überhaupt der grösste Theil der Anzeigen noch aus dem Ja¬ 
nuar, so dass ein weiterer Rückgang auch in den übrigen Districten in Aussicht steht. 

Diphtherie und Croup tritt fortwährend verbreitet auf; angemeldet sind 41 neue 
Fälle (20, 24, 32) aus allen Stadttheilen, die meisten aus Kleinbasel 17 und vom Nord¬ 
westplateau 13. 

Pertussis 28 neue Anmeldungen (33, 14, 29), wovon 11 aus Kleinbasel. 

Erysipelas 14 Fälle (8, 12), die Hälfte vom Nordwestplateau. 

Kein Puerperalfieber. 


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125 


Bibliographisches. 

52) Billroth , Handbuch der Erauenkrankh. 3. Abschnitt. Fritsch , Die Lageveränderungen 
der Gebärmutter. 266 8. Stuttgart, Verlag von F. Enke. 

53) Bouchardy Ueber die Methode in der Therapeutik. Uebersetzt . von Grosser. 46 S. 
Berlin, Eugen Grosser. 

54) Pestalozzis Ueber die Grenzen in der Anwendung der Lithotripsie. Inaug.-Dissert., 
vorgelegt der h. med. Facultät. 93 8. Zürich, Druck von Schabelitz. 

55) Clemens , Ueber die Heilwirkungen der Electricität und deren erfolgreiche metho¬ 
dische Anwendung in verschiedenen Krankheiten. 752 8. Frankfurt, Verlag von 
Auffarth. 

56) Wemich) Dr. A., Grundriss der Desinfectionslehre. 15 Illustr. Wien, 1880. Urban 
& Schwarzenberg. 258 8. 

57) Wille , Prof. Dr. L., Der Spiritismus der Gegenwart. 34 8. Sammlung öffentlicher 
Vorträge, gehalten in der Schweiz. VI, 3. Basel, Schweighauserische Verlags¬ 
buchhandlung. 

58) Mendel , Dr. F., Die progressive Paralyse der Irren. 12 Tafeln. Berlin, 1880. A. 
Hirschwald. 352 S. 

59) Boursier , Dr. A ., De Intervention chirurgicale dans les tumeurs du corps thyroide. 
Paris, G. Masson, 1880. 210 S 

60) Richarz, Dr. Fr., Ueber Zeugung und Vererbung. Bonn, E. Strauss, 1880. 46 S. 

61) Volkmann'% Sammlung klinischer Vorträge. Leipzig, Breitkopf & Härtel. 

Nr. 171, P. 7. Möbius , Ueber die heredit. Nervenkrankh. 


Briefkasten. 


Herrn Dr. Muminger , Olten: Wir geben hiemit an dieser Stelle die Erklärung ab, dass die mit 
M. Unterzeichnete Anfrage betr. „Solothurner Aerzteverein“ nicht von Ihnen eingesandt ist Freundl. 
Grüsse. — Herrn Dr. Nauwerk , Zürich: Sie können event. bei der ersten Correctur das Nöthige selbst 
einschalten. Freundl. Grass. — Herrn Dr. Fankhauser , Burgdorf; Prof. Pflüger , Bern; Dr. C. Arnold, 
Zug; Dr. Irminger , Küssnaoht; Prof. Osc. Wgss, Zürich; Oberst Ziegler , eidg. Oberfeldarzt, Bern; Dr. 
Saab : Mit bestem Dank erhalten. — Herrn Verlagsbuchhändler Enke , Stuttgart: Recht gerne, in 
nächster Nummer. — Herrn Dr. Bühler in A. : Wird per Brief beantwortet; Ihr Freund 9 Crass u be¬ 
findet sich dermalen in Corsica. 


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(introduit des Ues de Fidji). 

Voyez: 

'Sur la composition chimique: A. W. Gerrard, F. C. S., dans „Pharm. J. & Trans." 
1880 p. 849 (Nr. 513). 

Sur l’origine botanique: E. M. Holmes, F. L. S. dans „Pharm. J. & Trans." 1880 
p. 889 (Nr. 515). 

Sur l’action m6dlcale: Sydney Ringer, M. D. et W. Murrell, M. D., dans le journal 
„ Lance t“ du 6 Mars 1880, aussi „Laneet“ du 20 Mars et 29 Mai etc. 

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Das cellulosefreie, staubfeine Mehl ist 
bereits gar (ohne Kochen verwendbar), wohl¬ 
schmeckend, aufnahmefähiger, weil an Stelle 
eines Theiles Stärkemehl Dextrin getreten 
ist. Die vorschriftgemäss daraus bereitete, 
weni^ schleimige , aesshalb von Gesunden 
und Kranken bevorzugte Suppe enthält ca. 
das vierfache an Gesammtnährstoflfen, weil 
letztere durch Druck unter höherer Tem¬ 
peratur in eine lösliche Modification über¬ 
geführt wurden. 

Nach der amtlichen Analyse der könig¬ 
lichen chemischen Centralstelle für öffentl. 
Gesundheitspflege in Dresden enthält die 
lösliche Leguminose 24,3% Albuminate, ist 
nahezu wasserfrei; somit nmlO—12% werth- 
voller, an und für sich aber billiger. 

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M. 1. 25, 2. 25. 

Ausser bei einer grösseren Zahl Aerzten 
fand Liebe’s Leg. Aufnahme in der königl. 
Kreis-Irrenanstalt Erlangen, der medicin. Klinik 
der Universität Greifswaid, der städl Poliklinik 
Chemnitz etc. [12140] 

Prospecte und Muster veraendo grätig. 

Dresden. j. Paul Liebe. 














128 


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nnd kräftige Ernährung gewünscht wird, fn Jedem Alter. 

Das Pepton ist das beste Nahrungsmittel in der Fieberdiät 

Das Pepton ist das kräftigste Nahrungsmittel, welches zugleich nicht allein leicht ver¬ 
daulich ist, sondern selbstverständlich gar keiner Verdauung mehr bedarf nnd direkt 
Tom Blnte anfgenommen wird« 

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welchen Ernährung per Klysma erfordert oder gewünscht wird. 

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gries, Blasensteio-, Podagra-, Harnruhr- und _ 
Ei weissstoflT-Leiden. « 

HAUTERIVE. — Nieren-, Blasen-, Harngries-, 2 
Harnruhr-, Podagra-, Blasenstein-und Ei- ~ 
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• «SS« 35 


Verlag von F. C. W. Vogel i n Lei pzig. 

Soeben erschien: 

Die Stellung 

des 

Arztes vor Gericht 

in der Frage nach der 

Znreehnunigsfähigkeit 

von 

Or. Hans von Wyss 

in Zftrich. 

Preis 1 Mark. [H-8748] 


Schweighauserische BuchdruckereL — B. Schwabe, Verlagsbuchhandlung in Basel. 


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(»ESPOM)ENZ-BLATT 


und 15 . jedes 
«scheint eine Nr. 
V|t —‘i Bogen stark; 

Hü des Jahrgangs 

Titel u.Inha\t8ver*eichnias. 


für 

schweizer Aerzte. 

Herausgegeben von 


Preis des Jahrgangs 
Fr. 10. — für die Schweiz; 
der Inserate 

35 Cts. die zweisp. Zeile. 
Die Postbnreanx nehmen 
Bestellungen entgegen. 


Praf* Alb. Burekhardt-Merian nnd . 

in Basel. 


Dr, A. Baader 

in Basel. 


N” 5. XI. Jahrg. 1881. 1. März. 


Inhalt: 1) Original arbeiten: Dr. F. Schüler: Ueber die sanitarischen Gefahren der Bbiglasnren. — Dr. Wysa: Ein 
snabmnoös«« Klystier. — 2) Vereinsberichte: Ordentliche Wintenrersammlnng der medicinisch-cbirargischen Gesellschaft dee 
Cantons Rem. — 3) Referate und Kritiken: Prof. Theodor L. Vf. v+Btschoff: Das Hirngewicbt des Menschen. — Prof. Dr. 
Jfajr Schüller: Experimentelle nnd histologische Untersuchungen über die Entstehung nnd Ursachen der scrophnlösen nnd tn- 
berealösen Gelenkleiden. — Btrgmeister; Die Verletzungen des Auges nnd seiner Adnexe. — Dr. Paul Qlatx: L’Hydrothdrapie 
Mtx i btins de Champel (prbs Geneve). — Prof. S. Samuel: Compendinm der allgemeinen Pathologie. — N. IAeberkühn: Ueber die 
Keimblätter der Säugethiere. — Dr. Max Bunge: Die aenten Infectionskrankheiten in ätiologischer Beziehung zur Schwanger¬ 
schaftsunterbrechung. — 4) Can tonale Correspondenzen: Basel, Zürich. — 5) Wochenbericht. — 6) Bibliogra¬ 
phisches. — 7) Briefkasten. 


Original-Arbeiten. 

Ueber die sanitarischen Gefahren der Bleiglasuren. 

Von Dr. F. Schüler, eidgenössischer Fabrikinspector .in Mollis. 

Die schweizerische Thonwaarenindustrie hat bekanntlich keine 
grosse Bedeutung in Vergleichung mit den andern bei uns cultivirten Industrie¬ 
zweigen. Insbesondere die Zahl derjenigen Etablissemente, welche Glasuren 
an wenden, ist eine verschwindend kleine, wenn nur die eigentlichen Fabriken in’s 
Auge gefasst werden; berücksichtigt man aber auch die kleinern Töpfereien, 
Ofnereien etc. etc., so ergibt sich mindestens eine ziemlich hohe Zahl von Werk¬ 
stätten , mag auch die der darin beschäftigten Personen eine nicht sehr erheb¬ 
liche sein. 

Es ist jedoch zu hoffen, dass in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten diesen 
Industriezweigen ein grösserer Aufschwung bevorsteht. Bereits hat die Heimber¬ 
ger Majolicafabrikation in kürzester Frist in allen Ländern Absatz und Anerken¬ 
nung gefunden und scheint auf guten Wegen zu sein, um sich allmälig zu einer 
lohnenden Kunstindustrie zu gestalten. Unsere Ofenfabrikanten haben sich in den 
letzten Jahren mit Erfolg bemüht, künstlerisch geschmückte Producte zu liefern, 
welche den Vergleich mit denen aushalten, welche in frühem Jahrhunderten den 
Ruf und Glanz der schweizerischen Kunstofnerei begründet. Und so dürfte es 
unserer Fictilindustrie wohl allmälig gelingen, sich neuer Gebiete zu bemächtigen, 
auf denen sie sich bisher nicht versucht hat und vor der Concurrenz des Aus¬ 
landes scheu zurückgewichen ist Unsere gewerblichen Unterrichtsanstalten , die 
immer mehr den speciellen Bedürfnissen der einzelnen Industrien sich anpassen, 
werden ohne Zweifel ein wichtiges Förderungsmittel für die Entstehung neuer 
Unternehmungen auch in dieser Richtung bilden. 

Aber auch dann, wenn dieser Zweig gewerblicher Thätigkeit keine grössere 

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Zahl von Arbeitern beschäftigen sollte, als bis anhin, so ist seine gesundheit¬ 
liche Bedeutung doch so gross, dass es nicht überflüssig ist, die Aufmerk¬ 
samkeit der Aerzte und Gesundheitsbeamten auf die Gefährden zu lenken , denen 
diese wenig zahlreichen Arbeiter bei ihrem Betrieb ausgesetzt sind, und sieb die 
Frage vorzulegen, wie dieselben beseitigt oder doch gemildert und in engere 
Grenzen eingeschränkt werden können. Bei diesem Bemühen tritt jedem Beobach¬ 
ter zuerst der unheilvolle Einfluss vor Augen, welchen die Verwendung des 
Bleies bei der Herstellung der Glasuren ausübt. 

Leider stehen mir keine Zahlen zu Gebote, um die Frequenz der hiedurch 
hcrbeigeüührten Erkrankungen in unserm Lande festzustellen. Trotz mehrfacher 
Anfragen in schweizerischen Spitälern waren keine nähern Angaben über die Zahl 
der bleikranken Töpfer zu erhalten. Selbst aus den Fabriken wird man wohl erst 
dann genauere Angaben bekommen, wenn einmal das Haftpflichtgesetz die Ausdeh¬ 
nung der Haftbarkeit auch auf die bei industriellen Betrieben erzeugten Bleikrank¬ 
heiten statuirt haben wird. Wenn also von ausländischen Schriftstellern , z. B. 
//irf, die relative Häufigkeit der Bleivergiftung unter den Töpfern auf */• aller 
innerlichen Erkrankungen derselben angegeben worden, so weiss ich nicht, ob dies 
auch für unser Land gilt Thatsache ist, dass Bleileidcn der Töpfer nicht selten 
zu meiner Kenntniss gelangten, selbst in Geschäften, wo anfänglich Alle — Ar¬ 
beiter wie Fabrikant — ganz obenbin die Behauptung aufgestellt, dass dies in 
ihrem Etablissement nicht vorkomme, wobei sich jedoch ein ganz enormer Unter¬ 
schied je nach den verschiedenen Etablissementen — auch solchen, welche die 
gleichen Waaren herstellen — ergab. 

Diese letztere Wahrnehmung ist es vor Allem aus, die mich veranlasst, die 
Frage der Bleiglasuren vor meinen ärztlichen Collegen sowohl, als vor den Ge¬ 
sundheitsbehörden und den interessirten Industriellen und Arbeitern zu einlässlicher 
Besprechung zu bringen. 

Die Thonwaaren erhalten zu einem grossen Theil einen glasartigen Ueberzug, 
theils um ihnen ein besseres Aussehen zu gewähren, theils um sie undurchlässig 
für Flüssigkeiten zu machen. Die Zusammensetzung der Glasuren ist eine ausser¬ 
ordentlich verschiedenartige. Bald sind es Alcaliglasuren, wesentlich aus kiesel¬ 
sauren Alcalien bestehend; bald Alcalierdglasuren, metalloxydfreie, aus Kieselsäure, 
Thonerde, Kalkerde und Alcalien dargestellte; ferner Bleioxydglasuren, nebst 
kieselsaurem Bleioxyd, allerlei andere Zusätze, namentlich oft auch Borsäure ent¬ 
haltend; endlich Emailglasuren, ebenfalls hauptsächlich Kieselsäure, Bleioxyd und 
Alcali enthaltend, aber durch Zinnoxyd, Knochenasche oder andere Zusätze un¬ 
durchsichtig gemacht und weiss oder sonstwie gefärbt 

Je nach der Beschaffenheit des verwendeten Thones und der Art der herzu¬ 
stellenden Waaren muss sich die Auswahl der Glasur richten. Für plastische 
Massen, die einen hohen Hitzegrad erfordern oder ertragen, kann eine schwer 
schmelzbare Glasur verwendet werden, während solche, die kein starkes Feuer 
ertragen, auch leichtflüssige Glasuren bekommen müssen. Werden letztere gleich¬ 
zeitig mit dem Brennen der Thonmasse aufgeschmolzen, so sind Flecke, Streifen 
u. s. f. die Folgen des Abfliessens der leicht schmelzbaren Glasur von einer hohe 


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Temperaturen erfordernden Thonwaare. Liefert die plastische Masse an und für 
sich beim Brennen eine Oberfläche von unschönem Aussehen, so wird ein Ver¬ 
decken derselben durch Emailglasuren erforderlich, während hinwieder bemalte 
Gefässe eine durchsichtige Glasur erheischen, deren Schmelzbarkeit eine so leichte 
sein muss, dass die Farben nicht unter den allzu hohen Hitzegraden leiden. 

Der Thonwaarenfabrikant sieht somit den Weg genau vorgezeichnet, den er 
bei der Wahl seiner Glasur einzuschlagen hat, und es ist nicht blosse Willkür 
desselben, wenn er in unserm Land fast durchgängig zur Anwendung 
von bleihaltigen Glasuren gelangt ist. 

In der Schweiz werden in Folge des Mangels an passendem Rohmaterial keine 
Porzellane, überhaupt wenig feinere Thonwaaren fabricirt. Die Fabrikation von 
feiner Fayence wird nur in sehr wenigen Etablissementen betrieben; ebenso bat 
die Herstellung von Majoliken noch keine grosse Ausdehnung erlangt Ebenfalls 
klein ist die Zahl der Geschäfte, welche sich mit der Verfertigung der bessern 
Sorten von Kochgeschirren befassen, während die Herstellung der geringen Thon- 
gefässe zwar eine sehr grosse Zahl kleiner Etablissemente, aber wenig eigentliche 
Fabriken beschäftigt. Dasselbe gilt für die Fabrikation von Kachelofen, die an 
einzelnen Orten, namentlich der Ostschweiz, sehr schwunghaft betrieben wird, aber 
nur in wenigen grossem Geschäften, die sich vorzugsweise mit der Anfertigung 
feinerer Waare, in neuester Zeit auch von gemalten, selbst mit plastischem Schmuck 
versehenen Ofen befassen. Immer grössere Ausdehnung hat in den letzten Jabr- 
zehnden die Fabrikation von glasirten Röhren und Ziegeln, Bodenplatten etc, ge¬ 
wonnen. 

Aus diesen Angaben geht hervor, dass unsere Fictilindustrie vorwiegend ge¬ 
ringe plastische Massen benützt und meist nur Waaren liefert, welche auch billig 
hergestellt werden müssen. Die verwendeten Thone sind meist nicht sehr feuer¬ 
beständiger Natur und erfordern demgemäss auch keine schwerflüssigen Glasuren. 
Ein grosser Theil dieser Waaren wird in Einem Feuer fertig gemacht und es 
muss auch diesem Umstand in der Application der Glasuren Rechnung getragen 
werden. 

Diese Gründe bedingen die Auswahl der Glasuren, die, wie schon erwähnt, 
fast ohne Ausnahme bleihaltige sind. 

Zu ihrer Herstellung werden bald nur sehr wenige Rohmaterialien verwendet, 
z. B. Schwefelbleierz mit feinem Sand, bald die complicirtesten Zusammensetzungen 
aus Blei und Zinnasche oder Mennig, aus Quarz, Feldspath, Kochsalz, Borax etc. 
etc. Die meisten werden mehr oder weniger geheim gehalten als werthvolle Re¬ 
sultate aus den Erfahrungen vieler Decennien und Generationen. 

Die Bleipräparate sind derjenige Bestandtheil, der eine alles andere weit über¬ 
wiegende sanitarische Bedeutung für sich in Anspruch nimmt Am häufigsten 
werden Zinn- und Bleioxyde (Bleiasche) in dem Etablissement selbst dargestellt, 
namentlich wo es sich um schöne reine Glasur handelt, wie z. B. bei den grossen 
Platten der Ofenkachelfabrikation. Man ist sicherer, auf diese Weise ein reines 
Product zu erhalten, d. h. ohne Verunreinigung mit andern Metalloxyden, welche 
die Reinheit und Gleichmässigkeit der Farbe beeinträchtigen würden. Zu diesem 


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Behuf wird metallisches Blei in einem besondern Ofen erhitzt und in Oxyd über- 
geführt, und zwar zum Theil in Ofen mit sehr mangelhaften Einrichtungen, welche 
den Rückstau von mit Bleidämpfen beladener Ofenluft ermöglichen und beim Ent¬ 
leeren der Ofen vom Bleioxyd die Verunreinigung der Luft mit bleihaltigem Staub 
in hohem Maass begünstigen. Hiezu kommt noch das nachfolgende Mahlen und 
Sieben des Bleioxydes, das nicht immer mit gehöriger Vorsicht und in 
geschlossenen Apparaten vorgenommen wird. 

Die verschiedenen Bleipräparate sowie die andern Ingredienzien der Glasur 
müssen nun sehr innig gemengt werden. Dies geschieht auf Mühlen, wo sie in 
der Regel unter Wasserzusatz fein gemahlen werden. Nur eine gröbere Mengung 
findet bei einem Theil der Glasuren statt, deren Bestandtheile schon vor der 
Application auf die zu glasirenden Gegenstände zusammengeschmolzen 
werden sollen. Solche „gefrittete“, wie der Kunstausdruck lautet, oder 
„gekuchte*, d. h. in einen Kuchen zusammengescbmolzene Glasuren, werden 
erst dann, nachdem sie in eine harte , glasartige Masse übergeführt worden, in 
kleine Stücke zerschlagen und fein gemahlen, eine Procedur, die selbstverständlich 
viele Mühe und kräftige Apparate erfordert. 

Bei diesem Verfahren, das vorzugsweise bei der Fabrikation weisser 
Glasur, z. B. für Ofenkacheln, und in der Regel bei allen zinnhaltigen Glasuren 
eingeschlagen wird, ja für diese Fabrikate durchaus erforderlich ist, bilden 
sich Bleisilicate, in denen das Blei in sehr festgebundenem Zustand vor¬ 
handen ist. 

Das Aufträgen der Glasur erfolgt ebenfalls in sehr verschiedener Weise. 
Wo die Waaren 2 Mal in’s Feuer gelangen, da findet in der Regel nach dem ersten 
Brennen das Eintauchen in einen dünnen Brei aus Glasur und Wasser statt, oder 
dieses Gemenge wird zum Begiessen gebraucht. Auf nicht genügend mit dem Ge¬ 
menge überzogene Stellen wird dasselbe nachträglich noch mit einem Pinsel auf¬ 
getragen. Zuweilen aber folgt auf das Eintauchen noch ein Aufstauben der 
Glasur auf das noch feuchte Thonstück, theils um eine noch dickere Glasurschicht 
zu erzeugen, theils auch um einen schönem Glanz der glasirten Fläche zu erzielen. 
Wo hingegen die Waare nur Ein Mal gebrannt wird, und das feuchte Thongebilde 
Gefahr läuft, durch Eintauchen so weich zu werden, dass es seine Form verliert, 
da findet mit Vorliebe das A uf s t a u b e n oder Aufbeuteln statt, d. h. es 
wird das Glasurpulver durch einen Strumpf oder ein anderes grobmaschiges Ge¬ 
webe auf die zu glasirende Fläche aufgesiebt. Es ist dies die gewöhnliche Pro¬ 
cedur bei den sogen. Geschirrhafnern und kleinen Ofenraacbern. 

Eine letzte Manipulation, bevor die Glasurmasse in den Ofen gelangt, besteht 
oft darin, dass die Glasur an einzelnen Stellen, wo sie nicht hin gehört, nament¬ 
lich am Boden der Gefässe (weil sie sonst an der Unterlage im Ofen ankleben 
würden) mit einer Bürste wieder entfernt oder sonstwie abgerieben wird; eine 
Arbeit, durch welche die Luft nicht wenig mit bleihaltigem Staub erfüllt wird. 

Ist einmal die glasirte Waare im Brennofen angelangt, so fällt für die Ar¬ 
beiter die Gefahr dahin, beginnt aber, je nach der Beschaffenheit der Glasur, 
für den Consumenten. Es ist nicht Zweck dieser Zeilen, dieses hundertfach be- 


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sprochene Thema auch zu bearbeiten, wohl aber fragt sich nun: Wie kann der 
Arbeiter in den Glasuren verwendenden Etablissementen vor den Gefahren des 
Bleies geschützt werden? 

Es ergibt sich aus der vorstehenden Darstellung, dass dasselbe in der mannig¬ 
fachsten Weise dazu gelangt, seine giftige Wirkung auf den Organismus des Ar¬ 
beiters zu entfalten. Es gibt Etablissemente mit so mangelhaften Einrichtungen 
zur Herstellung der „Bleiasche“, dass die Arbeiter im Hinblick auf die Häufigkeit 
der vorgekommenen Bleiintoxicationen sich entschieden weigern, die Procedur vor¬ 
zunehmen und der Principal dies selbst besorgen muss. 

Die Mischung der Ingredienzien der Glasur erzeugt selbstverständlich mehr 
oder weniger bleihaltigen Staub, der auf allen möglichen Wegen in den Körper 
gelangen kann, wenn nicht wohlverschlossene Apparate dessen Verbreitung im 
Arbeitsraum hindern« Dasselbe gilt für das Mahlen. 

Werden die Glasuren gefrittet, so vermindert sich die 
Gefährde beim Mahlen natürlich ungemein, wird auch ganz aufgehoben, je 
nachdem das Blei mehr oder weniger vollständig in unlösliche Silicate überge¬ 
führt wird. 

Auch beim Aufträgen der Glasuren tritt der gleiche grosse Unterschied in der 
Gefährlichkeit zu Tage. Während bei gut zusammengesetzter gekuchter Glasur 
die Gefahr auf Null reducirt wird, würde man sich sehr täuschen, wenn man selbst 
bei nasser Application einer lösliches Blei enthaltenden Glasur mittelst Eintau¬ 
chen, Begiessen oder Bepinseln jede Gefährde vermieden glauben wollte. Von 
den mit der Mischung bespritzten Kleidern, von den getrockneten Gefässen 
staubt allmälig Glasur ab, und wenn dazu die Arbeiter mit gewohnter Sorg¬ 
losigkeit im bleistaubhaltigen Arbeitsraum oder mit ungewaschenen Händen 
Speisen geniessen, ist die Gelegenheit zur Bleivergiftung noch reichlich genug 
geboten. 

Vor Allem aus ist’s aber das Aufbeuteln der Glasur, das, ohne 
Vorsichtsmaassregeln betrieben, die Arbeiter in eine ganze bleihaltige 
Atmosphäre versetzt. Diese Manipulation ist’s, welche gewiss die übergrosse 
Mehrzahl der Bleileiden bei den Töpfern hervorruft. 

Dass das Abbürsten oder Abkratzen der eingetrockneten flüssigen Glasur von 
den Stellen, wo sie ungehörigerweise hin gelangt ist, in die gleiche Reihe betref¬ 
fend Gefährlichkeit zu stellen ist, versteht sich von selbst. 

Die Frage, wie diesen Gefahren zu begegnen sei, ist schon unzählige Male 
aufgeworfen und zu beantworten versucht worden. 

Die radicalste Hülfe würde sich im Aufgeben sämmtlicher blei¬ 
haltiger Glasuren finden lassen. Ihr Ersatz durch andere Compositionen 
ist möglich. Diese Thatsache war schon im Alterthum bekannt. Heutzutage tau¬ 
chen immer neue Vorschläge für Surrogate der bisherigen Bleiglasuren auf. So 
empfahl IJardmuth in Wien schon 1842 Glasuren aus Borax, Feldspath und Lehm, 
Dachauer in Nürnberg viel später das Wasserglas, erzeugt aus Sand, Pottasche und 
Soda, und Leibi schlug eine Mischung von Wasserglas mit Kalk vor, die keine 
grössere Hitze erfordern soll, als Bleiglasur. In einzelnen Gegenden Sachsens 


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wird ein dort verbreiteter, leicht schmelzbarer Töpferthon als Ersatzmittel ge¬ 
braucht, in Kirchenlamitz in Bayern Hochofenschlacke; Bolzschuher empfiehlt Basalt 
mit Pottasche und Salpeter u. s. f. 

(Schloss folgt) 


Ein submucöses Klystier. 

Von Dr. Wyss in Benken (Basclland). 

Frau D., 20 Jahre alt, früher stets gesund, machte den 11. Juli abiiin die erste 
Geburt normaliter durch, ohne irgend welche Kunsthülfe beanspruchen zu müssen. 
Den 13. Juli Abends wurde wegen Constipation von der sehr gut instruirten und 
gewissenhaften Hebamme ein Klystier, bestehend aus Seifenwasser mit Ricinussöl, 
applicirt Unmittelbar nach Einführung des Spritzenansatzes will Patientin einen 
äusserst heftigen Schmerz im Rectum verspürt haben, der sie veranlasste, laut auf¬ 
zuschreien. Sofort stellten sich bedeutende Schwellung des Afters und seiner Um¬ 
gebung , sowie heftiger Schmerz bei Bewegung ein. Einige Zeit nachher beob¬ 
achtete die Umgebung der Kranken einen circa 15 Minuten lang dauernden 
Schüttelfrost und Abgang kleiner mit Blut untermischter Fetzcben. 

In Folge der vom 13. auf 14. Juli eintretenden Schmerzen in der Tiefe des 
Unterleibes wurde Referent zu der Puerpera gerufen und constatirte bedeutende 
Druckempfindlichkeit des Unterleibs und eine braunröthliche Geschwulst in der 
Aftergegend. Temperatur 38,5. Ordination: kalte Compressen auf Unterleib und 
After, innerlich Calomel in kleiner Dosis. Den zweitfolgenden Tag haben die 
Unterleibsschmerzen ordentlich nachgelassen. Temp. 38,5. Gegen die inzwischen 
aufgetretene starke Diarrhoe wird Acid. mur. c. tr. op. verabreicht. Es entleerte 
sich reichlich Schleim, mit Gewebsfetzen untermischt 

Tags darauf eröffnete sich spontan die um den After gelegene Geschwulst und 
entleerte dünnflüssigen Eiter. Ordination: Cataplasmen. 

Der Unterleibsschmerz ist gänzlich geschwunden. Dienstag, den 20. Juli wurde 
im Anus ein gelblicher Eiterpfropf, mit röthlichen Gewebsfetzen umgeben, sicht¬ 
bar, was der Patientin äusserst heftige Schmerzen verursachte und die Verabrei¬ 
chung von Morphium indicirte. Gegen Abend zog sich die ganze Masse in’s Rec¬ 
tum zurück, worauf der Schmerz nachliess. Den folgenden Mittag erschien ein 
6 cm. langes, 2‘/ a cm. breites, gangränös aussehendes, darmartiges Gewebsstück. 
Zug an demselben verursachte der Kranken intensive Schmerzen, weshalb dasselbe 
scharf am After abgeschnitten wurde. Das restirende Stück zog sich alsbald 
zurück. Ein zweites, nur 4 cm. langes Stück, von gleichem macroscopischem Aus¬ 
sehen, konnte Tags darauf durch leichten Zug, ohne auffallende Schmerzen zu ver¬ 
ursachen, herausgezogen werden. 

Von diesem Zeitpunct an entleerte sich ab und zu reichlich Eiter per Anum. 
Zur Verdünnung der Fasces trank Patientin Hunyadi, Morgens nüchtern y a Trink¬ 
glas voll. Die untere. Rectumpartie wurde täglich mit Carbolöl ausgepinselt 

Um diese Zeit soll ein Mal durch die in der Nähe des Afters gelegene 
Abscessöffnung dünnflüssiger Koth ausgetreten sein, per Vaginam etwas Fluor 


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albus, nie Faeces, so dass wir jetzt schon eine allfällige Rcctovaginalfistel aus- 
schliessen zu dürfen glaubten. 

Das etwas darniederliegende Allgemeinbefinden hob sich zusehends. Patien¬ 
tin, die das Säugegeschäft nie unterbrochen, bekam ordentlich Appetit und wurde 
nur durch den zeitweise abfliessenden Eiter belästigt. Die Abscessöffnung ist ge¬ 
heilt, die Geschwulst gänzlich geschwunden. 

Vom 26. Juli an erhält die Kranke täglich ein warmes Bad und verlässt ohne 
Unterstützung das Bett. Marschiren geht recht ordentlich , das Sitzen hingegen 
verursacht Schmerzen; im Kreuz stets ein Gefühl von Schwäche. 

Den 9. August werden Carboiwassereinspritzungen verordnet, deren Applica¬ 
tion jedoch sofort unterbrochen werden musste, indem sich Intoxicationssymptome 
bemerkbar machten. 

Nachdem nämlich 2 Glas voll einer 2% Carbolsolution per Irrigator in’s Rec¬ 
tum eingegossen waren, fühlte Patientin plötzlich heftiges Ohrensausen, Leere im 
Kopf, Schwarzsehen, in Händen und Füssen Ameisenkriechen, im Hals Carbol- 
geschmack; Erstickungsgefühl, bei Berührung Zuckungen der Extremitäten. Wäh¬ 
rend dieses Va Stunde dauernden Anfalls traten an den verschiedensten Stellen 
des Körpers rothe Flecken auf, die erst im Verlauf von mehreren Stunden er¬ 
blassten. 

Nach dem Anfall machte sich ein Gefühl von Schwäche und Schwindel be¬ 
merkbar. Die beiden darauf folgenden Tage wurde die Kranke durch wiederhol¬ 
tes Erbrechen belästigt. 

Um diese Zeit entleerte die Kranke einen kleinen in Eiter eingebetteten 
Schleimhautfetzen durch den Anus. 

Ende August klagte Patientin stets über ein Gefühl von Gespannt- und 
Geschwollensein im Kreuz, was sich namentlich beim Ausschreiten manifestire 
und beim Liegen allmälig verschwinde; im Mastdarm selbst ein Gefühl von 
Stauung. 

Im Verlauf des Monats November abhin befand sich Patientin in Behandlung 
des Herrn Prof. Bischoff in Basel, woselbst an der hintern Wand des Rectums eine 
3 cm. lange, längslaufende narbige Einziehung mit verdickten starren Rändern, 
welche eine erhebliche Stenose verursachten, und etwas Eiterabgang constatirt 
wurde. 

Vom 13. November bis 2. December wurde das Rectum täglich dilatirt und 
damit erzielt, dass die Fsecalmassen viel voluminöser und schmerzlos passiren. 
Eiterabgang hat völlig aufgehört. — 

E p i c r i s e. Die geschützte Lage des Rectums erklärt uns das verhältniss- 
mässig seltene Vorkommen von Verletzungen desselben. Jede auch noch so un¬ 
bedeutende Verwundung dieses Organs kann die schlimmsten Folgen nach sich 
ziehen, da oft die Verunreinigung der Wunde durch Faecalstoffe und bei totaler 
Perforation des Mastdarms das Eindringen derselben in das lockere, den Mastdarm 
umgebende Zellgewebe die Kothinfiltration mit jauchiger Eiterung und Gangrän 
und den bekannten Ausgängen bedingt. 

Eine ebenfalls höchst gefährliche Compücation ist das Zellgewebsemphysem 


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in der Umgebung des Mastdarms, welches eine sehr grosse Ausdehnung erlangen 
kann. 

Die Verletzungen der vordem Mastdarmwand sind einestheils wegen Recto- 
vaginalfistel, andererseits aus der Ursache gefährlicher als die der hintern Wand, 
weil das Peritonaeum dort viel weiter nach abwärts reicht als hier. 

Eine fernere Gefahr bedingen Blutungen , deren Quelle oft lange unentdeckt 
bleiben kann. Als Folgezustand grösserer Verletzungen des Afters haben wir noch 
der Incontinentia alvi zu gedenken. 

Sehen wir ab von den Schnittwunden, die bei Anlass chirurgischer Operatio¬ 
nen entstehen können, ferner von Schussverletzungen, sowie von den Zerreissungen 
bei schweren Entbindungen, so sind es namentlich die Verletzungen, welche durch 
Einfuhren der Klystierspritze hervorgebracht werden, ein Umstand, den wir in 
unserem Fall als ursächliches Moment beschuldigen müssen. 

In der Voraussetzung auf harte Kothmassen zu stossen, wurde offenbar der 
beinerne Spritzenansatz, der sich zur Zeit seiner Besichtigung durchaus nicht schar¬ 
tig erwies, mit Anwendung von einiger Gewalt durch die hintere Mastdarmmucosa 
gestossen, der Spritzeninhalt in das den Darm umgebende Zellgewebe entleert, 
worauf sofort die Anschwellung in der Umgebung des Afters mit nachfolgender 
Abscedirung entstand. Die weitere Folge der Verletzung war ausgebreitete Ent¬ 
zündung und brandige Zerstörung eines grossem Stückes der hintern Mastdarm¬ 
schleimhaut. Eine Incontinentia alvi ist nicht zurückgeblieben. 

Eine literarische Rundschau ergibt uns, dass unserem Fall analoge Vorkomm¬ 
nisse selten sind. Velpeau hat 8 Fälle der Art gesehen, von denen 6 tödtlich en¬ 
deten , einer beträchtliche Störungen hinterliess und nur einer heilte. Esmarch 
stellt, genannte 8 Fälle inbegriffen, 22 zusammen, mit zusammen 11 Todesfällen. 

Zum Schlüsse erlauben wir uns noch einmal auf die materia peccans zurück¬ 
zukommen. So unendlich viel schon gegen das Folterinstrument, Klystierspritze 
genannt, geschrieben und gepredigt worden, finden wir dasselbe auf unserer Land¬ 
praxis noch tagtäglich und zwar nicht allzu selten in höchst defcctem Zustand in 
der Hand des niedern Heilpersonals sowohl als auch des gänzlich Unwissenden. 
Darum fort mit diesem Unheil bringenden Instrument und empfehlen wir allüberall 
den so leicht handlichen und zu so Vielem zu gebrauchenden Irrigator mit Caout- 
choucspitze und wir können uns mit Recht dem Gedanken hingeben, von manchem 
unserer Nächsten Unheil fern gehalten zu haben. 

"V ereinsberichte. 

Ordentliche Winterversammlung der medicinisch- chirurgischen Gesellschaft 

des Cantons Bern. 

Samstag, den 11. December 1880, im Casino in Bern. 

Präsident: Prof, Dr. Kocher . Secretär: Prof. Dr. Pflüger . 

• Anwesend 65 Mitglieder. 

Bericht des Präsidenten. 

„Geehrte Herren Collegen ! Indem sich das Präsidium vorbehält, im zwei¬ 
ten Acte das Zustandekommen des für die Aerzte so hochwichtigen Beschlusses 


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vom 28. November 1880 betreffs die Erweiterung der Krankenpflege zu beleuchten 
und den Männern, welche sich in derselben verdient gemacht haben, den Dank 
der Gesellschaft auszusprechen , scheint es geboten, die Aerzte zu mahnen, bei 
Zeiten darüber nachzudenken, resp. sich darüber auszusprechen, ob sie nicht ge¬ 
neigt seien, specielle Wünsche bei der Ausführung des in Rede stehenden 
Projectes bei den maassgebenden Behörden geltend zu machen. , 

Gewiss hat die Gesellschaft bei ihren unablässigen Bemühungen um Erreich- 
ung des jetzt glücklich gewonnenen Erfolges das Wohl der Kranken in erster 
Linie im Auge gehabt; allein indem das Volk die Mittel zur Ausführung votirte, 
glaubte es sicher zum Theil, auch den Aerzten einen Dienst zu 
erweisen. Und nicht mit Unrecht. Unsere Arbeit wird sich uns leichter und 
erfolgreicher gestalten als bisher, wenn wir eine grosse Zahl gut eingerichteter, 
wohl ausgerüsteter Spitäler zu unserer Verfügung haben. Es kann deshalb auch 
nicht fehlen , dass jnan von uns Aerzten in der nächsten Zeit eine Gegenlei¬ 
stung, eine Mehrleistung verlangt. 

Dass die Bereitwilligkeit, stets Besseres zu leisten , unter den Aerzten des 
Cantons vorhanden ist, geht aus den Bestrebungen um Einrichtung der Ferien- 
c u r s e hervor. Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich dieses Bedürfniss 
im Wesentlichen auf die Einsicht zurückführe, dass mit dem Principe der 
Antisepsis eine neue Aera nicht nur in der operativen Technik, sondern der 
Therapie überhaupt eingeleitet ist. Während in einer gewissen Periode der ärzt¬ 
liche Stand durch den Glauben des Publicums an der Unfehlbarkeit seiner ellen¬ 
langen Recepte der Mühe überhoben wurde, überhaupt genaue Diagnosen zu ma¬ 
chen, kam dann die Zeit des Nihilismus, wo der Arzneischatz auf das Morphium 
reducirt und nun durch die glückliche Einführung des Namens „der exspectativen“ 
Therapie den Aerzten noch das Monopol gewahrt wurde, den Kranken zu über¬ 
wachen, um es gemüthlich gehen zu lassen, wie’s Gott gefiel. 

Wenn ich nun auch nicht der Ansicht eines berühmten Klinikers bin, dass das 
Ambroise Pare 'sehe „Dieu vous guürira“ abgeschafft sei und sie für eine Variation des 
beschränkten „Wie wir s so herrlich weit gebracht“ erklären muss, so stimme ich 
doch bei, dass es mit dem Stillleben der exspectativen Therapie gründlich vorbei 
ist. Wir dürfen nicht mehr, wie früher, die Fälle sei es mit oder ohne Cataplas- 
men zur Diagnose heranreifen lassen, bis wir dieselbe mit den Händen greifen 
können. Mit mehr Recht als wegen einer unglücklich ausgefallenen Operation 
darf uns der Kranke zur Rechenschaft ziehen, wenn wir eine maligne Neubildung 
heranwachsen lassen, bis die Drüsen erkrankt oder Metastasen vorhanden sind; 
wenn wir, statt früh einen käsigen Herd zu entfernen, * mit Salben und Jod¬ 
anstrichen die Blosse unsicherer Diagnosen verdecken. 

Meine Herren! Es genügt nicht, wenn die nun bessere Ausrüstung des Can- 
tonsspitals von den Professoren ad majorem scientiae gloriam ausgenutzt wird, 
wenn durch Bestellung der Bezirksspitäler einzelne Bevorzugte zu tüchtiger Aus¬ 
bildung Gelegenheit erhalten. Kunst und Wissen des ganzen ärztlichen Standes 
im ganzen Canton muss gehoben werden. Es müssen Einrichtungen getroffen 


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werden, dass jeder Arzt die Vortheile genauer Beobachtung der Kranken und ra- 
tioneller Behandlung derselben theilhaftig werden kann. 

Sollte es nicht zum Beispiel möglich sein, dass unsere Gesellschaftsbibliothek, 
welche im jetzigen Zustande gar keinen Sinn und Nutzen bat, an passender Stelle 
im neuen Inselspital untergebracht würde, dass dort für die Versammlungen der 
Gesellschaft ein Local geschaffen würde, wo andere Präparate, Apparate, neue 
Einrichtungen aller Art ausgestellt werden könnten ? Sollte nicht, wie in Biel, eine 
Art gemeinsamen Schausaals geschaffen werden können, wo die Aerzte sich über 
interessante Fälle, neue Behandlungsmethoden besprechen, gemeinsam belehren 
können? 

Stellen wir bei Zeiten grosse Anforderungen an uns selber, so werden wir die 
Wege und Mittel finden, wie wir zu grösserer und intensiverer Wirksamkeit ge¬ 
langen und so dem Beschlüsse des Bernervolks vom 28. November 1880 Ehre 
machen. 

Damit es aber auch an einem äussern Zeichen dieser Feier nicht gebreche, 
hat das Comitö beschlossen, Ihnen einen Antrag zu unterbreiten. Laut Beschluss 
der Gesellschaft in der letzten Sommersitzung wurden die Aerzte nochmals zur 
Zeichnung für eine Marmorbüste für unsern verstorbenen Präsiden¬ 
ten Dr. Schneider eingeladen. 52 Aerzte haben das Circular beantwortet und 
die Summe von Fr. 900 gezeichnet. (Es werden die anwesenden Mitglieder, welche 
sich noch zu betheiligen wünschen, zur Subscription eingeladen.) Da nun die 
Büste etwas zu Fr. 2000 kostet, so beantragt das Comitä — in Zustimmung des 
Finanzministers der Gesellschaft — „es möchte die Gesellschaft einen Beitrag von 
Fr. 1000 an die Erstellung einer Marmorbüste des verstorbenen Präsidenten 
der Gesellschaft, Herr Dr. Schneider , beschliessen, zum Andenken an die eminenten 
Verdienste des Verstorbenen um das Zustandekommen des Beschlusses vom 28. 
November 1880. Ist es Ihnen ja doch Allen bekannt, dass wir gerade die grund¬ 
legenden Arbeiten, auf denen die Vorlagen des Herrn Alt-Regierungsrath Boden - 
heimer und diejenige des Herrn Regierungsrathspräsidenten v. Steiger sich aufgebaut 
haben, dem unverdrossenen Schaffen Dr. Schneidert auf diesem Gebiete verdanken.“ 

Der Antrag des Comit6, an die Marmorbüste von Dr. Schneider sei. aus der 
allgemeinen Vereinscasse einen Beitrag bis auf Fr. 1000 zu leisten, wird zum Be¬ 
schlüsse erhoben. 

Während der Sitzung werden von anwesenden Mitgliedern noch weitere Fr. 200 
gezeichnet. 

IL Der Präsident gedenkt der im Laufe des Jahres verstorbenen Mitglieder 
des Vereines, des bei Allen in gutem Andenken stehenden Dr. Arnold Haller , wel¬ 
cher auf einer Gletschertour um’s Leben gekommen, und des als Practiker eines 
guten Rufes sich erfreuenden Dr. Jaggi in Uebeschi. 

IU. Es wird ein Schreiben des bernischen Hülfsvereins für Geisteskranke an 
den Herrn Präsidenten der med.-chirurg. Gesellschaft des Cantons Bern verlesen, 
in welchem die Gesellschaft ersucht wird, an jenem Verein durch Wahl zweier 
Mitglieder in dessen Centralcomitä activ Theil zu nehmen. 

Dem Comitä wird der Auftrag, die beiden Mitglieder zu ernennen. 


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IV. Zehn eingelangte Schriften werden zur Einsicht aufgelegt. 

V. Vortrag von Dr. Conrad: „Ueber künstliche Erweiterung der Gebärmutter“; 
erscheint im Corr.-Bl. Die Discussion wird allein von Dr. Dick benützt. 

Gleich wie Dr. Conrad nimmt auch Dr. Dick keinen so extremen Standpunct 
in der Frage ein, die eine sowohl wie die andere Methode ist gut, nur dass sie 
nicht beide für gleiche Fälle verwendbar sind. 

Die rapide Dilatation bietet weniger Infectionsgefahr, weil weniger lang ma- 
nipulirt werden muss; sie ist anzuwenden bei weichem dehnbarem Cervix; cs 
werden dies meist Fälle sein, wo kurz vorher ein Abortus vorangegangen ist. Ge¬ 
rade hier ist aber zu bemerken, dass ein Geübter auch ohne vorhergegangene in- 
strumentelle Dilatation, namentlich mit Zuhülfenahme der Chloroformnarcose, mit 
dem Finger in den Uterus einzudringen und zu exploriren vermag. Die Discision, 
die Schröder vornimmt zur Eröffnung des Uterus, mag passen für Spitalbehandlung, 
in der Privatpraxis wird dieses Verfahren dagegen zu umständlich sein, da nach 
Vorschrift Schröder' s die Wunde mit der Naht vereinigt werden muss. Auch kommt 
man mit dieser Methode nach einer von mir gemachten Beobachtung nicht immer 
zum Ziele. Es handelte sich um die Exstirpation eines fibrösen Polypen, zu wel¬ 
chem Zwecke der Cervix incidirt wurde; trotzdem aber wurde so wenig Raum 
geschaffen, dass der Polyp nur zum Theil und mit grosser Mühe entfernt werden 
konnte; bei einer Wiederholung der Operation, aber nach vorangeschickter ergie¬ 
biger Quellmitteldilatation, konnte der Polyp vollständig und leicht exstirpirt 
werden. 

Der Dilatation mit Quellmitteln werden üble Zufälle, namentlich Infection, 
häufig nachgeredet; diese Gefahren sind aber so ziemlich zu vermeiden bei Beob¬ 
achtung strenger antiseptischer Cautelen; so habe ich bei 14 in einem Zeitraum 
von 2 Jahren gemachten Dilatationen keinen einzigen Erkrankungsfall beobachtet, 
niemals sogar stieg die Temperatur über 38° C. 

Die Quellmitteldilatation passt für diejenigen Fälle, wo wir es mit einem Ute¬ 
rus zu thun haben, dessen Gewebe in Folge chronischer Metritis oder Narbenbil¬ 
dung starr geworden ist; hier muss man sich die durch die Quellmittel veranlasste 
seröse Durchtränkung und daherige Auflockerung des Gewebes zu Nutze zu ma¬ 
chen suchen. 

VI. Vortrag von Prof. Nencki: „Ueber die physiologische Verbrennung.“ 

Die alltägliche Erfahrung zeigt, dass die Bestandtheile unserer Nahrung: wie 

Eiweissstoffe, Fette, Kohlehydrate auch bei der Körpertemperatur dem atmosphä¬ 
rischen Sauerstoff exponirt, nur sehr langsame und unwesentliche Veränderungen 
erleiden, falls die Gährung und Fäulniss bewirkenden Organismen abgehalten 
werden. Nachdem aus verschiedenen Gründen erkannt wurde, dass die einfachen 
Gase nicht als Atome, sondern als Molecule in freiem Zustande existiren, folglich 
auch der atmosphärische Sauerstoff nicht 0, sondern O a ist, war die Indifferenz 
des atmosphärischen Sauerstoffes gegen die oxydirbaren, kohlenstoffhaltigen Ver¬ 
bindungen erklärt. Nur Sauerstoff als Atom wirkt oxydirend und überall da, wo 
Oxydationen kohlenstoffhaltiger Substanzen an der Luft geschehen, muss man an¬ 
nehmen, dass ihnen die Fähigkeit zukommt, das Molecul des indifferenten atmo- 


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sphärischen Sauerstoffs in seine Atome zu spalten. Den Sauerstoff, dessen wir zur 
Oxydation unserer Nahrungsstoffe bedürfen, entnehmen wir der Luft. Es muss 
also auch in unserm Organismus ebenfalls die Spaltung der Sauerstoffmolecule in 
seine Atome vor sich gehen; und wenn man bedenkt, dass wir täglich 700 — 950 
grmm. Sauerstoff durch die Lunge aufnehmen, so leuchtet cs ein, dass diese Spal¬ 
tung der Sauerstoffmolecule in seine Atome, auf welcher die physiologische Ver¬ 
brennung beruht, eine sehr umfangreiche ist. 

Der erste Versuch einer Erklärung, warum der durch die Lunge in das Blut 
aufgenommene indifferente Sauerstoff im Thierkörper Oxydationen bewirke, rührt 
von Alex. Schmidt her (Ueber Ozon im Blute. Dorpat, 1862). Schmidt fand zuerst, 
dass durch die rothen Blutkörperchen Guajactinctur gebläut wird und schloss hier¬ 
aus auf die Anwesenbeit des Ozons im Blute, welcher Auffassung auch Schönbein 
zustimmte. (Ueber das Verhalten des Blutes zum Sauerstoff, Sitzungsbericht d. 
königl. bayr. Acad. d. Wissenscli. in München, 1863, I, 274) Seither wurden un¬ 
sere Kenntnisse über die Natur des Ozons durch die Untersuchungen Soref s, wel¬ 
cher fand, dass das Ozonmolecul grösser als 0 2 und wahrscheinlich 0* sein müsse, 
wesentlich erweitert. Die naheliegende Erklärung, weshalb Ozon stark oxydirend 
wirke, hat Clausius (Pogg. Ann. 121, 250) gegeben. Alle Vorgänge, sagt er, welche 
den Sauerstoff ozonisiren, spalten das Molecul in Einzelatome und diese haben 
natürlich eine ungleich stärkere Tendenz, sich auf oxydirbare Körper zu werfen. 
In einer gegebenen Quantität Sauerstoff wird immer nur ein kleiner Theil in O 4- O 
verwandelt. Es bleibt eine Menge von unzerlegten Moleculen O a übrig und an 
diese fügen sich die Atome O an, um 0 3 zu bilden. Da aber die Anfügung nur 
mit geringer Kraft stattfindet, so enthält das neu gebildete Molecul O a zwei stark 
gebundene und ein schwach gebundenes Atom und das letztere kann chemisch 
beinahe ebenso wirken, wie ein freies Atom. 

Durch die Publication von Uuizinga (Virchow' s Archiv 42, 359, 1868) und die 
spätere von Nasse (Pflügers Archiv 3, 205, 1870) wurde die Annahme Alex. Schmidt' s, 
dass das Blut Ozon enthalte, als unhaltbar erwiesen. Nachdem Huizinga die Un¬ 
sicherheit der Reaction mit Tinctura guajaci hervorgehoben, spricht Nasse sich 
dahin aus: „Die sogenannten Ozonreagentien sind Stoffe, welche zunächst das 
Ozonmolecul in ein Molecul gewöhnlichen Sauerstoffs und ein freies Atom Sauer¬ 
stoff spalten und von dem Letztem angegriffen werden. So hat man es denn im 
Grunde nur mit Sauerstoff im Status nascens zu thun, die sogenannten Ozonreac- 
tionen sind eigentlich nur Reactionen auf Sauerstoff im Status nascens.“ Die Ozou- 
reactionen im Blute und in den Geweben des Thierkörpers rühren daher nicht von 
dem Ozon her, sondern von dem activen Sauerstoff = O,. Dass das Molecul 
Sauerstoff — O a im Thierkörper in seine Atome zerlegt werde, dass die Oxyda¬ 
tionen im Thierkörper durch die losgerissenen Sauerstoffatome geschehen und alle 
die Reactionen der Gewebe, wie namentlich Bläuung des Guajacharzes, von diesem 
als 0 activen Sauerstoff herrühren, hat Binz (Berl. klin. Wochenschr. 1872, Nr. 30) 
bereits im Jahre 1872 ausgesprochen. 

Nachdem andrerseits die Arbeiten von Hoppe-Seyler und seinen Schülern (Dyb- 
howsky in Hoppe-Seyler' s med.-chem. Untersuch. Berlin, 1866—1871, S. 117, Hoppe - 


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Seyler das. S. 133), sowie die von Preyer (Ueber die Kohlensäure und den Sauer¬ 
stoff im Blute, Med. Centralbl. 1866, S. 325) ergeben haben, dass der an das Hä¬ 
moglobin gebundene Sauerstoff nicht oxydirend wirke und dass das Oxyhämoglo¬ 
bin sehr wahrscheinlich eine Verbindung von einem Molecul Hämoglobin mit einem 
Molecul Sauerstoff (Hb + OJ ist; nachdem ferner durch die Versuche Pflüger' s 
(Pflüger' 8 Archiv 1, 274; 6, 43; 15, 381 u. a m.) und seiner Schüler, Hoppe-Seyler' s, 
Schützenberger'$ (Bull, de la Soc. chim. 21, 286 und les fermentations S. 108) u. a. 
m. festgestellt wurde, dass die Oxydationen nur zum geringsten Theile im Blute, 
hauptsächlich aber in den Geweben geschehen, war das Bild, welches wir uns von 
der physiologischen Verbrennung machen konnten, ungefähr folgendes: Der durch 
die Lungen in das Blut aufgenommene atmosphärische Sauerstoff verbindet sich 
mit dem Hämoglobin zu einer leicht dissociirbaren, nicht oxydirenden Verbindung, 
dem Oxyhämoglobin = Hb. + O a . In den Capillaren erfolgt die Dissociation des 
Oxyhämoglobins. Der Sauerstoff als O* geht durch die Capillarwand in das um¬ 
liegende Gewebe, wird dort activ, d. h. in Atome zerlegt und bewirkt so die Oxy¬ 
dation der verbrennbaren Bestandtheile der Gewebe. 

Warum spalten denn aber die thierischen Gewebe, d. h. der Inhalt der Zellen 
und die Säfte das Sauerstoffmolecul in seine Atome? Auf welche Weise, nach 
welchem chemischen Modus geschieht diese Spaltung? Die Antwort auf diese 
Fragen ist erst in der neuesten Zeit durch die Arbeiten Radziszewski' s: Ueber die 
Phosphorescenz organischer und organisirter Körper gegeben worden. Er hat zu¬ 
erst mit Sicherheit nachgewiesen, dass während des Leuchtens, sowie überhaupt 
während sehr langsamer oder stürmischer Oxydation Spaltung der Sauerstoffmo- 
lecule stattfindet und die Phosphorescenz auf langsamer Oxydation durch den ac- 
tiven Sauerstoff beruht. Er hat ferner gezeigt, dass die so oft in lebendigen Or¬ 
ganismen angetroffenen Körper, wie Lecithin, Fette, Protagon, Cholesterin, Sper- 
macet, Wachs, Gallensäuren, Traubenzucker u. a. m. bei Gegenwart von freiem 
Alkali den Sauerstoff activ machen. Da aber anorganische Basen, wie Kali, Na¬ 
tron , Baryt, Magnesia und selbst Kaliumcarbonat in grösserer Menge weder in 
lebendigen, noch in todten Organismen Vorkommen, so stellte er sich die Aufgabe, 
solche Basen auszufinden , die entweder stets in den lebendigen Organismen Vor¬ 
kommen, oder wenigstens in gewissen Fällen darin entstehen können. Er fand, 
dass Neurin, sowie die Basen von der allgemeinen Formel R 4 —N—OH die oben 
erwähnten unorganischen Basen vollständig zu ersetzen im Stande sind. 

Durch die Untersuchungen Radziszewski 's (Ann. Chem Pharm. 203, 305) wissen 
wir, dass es eine allgemeine Eigenschaft oxydirbarer organischer Verbindungen 
ist, bei Gegenwart von Alkali das Molecul des indifferenten atmosphärischen Sauer¬ 
stoffs in seine Atome zu spalten. Damit ist eine breite Grundlage für weitere 
Forschungen über die physiologische Oxydation gegeben. Es eröffnet sich die 
Aussicht, dass wir ausserhalb des Organismus die physiologische Oxydation in 
allen Phasen werden nachahmen können. Nach letzten Mittheilungen von Prof. 
Radziszewski liefert Benzol, mit Natrium hydroxyd. und Luft geschüttelt, reines Phe¬ 
nol. Unter den gleichen Bedingungen geben Toluol und Ethylbenzol Benzoesäure, 
Mesitylen, Mesitylensäure. Die interessanteste Beobachtung betrifft das Campher- 


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cymol, das mit Natronhydrat oder Tetramethylammoniumoxydbydrat. an der Luft 
geschüttelt, zu Cuminsäure oxydirt wird. Die Identität der Säure mit der aus 
Cuminaldehyd erhaltenen wurde durch Analysen der freien Säure, des Bariumsal¬ 
zes und den Schmelzpunct bestätigt. Die Oxydation aller dieser Kohlenwasser¬ 
stoffe vollzog sich demnach hier genau so wie im Thierkörper. 

Unaufgeklärt bleibt noch die Rolle des Alkalis, ohne welche die Phosphores- 
cenz, d. h. langsame Oxydation und Spaltung der Sauerstoffmolecule in Atome 
nicht stattfindet. 

VII. Prof. Kocher demonstrirt ein neues, von ihm und Dr. Schenk modificirtes 
Nabel-Bruchband für Kinder. Die Pelotte wird durch 2 gegen die Bauch¬ 
seite convexe Stahlfedern auf die Bruchöffnung angedrückt, so dass ausser dem 
Nabel und seiner nächsten Umgebung die vordere Bauchseite vollständig frei von 
jedem Drucke bleibt und dadurch die Respirationsbewegungen* völlig ungehindert 
bleiben. Das Ganze wird durch einen breiten Heftpflasterstreifen am Rücken in 
sicherer Lage gehalten. Ein vorgestelltes Kind zeigt, dass diese Bänder sehr gnt 
ertragen werden. 

VIII. Prof. Kocher demonstrirt einen Gummischlauch zur Esmarch- 
schen Umschnürung, der durch Aufbewahrung in einer 5% Carbollösung 
durch eine Zeit von über ein Jahr seine vollständige Elasticität beibehalten hatte; 
er empfiehlt diese Aufbewahrungsmethode aufs Beste und bemerkt im Weitern, 
dass für die künstliche Blutleere von Extremitäten die Bindenumwicklung über¬ 
flüssig sei und durch eine Elevation von 5 — 15 Minuten ganz gut ersetzt werde. 

Beim Banket spricht sich das Präsidium folgendermaassen aus: 

G. H. C. I Mit besonderer Freude habe ich Sie heute zu unserer Wintersitzung 
willkommen geheissen. Wir dürfen heute das Jubiläum feiern, Jahrzehnd langer 
Bemühungen und Bestrebungen unserer Gesellschaft. 

Am 28. November hat das Bernervolk mit überwältigendem Mehr die Vor¬ 
lage der Regierung gutgeheissen und angenommen, welche eine Erweiterung 
der Kranken- und Irrenpflege in Aussicht nimmt. Die Wünsche und 
Hoffnungen, mit denen wir uns getragen haben, sind mehr als erfüllt worden in 
einzelnen Richtungen. Während noch im Jahr 1867 die Gesellschaft in einem von 
ihrem damaligen Präsidenten, Dr. Schneider sei., verfassten Berichte erklärte, dass 
es genügend erscheine, wenn in den Bezirksanstalten je 1 Bett auf 800 Einwohner 
unterhalten, demgemäss an 350 Betten, welche auf dieselben kommen müssen, 150 
Staatsbetten eingerichtet werden, bestimmt der vom Volke genehmigte Beschluss 
des Grossen Rathes, dass die Zahl der Betten in den Bezirksanstalten auf 175 er¬ 
höht werden dürfe, daher das Kostgeld per Bett Fr. 2 betragen solle. Die Insel 
ist mit einem Staatsbeitrage von Fr. 700,000 zum Neubau für 320 Kranke bedacht 
und es soll hierbei auch durch Einrichtung klinischer Lehrgebäude, eines patho¬ 
logisch-anatomischen und eines pathologisch-chemischen Institutes den Bedürfnis¬ 
sen der Hochschule die gebührende Rechnung getragen werden. 

Endlich zeigt sich durch den Beschluss die Möglichkeit einer allmäligen Rea- 
lisirung der schon 1866 von Dr. Felscherin im Schoosse der Gesellschaft ausgespro¬ 
chenen Forderung, dass der Canton Bern wenigstens 1 Platz für Geisteskranke auf 


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flu Einwohner vorzusorgen habe, wenn er andern Schweizercantonen auf diesem 
Gebiete humaner Bestrebungen ebenbürtig werden wolle. 

Es freut mich aufrichtig, constatiren zu können, dass der schöne Erfolg durch 
ein gemeinsames, kräftiges Wirken der Aerzte des Cantons wesentlich mit 
herbeigeführt worden ist. Die Aerzte haben ihre Sonderinteressen ganz in den 
Hintergrund gestellt, und im Oberland, Mittelland, Seeland und Oberaargau hat 
die gute Sache ruhige und begeisterte Worte gefunden. Ja selbst im Jura, wo 
eine gewisse Opposition erwartet werden musste, sind beredte Verfechter aufge¬ 
treten, um die Opposition zu paralysiren. 

Im Namen der Gesellschaft spreche ich allen Mitgliedern und Nichtraitgliedern 
der Vorbereitungsgesellschaft zur Erweiterung der Krankenpflege den 
warmen Dank unserer Gesellschaft aus für ihre uneigennützige Thätigkeit. 

Aber vergessen wir nicht der Männer, welche zum Gelingen so wesentlich 
raitgewirkt haben. Regierungspräsident von Steiger hat das Erbe der Vorarbeiten 
von Regierungsrath Bodenheimer angetreten und zu einem sehr guten Theil ver¬ 
danken wir seinem tactvollen, gemässigten und doch so überzeugungsvollen Wir¬ 
ken die glänzende Majorität, welche die Regierungsvorlage im Grossen Ratbe da¬ 
vontrug. Er hat es verstanden, durch eine glückliche Verbindung sämmtlicher 
Interessen, durch möglichste Schonung des äusserst empfindlichen Nervus rerum 
mit einem Schlage allen Bedürfnissen zum Siege zu verhelfen. 

Unser Dank gebührt auch in besonderer Weise den Herren Pfarrern des 
Cantons. In engerem und weiterem Kreise haben dieselben unser Vorhaben 
unterstützt. 

Die Cantonssynode hat einstimmig beschlossen, durch Aufruf an die 
Kirchgemeinden dem Volke die Dringlichkeit der Vorlage zu empfehlen. Als Mit¬ 
glied von gemeinnützigen Vereinen haben die Pfarrer einen Hauptantheil an der 
Förderung des Unternehmens genommen. Der Präsident des Hülfsvereins für 
Geisteskranke, Pfarrer Trechsel , ist der Verfasser eines im ganzen Canton verbrei¬ 
teten Circulars, welches sehr dazu beitragen musste, dem Volke die Wünschbar- 
keit des zu bringenden Opfers klarzulegen. Ich erlaube mir daher, Ihrer Genehmi¬ 
gung eine Dankadresse an die.Cantonssynode zu Händen der Geistlichen des Can¬ 
tons zu unterbreiten. 

Welche Bedeutung das Verhalten unserer obersten Volksvertretung und die 
überwiegende Majorität im Grossen Rathe für das Gelingen gehabt hat, braucht 
nicht hervorgehoben zu werden. Den Mitgliedern des Grossen Rathes, 
speciell denjenigen Männern, welche auch nachher noch in öffentlichen Empfehlun¬ 
gen das Gewicht ihrer Autorität zu unsern Gunsten in die Waagschale legten, sei 
hiermit öffentlich der wärmste Dank ausgesprochen. 

Hoffen wir, dass alle Diejenigen, welche das Werk gefordert haben durch 
Schrift oder Wort, sich einst bei geschehener Ausführung überzeugen, dass ein 
wirklicher und bleibender Segen für die Volks Wohlfahrt daraus entsprossen ist, 
und dass das von dem Bernervolk den Händen der Aerzte anvertraute Pfund nicht 
auf Wucher zu eigenem Nutzen angelegt worden ist, aber auf Kind und Kindes¬ 
kind reichliche Zinsen getragen hat. 


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Lassen Sie mich mit Ihnen an9tossen nach alter Väter Sitte auf den biedern, 
bedächtigen, aber opferfreudigen Sinn unseres Bernervolkes, auf die ächt republi¬ 
kanische Gesinnung seiner Behörden, welche in wahrer Würdigung ihrer Stellung 
nicht die Bedürfnisse einer Partei, sondern des ganzen Volkes zu ergründen und 
befriedigen sucht, auf den Sinn und Geist endlich, in welchem der Beschluss vom 
28. November 1880 zu Stande kam , die Devise unserer schweizerischen Republik 
überhaupt: „Einer für Alle, Alle für Einen I“ Unser Vaterland lebe hoch!“ 

Die Anerkennung, welche das Präsidium dem Wirken der Regierung und spe- 
ciell der Thätigkeit unseres Ehrengastes, des Regierungspräsidenten von Steiger , 
gezollt hat, wird von diesem Letztem verdankt: „Wir haben das Werk nicht 
eigentlich geschaffen, sondern nur eine Frucht gehoben, die schon lange vorberei¬ 
tet war; wir haben sie zur rechten Zeit gehoben, da sie noch nicht abgestorben 
war.“ Regierungspräsident von Steiger gratulirt den Aerzten zum 28. November in 
doppeltem Sinne, erstens zu dem mit diesem Tage erreichten Ziele der Erweite¬ 
rung der Krankenanstalten, und zweitens zu dem Zutrauensvotum des Volkes ge¬ 
genüber den Aerzten, welches in der Abstimmung vom 28. November ausgespro¬ 
chen liegt. Es habe nicht an Stimmen gefehlt, welche den Inselneubau dem 
Volke als blosse Liebhaberei der Herren Professoren erklärten und riefen , dafür 
sei das Bernervolk und sein Geld nicht da, um von diesen Herren mit sich ex- 
perimentiren zu lassen. Das Volk hat entschieden und damit den ärztlichen Be¬ 
strebungen sein volles Vertrauen geschenkt. 

Director Schärer gedenkt anerkennend noch um den Inselneubau verdienter 
Männer, die zum Theil leider nicht mehr unter den Lebenden weilen, unsers ver¬ 
storbenen Präsidenten, des lieben Herrn Dr. Schneider , der Herren Professoren 
Munk sei. und Lücke , ferner der Architecten, welche die oft vagen Ideen der 
Herren Aerzte in eine concise Form bringen, speciell des anwesenden Herrn Archi¬ 
tecten Schneider . 

Dr. Herzog aus Münster sandte uns seine telegraphischen Grüsse zum heutigen 
Tag, und College Stelller aus Langnau Hess sich entschuldigen, da er einer vom 
Regierungsstatthalter zusammen berufenen Commission zur Besprechung der Erwei¬ 
terung der Nothfallstuben beiwohnen müsse. 

Ein weiteres Zutrauensvotum erhielt die ärztliche Gesellschaft im Verlaufe des 
Mittagessens durch den Eintritt von 10 neuen Mitgliedern, der Herren Rätz 
in Corg6mont, Ganguillet in Burgdorf, Dumon f, vonWerdt , von Erlach , Fueler , TVamer, 
Dick , Steiner und Amuat in Bern. 

Als Versammlungsort für die nächste Sommersitzung wird Münsingen 
vorgeschlagen und angenommen. 

Referate und Kritiken. 

Das Hirngewicht des Menschen. 

Eine Studie von Prof. Theodor L. W. v . Bischoff. Bonn, Neusser, 1880. 171 Seiten 

und 4 Zahlentabellen. 

Verf. bietet in vorliegender Untersuchung einen höchst werthvollen Beitrag zur An¬ 
thropologie. Er hat die Gehirne von 559 männlichen und 847 weiblichen Leichen ge¬ 
wogen, und mit dem Körpergewicht, der Körperlänge und dem Lebensalter verglichen. 


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Wir heben einige der wichtigsten Resultate heraus, welche besonders für Gerichtsärzte 
Interesse haben dürften. 

Mittleres Hirngewicht der Männer = 1362 grmm. 

„ „ „ Frauen = 1219 „ Diff. = 143 grmm. 

81% der Männer liegen zwischen 12 und 1500 grmm. 

86% der Frauen „ „ 11 und 1400 „ 

Minimum und Maximum der Männer = 1018 resp. 1925 grmm. 
n n » v Frauen = 820 „ 1505 „ 

Verf. macht darauf aufmerksam, dass sein Material mehrestheils aus den untern 
Volksschichten stamme, die mehr Hand- als Hirnarbeit verrichten, dass deshalb seine 
Hirngewichte wohl ein zu niedriges Mittel angebeD. Er hält die ältere Angabe von 
Rudolphi , dass das Gehirn eines gewissen Rustan 2222 grmm. schwer gewesen sei, für 
richtig. 

Das relative Hirngewicht ^Hirn : Körper) betrug bei 535 M. = 7*6,68, bei 340 F. 

= Vs5,16* 

Im Grossen und Ganzen steigt das Hirngew’icht mit dem Körpergewicht und im 
Einzelfalle kommen eine Menge Factoren zur momentanen Geltung, besonders der Zu- 
staud des Körpers. Aehnlich verhalten sich Körpergrösse und Hiriigewicht. 

Im Vergleich von Alter und Hirngewicht macht Verf. einige Angaben Uber Embryo¬ 
nen , nämlich Knaben von 5 Mon. = 32- 45 grmm., 6—7 Mon. = 120—187 grmm., 
8—9 Mon. =: 256—388 grmm. 

Neugeborene Knaben = 367,0 grmm. (Mittel), Mädchen 396,0 (das Mittel des Körper¬ 
gewichts der Knaben war auch um 800 grmm. geringer). 

Von der Geburt an nimmt das Hirngewicht zwar langsamer als das Körpergewicht, 
im ersten Jahre ca. um das Doppelte , und bis zur Pubertät um weitere 50—70% *u. 
Bei den Frauen erreicht es mit 20 Jahren sein Maximum, bei den Männern erst zwischen 
20 und 30 Jahren; bei jenen beginnt es nach 50, bei diesen nach 60 Jahren zu sinken. 
Die Differenz von Schädelcapacität und Hirngewicht beträgt nach Verf. 13,5%. Trockene 
Öchädel werden kleiner. Gehirne verlieren im Weingeist 19—77%, im Mittel 45%. 

Für die anthropologischen Capitel, die zwar keine erschöpfende Besprechung , aber 
viele interessante und schlagende Gesichtspuncte bieten, müssen wir auf das Original 
verweisen. G . BurckhardL 

Experimentelle und histologische Untersuchungen Uber die Entstehung und Ursachen der 
scrophulösen und tuberculösen Gelenkleiden. 

Nebst Studien Über die tuberculöse Infection und therapeutischen Versuchen 
von Prof. Dr. Max Schüller. 236 S, Stuttgart, Enke, 1880. 

Da die vorliegende Arbeit nicht nur für die Lehre der Gelenktuberculose, sondern 
auch der Tuberculöse überhaupt von hervorragender Bedeutung ist, so mag eine etwas 
ausführlichere Besprechung derselben indicirt sein. 

Verf. sucht zunächst die Bedingungen der Entstehung der scrophulösen resp. tuber¬ 
culösen Gelententzündungen durch Versuche festzustellen. Die meisten Thiere (Kanin¬ 
chen) wurden von den Lungen aus tuberculös inficirt und zwar mit Sputis Tuberculöser, 
mit Stücken tuberculöser Menschenlunge, mit Synovialgranulationen , mit dem Gewebe 
sciophulöser Lymphdrüsen und endlich mit Lupusgewebe. Diese Massen wurden gehörig 
zerkleinert nach vorheriger Tracheotomie in den untersten Trachealabschnitt des Ver- 
suchsthieres injicirt. Nach der Iojection wurde fast regelmässig am nämlichen Tage das 
rechte Kniegelenk contundirt. Bei allen diesen Thieren (22 Kaninchen und 1 Hund) ent¬ 
wickelte sich gewöhnlich schon von der zweiten, zuweilen erst von der dritten, resp. 
vierten Woche ab eine zunehmende Entzündung des traumatisch afficirten Gelenkes, 
welche sich beim Tode des Tbieres regelmässig als eine charakteristische pannusartige 
oder granulirende Entzündung erwies. Daraus schliesst Verf., dass durch die Ein¬ 
führung theils specifisch tuberculöser Substanzen, theils solcher, 
welche nach alten und neuen Anschauungen in einer engen Ver¬ 
wandtschaft zur Tuberculöse stehen, in die Lungen an contundir- 
ten Gelenken Gelenkentzündungen erzeugt werden können, welche 
mit den beim Menschen so häufig beobachteten, spontan entstehen- 

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den scrophulösen, resp. tuberculösen Gelenkerkrankungen voll¬ 
kommen identisch sind. Einfache Gelcnktraumcn sind hingegen, selbst wenn sic 
öfter wiederholt werden, für sich allein nicht im Stande, bei gesunden Thieren scrophu- 
löse oder tuberculöse Gelenkentzündungen zu erzeugen, wohl aber, wenn die Thiere län¬ 
gere Zeit im Contact mit tuberculös inficirten Thieren bleiben. 

Die über die Ursache der charakteristischen Gelenkentzündung bei tuberculös inficir¬ 
ten Thieren angestellten Versuche sollen zunächst beweisen, dass die Tuberculöse durch 
tuberculöses Blut überimpibar ist und sodann, dass die inficirenden Substanzen bei den 
von den Lungen aus tuberculös gemachten Thieren in das Blut übergehen, in demselben 
enthalten sind. Das Trauma wirkt nun bei inficirten Thieren insofern disponirend für 
die Gelenkentzündung, als es in den Blutergüssen kleine Herde setzt, an welchen die im 
Blute kreisenden inficirenden Substanzen localisirt werden. Um die Natur der letztem 
näher kennen zu lernen, wurden eine Reihe von Versuchen mit Culturen des infectiösen 
Materiales unternommen und dabei gefunden, dass cs nicht blos, wie zuerst Klebs darge- 
than , durch Impfung von Culturen aus tuberculösem Lungengewebe gelingt, wiederum 
Tuberculöse zu erzeugen, sondern dass auch Impfungen mit Culturen aus scrophulösem 
Drüsengewebe, aus Lupus-Gewebe regelmässig Tuberculöse der Lungen und anderer Or¬ 
gane zur Folge haben. Weiterhin ergab sich aus diesen Versuchen, dass durch die Mi- 
crococcenculturen aus tuberculösem Lungengewebe und scrophulösen Drüsen am Menschen, 
welche den Thieren von den Lungen und andern Organen* resp. vom Blute aus eingeimpft 
waren, die gleichen Gelenkerkrankungen am coutuudirten Gelenke erzeugt werden können, 
welche auf demselben Wege durch die betreffenden Gewebsmassen hervorgerufen werden 
konnten. Es wird daraus der Schluss gezogen , dass die Micrococcen thatsächlich das 
Bestimmende in der Infectiosität der Rohmaterialien sind. Der microscopische Nachweis 
der Micrococcen in den Geweben des inficirten Thieres gelang auch wirklich und zwar 
vor Allem in den Geweben des erkrankten Gelenkes (Synovialis und Knorpel), sodann in 
Lungen, Leber und Nieren. 

Zur Controle wurde noch die Einwirkung theils eingeimpfter, theils inbalirter Fäul- 
nissflüssigkeiten auf Thiere mit contundirtcn Gelenken geprüft und gefunden, dass hiebei 
die tuberculösen Gelenkentzündungen nicht erzeugt werden können. 

Ganz analoge Resultate wie bei diesen Infectionsversuchen gewann Verf. nun auch 
durch Injectionsversuche direct in’s Gelenk : Septische Substanzen sind nicht im Stande, 
tuberculöse Gelenkaffectionen zu erzeugen, wohl aber die specifisch tuberculösen Sub¬ 
stanzen, resp. die aus tuberculösen Geweben dargestellten Micrococceu. 

In ferneren Abschnitten werden behandelt: das Verhalten des Körpergewichtes und 
des Blutes bei den Thieren mit tuberculösen Gelenkprocessen ; die Verbreitung und Hi¬ 
stologie der Tuberkel und tuberculösen Gewebsveräuderungen bei den Versuchstieren; 
es folgte sodann die Charakterisirung der durch Micrococceneinwirkung bedingten tuber¬ 
culösen Infection, mit einem Rückblicke auf ältere Versuche. 

Die bei den Thierversuchen gewonnenen Ergebnisse werden auf die gleichen Pro- 
cesse beim Menschen in der Weise übertragen, dass bezüglich der Gelenkprocesse jede 
tuberculöse Gelenkentzündung, sei sie nach einem vorausgegangenen Trauma oder ohne 
ein solches eingetreten, bedingt ist durch eine tuberculöse Localinfection vom Blute des 
Individuums selber aus, nur durch die Einwirkung der speciell zur tuberculösen Entzün¬ 
dung führenden inficirenden Micrococcen. 

Bezüglich Lupus, Scrophulose und Tuberculöse des Menschen wird die „genetische 
Untrennbarkeit“ dieser Processe betont und alle drei werden als Erscheinungsformen 
derselben Infectionskrankheit, der tuberculösen Infection aufgefasst. 

Den Schluss der Arbeit bilden die therapeutischen Versuche bei tuberculösen Ge¬ 
lenkleiden. Bei von den Lungen aus, sowie von einem Gelenke aus inficirten Thieren 
wurden zunächst während längerer Zeiträume^ Inhalationen von Natrium benzoicum, Extr. 
Guajaci, Aq. Kreosoti, Aq. Guajacolis gemacht und hiebei gefunden, dass durch diese 
sämmtlichen Mittel die Gelenkentzündung bei den von den Lungen aus inficirten Thieren 
vollständig beseitigt wurde, bei den von dem Gelenk aus iuficirten in einem Falle nahezu 
vollständig geheilt, in den drei andern wenigstens in eine relativ einfachere Form Über¬ 
geführt wurde. Weiterhin wird aber auch geschlossen, dass durch die Inhalation der 
genannten Mittel eine Heilung der tuberculösen Infection im Allgemeinen herbeigeführt 


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wird. — Bei Injection von Chlorzink in das inficirte Kniegelenk ergab sich, dass die 
Einwirkung des Chlorzinks die tuberculösen Micrococcen am primären Infectionsherde 
entweder tödtete oder doch unfähig machte, sowohl eine tuberculöse Localentzündung wie 
eine tuberculöse Allgemeinerkrankung zu erzeugen. — Auch nach subcutanen Pilocarpin- 
injectionen wurde gefunden, dass die tuberculöse Aligemeininfection vollkommen hintan¬ 
gehalten werden konnte. 

Eingehend werden die Heilungsvorgänge der tuberculösen Processe bei den behan¬ 
delten Thieren studirt und zwar zunächst an den innern Organen (Lungen, Leber und 
Nieren) und sodann an den Gelenken. Bei letzteren scheinen die Tuberkel meist durch 
theils bröckligen, theils fettigen Zerfall ihrer Elemente unter gleichzeitiger bindegewebi¬ 
ger Einkapselung unterzugehen, zum Theil verfallen sic einer narbigen Schrumpfung. 

Indem Verf. diese therapeutischen Ergebnisse auf den Menschen überträgt, verthei- 
digt er zunächst die locale Behandlung der tuberculösen Gelenkleiden, in den frühen Ent¬ 
wicklungsstadien werden die percutanen Carbolinjectionen empfohlen, für die späteren die 
operativen Eingriffe. Allein mit dieser Localbehandlung soll auch eine zweckmässige 
Allgemeinbehandlung verbunden werden. Für letztere empfiehlt sich vor Allem der inner¬ 
liche Gebrauch von Natr. benzoicum (täglich 3—ö Mal je Vs —grmm.). Bei etwa vor¬ 
handenen Lungenaffectionen wären noch consequente Inhalationen von Kreosot- oder Gua- 
jacolwasser zu machen. Nebstdem müssen noch allgemein diätetische Maassregeln zur 
Kräftigung des Gesammtorganisraus getroffen werden. 

Die Schüller ’sehe Arbeit wird nicht verfehlen , ein grosses Interesse zu erwecken; 
möglich, dass sie für die Zukunft eigentlich epochemachend sein wird, gewiss aber wird 
sie von Neuem den Forschergeist auf die so ungemein wichtigen tuberculösen Processe 
leiten und so direct oder indirect das Verständniss der letztem in bedeutsamer Weise 
fördern. Kaufmann, 


Die Verletzungen des Auges und seiner Adnexe. 

Von Bergmeister. Mit besonderer Berücksichtigung auf die Bedürfnisse des Gerichtsarztes. 

46 8. (Prof. Schnitzler ’s Wiener Klinik, Jahrg. VI, Heft 1.) 

Nachdem vor einigen Jahren Altmeister ArU uns mit einer Monographie über die 
Verletzungen des Auges und deren gerichtsärztliche Würdigung erfreut (vgl. Corr.-Bl. 
1876 pag. 327), liegt uns heute von seinem mehrjährigen Assistenten Dr. B . eine neue 
Publication über denselben Gegenstand vor. Das kleine Buch des durch seine gediegenen 
Curse an der Wiener Augenklinik auch in weitern Kreisen wohlbekannten Verf. zeichnet 
sich durch Bündigkeit und Klarheit aus. Er berücksichtigt auch die Verletzungen der 
Lider, der Thränenorgane und der Orbita, die von Arlt als ins Gebiet der Chirurgie ge¬ 
hörig weggelassen wurden. 

Nur darin möchten wir dem Verf. nicht ganz Recht geben , dass er mit der sogen. 
Refiexamaurose, die man zuweilen nach Verletzungen oder länger dauernder Reizung des 
Trigeminus (besonders seines R. supra- und infra-orbitalis und dentalis) beobachtet und 
nach Morphiuminjectionen, Excision von Narben, Extraction cariöser Zähne etc. schwin¬ 
den sieht, in solch’ radicaler Weise aufräumt und sie als überwundenen Standpunct be¬ 
zeichnet. Kennt man doch eine ganze Anzahl zuverlässiger Beobachtungen aus den letz¬ 
ten Jahren, welche zur Annahme einer Reflexamaurose zwingen. Leber gibt in seiner 
neuesten Publication eine sehr plausible Erklärung für diese Fälle , indem er annimmt, 
„dass ein anhaltender Reizzustand eines sensibeln Nerven durch sein Bestehen den Ueber- 
gang einer Erregung des Netzhaut-Sehnervenapparates in eine bewusste Gesichtsempfin¬ 
dung erschweren oder verhindern kann.“ Hosch . 

L’Hydrothärapie aux bains de Champel (pres Geneve). 

Par le Docteur Paul Glatz , Mädecin aux bains de Champel , Prof, libre A Genäve etc. 
Premiöre partie: l’anämie, le nervosisme, la Syphilis, les affections goutteuses et rhuma- 
tismales, la maladie de Basedow, l’hydrothdrapie envisagäe comme mädi cation präventive 

et hygiänique. 187 8. - 

Den Titel könnte man ebenso passend umändern in „THydrothärapie et son emploi 
aux bains de Champel“, so sehr prävalirt der allgemeine Theil und ist die Methode im 
genannten Etablissement nur gelegentlich und nebenbei erwähnt. — Nicht mit Unrecht 


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mag der Verfasser gedacht haben, dass es ein unnützes Beginnen wäre, eine specielle 
ideotherapeutische Ueberlegenheit der einen oder andern Wasserheilanstalt beanspruchen 
zu wollen und dass er dem unter seiner ärztlichen Leitung stehenden Etablissemente in 
soliderer Weibe nütze, wenn er einerseits der durch Uebertreibung und Missbrauch theil- 
weise discreditirten Hydrotherapie wieder allgemeinere Geltung zu verschaffen suche und 
anderseits an den Tag lege, dass der dirigirende Arzt Meister im Fach. Beides dürfte 
mit vollstem Erfolge geschehen sein: Die hier mit wissenschaftlicher Giündlichkeit und 
Klarheit dargelegten Principien der Hydrotherapie (unrichtiger Weise immer nur in 
Kaltwasserbehandlung übersetzt) dürften leider (ich erlaube mir, so zu sagen, weil ich 
mich selbst nicht ausnehme) dem grössern Theile der practischen Aerzte keineswegs ge¬ 
läufig sein und kann man eich durch deren Einprägung in diesem Fache schon so weit 
orientiren, um keine groben VerstÖsse zu begehen. — Die als Typen für die Anwendung 
der einzelnen Anwendungsweisen der Hydrotherapie gegebenen Krankheitsbilder sowie 
der den Schluss bildende Abschnitt der Ernährungsphysiologie dürften für den Mediciner 
zwar nichts Neues enthalten, sind aber so anziehend geschrieben, dass man nicht versucht 
wird, diese Partien zu Überschlagen. — Ganz besonders einverstanden möchte ich mich 
mit zwei Anregungen erklären, welche die Brochure enthält: erstens, es sollte das kalte 
Wasser in der Erziehung der Jugend und zwar nicht nur der bessern Btände eine all¬ 
gemeinere Anwendung finden und zweitens, die Balneotherapie möchte auf den Universi¬ 
täten nicht so sehr vernachlässigt werden, da namentlich Derjenige, dem es vergönnt, 
seine Praxis in besser situirten Kreisen anzutreten, sofort in diesen Materien Bescheid 
wissen muss. — Gerne sehe ich der versprochenen Fortsetzung entgegen, welche über 
Intermittens — Diabetes — verschiedene Affectionen des Rückenmarks, des Magens und 
der männlichen Genitalorgane handeln soll. Müller . 

Compendium der allgemeinen Pathologie. 

Für Studiren'de und Aerzte von Prof. 5. Samuel in Königsberg. Stuttgart, bei F. Enke. 

1880. 432 S. 

Ich hatte vor Kurzem Gelegenheit, das grosse Handbuch der allgem. Pathologie des 
gleichen Verfassers den Lesern des ärztl. Corr.-BL nach seinem Verdienste zu empfeh¬ 
len. Ich darf dieses mit dem vorliegenden Compendium um so mehr thun, als es sowohl 
die Vorzüge des grossen Werkes theilt, als auch noch bei seiner für Viele wünschens- 
werthen Kürze, die seit dem Erscheinen des Handbuchs erschienene Literatur über alle 
einschlägigen Gegenstände gewissenhaft benutzt hat. Möge es in dieser handlichen Form 
recht viele Leser finden, JL W. 


Ueber die Keimblätter der Säugethiere. 

Von N. Lieberkühn . Mit 1 Tafel. Marburg. 4 W . 26 8. 

Eine Gr&tulationsschrift zu der 50jährigen Doctor-Jubelfeier des Prof. Hermann Basse 

in Marburg. 

Der Gedanke, dass die erste Entwicklung der Thiere eine unverkennbare Ueberein- 
stimmung zeigen müsse, nachdem der Ausgangspunct, das Ei, eine Gleichheit seiner we¬ 
sentlichsten Eigenschaften aufweist, findet durch die Beobachtung eine immer weitere 
thatsächliche Unterlage. So ist jetzt schon von mehreren Seiten darauf hingewiesen, dass 
z. B. die ersten Furchungskugeln des Kaninchens verschieden gross und auch in ihrem 
Verhalten gegen Reagentien verschieden sind, ja dass auch die aus ihnen hervorgegange¬ 
nen Furchungszellen eine verschiedene Function beim Aufbau der Embryonalanlage über¬ 
nehmen. Damit ergeben sich Anklänge an die ersten Entwicklungsstadien wirbelloser 
Thiere und der Hinweis auf ein einheitliches Princip der Gestaltung in den Uranfängen. 
Sehr bald schon gehen aber dann die Wege auseinander nicht allein nach den verschie¬ 
denen Classen, nein, bald zeigen sich die Charaktere der Species. Wie weit der Weg 
gemeinsam durchlaufen wird, das festzustellen, wird für lange Zeit noch eine Aufgabe 
der Entwicklungsgeschichte bilden, nicht die einzige freilich. 

Diese Entwicklungs an f än g e sind es, mit denen sich nun die vorliegende Arbeit 
LieberkührC s beschäftigt. Seit ihrem Erscheinen sind noch andere Beobachtungen Über 
denselben Gegenstand erschienen, welche die folgenden Angaben unseres Autors be¬ 
stätigen. 


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Bisher war man nämlich der Ansicht, dass die erste Anlage des Säugethierleibes, 
die sog. Keimscheibe zweiblättrig sei, und dass dieselbe nach vollendeter Furchung des 
Eies sich sofort durch Vermehrung und Verschiebung der Zeilen gestalte. Jetzt erfahren 
wir, dass noch zwei vorausgehende Stadien zu berücksichtigen sind, die Folgendes 
zeigen: 

1) Ein primitives Ectoderm, an dessen innerer Fläche in bekannter Weise der Dotter¬ 
zellenrest liegt. 

2) Unter dem primitiven Ectoderm bildet sich ein secundäres Ectoderm und ein ein¬ 
schichtiges Entoderm. Ist dies geschehen, so entschwindet das primitive Ectoderm und 
es tritt nun erst die 

3) bisher als frühestes Keimblattstadium beschriebene Anordnung auf: eine zwei¬ 
blättrige Keimscheibe. 

Mit dem Nachweis eines primitiven Ectoderm bei den Säugethieren ergeben sich 
Anklänge an die ersten Entwicklungsvorgänge bei niederen Wirbelthieren. 

Kollmann . 

Oie acuten Infectionskrankheiten in ätiologischer Beziehung zur Schwangerschafts¬ 
unterbrechung. 

Von Dr. Max Runge, Privatdocent in Berlin. Samml. klin. Vortr. von R. Volkmann, Nr. 174. 

Leipzig, Breitkopf & Härtel. 

Verfasser gibt uns in Kürze die Ansichten kund Uber den Zusammenhang zwischen 
den acuten Infectionskrankheiten und der Schwangerschaftsunterbrechung, einem erst in 
der neueren Zeit genauer studirten und demnach ziemlich lückenhaften Capitel aus der 
Geburtshülfo. 

Alle acuten Infectionskrankheiten können die Schwangerschaft unterbrechen, jedoch 
sind Pocken und Typhus für das kindliche Leben am verderblichsten; dabei kommt aber 
immer in Betracht der Charakter der zur Zeit bestehenden Epidemien und die Behand¬ 
lungsweise. 

Die Ausstossung der Frucht aus dem Uterus findet unter gleichen Verhältnissen 
statt, wie ein Abortus oder eine Frühgeburt aus andern Gründen; nur bei Aborten werden 
oft abundante Blutungen beobachtet. 

Als letzten Impuls zur Ausstossung der Frucht haben wir zwei Momente zu berück¬ 
sichtigen : 

1) das primäre Absterben der Frucht, 

2) Anregung von Wehen durch den Krankheitsprocess bedingt, bei Ausstossung einer 
lebenden Frucht. 

Ad 1. Der Tod der Frucht erfolgt 

a. durch Wärmestauung (Hitzschlag); diese ist eine der häufigsten Todesursa¬ 
chen ; je länger die Temperatursteigerung bei der Mutter anhält und je intensiver sie 
ist, um so sicherer stirbt die Frucht ab; dabei steigt die Temperatur der Frucht höher 
als die der Mutter, 40° C. bringen ersterer schon Gefahr; Beobachtungen und Thierver¬ 
suche erhalten diese Annahmen ; 

b. durch 3törung der placentären Respiration. Wie bei Herz- und 
Lungenkrankheiten kann auch bei acuten Infectionskrankheiten durch Herabsetzung des 
Blutdruckes in Folge Herzschwäche eine Verminderung der Sauerstoffzufuhr der Frucht 
den Tod bringen. Thierversuche haben unter ähnlichen Umständen ergeben, dass nicht 
nur kein sauerstoffreiches Blut der Frucht zugeführt wird, sondern sogar noch letztere 
dem Mutterblute seinen Sauerstoff abgibt; 

c. durch Uebergang derlnfectionsstoffe auf die Frucht. Bewiesen 
ist dieser Uebergang des bestimmtesten bei den Pocken; dass aber alle Infectionsträger 
auf die Frucht übergeheu, ist nicht erwiesen und falls solche die Placenta überschreiten, 
so sind sie der Frucht nicht immer todtbringend; dies zeigen Beobachtungen, wo Kinder 
mit Pockennarben lebend geboren wurden; nachgewiesen ist das Uebergreifen auf die 
Frucht bei Scarlatina, Masern, Malaria und Vaccine, sowie auch für Typhus und Cholera, 
für Trichinosis hingegen noch nicht; 

d. durch anatomische Veränderungen in der Placenta. Dieser Zweig 
ist noch wenig bearbeitet; es ist nur eine einzige Veränderung und zwar in einem Falle 


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von Cholera beobachtet, nämlich Trübung des Zottenepithels der Placenta. (Ob der Tod 
der Frucht dadurch bedingt wurde, ist eine andere Frage, da ja bei Cholera andere Mo¬ 
mente genug mitspielen, die den Tod besser erklären , wie z. B. Wärmestauung, Ci reu - 
lationsstörung, Asphyxie; dazu wurde im Uterus eine hämorrhagische Endometritis mit 
partieller Zerstörung und allgemeiner Ablösung der Decidua vorgefunden. Referent.) 

Ad. 2. Die Störung der Gravidität durch frühzeitigen Eintritt von Wehen 
bei den acuten Infectionskrankheiten ist bezüglich der denselben verursachenden Momente 
noch wenig studirt und wenig bekannt; da anatomische Veränderungen am Ei und im 
Uterus bis dahin noch nicht constatirt werden konnten, so muss man als Ursache der 
Entstehung der Uteruscontractionen eine grössere Irritabilität der Gebärmutter, veranlasst 
durch die Temperatursteigerung, die qualitative und quantitative Veränderung des Blutes 
ansehen ; eine Annahme, die durch Thierversuche gestützt wird. Steigt, wie schon er¬ 
wähnt, die Temperatur über 40° C., so stirbt die Frucht vor der Ausstossung ab und 
wir haben es mit dem sub 1 erwähnten Falle zu thun. 

Für die Therapie erfolgt aus diesen erwähnten ätiologischen Momenten, da die Frucht 
selten durch Infection, meistens durch die Symptome der Krankheit zum Absterben oder 
zur frühzeitigen Austreibung gebracht wird , dass wir, abgesehen von den Rücksichten 
auf die Mutter, hauptsächlich das Fieber und allfällige Herzschwäche berücksichtigen, 
da diese der Frucht noch früher als der Mutter den Tod bringen können. 

Dr. Dick. 


Cantonale Correepondenzen. 

Basel. Durch verschiedene Umstände*) komme ich erst jetzt dazu, meine auf 
Ihre Einladung hin übernommene Aufgabe zu lösen. 

Wohl noch die meisten der verehrten Herren Collegen, die uns im Mai v. J. hier 
in Basel mit ihrem Besuche erfreuten, werden sich an eine Episode des ersten 
Acts (im Bernoullianum) erinnern, die leider nicht zu den Glanzpuncten desselben ge- 
hörte, nämlich an den Schlussvortrag des Herrn Trouve von PariB sammt dem etwas ver¬ 
fehlten Experiment mit der electrisch durchleuchteten Forelle. Der Vortrag war zu lang 
und für gar Viele unter uns zu undeutlich und zu schnell gesprochen; und zu allerletzt 
war noch gar die Forelle so ungeberdig , dass dem sonst so gewandten und für seine 
Geschicklichkeit berühmten Experimentator der sonst ausserordentlich schöne und sehr 
überzeugende Versuch leider fast gänzlich misslang. 

Herr Trouve verdiente aber gewiss ein anderes Resultat; schon der Umstand, dass 
er extra von Paris nach Basel reiste, um der Versammlung der schweizer Aerzte seine 
Erfindungen selbst zu präsentiren, gibt ihm einen hohen und berechtigten Anspruch auf 
unsere Dankbarkeit. Aber nicht nur dieser Umstand bewegt uns zu einem Referat über 
diese Demonstrationen, sondern in erster Linie der wissenschaftliche Werth der vorge¬ 
zeigten Instrumente, die verdienen überall bekannt und verbreitet zu werden. 

Hoffentlich nimmt die Verspätung unserer Correspondenz der Empfehlung nichts von 
ihrer berechtigten Wärme ; im Gegentheil — jetzt stehen unserem Urtheile auch Er¬ 
fahrungen, theils fremde, theils eigene, zu Gebote, während wir früher, gleich nach dem 
Feste, nur theoretische Kenntnisse über diese Instrumente besassen. 

Herr Trouvi, Chef eines grossen Geschäfts in Paris, das fast ausschliesslich die eige¬ 
nen Erfindungen verwerthet, steht in grossem Ansehen, nicht nur bei seinen Collegen, 
sondern auch bei den höchsten Vertretern der verschiedenen Wissenschaften, welche sich 
der Leistungen der Electricität und des Magnetismus bedienen; dass dies nicht wenige 
sind und immer mehr werden, das brauchen wir ja nicht besondere zu betonen; Electri¬ 
cität scheint ja das Losungswort für die Zukunft der Technik zu sein. Wenn auch ge¬ 
genwärtig erst im Beginn und noch in einem gewissen Chaos, wird die Dienstbarmachung 
dieser geheimnissvollen, und ebenso wunderbaren als mächtigen Naturkraft sicherlich eine 
noch ganz ungeahnte und grossartige Bedeutung gewinnen; besitzen wir ja jetzt schon 
eminente Pioniere auf diesem vielfach noch unerschlossenen Terrain für neue Entdeckun- 

*) An diesem so sehr verspäteten Abdruck ist einzig Herr Trouvi schuld, der dem Referenten 
erst nach Verlauf eines halben Jahres und nach zahlreichen Reclamationen die versprochenen Clichös 
zusandte. Red. 


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gen — in Deutschland in erster Linie Siemens — diesem ebenbürtig in Frankreich Trouve, 
Wir haben noch selten einen Mann kennen gelernt, der so grossartig, so genial und doch 
zugleich so enorm practisch denkt; die Wahrheit dieses Ausspruchs beweist jeder, auch 
der kleinste Apparat dieses Erfinders. Stets diese Grossartigkeit neben der allerhöchsten 
fast lächerlichen Einfachheit, die sich bis in kleine Details erstreckt. Und was dieses 
Letztere namentlich bedeutet — einfach und doch gut bis in’s Kleinste, wissen Alle zu 
schätzen, welche viel mit derartigen Apparaten zu arbeiten haben. — 

Doch kommen wir zur Sache: 

Herr Trouve machte uns damals namentlich mit 2 Instrumenten bekannt: 

I. Die el ectrische Kugelsonde und Extractor. 

Das Princip dieses allerdings nur für den Spitalgebrauch passenden Instruments be¬ 
ruht darauf, dass die Sonde (Fig. II) sowohl als der Extractor (Fig. III) 2 isolirte Lei¬ 
tungsdrähte enthält, resp. in seinen Branchen vorstellt, welche durch das Berühren, resp. 
Fassen des Metalls sich metallisch verbinden und so eine durch sie gebildete galvanische 
Kette schliessen und dieser Schluss wird durch einen kleinen Läutapparat (Fig. I) ange¬ 
zeigt. Das eingeschaltete Element (Fig. IV) ist ebenfalls Trouve 's Erfindung und kenn¬ 
zeichnet durch seine Vortrefflichkeit und zugleich höchste Compendiosität so recht die 



Fig. i. 



Fig. III. Fig. II. 



Fig. IV. 


Genialität dieses Mannes. Dieses Elementchen (Electricität in der Westentasche!) ist 
7 cm. hoch, rund, bei einem Durchmesser von 2 cm.; aus Hartgummi oder aus Eben¬ 
holz; ein Deckel von ca. V/ 2 cm. lässt sich abschrauben; an diesem Deckel hängt ein 
runder Zinkstab — auf der Innenfläche des Büchschens ist ein flacher Kohlencylinder an¬ 
gebracht, einen Theil von dessen Wand bildend. Wenn man nun das Element zu ge¬ 
brauchen gedenkt, füllt man das Büchschen halb mit etwa 2 Esslöffel Wasser, fügt ca. 


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5,0 „Electrisirsalr.“ (Hydrarg. sulfuric. neutr.) hinzu, schüttelt etwas und legt das Büchs- 
chen horizontal — dann taucht der Zink*tab sararnt dem Kohlencylinder in die Flüssig¬ 
keit ein — und es bildet sich sofort ein kräftiger Strom, der gut eine halbe Stunde 
ausreicht, um sowohl seine Dienste für die eben erwähnte Kugelsonde als für den weiter 
unten noch kurz zu beschreibenden kleinen Inductionsapparat in genügendster Weise zu 
leiten. Diese halbe Stunde kann man aber dadurch sehr weit ausdehnen, dass man den 
Strom unterbricht, sobald man seiner nicht mehr bedarf, indem man einfach das Büchs- 
chen aufstellt und so Zink und Kohle aus dem Bereiche der Quecksilberlösung bringt. 

Die Construction dieses Elementchens allein würde genügen, um Trouvi berühmt zu 
machen; kleine Elemente gibt es ja auch sonst — aber keines, das so stark, so lange 
relativ constant und zugleich so handlich und so billig ist; letzteres ist auch durch den 
niedrigen Preis des dabei in geringen Mengen gebrauchten Materials bedingt. 

II. Practisch und wissenschaftlich weit wichtiger noch ist aber das uns von Herrn 
Trouve demoustrirte PoIygCOp, ein galvanischer Universal-Beleuchtungs- 
und Cauterisationsapparat. 

Eine genaue und sehr deutliche Beschreibung dieses Apparates finden wir in Nr. 1 
und 2 des Jahrgangs 1880 der vortrefflichen „Illustrirten Vierteljahrsschrift 
der ärztl. Polytechnik von Dr. Beck (Dalp’sche Buchhandlung in Bern und Leip- 
zig); wir entnehmen diesem erwähnten Referate wörtlich Folgendes: 

„Die einzelnen Bestandtheile des Polyscops sind: 1. Das Gehäuse mit den Lei- 
tuug8drähten und dem Galvanometer. 2. Der Rheostat. 3. Die secundäre Batterie von 
Gaaton-PlanU in Verbindung mit einer primären aus 4 Trottve-Caltaud’sehen Elementen. 
4. Die Beleuchtungsmittel für verschiedene Körperhöhlen 5. Die Galvanocauteren. 

1) Das Gehäuse ist ein prismatisches Mahagonikästchen von ca. 70 cm. Höhe und 
30 cm. Breite, in dessen Deckel ein Galvanometer eingelassen ist, in welchem die elec- 
trischen Ströme der Ladungsbatterie und des secundären Elements (s. unten) opponirt 
sind. Dadurch ist man stets über den Stand der Ladungsbatterie, wie auch über die 
Grösse der disponibel Ladung genau informirt; da nun die Entladung in vollkommen 
gleichmässigem Strome geschieht, dieselbe überdies durch die ebenfalls auf der Figur er¬ 
sichtlichen Rheostaten in fast unmerklicher Progression graduirt werden kann, so vermag 
man mittelst des Galvanometers ein- für allemal die Stromstärke zu bestimmen, bei wel¬ 
cher der angewandte Platindraht durchschmilzt, um diese unangenehme Eventualität sicher 
zu vermeiden. Ist die secundäre Batterie vollständig, so nimmt die Nadel wieder ihre 
durch die primäre Batterie bedingte Steilung, welche eine constante Abweichung von 40* 
zeigen soll, ein. Fällt diese Abweichung geringer aus, so wird hiedurch ein mangelhaf¬ 
ter Bestand der primären Batterie angezeigt, welche, sei es durch neues Hinzufügen von 
Kupfersulfat, sei es durch Ersetzung der abgenützten Zinke, verbessert werden muss. Im 
ersten Modell (Fig. V a) war nur ein positiver und ein negativer von der secundären 
Batterie ablaufender Leitungsdraht und ein einziger Rheostat vorhanden. Im gegenwär¬ 
tigen (Fig. V b) sind beide genannten Bestandtheile verdoppelt, wodurch der eminente 
Vortheil erzielt wird, die galvanische Beleuchtung und Cauterisation gleichzeitig bewerk¬ 
stelligen zu können > indem Beleuchtungsspiegel und Galvanocauter durch die vier Lei¬ 
tungsdrähte mit ein und der nämlichen Batterie in Verbindung sind. Am Boden des 
Kästchens bemerkt man die von der Ladungsbatterie zuführenden Poldrähte. Der Deckel 
ist mit einem zum Transport des Kästchens dienenden Handgriff versehen. 

2) Die äusserst compendiös construirten # Rheostaten bestehen aus einer spiralförmi¬ 
gen Platinfeder, in deren Lichtung ein dieselbe berührender graduirter, aus einem schlecht¬ 
leitenden Metall gefertigter Stab hinauf- und hinabgeschoben werden kann. Ist der Stab 
ganz in die Spirale versenkt, so hat der Strom nur den Widerstand der letztem zu über¬ 
winden; wird dagegen der Stab aus der Spirale herausgezogen, so wächst der Wider¬ 
stand im Verhältuiss der Anzahl der frei werdenden Windungen der Platinspirale, welche 
der Strom nun zu passiren hat; um so langsamer wird selbstverständlich der Abfluss der 
in der secundären Batterie angesammelten Electricität stattfinden. Die Piatinspirale hat 
100 Windungen und repräsentirt ungefähr den Widerstand von einem Kilometer Eisen¬ 
draht von 4 mm. Dicke, wonach sich der Grad des Widerstandes per Windung von selbst 
ergibt. Zwei verschiebbare Zwingen verbinden die Rheophoren mit den Rheostaten. 

Vermittelst dieser Vorrichtung kann der Abfluss der Electricität so genau reglirt 


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werden, dass man im Stande ist, die nur Y 10 —Yjo mm. dicken Platindrähte der Reflec- 
toren in einen der Schmelzung nahen glühenden Zustand zu bringen, ohne^eine Zerstö¬ 
rung derselben befürchten zu müssen. Trotzdem ist die Erwärmung von Seiten der 
Reflectoren eine so geringe, dass man dieselben mehrere Minuten lang in die nächste 
Nähe der zu untersuchenden Schleimhäute bringen kann, ohne die Patienten hiedurch zu 
belästigen. 



Fig. v ». 



Fig. Vb. 


3) Die secundäre Batterie v von Gaston-PlanU L Dem berühmten Pariser Fabrikanten 
gebührt das für die Geschichte der Galvanocaustik epochemachende Verdienst, die geniale 
Erfindung jenes ausgezeichneten Physikers zur Construction seines photogalvanischen und 
galvanocaustischen Apparats benützt zu haben. Es gründet sich dieselbe auf die Be¬ 
nützung der Polarisationsströmn der Voltaischen Säule, auf deren Beseitigung bis dahin 
alle Constructoren galvanocaustischcr Apparate bedacht waren , zur Aufspeicherung der 
galvanischen Kraft, deren Abfluss, resp. Verwendung ebenso leicht regulirt werden kann, 
als der Abfluss des Wassers aus einem Gefäss. Ueber die Entstehungsgeschichte dieser 
Batterie, die ihr zu Grunde liegenden ph^sicalischen Principien und die weittragenden 
Experimente, welche mit ihr angestellt wurden, findet der Wissbegierige hochinteressante 
Belehrung in dem neuen, reich illustrirten Werke von Gasion-Plante „Recherches sur l’älec- 
tricitä“ (Paris, A. Fourneau). Wir beschränken uns hier auf eine kurze Beschreibung, 
welche einem Artikel der „Wiener raed. Wochenschrift“ über den Trouvä'echen Apparat 
entnommen ist: 

„In einem Glascylinder, welcher mit lOfach durch Wasser verdünnter Schwefelsäure 
angefüllt ist, befinden sich zwei spiralig über einander aufgerollte, nur durch schmale da¬ 
zwischen liegende Caoutchoucstreifen ieolirte Bleiplatten. Dieselben sind ungefähr 60 cm. 
lang, 20 cm. breit und 1 mm. dick. Je ein Ende beider Bleiplatten geht in eine schmale 
bandartige Verlängerung aus, welche mit den Leitungsdrähten zweier Trouve - Callaud 'sehen 
Elemente einerseits und mit zwei schmalen Kupferplatten anderseits verbunden sind. 

Die eine von diesen schmalen Kupferplatten liegt unter einer andern Kupferlamelle, 
deren verlängertes und federndes Ende durch einen Knopf in Verbindung gebracht wer¬ 
den kann mit einer der Zwingen, welche die Rheophoren mit den Rheostaten verbinden. 
Die andere Kupferplatte dagegen ist in constanter Verbindung mit der andern dieser letzt- 


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erwähnten Zwingen und zwischen die Stifte dieser Zwingen werden die Galvanocauteren 
etc. sammt ihren Poldrähten eingeschaltet. 

Setzt man nun zwei primäre Elemente durch die Leitungsdrähte eine Zeit lang mit 
der die Pole der primären Batterie darstellenden Bleiplatte der secundären Batterie in Ver¬ 
bindung, so wird vermöge ihrer grossen Oberfläche ein ausserordentlich starker Polari- 
satiou88trom in der Flüssigkeit der secundären Batterie erregt, ^vermöge dessen sich ein 
grosses Quantum entgegengesetzter Electricitäten in jenen ansammelt. Wird die Ver¬ 
bindung dieser Plattenpole durch Herabdrücken des Knopfes hergestellt, so wird ein inten¬ 
siver Strom im entgegengesetzten Sinne erzeugt, mittelst dessen eine Entladung der secun¬ 
dären Batterie in stetem und regelmässigem Abfluss stattfindet. Die hiebei vor sich ge¬ 
hende chemische Wirkung ist allzu bekannt, als dass sie hier näher erörtert zu werden 
braucht. Bemerkt sei hier nur, dass dieselbe durch wiederholte Ladungen sich erheblich 
verstärkt, da die zu oxydirenden und zu reducirenden Schichten an den Bleiplatten immer 
ansehnlicher werden und hiemit auch die Kraft des secundären Elements stetig zunimmt 
Es wird daher zu einem bedeutenden Electricitätsreservoir, das durch zwei primäre Ele¬ 
mente (Trouve benützt meist deren vier) genügend gefüllt werden kann, um den zur Be¬ 
leuchtung oder Caustik dienenden Platindraht eine hinlänglich lange Zeit weissglühend tu 
erhalten. Brasseur , welcher den Apparat nun schon zwei Jahre in Gebrauch zieht, maflht 
darauf aufmerksam, dass die secundäre Batterie um so kräftiger und brauchbarer wnd, 
je länger und öfter man sich derselben bedient. (Schluss folgt) 

Zürich. Verlust der Geschmacksempfindungen, geheilt durch 
Anwendung des constanten Stromes. 

Frau L. in K., 34 Jahre alt, früher gesund, bemerkte im Monat März 1880 eine 
rasch auftretende Veränderung ihrer Geschmacksempfindungen. Sie konnte in kurzer 
Zeit weder süss noch salzig, bitter oder sauer unterscheiden. Die Krankheit begann mit 
dem Geschmacksgefühl von Bitterkeit nach dem Genuss irgend welcher Speise. Dieses 
Bitterkeitsgefühl ging in ein noch viel unangenehmeres Gefühl von Süss über, welche 
Geschmacksempfindung Patientin mit derjenigen verglich, wenn frisches Blut genossen 
wirtf. Auch diese Empfindung von Süss verlor sich, so dass alle Speisen den Eindruck 
von fad und sandig machten. Salz, Wein, Essig, Zucker, Chinin machten beinahe den¬ 
selben Eindruck und wurden schliesslich an der Zungenspitze und auf dem Zungenrücken 
nicht mehr empfunden. Spuren von Geschmacksempfindungen zeigten sich noch bisweilen 
hinten ira Rachen, beim Verschlucken der Speisen. Salz brachte das Gefühl von Sand 
im Munde hervor, so dass sämmtliche Speisen für die Patientin ungeuiessbar wurden und 
dieselbe deshalb bedeutend zu magern anfing. 

Mit dem 25. März 1880 wurde die Behandlung mit constantem Strom begonnen. 

Es wurde zu diesem Zwecke eine Zink-Kohlenbatterie benützt, als leitende Flüssig¬ 
keit eine concentrirte Kochsalzlösung angewendet. Die Sitzungen Wurden mit 5 Elemen¬ 
ten begonnen und der constante Strom während 5 Minuten zwischen Genick und Zungen¬ 
spitze in nachfolgender Weise unterhalten. Die Electrode des Zinkpols (negativer Pol 
bei geschlossener Kette) wurde auf das Genick in der Höhe des 3.—4. Halswirbels, die 
Electrode am Kohlenpol (positiver Pol) auf die Zungenspitze gesetzt. Die Zunge blieb 
bei diesem Verfahren im Anfänge ganz unempfindlich, während im Genick heftige, bren¬ 
nende Schmerzen entstanden. Nachdem circa 3 Wochen, je den zweiten Tag, auf be¬ 
schriebene Art und Weise vorgegangen worden war, so stellte sich an der Zungenspitze 
und auf dem Zungenrücken ein deutlich metallisches, säuerliches Geschmacksgefühl mit 
Brennen ein. Nach und nach wurde zuerst wieder Salz als Salz empfunden und zwar 
Mitte Juni. In der Meinung, mit allmäliger Verstärkung des Stromes und der Sitzungs¬ 
dauer schnellere Erfolge zu erzielen, vermehrte ich die Zahl der Elemente auf 7 und die 
Sitzungsdauer auf 8 Minuten. Damit bezweckte ich aber nach 4 Sitzungen einen der¬ 
artigen Rückschritt, dass der Zustand meiner Patientin beinahe der gleiche wurde, wie 
bei Beginn der Cur. 

Es wurde deshalb mit Beibehaltung von 5 Elementen und 5 Minuten Sitzungsdauer 
regelmässig alle 2 Tage fortgefahren und mit der Geschmacksempfindung von Salz bis 
circa Mitte Juli auch diejenige des Bittern (Chinin) erreicht, während erst gegen Ende 
August Essig, Weinsäure in Form von Wein bemerkbar wurden. Das Gefühl von Süss 
war noch sehr wenig bemerkbar. 


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155 


Id angegebener Weise wurde, wo möglich regelmässig, verfahren mit der Ausnahme, 
dass im Monat December 1880 und im Januar 1881 die Sitzungsdauer auf 10 Minuten 
verlängert wurde. An der Zahl der Elemente wurde nichts geändert. 

Naoh circa 130 Sitzungen haben wir mit Anfang Februar 1881 folgendes Resultat 
erzielt: 

Patientin ist wieder im Besitze einer guten Geschmacksempfindung für das Salzige, 
Bittere und Saure. Nur die Geschmacksempfindung für Süss lässt noch bedeutend zu 
wünschen übrig, weshalb die Behandlung fortgesetzt wird. 

An Obiges anknüpfend, glaube ich, dass die Gelegenheit geboten, einiger Versuche 
an dritten und an meiner Person Erwähnung zu thun. Die hauptsächlichsten Forscher 
behaupten, dass sich am positiven Pol ein saures, am negativen Pol ein alcalisches Ge- 
sokteacksgefühl erzeuge, was bei Experimenten an dritten Personen sich oft bestätigt, 
niokt aber immer sutrifft. Es existirt aber noch eine grosse Differenz in der Stärke des 
Geschmacks und Gefühls auf der Zunge, je nach dem Auflegen der Electrode des posi¬ 
tiven oder negativen Poles auf die Zunge. Legt man die negative (Zink) Electrode aufs 
Genick, die positive (Kohle) auf die Zunge, so wird auf Letzterer ein herber, metalli¬ 
scher, säuerlicher Geschmack nebst bedeutendem Brennen empfunden, auf dem Genick 
heftiges Brennen wahrgenommen. Setzt man umgekehrt die positive Electrode aufs Ge¬ 
nick, die negative an die Zunge, so ist die Geschmacksempfindung sowie das Gefühl von 
Breimen auf Letzterer bedeutend geringer, im Genick gar keine Empfindung bemerkbar. 
G&ds ähnlich verhält es sich, wenn man das Experiment zwischen Zunge und einer 
irgendwelchen Stellung des Gesichtes ausführt. Aus den wenigen Versuchen lässt sich 
natürlich nicht irgend welcher Schluss fassen, es müssen zuerst verschiedene Fälle be¬ 
schriebener Krankheit zusammengestellt werden können. 

Dr. G. Irminger in Küssnacht (Zürich), 


W ochenbericht. 

Schweiz. 

Basel. Prof. Immermann' s Recto r atsrede üb er die Klinik and Ihr 
leben ist soeben in geschmackvoller Ausstattung bei Benno Schwabe im Druck erschie¬ 
nen, und wir sind überzeugt, dass dieser geistvolle Vortrag von jüngeren und älteren 
Collegen mit einem wahren Vergnügen wird gelesen werden. Wenn auch Jahre und 
Jahrzehnde seit der Zeit, da wir als Studenten die Kliniken besucht haben, verflossen 
sind, so lassen wir doch gerne wieder uns erzählen von der Klinik und ihrem Leben, 
zumal von einem Manne, der mit einer seltenen Beherrschung Jes Stoffes, in so mustergül¬ 
tiger Formvollendung, offen und ehrlich das sagt, was ihm als Arzt, als Lehrer und als 
Forscher am Herzen liegt. 

Immermann theilt die Thätigkoit der Klinik in eine heilende, lehrende und forschende 
and entwickelt, nach einem kurzen und anregenden Rückblick auf die Geschichte (Embryo¬ 
logie) der Klinik, die leitenden Gesichtspuncte der Aufgaben des Klinikers. Daneben gibt er 
sein Glaubensbekenntnis über die Vorbildung der Mediciner, Für die Forderung der Vor¬ 
bildung an einem humanistischen Gymnasium spricht nach /. am wenigsten „der rein äus- 
serliche Nutzen, den die Kenntniss des Lateinischen und namentlich des Griechischen für 
da9 Verständnis« der zahllosen medicinischen Kunstausdrücke gewährt,“ als vielmehr die 
„lediglich ideale Mitgift, welche die also gebildete Seele des Knaben und Jünglings für das 
kommende Leben durch den Hauch der Antike empfängt, und die auch dem Arzte als Gegen¬ 
gewicht gegen die Realien seines Berufes wahrlich nicht fehlen soll“; am meisten betont 
er hiebei mit Recht „die eminent-gymnastische Bedeutung, welche die gründliche gramma¬ 
tische Schulung in den beiden classischen Sprachen für den Geist des Heranwachsenden 
besitzt. 4 Er schlägt jedoch vor, die Classenlectüre der antiken Schriftsteller etwas ein¬ 
zuschränken, dafür aber die Elemente der Differentialrechnung, den Begriff des Integrals 
und den Wahrscheinlichkeitsbegriff in den Lehrplan aufzunehmen, „um der Mathematik 
selbst sofort einen viel höheren und bleibenderen Werth für das Leben als Hebel künf¬ 
tiger Denkarbeit und als Richtschnur practischer Entschliessung zu sichern. 4 

Es ist nicht unsere Absicht, hier ein ausführliches Referat über diesen Vortrag 
hnmermam'ß zusammenzustellen, sondern nur mit kurzen Worten die Collegen eiczuladen, 


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156 


dem Genüsse des Lesens dieser ganz ausgezeichneten Rede sich hinzugeben. Es wirkt 
dieselbe auf jeden Arzt belebend, befruchtend und nach den mannigfaltigsten Richtungen 
hin neue Impulse auslösend. 

Bern« Hochschule« Von Seiten der medicinischen Facultät und des Universitäts- 
Curatoriums von Amsterdam ist Prof. P. Müller einstimmig fUr die erledigte Professur der 
Geburtshülfe und Gynmcologie vorgeschlagen worden. Die Abneigung der Majorität im 
Gemeinderath (Amsterdam ist eine städtische Universität) gegen die Berufung von Aus¬ 
ländern hat diesen Vorschlag, trotzdem auch das Bürgermeisteramt dafür in die Schran¬ 
ken getreten war, zu Falle gebracht. Wir freuen uns nichtsdestoweniger der Anerken¬ 
nung, die Prof. P. Müller durch die wissenschaftlichen Vertreter Hollands zu Theil ge¬ 
worden. Die Berner Hochschule kann sich jedenfalls Glück dazu wünschen, von Neuem 
der Gefahr, eines ihrer erprobten Mitglieder zu verlieren, entgangen zu sein. 

— DoctOTJubiläum von Alt-Oberfeldarzt Dr. Lekmann. Der Regie¬ 
rungsrath hat dem Herrn eidg. Alt-Oberfeldarzt und -Regierungsrath Dr. Lehmann , Prä¬ 
sident der Iuseldirection, am 17. Februar, als am Tage, an welchem derselbe vor 50 
Jahren das bernische Arztpatent erhalten hat, ein Dankschreiben für seine während des 
abgelaufenen halben Jahrhunderts auf mehrfachen Gebieten dem Wohle der Mitbürger 
und des Landes gewidmete unermüdliche und rühmliche Thätigkeit zukommen lassen. 

Wir widmen dem Jubilare bei diesem Anlasse unsere herzlichsten Glückwünsche und 
hoffen, dass er noch viele Jahre an den philanthropischen Bestrebungen roitarbeiten werde, 
denen er seit 50 Jahren in uneigennützigster Weise seine Kräfte geweiht hat. 

Neuenbürg« Hypnotismus« Zur Beruhigung der durch den Magnetiseur Donaio 
sehr erregten Bevölkerung hält auf Anordnung des Staatsrathes Herr Dr. Ladame , unter¬ 
stützt von Herrn Slrohl , im ganzeo Canton Neuenburg Vorträge über den thierischen Mag¬ 
netismus. Das Programm der physiologischen Deductioncn lautet: Hypnotisation de pou- 
les. — Hypnotisation compldte chez l’homme, avec rdsolution musculaire, provoqude par 
diffdrents moyens. — Catalepsie artificielle. — Anesthöaie. Insensibilitd 4 la douleiir. — 
Contractures. Phdnomdnes rdflexes. Transfert. — Hypnotisme unilatdral Aphasie. — 
Imitation spdeulaire. L’dcho. Le phonographe vivant. — Troubles des Organes des sens. 
Crampe de l’accomodation de l’aail. Daltonisme. Surditö. Insensibilitd du goüt et de 
l’odorat. — Hallucinations. — Extase. — 

Wir denken, die wissenschaftliche Klarlegung der Sachlage werde als kalte Brause 
auf die Trugbilder der exaltirten Phantasien wirken. 

— Pocken und Impfung. Veranlasst durch Wünsche, welche durch die Ge- 
meinderäthe von Chauxdefonds und Locle geäussert wurden, hat sich die neuenburgische 
Sanitätscommission mit der Frage der Impfung und besonders des Impfstoffs beschäftigt. 
Das Resultat ist ein von Dr. GuiUaume, dem Vicepräsidenten jener Commission, verfasster 
Bericht an die Direction des Innern •) Derselbe erörtert die Gefahr der Syphilis, welche 
besonders dazu beigetragen hat, den Wunsch nach Cowpox und, da solche selten, nach 
gezüchteter Retrovaccine rege zu erhalten und stellt zusammen, was bisher in Bezug auf 
animalen Impfstoff in Neuenburg geleistet worden ist. Es folgt dann ein resumirender 
Bericht über die Erfahrungen der neuenburgischen Impfärzte. Was Schädigungen be¬ 
trifft, so ist dort Syphilis noch nie beobachtet worden, Erysipel selten, nur 1 Todesfall 
an Späterysipel wird erwähnt; bei Scrophulose wird auf den oft zweifelhaften Cau- 
salzusammenhang zwischen der Impfung und den nachfolgenden scrophulösen Symptomen 
aufmerksam gemacht. Die bisherigen Resultate mit animaler Lymphe waren nicht sehr 
befriedigend, so dass im Augenblicke einer Epidemie, wo Gefahr im Verzüge, die sicher 
erfolgreiche Impfung von Arm zu Arm vorzuzieben sei. Ueber die Errichtung eines ani¬ 
malen Impfinstituts gehen die Meinungen der Impfärzte auseinander. Der Bericht befür¬ 
wortet in dieser Beziehung, der Staat solle entweder mit einem bestehenden Impfinstitut 
einen Vertrag schliessen oder, sei es eine Gemeinde, sei es einen Privaten des Cantons 
behufs Gründung eines solchen Instituts subventioniren, oder, was das beste wäre, selbst 
ein solches Institut gründen. 

Der Bericht gibt ausserdem auch Aufschlüsse über die Impfungen und Pockenfälle 


*) Le vaccln jeundrien et le vaccin animal. Rapport etc. par le docteur GuiUaume . Neu- 
ch&tel, 1881. 


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157 


im Jahre 1880. Die Impfung erscheint am mangelhaftesten durchgeführt im Bezirk 
Chauxdefonds, wo */ 8 der Geimpften (52 von 407) das gesetzliche Alter von 6 Jahren 
überschritten haben. Pockenfälle wurden angezeigt 176, davon in Chauxdefonds 
152, St. Aubin 12, Cormondr&che 4, Locle und Neuchätel je 3, in Couvet und aux 
Ponts je 1. 

Mit Ausnahme von 2 im Mai in Neuenburg beobachteten Fällen „tous 1 es &u- 
tres ont la Chauxdefonds comme point de döpart“. 

Was den gegenwärtigen Stand der Krankheit betrifft, so können wir dem Gesagten 
Folgendes beifügen. Vom 6. bis 19. Februar sind in Chauxdefonds wieder 11 Todes¬ 
fälle vorgekommen ; Total seit dem 10. October 1880 : 70 = 3,l%o der Bevölkerung (in 
19 Wochen!). Die Pocken sollen ferner benschen in Corraondröche, Corcellee, Peseux, 
Hauts-Geneyeys. Wie schon im letzten Wochenbericht erwähnt, hat der Canton Bern 
mehrfache Einschleppungen zu erleiden gehabt, so nach Biel (fm Ganzen bisher 3 To - 
desfälle), St. Imier, Reconvillier und Sonceboz. 

Dem hätte ein rechtzeitiges Eingreifen in Chauxdefonds zuvorkommen können. Doch 
wozu Isolirung und ähnliche Plackereien? „Das Leben ist der Güter höchstes nicht. a 

„II y a un principe supdrieur, celui de la sauvegarde de la dignitd humaine et de 
la libertö individuelle.“ •) 

Zürich. Pockenspital. Seit Juli 1880 gelangten im Verlaufe des Februars zum 
ersten Mal wieder Fälle von Variola zur Aufnahme, von denen der eine ätiologisches 
Interesse beanspruchen darf. 

1) E. H., 47 Jahre, Bahnangestellter, Aussersihl; aufgenommen 3. Februar; in der 
Jugend geimpft; alte Impfnarben ; keine Revaccination. 

Erkrankt 30. Januar Morgens; Exanthem 1. Februar. Als einziges ätiolo¬ 
gisches Moment lässt sich ermitteln, dass Pat. am 9. Januar 
von seinem Schwager in Chauxdefonds, der an den Pocken 
damals krank lag, ein Paket bekam, welches einen zum Auf¬ 
hängen bestimmten, mit einer aus rauher Wolle verfertigten 
Broderie geschmückten Zeitungshalter enthielt. Das Paket blieb 
mehrere Tage uneröffnet liegen, leider erinnert sich Pat. des Datums nicht mehr 
genauer. 

2) C. W., 41 Jahre, Hebamme, Töss; aufgenommen 10. Februar; in der Jugend 
geimpft; alte Impfnarben; keine Revaccination. Erkrankt 3. Februar; Exan¬ 
them 6. Februar. 

3) B. K, 11 Monate, Töss; aufgenommen 10. Februar. Nicht geimpft. Die 
Mutter des Kindes scheint an Pocken gelitten zu haben; sie starb am 23. Januar, nach¬ 
dem am 20. eine Frühgeburt vorausgegangen war. — Die unter 2. erwähnte Hebamme 
besuchte sie zum ersten Mal am 18. Januar, hernach täglich bis zum 22. Januar. — Die 
Mutter der verstorbenen Frau K. kam 2—3 Wochen vor deren Erkrankung aus Schwyz 
nach Töss zu ihrer Tochter; sie soll an ersterem Ort mit Pockenkranken in Berührung 
gekommen sein, blieb aber seihst gesund. 

17. Februar. C. Nauwerck. 


Stand der Infections-Krankheiten in Basel. 

Vom 11. bis 25. Februar 1881. 

(Die Zahlen in Klammern geben jeweilen die Anzahl der in früheren halben Monaten 

angemeldeten Fälle an.) 

Von Varicellen sind 12 neue Erkrankungen angezeigt zerstreut über die Stadt 
(16, 12, 13). 

Ein von Chauxdefonds zugereister Anfangs sehr variolaverdächtiger Handwerksbursche 
hat sich schliesslich als masern krank erwiesen. Dagegen ist ein hier wohnender 
Schreinergeselle an Variola erkrankt, ohne dass über die Quelle der Infection sich 
irgend etwas hätte herausfinden lassen. Da der Kranke vor seiner Isolirung mehrfache 
Besuche erhielt, so sind weitere Erkrankungen nicht unmöglich. 


*) Cornau, Rapport de la minoritd etc. pag. 6. 


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-r 158 


Scharlach kommt etwas häufiger vor; angemeldet sind 8 Über die Stadt zerstreute 
Fälle (2, 5, 8), ausserdem eine Erkrankung in Kleinhüningen. 

Beim Typhus hat sich der schon im letzten Berichte angekUndigte Rückgang ein¬ 
gestellt und zwar in allen Districtcn ; angemeldet sind 48 neue Fälle, darunter 1 aus¬ 
wärtiger (20, 31, 126, 113); die einheimischen vertheilen sich folgendermaassen: 

11.-25. Dec. 26. Dec.-lO. Jan. 11-25. Jan. 26. Jan.-10. Febr. 11.-25. Febr. 


Nordwestplateau 

6 

12 

33 

36 

16 

Birsigthal 

4 

10 

28 

27 

12 

Südostplateau 

3 

2 

31 

16 

6 

Birsthal 

— 

1 

2 

3 

1 

Kleinbasel 

5 

5 

31 

31 

12 


Von Diphtherie und Croup sind 32 neue Fälle gemeldet (21, 32, 41) aus allen 
Stadttheilen, die Mehrzähl, 17, aus Kleinbasel. 

Pertussis 15 neue Anmeldungen (14, 29, 28). 

Erysipelas 10 Fälle ( 8 , 12, 14). 

Von Puerperalfieber 1 Fall in KleinbaseL 


Bibliographisches. 

62) Müller , F. } Erster Nachtrag zum Catalog der herpetologischen Sammlung des basier 
Museums. Mit Anmerkungen und 1 Tafel. Basel, Schweighauscrische Buchdruckerei, 
1880. 49 S. 

63) ZAemssen, Handbuch der allgem. Therapie II. Bd. I. Theil. Weber , Klimatotherapie. 
Leichlenstcm , Balneotherapie. 454 S. Leipzig, F. C. W. Vogel. 

64) Hofmarm, Lehrbuch der gerichtlichen Medicin. Mit gleichmässiger Berücksichtigung 
der deutschen und österreichischen Gesetzgebung. II. vermehrte und verbesserte 
Auflage. Mit zahlr. Holzschn. Wien und Leipzig, Urban & Schwarzenberg. 

65) Stille, Der Neo-Malthusianismus als Heilmittel des Pauperismus. 82 S. Berlin, Ver¬ 
lag von Luckbardt. 


Briefkasten. 

Herrn Dr. 0. llaab in Z.: Den gewünschten Abstrich nach Instruction besorgt — Herrn Prof. 
Pflüger: Das Zusenden der ferneren Lieferungen wird besorgt. — Herrn Dr. Ifa^ner inB.: Beruhigen 
Sie sich, so pressirt die Sache nicht — gelegentlich. Freundl. Grüsse. — Herrn Dr. Fetscherin in 
St. Urban: Besten Dank! Hoffentlich bleibt es beim Schrecken. Freundl. Gruss! — Herrn Dr. Gtiil- 
laume , Neuenburg; Dr. Müller , St. Beatenberg; Dr. Schnyder , Nizza: Unsem Dank. — # Herrn Dr. Bil- 
leler in Z.: Vollkommen einverstanden. Schieben Sie das Betr. ruhig in den Papierkorb. — Herrn 
Dr. Haltenhoff , Genf; Dr. R. Meyer-Hiini; Dr. Zürcher , Aarau; Dr. Münch, Brestenberg; Dr .Glaser, 
Münchenbuchsce: Pressirt nicht; mit bestem Dank erhalten. 

Herrn Dr. B. in A.: Herr Prof. Immermann ist so freundlich, Ihre Anfrage über die Thera¬ 
pie des Pemphigus, wie folgt, zu beantworten: „Mit der Therapie des Pemphigus chronicus ist es 
auch heute noch eine sehr missliche Sache und der Ausspruch Hebra’a, „er kenne kein Mittel, wel¬ 
ches sich gegen diese Affection wirksam erweise“, entspricht leider durchaus auch noch dem gegen¬ 
wärtigen Stande unseres Wissens. Vor dem Gebrauche des Jodkalium und der Quecksilberpräparate 
ist entschieden zu warnen, da durch diese Medicamente die gefürchtete Cachexie, die in schweren 
Fällen nicht auszubleiben pflegt und dann oft den tödtlichen Ausgang bedingt, nur gezeitigt und be¬ 
schleunigt zu werden scheint Arsenik, souverän gegen Psoriasis, wirksam gegen Lichen ruber und 
manche andere, schwereDermatonose, ist gegen Pemphigus chronicus absolut unwirksam. — Bei 
dem Mangel specifischer Heilagentien bleibt demnach lediglich ein symptomatisches Verfahren übrig 
und zwar dürften wohl am meisten protrahirte lauwarme Bäder (eventuell auch künstliche Schwefel¬ 
bäder), Einstreuungen der Körperoberfläche mit Streupulver (Amyium subtiUssim. pulverisatum, Lyco- 
podium) — ferner innerlich Stomachica und Roborantia (Chinadecoct und Chinin , Eisenpräparate, * 
Leberthran) sich empfehlen. — Die Prognose ist um so übler, je reichlicher die Blasenproruptionen 
sind, je schneller sie sich wiederholen und je weniger mit zunehmender Dauer der Krankheit sich eine 
Tendenz zu spontanem Nachlassen des Uebels zeigt; hingegen werden selbst io sehr schweren, schein¬ 
bar desperaten Fällen mitunter doch noch Heilungen beobachtet, die indessen weniger auf Rechnung 
einer eingreifenden Therapie, wie vielmehr der Zeit und einer sorgfältigen Pflege der Kranken zuzu¬ 
messen sind. H . I. 


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159 


Kantons-Kranken-Anstalt Glarus. 


Die Stelle eines 

Arztes der glarnerischen kantonalen Krankenanstalt 

ist zu besetzen. — Die jährliche Besoldung beträgt Fr. 3—4000. — Die Besorgung von 
Privatpraxis ist nicht ausgeschlossen. Ueber die nähern Bedingungen gibt der Unter¬ 
zeichnete auf Anfrage Aufschlüsse. 

Anmeldungen unter Beilegung eines Curriculum vitse sind bis spätestens 10. März 
nächsthin einzugeben an den Präsidenten der Aufsichtskommission: 

Glarus, den 2. Februar 1881. [H-1220-G1] Grallati- 


Leube-Rosenthal’sche 

Fleischsolution, 

genau nach Vorschrift des Prof. Dr. Leube bereitet 
von H. Hueffner, 

Medicinal-Asscssor in Jena. 

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platz, NeumUnster-ZUrich. 

Verlag von August HirschwaW in Berlin. 

Soeben ist erschienen: 

Zeitschrift 

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klinische Medicin. 

Heraosgegeben von 

Dr. Fr. Th. Frerichs, und Dr. E. Leyden, 

Professor der medicin. Klinik Professor der raed.-prop. Klinik 

in Berlin. 

II. Band. 3. Heft. gr. 8. Mit 3 Tafeln. 
Preis eines Sandes 16 M. 


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PARIS, 22, boulevard Montmartre . 

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Vichy mit dem aus den Quellen ge¬ 
wonnenen Salze. Sie haben einen sehr 
angenehmen Geschmach und machen 
einen gewissen Eindruck gegen Ma¬ 
gens« uro und schwere Verdauung. 

SALZ VON VICHT FÜR BjEDER. - Ein 

Kistchen für ein Bad, solchen Personen — 
die nicht nach Vichy kommen kemmen. § 
UM NACHAHMUNGEN ZU VERMEIDEN, £ 

VERLANGT MAN ~ 

BEI ALLEN ERZEUGNISSEN DIE MARKS 

DER COMPAGNIE 
ln Basel bei E. Ramsperger. 


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sammensetzung corrigirt und im Kindermagen 
fein flockig gerinnen lässt — hat sich als 
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haften Theile enthalten. Hafermehl in 2 Sorten, von roher oder gerösteter Frucht Sämmtliche 
3 Sorten, deren reizmildernde Wirkung auf die Verdauungsorgane bekannt ist, eignen sich 
vorzüglich zur raschen Bereitung zarter, nahrhafter Schleime (Cremes), sowie namentlich 
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AUes zu haben in den Apotheken und (wo keine solchen sind) in Spezereihandlungen. 


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160 


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kalien unverändert. 

Sämmtliehe neuern Mittel, soweit nicht vor- 
räthig, besorge gerne und stehe mit Preismitthei¬ 
lung gerne zu Diensten. 

St Sailen, 28. Februar 1881. C. EhrenzeUer, 
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die Herren Aerzte abgegeben. In Folge Aenderung 
I der Behandlungsweise der gewonnenen Lymphe 
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mit derselben erzielt worden, indem oei baldiger 
Verwendung resultatlose Impfungen nicht Vor¬ 
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Bestellungen nimmt entgegen das 

Sekretariat der Sanltfttsdlrektion« 
Schaffhausen, den 21. Febr. 1881. 

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Die Klinik und ihr Leben. 

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Schweighauserische Buchdruckerei. — B. Schwabe, Verlagsbuchhandlung in Basel. 


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Am 1. und 15. jedes 
Monats erscheint eine Nr. 

1V*—2 Bogen stark; 
am Schluss des Jahrgangs 
Titel u.Inhal tsverzeichniss. 


für 

schweizer Aerzte. 

Herausgegeben von 


Preis des Jahrgangs 
Fr. 10. — für die Schweiz; 
der Inserate 

35 Cts. die zweisp. Zeile. 
Die Postbureaux nehmen 
Bestellungen entgegen. 


Prof« Alb. Burekhardt-Merlan und 

in Basel. 


Dr. A. Baader 

in Basel. 


N? 6. XI. Jahrg. 1881. 15. März. 


Inhalt: 1) Originalarbeiten: Prof. Dr. Oscar Wyss: Ueber typhöse Erkrankungen durch Fleischgenuss. — Dr. F. 
Schüler: Ueber die sanitarischen Gefahren der Bb>iglasuren. (Schluss.) — 2) Yereinsb «richte: Gesellschaft der Aerzte in 
Zürich. — 8) Referate und Kritiken: Dr. Guillaume: L'epid^mie de variole dans le canton de Neuchätel en 1880. — Prof. 
Dr. Th. Kocher: Ueber Schusswunden. Die Wirkungsweise der modernen Kleingewehr-Geschosse. — 4) Can tonale Corres¬ 
pondenzen: Basel, Bern. — 5) Feuilleton: Das Lied rom Dünndarm. — 6) Wochenbericht. — 7) Bibliographi¬ 
sches. — 8) Briefkasten. 


Original-Arbel ten. 

Ueber typhöse Erkrankungen durch Fleischgenuss. 

Vortrag von Prof. Dr. Oscar Wyss. *) 

Meine Herren! Seit der „Andelfinger Epidemie“, deren Andenken durch die 
vor 2 Jahren stattgehabte „Klotener Fleisch-Typhusepidemie“ wieder wachgerufen 
worden ist, hat der Canton Zürich durch diese sowie durch andere durch Kalb¬ 
fleisch hervorgerufene kleinere Epidemien eine gewisse Berühmtheit erlangt; eine 
Berühmtheit, die wohl im Stande ist, Zweifel in uns aufkommen zu lassen, ob die 
von nicht ärztlicher Seite aufgestellte Behauptung, dass man in Zürich das schönste 
Kalbfleisch finde, auch richtig sei. Und doch ist ein Kalbsbraten bei unzähligen 
unserer Mitbürger das, was zu Henri IV. Zeiten das „Huhn im Topfe“ war: die 
ein festliches Mahl bezeichnende Fleischspeise, die bei so Manchem Sonntags den 
Mittagstisch ziert. 

Seit der Klotener Epidemie brachte jedes Jahr eine kleine derartige Epidemie; 
vor einem Jahr in Birmenstorf, dies Jahr in Würenlos und dessen Nachbargemein¬ 
den , von denen freilich nur ein Theil diesseits der Grenzen des Cantons Zürich 
liegt, der andere, wie Würenlos selbst, im Aargau. Und wie über die Andelfinger 
Epidemie die Gelehrten verschiedener Ansicht waren, und namentlich weit ent¬ 
fernte und erst Decennien später darüber abhandelnde Aerzte eine andere Auf¬ 
fassung der Epidemie zu begründen suchten, Deutungen, die zum Theil noch heute 
mit absoluter Sicherheit widerlegt werden konnten, wie die Liebermeister'sehe Behaup¬ 
tung, es hätte sich um Trichinose gehandelt, so ist es, wie Sie wissen, auch mit 
der Klotener Epidemie ergangen und nicht in Zürich, sondern in München und in 

*) Gehalten den 22. October 1880 in der Sitzung der Gesellschaft der Aerzte Zürichs und seiner 
Umgebung am Vorabend der Versammlung des schweizerischen ärztlichen Central Vereins in Zürich im 
Herbst 1880. 

11 


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Leipzig haben Botaniker und Aerzte behauptet, es habe sieb in diesen Epidemien 
nicht um Typhus, sondern um eine andere Krankheit, um Milzbrand oder etwas 
anderes gehandelt. Diese Behauptungen, die von Seite von Aerzten aufgestellt 
wurden, die diese Erkrankungen nicht gesehen haben, müssen uns um so mehr 
frappiren, als über beide grossen Epidemien, diejenige von Andelfingen sowie die 
von Kloten, sehr genaue Beschreibungen vorhanden sind, aus denen klar hervor¬ 
geht, dass diese beiden Sängerfestepidemien in Bezug auf Symptomatologie, Dauer, 
Verlauf, Mortalität, anatomische Befunde , Secundärinfectionen und höchst wahr¬ 
scheinlich auch mit Rücksicht auf die Aetiologie einander ganz congruent sind. 

Und was in diesen grossem Epidemien zehn- und zwanzigfach constatirt wor¬ 
den ist, hat sich auch in den kleinen analogen Kalbfleischepidemien wiederholt. 

Obwohl auch die neueste Epidemie dioser Art, diejenige in Würenlos und Um¬ 
gebung, das früher Erlebte nur bestätigt, hielt ich es doch für meine Pflicht, als 
ich von dieser, im Wirkungskreise meines Vaters aufgetauchten Epidemie Kunde 
erhielt, so weit es mir möglich war, auch diese Seuche mit zu sehen und mir na¬ 
mentlich nochmals, wie ich es seiner Zeit auch bei der Klotener Epidemie gethan 
batte, die Frage vorzulegen: sind die Erkrankungen in der That als Typhus ab¬ 
dominalis zu bezeichnen oder nicht? 

Es schien mir eine solche kleinere Epidemie manchen werthvollen Beitrag für 
Entscheidung einzelner Fragen geben zu können, die bei grossen Epidemien, die 
auf festliche Anlässe eintraten, nicht so bestimmt entschieden werden konnten. So 
z. B. die Frage: welchen Antheil wohl das Fest an und für sich, d. h. die dabei 
unvermeidliche — und auch vermeidliche — Irregularität der Lebensweise, die 
Ueberladung des Magens mit Speise und Getränk, an dem Krankheitsbilde der 
ersten Tage nahm. In der von uns zu erwähnenden Epidemie haben alle Patien¬ 
ten die krankmachende Speise in ihrer eigenen Familie und bei ihrer ganz ge¬ 
wohnten Diät genossen und sind doch gerade so krank geworden, wie jene nach 
dem Klotener Sängerfest. Es kann somit der mögliche Vorwurf, die blos in Form 
von Brechdurchfall aufgetretenen Erkrankungen seien nicht auf das giftige Fleisch, 
sondern auf festliche Diätfehler zurückzuführen, mit grösserer Bestimmtheit zurück¬ 
gewiesen werden, als dies bei Massenerkrankungen nach einem grossen Feste mög¬ 
lich ist; und die initiale grosse Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Hinfälligkeit wird 
mit Bestimmtheit als ein Symptom der Intoxication resp. Infection und nicht auf 
die ungewohnte Lebensweise am Tage des Festes zurückgeführt werden können. 

Die Epidemie in Würenlos u. d. E. entwickelte sich in der ersten Woche des Mo¬ 
nats Juli v. J., ich erfuhr davon am 8. Juli und ging den ersten Tag, an dem ich mich 
frei machen konnte, nämlich den 13. Juli, nach Otelfingen, dem Wohnort meines Vaters, 
um einen Tag mit ihm in seiner Praxis herumzureisen und speciell die in Frage stehen¬ 
den Kranken selbst zu sehen, soweit sie wenigstens in seiner Behandlung sich befanden. 
Eine Anzahl Erkrankter war freilich schon wieder genesen: die, die nur rasch vorüber¬ 
gehende Störungen in der Verdauung (Erbrechen, Durchfall) oder eine ganz rasch ver¬ 
laufende fieberhafte Erkrankung durchgemacht hatten. Drei der Erkrankten waren schon 
gestorben; es waren drei Kinder einer und derselben Familie; trotz telegraphischer An¬ 
strengungen am 8. Juli meinerseits war es mir nicht möglich geworden, bei der Obduc- 
tion derselben anwesend zu sein. Es waren das nämlich Patienten, die nicht von meinem 
Vater behandelt worden waren, und die auch nicht von ihm obducirt worden sind. 

ln Otelfingen, einem wohlhabenden Bauerndorfe mit 570 Einwohnern, am 8üdabhang 


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163 


der Lägern, einem Ausläufer des Jura in den Ct. Zürich, in gesunder Lage, 450 M. ü. M., 
war am Tage meines Besuches nur eine einzige Kranke der zu besprechenden Epidemie, 
die 35jährige Frau Pfarrer N. Dieselbe hatte am 27. und 28. Juni zwei vom Metzger 
Sch. in Würenlos bezogene Diegenwürste, am 27. Juni Mittags und Abends und am 
28. Juni zum Znüni (zweites Frühstück) genossen. Bei einem etwa einstündigen Gang 
am 30. fiel ihr grosse Müdigkeit, die sie zwang, öfters auf dem Wege abzusitzen, auf ; 
und dieselbe Erscheinung machte sich auch am 1. und 2. Juli bemerkbar. In der Nacht vom 
2. zum 3. Juli wurde sie von heftigem Kopfschmerz , der sie zwang , kalte Umschläge 
auf den Kopf zu machen, geplagt; derselbe wiederholte sich in der folgenden Nacht, in 
der sich noch Durchfall hinzugesellte. Die Diarrhoe hielt am 4. und 5. Juli an, war am 
4. mit Tenesmus verbunden; und als am 6. sich. Erbrechen galliger Massen einstellte, 
schickte sie zum Arzte. Die Diarrhoe dauerte bis zum 10. Juli an, das Erbrechen hörte 
auf, doch persistirte noch am 13. Uebelkeit. Am 11. stellte sich etwas Husten ein. Da¬ 
neben massiges continuirliches Fieber. •) 

Pat. bot am 13. Juli das gewöhnliche Bild eines entwickelten mittelschweren Typhus 
abdominalis dar: Grosse Hinfälligkeit und Schwäche; starke (nicht medicamentöse) 
Baryekoia; wenig feuchte , dick belegte, vorn rothe Zunge. Puls 100. R. wenig be¬ 
schleunigt ; auf Brust und Bauch zahlreiche Roseoise, einzelne auch noch auf den Armen. 
Wenig Bronchialcatarrh objectiv f nachweisbar. Kaum nennenswerther Meteorismus ab- 
dominis. Kein Gurren, keine Druckempfindlichkeit am Abdomen. Die Milz unterm RB. 
fühlbar, 7 cm. lang, 5 cm. breit. Momentan keine DiarrhoB mehr. Rhinorhagie nie vor¬ 
handen gewesen. Im Urin etwas Blut — eine Beimischung, die schon vor der jetzigen 
Erkrankung öfter constatirt worden war. Die Körpertemperatur war bisher continuirlich 
hoch , erreichte im Maximum fast 40° C. und im weitern Verlauf sowie von bisherigen 
Temperaturen sind folgonde notirt worden: (Leider wurden anfänglich nicht alle, nament¬ 
lich die ziemlich hohen Abendtemperaturen nicht notirt.) 


Am 6. 

Juli Morgens 38,9 

Puls 

100 

Abends 

39,8 

Puls 

110 Erbrechen, DiarrhoB. 

» 

7. 

* 

Ti 

39,5 

Ti 

110 

Ti 

39,5 

Ti 

110 

V 

8. 

Ti 

Ti 

39,0 

Ti 

90 

n 

? 

n 

92 Erbrechen. 

n 

9. 

Ti 

Ti 

39.0 

Ti 

92 

Ti 

? 


Obstipation. [Urin. 

n 

10. 

Ti 

Ti 

37,8 

Ti 

92 

Mittags 38,2 

Abends 38 Blut u. viel Eiweiss im 

i> 

11. 

Ti 

Ti 

37,0 

Ti 

90 

Ti 

38 

Ti 

38 Auftreten der Roseola. 

n 

12. 

n 

Ti 

38,2 

Ti 

92 

Ti 

38,7 

V 

38,8 (9?) 39,5. 

Ti 

13. 

V 

Ti 

38,4 

ü 

92 

Ti 

38,3 

Ti 

38,4 Reichl. Roseola. Husten. 

» 

14. 

Ti 

Ti 

38,2 

ü 

90 

Ti 

37,4 

Ti 

38,6 [Rhonchi. 

V 

15 

Ti 

n 

38,2 

n 

90 

Ti 

38,6 

Ti 

38,6 

Ti 

16. 

Ti 

Ti 

38,8 

Ti 

92 

Ti 

39,3 

Ti 

40,0 

n 

17. 

Ti 

n 

39,2 

Ti 

92 

Ti 

39,2 

Ti 

39,3 

Ti 

18. 

n 

Ti 

38,4 

38,6 

Ti 

88 

Ti 


Ti 

39,2 

r> 

19. 

Ti 

Ti 

n 

88 

Ti 

38,8 

Ti 

39,4 

n 

20. 

Ti 

Ti 

37,8 

Ti 

88 

Ti 

37,2 

Ti 

37,2 

Ti 

21. 

Ti 

Ti 

37 

Ti 

84 

Ti 

36,8 

Ti 

37,3 

n 

22. 

Ti 

V 

36,6 

Ti 

84 

Ti 

37 

V 

n 

23. 

Ti 

Ti 

36,6 

Ti 

76 

Ti 

37 

Ti 

36,8 

Ti 

24. 

Ti 

Ti 

36,4 

V 

74 

n 

36 

Ti 

36,4 

n 

25. 

Ti 

Ti 

36,4 

Ti 

74 

Ti 

36,4 

Ti 

37 

Ti 

26. 

Ti 

Ti 

36,5 

Ti 

74 

Ti 

37 

Ti 

36,6 

n 

27. 

Ti 

Ti 

36,8 

Ti 

72 

V 

36,6 

Ti 

36,8 

Ti 

28. 

Ti 

Ti 

36,4 

Ti 

76 

Ti 

36,4 

Ti 


Ti 

29. 

Ti 

Ti 


Ti 

76 



Ti 

36,4 

Ti 

30. 

V 

Ti 

36,4 

Ti 

76 



Ti 

36,6 

Ti 

31. 

1» 

Ti 

36,4 

Ti 

76 





Am 31. 

Juli 

war Frau 

Pfr. 

N. wieder so 

weit 

genesen, dass sie aufstehen konnte. 


*) Es sei ausdrücklich erwähnt, dass vor dem Ausbruche dieser Epidemie in keiner der in 
Frage kommenden Ortschaften Typhuserkrankungen vorgekommen sind; dass nirgends von einer Ein¬ 
schleppung die Rede sein konnte. 


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Ausser der Frau Pfarrer hatten im Pfarrhaus O. auch ihre 3 Kinder, 2 Pensionäre 
und die Magd am 27. von den nämlichen Würsten gegessen. Ein Pensionär, der eine 
ganze Wurst verzehrt hatte, bekam am 28. sehr profuse Diarrhrn und heftiges Kopfweh. 
Als diese Erscheinungen am 30. etwas nachgelassen hatten, reiste er scheinbar wohl in 
seine Heimath ab (Ct. Waadt), erkrankte aber dort bald darauf ernstlich mit heftigem 
Fieber, und sein behandelnder Arzt bezeiohnete die Krankheit als fiävre nerveuse. 

Ein anderer Pensionär von 16 Jahren bekam nur Erbrechen und Durchfall am Tage 
nach dem Genuss der Wurst. 

Die 20jährige Magd im Pfarrhofe ass nur ganz wenig Wurst, hatte am Tage nach 
dem Wurstgenuss Erbrechen und Durchfall und war während der Krankheit der Frau 
Pfarrer noch leidend, wurde aber nicht bettlägerig. Dagegen aesen die drei Kinder von 
10, 77) und 4 f /s Jahren mehr Wurst. Alle hatten die folgende Nacht und den folgen* 
den Tag Erbrechen und Durchfall; die zwei Mädchen waren bald wieder gesund, wäh¬ 
rend ihr 7jähriger Bruder seit dieser Zeit 8 Tage lang oft Uber Bauchschmerzen und 
Uebelsein klagte, blass und elend aussah, oft im Laufe des Tages sich in's Bett legte. 
Am 18. Juli war er wieder ziemlich munter, nur sah er noch auffallend blass aus. 

Von derselben Partie Diegenwürste von demselben Metzger waren in einem nahen 
Gasthause zum N. von Mann, Frau und zwei Kindern gegessen worden. Der 26jährige 
Mann litt darauf erst am 7. Juli an Eckel, Obstipation; auf ein ordinirtes Laxans rasche 
Genesung. Die 2öjährige Frau und die beiden Kinder hatten auch Durchfall gehabt, und 
die Frau erkrankte am 7. Juli an einem papulösen Erythem des rechten Unterschenkels 
und des rechten Vorderarmes, das sich auf Essig- und W'asserumschläge bis zum fol¬ 
genden Tage verlor. Am 11. noch stellte sich plötzlich bei der Frau rasch vorüber¬ 
gehender Durchfall mit Tenesraus ein. Ob letzteres in Folge Genusses jener Wurst, ist 
natürlich gänzlich zweifelhaft. 

ln dem V 4 Stunde von O. entfernten kleinen Dörfchen Oetlikon (Einwohnerzahl 
110; Elevation ü. M. 430 M.) besuchten wir sodann in einer Haushaltung drei Kranke: 
die einzigen Kranken im Orte. Der bereits wieder reconvalesceute Vater M., 44 Jahre 
alt, war ausser Bett. Er hatte den 27. Juni, Vormittags und Nachts, vom Metzger Sch. 
in W. bezogene Kutteln ohne weitere Präparation, nur mit Salz gegessen und jeweilen 
Va Maass „alten guten Wein“ dazu getrunken. An der Speise hatte er gar nichts Ab¬ 
normes entdeckt, sie war im Gegentheil sehr schön wciss und appetitlich. Am 29. stell¬ 
ten sich Bauchschmerzen, am 30. schmerzlose Diarrhoe ein, die den Pat. so erleichterte, 
dass er sich 4—5 Stunden später wieder ganz wohl fühlte. In der Nacht vom 2. Juli 
stellte sich ein Frost ein, auf den bis Morgens Schweiss folgte. Ara 8. persistirte das 
Unwohlsein; Pat. war noch abgeschlagen und müde, musste sich gegen Abend zu Bette 
legen, weil grosse Schwäche und heftige Kopfschmerzen sich geltend machten. Auf ein 
gereichtes Laxans verloren sich diese Symptome und schon drei Tage später konnte Pat. 
wieder ausgehen. 

Von denselben Kutteln hatten am 27. Juni auch die Frau und die Tochter des H. M. 
gegessen; beide genossen viel weniger davon, assen sie aber gleichfalls unabgekocht, kalt, 
nur mit etwas Salz und die Tochter hatte nur wenig Wein „Znüni“ dazu genommen. Gleich¬ 
wohl erkrankten beide, die Tochter recht schwer. 

Diese, die 18jährige Anna M., die früher nie krank gewesen war, litt schon am 
30. Juni an Bauchschmerzen, erkrankte intensiver erst am 3. Juli. Sie hatte Uebelkeit, 
aber kein Erbrechen, keine Diarrhoß; die letzten 6 Tage gar keinen Stuhl. Sie war nicht 
schwerhörig; delirirte nie; träumte sehr lebhaft; war anfangs von Kopfschmerzen, die 
jetzt nachgelassen haben, arg geplagt; dafür hat sich in den letzten Tagen etwas Husten 
eingestellt. Am 10. ein Frost, am 12. öfters Frösteln. In allen Gliedmassen Schmerzen 
mit starkem Wechsel der Localisation derselben. 

Die Menses haben sich eben, zur richtigen Zeit, sparsam eingestellt. Nasenbluten 
war nie vorhanden. Die Temperaturen waren hoch, 40° und darüber. P. lag fast immer 
gleichgültig, soporös da. 

Auch jetzt, bei unserem Besuche, machte die P. den Eindruck einer Sch werkranken. 
Temp. in ax. 39,5°, Puls 100, weich. Alle Bewegungen sind der Pat. schmerzhaft. Zunge 
etwas trocken. Apathisches Verhalten. 

Ziemlich reichliche Roseol» auf Brust und Bauch ; sparsame auf den Extremitäten. 


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Auf der Brust ergibt die physicaliscbe Untersuchung am Herzen nichts Abnormes, auf 
der Lunge nur diffuse trockene Rhonchi (diffuse Bronchitis). Das Abdomen ziemlich me- 
teoristisch aufgetrieben ; in der Ccecalgegend und der symmetrischen Stelle links auf 
Druck empfindlich. Die vergrösserte Milz ist unterm RB. fühlbar, ihre Länge beträgt 
14 cm. und ihre Breite 7 cm. 

Dieses Bild schwerer Erkrankung dauerte bis zum 19. Juli an ; Pat. erholte sich 
aber in der Folge ziemlich rasch, so dass sie den 27. Juli zum ersten Male ausser Bett 
getroffen wurde und die weitere Reconvalescenz nicht viel über 14 Tage betrug. 

Die Mutter der eben geschilderten Patientin war die 38jährige Frau M. Sie erkrankte 
den 3. Juli mit Kopfschmerzen, die den ganzen Tag anhielten, Ohrensausen, Störung des 
Appetites; konnte bis zum 8. Juli noch arbeiten, wurde an diesem Tage Nachmittags 
bettlägerig. Menses traten den 9. zur richtigen Zeit ein, verschwanden aber am 11. wie¬ 
der vollständig. Noch vorher 2 Mal Diarrhöe, kein Erbrechen. Puls 90—100. Temp. 
38,3 (gestern Abend 38,5). Einige Roseolse auf Brust und Bauch, 2 am einen Ober¬ 
schenkel. Kein Bronchialcatarrh. Nie Nasenbluten, Meteoiismus; Hängebauch. Milz 8 
resp. 6 cm. gross. Am 27. Juli war Pat. wieder in Genesung. 

In demselben Hause (wie in der ganzen Gemeinde) hatte sonst Niemand Kutteln ge¬ 
gessen ; erkrankte auch Niemand unter ähnlichen Symptomen, wie die geschilderten. Die 
übrigen Familienglieder hatten Rindfleisch, das von demselben Thiere abstammte, wie die 
Kutteln, gegessen. Niemand erkrankte. 

Der Sohn des M. in Oe., der die Kutteln und das Rindfleisch beim Metzger Sch. in 
W. geholt hatte, berichtete : er habe das Fleisch in der Hauptmetzg in der Gemeinde W. 
geholt; die Kutteln dagegen in der kleinen Privatmetzg, der sog. Wurstmetzg des Metz¬ 
gers Sch. In letzterer war die Kutteln in einem Kupfergefäss aufbewahrt gewesen und 
über der Kutteln habe „Brät“, d. h. zu Würsten bestimmtes, gehacktes Kalbfleisch ge¬ 
legen, das also in ganz directe Berührung mit den Kutteln gekommen ist. 

Die dritte Ortschaft, in der wir sodann Patienten aufsuchten, war das 793 Einwoh¬ 
ner zählende Dorf Würenlos, 425 M. ü. M. Hier betraf der erste Besuch den 62jährigen 
Steinhaucr J. M., der schon seit langer Zeit bald schwerere, bald weniger bedeutende 
Erkrankungen, besonders der Brustorgane, durchgemacht hatte. Obwohl wir diesen Pat. 
ausser Bett trafen, war die Erkrankung sichtlich eine schwere und der fernere Verlauf 
doch ein ungünstiger, indem Pat. den 13. August starb. 

Abgesehen von den äusserst ärmlichen Verhältnissen und dem Alter dürften auch die 
frühem vielfachen Lungenerkrankungen des Pat. mit zu einem Grunde dieses infausten 
Ausganges geworden sein. 

Am 28. Juni hatte Pat. sich selbst bei Metzger Sch. Kutteln geholt, die ein schönes 
weisses Aussehen, aber doch keinen guten Geschmack gehabt habe. Pat. ass dieselbe, 
ohne dass sie nochmals gekocht worden wäre. Schon am 29. Juni fiel ihm auf, dass er 
sich schwach und hinfällig fühlte ; er arbeitete noch etwas trotz merklicher Körperhitze. 
In der folgenden Nacht stellten sich Kopfweh, heftige Leibschmerzen und Durchfall ein, 
die bis heute in mässigem Grade anhielten. Die Stühle bestanden Anfangs aus sehr 
harten Scybala neben flüssigen Stoffen, zuletzt waren sie ganz dünn. Am 1. Juli wurde 
Pat. bettlägerig. 

Auch jetzt den 13. Juli machte Pat. den Eindruck eines schwer Kranken. P. 100, 
weich. Terap. in axill. 39,5°. Grosse Schwäche, heisse trockene Haut, stark weiss be¬ 
legte Zunge, trockene Lippen. Pupillen ungleich (altes Augenleiden einerseits), eher eng 
als weit zu nennen; die 1. weiter als die r. Kopfschmerz besteht nur noch zeitweise; 
die Diarrhoe immer noch und sei sehr foBtid; 8chmerzen im Hypogastrium. Ziemlich viel 
quälender Husten. Die Untersuchung ergab: 

Ausgesprochener MeteorismuB abdominis; Bauch weich, auf Druck empfindlich. Spar¬ 
same Roseola auf Brust und Bauch. Milz fühlbar , Milzdämpfung 10 cm. hoch, 10 cm. 
lang, intensiv. Auf den Lungen massiger diffuser Catarrh; ziemlich starke Lungenblä¬ 
hung, Tiefstand des Zwerchfells und des Herzens. Reine Herztöne. 

Mein Vater notirte über diesen Pat,: Vom 7.—16, Juli schwankte der Puls zwischen 
116 und 120 Schl, in der Min., die Temp. zwischen 39,5 und 39,8°. Am 16. blutige 
Sputa, heftigerer Husten, Opression. Zwischen dem 18. und* 28. Puls 112, Temp. 39,5 
bis 39,2; am 28. heftigere DyspncB, reichlichere braunrothe Sputa, Zwischen dem 1. und 


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10. August Temp. 38,5 — 38,7°. P. 96. Am 5. rasch zunehmende Abmagerung, Verfall 
der Kräfte, kein Appetit mehr und foetide Sputa. Tod am 13. August 

Die Section wurde von dem Assistenten des pathologischen Institutes in Zürich, Hrn. 
Dr. Stahl, ausgeführt Mein Vater, der dabei anwesend war, notirte nach dem Dictat des 
Obducirenden Folgendes. 

(Die Section ergab: Leiche sehr mager, Muskeln blass ; rechte Lunge total, linke 
durch bandförmige Adhäsionen verwachsen ; im linken Pleurasacke ca. 120 — 130 Cub.-cm. 
schmutzig-braunrothe, mit Qasblasen durchmischte Flüssigkeit; im Herzbeutel etwa 2 
Löffel voll braunrothe Flüssigkeit, Herz gross, schlaff, Herzfleisch weich, gelbrothbraun, 
Endocard bleich, imbibirt; Tricuspidalis frei, ebenso Mitralis und Aortaklappen, doch mit 
einigen Verdickungen der schliessenden Ränder. An der linken Lunge die Spitze narbig 
eingezogen, die Pleura mit ablösbaren, 1 mm. dicken, gerippelten Leisteben bedeckt, am 
zungenförmigen Lappen die Membran dicker, ablösbar, der untere Lappen hyperämisch, 
die Membran an der Hinterfläche ohne Zerreissung nicht lösbar; die Bronchialdrüsen nicht 
vergrössert; unter der Spitze schiefrige Indurationen, eine wallnussgrosse Partie im hin¬ 
tern Theile der Spitze zeigt auf der Schnittfläche nicht scharf abgegrenzte graugelblich- 
weisse Einlagerungen; die Mucosa der Bronchien erscheint blass, aus den feinem Bron¬ 
chien entleert sich eine braunröthliche Flüssigkeit, die mittlern und feinem Bronchien 
zeigen cylindrische Ectasie; im untern Lappen findet sich eine wohl faustgrosse, mit 
stinkender Flüssigkeit gefüllte, ziemlich glattwandige, abgegrenzte, mit einem Bronchus 
communicirende Höhle , die angrenzende Partie ist nicht hyperämisch , aber lufthaltend, 
ödematös. Die rechte Lunge ist mit einer straff verwachsenen, unten dicken, oben dünnen 
Membran belegt, die Bronchialdrüsen nicht vergrössert; die Mucosa blass, die feinem 
Bronchien ectatisch, die Lumina mit Schleimpfröpfen verstopft, besonders im obera 
Lappen schieferige Indurationen, im untern Theile Luftgehalt und Oedem und ebenfalls 
alte Schleimpfröpfe. — Die Leber ist in allen Durchmessern verkleinert, anämisch, Paren¬ 
chym hell, braunroth, morsch, Zeichnung undeutlich (atrophische Fettleber). Die Milz ist 
auf etwa das Doppelte vergrössert, die Kapsel zeigt einige kleine Einziehungen, die Pulpa 
ist missfarbig, zerfliessend, schmutzig-schwarzbraun. Der Magen ist sehr erweitert, ent¬ 
hält viele mit Brocken untermischte Flüssigkeit (Eier, Suppe), die Falten sind verstrichen, 
die Mucosa atrophisch und schiefrig verfärbt mit capillaren Hämorrhagien. Der Dünn¬ 
darm ist mässig aufgetrieben , eine Schlinge ist links mit der Bauchwand verwachsen, 
einige Schlingen sind durch Retraction des (atrophischen) Netzes einander zu sehr ge¬ 
nähert und verwachsen, zugleich ist eine kreuzweise Verschlingung und spirale Verdre¬ 
hung von Dünndarmschlingen durch eine Oeffnung im Mesenterium durchgestülpt und mit 
der linken Bauchwand, einige auch in der fossa iliaca dextra verwachsen. Iro Duodenum 
finden sich dieselben Stoffe, wie im Magen. Die Schleimhaut des Dünndarms ist atro¬ 
phisch, theils mit kleinen hämorrhagischen Puncten und Streifen, theils schiefrig verfärbt, 
gelblich, die Faltenhildung vermehrt; ca. 2 1 /, Meter unterhalb des Duodenums ein linsen¬ 
grosses, von wallartigen Rändern begrenztes, reines, in Vernarbung begriffenes Geschwür, 
die solitären und die Peyer' sehen Drüsen nicht geschwellt. Unterhalb der IleocoBcalklappe 
schiefrig verfärbte Strecken mit 4 länglichen, fast verheilten Geschwürchen. Das Colon 
meteoristisch, die Mucosa stellenweise schiefrig verfärbt, die Falten verstrichen, die so¬ 
litären kaum sichtbar, nicht geschwellt, die Mucosa durchweg atrophisch. Das Mesen¬ 
terium etwas verdickt, stellenweise strahlig, die Mesenterialdrüsen mässig geschwellt; die 
Inguinaldrüsen nicht vergrössert; retroperitoneale Lymphdrüsen atrophisch; Aorta frei. 
Linke Niere vergrössert, Kapsel löslich, Parenchym blassviolett, Mucosa des Nierenbeckens 
schieferig gefärbt; rechte Niere ebenfalls vergrössert, Kapsel nur mit Substanzverlust lös¬ 
lich, im übrigen wie die linke. Harnblase von röthlichera , fast klarem Urin halbgefüllt, 
Blase intact. — Der Typhusprocess war also abgelaufen, Pat ist in Folge der Lungen¬ 
gangrän gestorben.) 

Der folgende Besuch (13. Juni) brachte uns wieder unter eine grössere Zahl Kranker in 
einer und derselben Familie; nämlich zu dem Metzger, der die betr. Fleischspeisen verkauft 
hatte und dessen Familie, besonders ein Sohn und zwei Töchter schwer erkrankt waren. 

Der Sohn, Bernhard Sch., ein 19jähriger, sehr kräftig gebauter Mann, hatte mit den 
andern Familiengliedern vo^ einem von ihm selbst am 23. Juni getödteten Kalbe am 
25. Juni Braten gegessen und wahrscheinlich am 26. Juni noch vom gleichen Fleische 


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Voressen (Ragoüt). Bei ihm stellten sich die ersten Erkrankuugssyruptome den 27. Juni 
ein. Sie bestanden in Müdigkeit gegen Abend , Kopfweh, das sich in der Nacht sehr 
bedeutend steigerte. Es folgte Fieber, gestörter Schlaf y Appetitlosigkeit, Durst; viel 
Schweiss Jetzt vor 8 Tagen heftigere Bauchschmerzen. Nie Diarrhoe, Stuhl nur auf 
ein Laxans. Kein Husten. Seit drei Tagen fühlte sich Pat. wohler; wir trafen ihn 
ausser Bett auf einer Bank beim Ofen liegend, und wir constatirten noch Roseolae in 
mässiger Zahl. Milzschwellung leichtern Grades (7—8 cm. hoch), kaum mehr Meteoris- 
mus abdominis. Puls nicht mehr beschleunigt. 

Am 14. stieg der Thermometer nur noch auf 37,5, am 16. blos noch auf 36,5° und 
Pat. erholte sich in der Folge allmälig. 

Seine Schwester Anna Sch., 23 Jahre alt, hatte am 26. oder 27. Juni Voressen (s. 
oben) gegessen, niemals Kutteln. Sie erkrankte wie die Uebrigen und litt seit 14 Tagen 
namentlich an heftiger DiarrboB, die erst gestern und heute etwas milder wurde. Nie 
Erbrechen. Anfangs Bauchschmerzen. Kein Husten. 

Am 13. Juli war Pat. noch bettlägerig, nicht mehr schwer krank, hatte 84 Pulse, 
38,0 Temp. Roseolae vorhanden. Kein Meteorismus des Bauches. Milzschwellung un¬ 
zweifelhaft: 6 resp. 9 cm. Durchmesser der abnorm intensiven Dämpfung, ln der Folge 
rasche Reconvalescenz. 

Die dritte und schwerste Kranke dieser Familie war die 13 3 / 4 Jahre alte Bertha 
Sch. Obwohl ihr Aussehen und psychisches Verhalten noch ein recht krankhaftes war, 
grosse Schwäche und Hinfälligkeit bestand, hatte sie nur eine Temp. von 38,3, P. 104. 
Wir constatirten ferner ziemlich reichliche Roseola; Meteorismus des Bauches, Druck¬ 
empfindlichkeit des Unterleibs, Milzturaor von 9 cm. Länge, 7 cm. Höhe. 

Patientin hatte am 27. Juni Nachmittags 3 Uhr Kutteln mit Salz gegessen; nichts 
dazu getrunken. Die ersten Zeichen von Unwohlsein traten bei ihr am 30. Juni ein, 
nämlich heftiges Kopfweh. Am 1. Juli blieb Pat. wegen dieser Kopfschmerzen, zu denen 
eich auch noch Bauchweh gesellte, im Bett. Dies hielt einige Tage an; dann verschwand 
der Kopfschmerz, es stellte sich heftigeres Fieber ein, die Temperatur stieg auf 40° und 
erhielt sich mehrere Tage nach dem 4. Juli über dieser Höhe. Nasenbluten bestand nie. 
Die ersten 8 Tage bestand kein Stuhl; dann wurde ein Laxans gereicht, auf das Diar¬ 
rhoe eintrat, die bis jetzt an dauerte. Der Stuhl war dünn , angeblich schleimig, foetid, 
stark gelb. An einem Tage delirirte Pat. 

Die Genesung erfolgte, wohl in Folge des langen und intensiven Fiebers, das mit 
der starken Diarrhoe verbunden war, etwas langsam, Pat. verliess das Bett zum ersten 
Mal am 3. August. 

Am 27. Juni Abends hatte die Kleine verschiedene ihrer Gespielen, kleinere und 
grössere Kiuder , mit Kutteln bewirthet und bei dieser Veranlassung selbst das oben¬ 
erwähnte Gericht verzehrt. Es assen mit ihr an genanntem Tage: 

1) Drei Kinder M. aus dem Gasthof zum R.: alle drei erkrankten sehr schwer und 
starben. 

*) Da mein Vater diese Kinder nicht behandelt hat, sondern Herr Dr. Steifen in Regenstorf, 
so hatte letzterer die Güte, mir Über deren Erkrankung ein paar Notizen mitzutheilen. Die Kinder 
assen zu Hause noch einmal von denselben Kutteln und Voressen von de nselben Kalbfleisch, von dem 
die Metzgersfamilie ass. Die Kinder erkrankten am 4. Tage darauf an Kopfschmerzen, Müdigkeit, 
Brechreiz; am 5. und 6. Tag stellte sich bei allen dreien ziemlich starke Diarrhoe ein, die von hefti¬ 
gen Bauchschmerzen begleitet war. Das älteste Kind erbrach sich mehrere Male. Am 7. Tage nach 
dem erstmaligen Kuttelngenuss Bericht an den Arzt, der bei allen drei Kindern ziemlich starkes Fie¬ 
ber, beim zweiten Kind (8Va Jahr alt) 39,8 U , trockene heisse Haut, stark belegte Zunge, Kopfweh, 
Schwindel, Gliederschmerzen, Appetitmangel, Diarrhoe und Bauchschmerzen constatirte. Roseoise und 
Milztumor fehlten Es wurden kalte Einwicklungen, Calomel in drastischer Dosis, Natr. salicyl. in 
5%iger Lösung ordinirt Am 8. Tage mehrere Calomelstühle, Fieber etwas geringer. Am 9. Tage 
wieder heftigeres Fieber als am 7., die Morgentemperatur etwas niedriger als die Abendtemperatur, 
bei dem 87sjährigen Kinde vereinzelte Roseol® auch auf dem Rücken; kein Bicher nachweisbarer 
Milztumor , bei dem 4jährigen Knaben furibunde Delirien; in der Nacht auch bei dem SVgjäbrigen 
Mädchen. Am Tage Sensorium etwas benommen. Fortdauer der Diarrhm, die Stühle nicht mehr 
grün durch Calomel. Am 10. Tage bei beiden Jüngern Kindern Temp. 36,3 resp. 36,7. Sensorium 
benommen; schlechter kleiner Puls: Collaps. Reizmittel. Um 9 Uhr starb der 4jährige Knabe, nach¬ 
dem convulsiviBche Verzerrung des Gesichtes, Krämpfe der Extremitäten, Opisthotonus mit sehr wei¬ 
ter Pupille sich Stunde vor dem Tode noch eingestellt hatten. Drei Stunden später starb unter 


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2) Ein 13jähriges Mädchen Lina E.: auch dieses wurde krank und war am 13. Juli 
noch krank. Genas. 

3) Ein 11 jähriges Mädchen Catharina N.: erkrankte unter der Form eines acuten 
Magendarmcatarrhs und war am 13. Juli wieder gesund. Diese Kinder aasen zusammen 
ca. V 4 ff Kutteln. 

Des letztem Töchterchens Mutter erkrankte leicht an Magendarmcatarrh, nachdem 
sie am 28. Juni eine vom Metzger Sch. bezogene Wurst verspeist hatte. 

Von denselben Kutteln, von denen diese Kinder sowie die Familie M. in Oetlikon 
gegessen hatten, waren 3 ff in den Gasthof zum R. verkauft worden, 2 ff an eine Familie 
M. In letzterer Familie aas von dieser Kutteln: 

1) ein 13 — 14 Jahre alter Knabe M. von der frisch zerschnittenen und nicht noch¬ 
mals abgekochten Speise ganz wenig : erkrankte, aber genas bald wieder; 

2) Frau M., aes frische und abgekochte Kutteln; erkrankte leicht; 

3) aasen und blieben gesund zwei Kinder, von denen das eine viel verzehrt hatte. 

In der Familie des Metzgers Sch. erkrankte ausserdem noch er selber, ein 56jähri- 

ger, kräftiger Mann. Seine Beschwerden verhinderten ihn jedoch nicht, seiner gewohn¬ 
ten Beschäftigung nachzugehen 

Seine Frau und die 21jährige Tochter Barbara blieben gesund, obwohl letztere von 
allen Speisen mitgegessen hatte. 

In Würenlos besuchten wir noch die 49 Jahre alte Johanna E. Dieselbe hatte am 
27. Juni abgekochte Kutteln in geringer Menge gegessen, aber daneben auch etliche 
Stücke kalter, unabgekochter; sie präparirte das Gericht nämlich selbst und genoss hie¬ 
von gelegentlich etwas. Die von ihr präparirte Portion nochmals abgekochter Kutteln 
(2 ff) wurde von 6 Personen verzehrt, ohne dass Jemand davon erkrankt wäre. 

Pat. erkrankte am 29. Juni mit Erbrechen und Durchfall. Das Erbrechen befiel Pat. 
sehr heftig, sogar auf der Strasse, und hielt auch am 30. noch an. Die Diarrhoe war 
schon am 29. Juni so heftig, dass Pat. alle Augenblicke zu Stuhle gehen musste. Dieser 
Durchfall dauerte fast 14 Tage an; erst in den letzten Tagen ist er seltener geworden. 

Auch diese Kranke fanden wir sehr collabirt, constatirten 72 Pulse, keine deutliche 
Roseola, Milztumor und — miserabelste äussere Verhältnisse. 

Gleichwohl rasche Genesung; letzte ärztliche Verordnung am 10. Juli. 

Die 4. Gruppe der Kranken befand sich in Oetweil, jenseits des Altberges im Lim- 
matthal, dessen Einwohnerzahl = 26Ö ; Lage über Meer 415 M., wo wir in zwei Häu¬ 
sern Kranke fanden. Im ersten nur eine einzige, im zweiten fünf. 

Jene war die 19jährige Jungfrau Sch. Sie hatte am 28. Juni mit ihren Eltern von 
Metzger Sch. in W. bezogene Kutteln gegessen und Milch dazu getrunken. Während 

den gleichen Erscheinungen das 8 l /tj&hrige, jetzt mit Roseolaflecken dicht übersäete Mädchen. Bei 
dem Knaben war das Exanthem nicht in gleichem Maasse vorhanden. 

Das älteste, 10 l «jährige Mädchen wurde am 10. Tage gleichfalls somnolent, delirirte in der fol¬ 
genden Nacht heftig; das Fieber (39—39,4) wurde durch salicylsaures Natron und kalte Umschläge 
nicht stark alterirt; Roaeol© und geringer Milztumor waren vorhanden. Starker Durst Puls 130 bis 
140. Am 11. Tage immer Deliriren; massiges Fieber. Gegen Abend etwas ruhiger Schlaf. Dann 
Erwachen mit blutigen Diarrhoeen, und nach 2 Stunden Exitus letalis unter denselben Erscheinungen 
wie bei den beiden andern Geschwistern. 

Die bezirksärztüch (ohne Beisein und ohne Mitwissen des behandelnden Arztes) gemachte Sec- 
tion soll bei allen drei Geschwistern schweren Bronchialcatarrh , Schwellung der Milz, Anämie der 
Darmschleimhaut, Schwellung der solitären Drüsen und der Peyer’schen Platten und der Gekrös- 
drüsen ergeben haben. Bei dem zuletzt Gestorbenen bereits Geschwürshildung und bedeutende Darm¬ 
blutung. 

Ein kleines Stück des kranken Darmes gelangte in Besitz unseres Freundes und Collegen Prof. 
Huguenin. Wir sahen dasselbe bei ihm; es war nicht gut conservirt. Man konnte sich aber noch von 
der Schwellung der solitären und Pet/er’schen Drüsen überzeugen, auch fanden sich im Dickdarm 
einige rundliche bis 2 cm. Durchmesser zeigende scharfrandige Geschwüre ohne Veränderung der um¬ 
liegenden Schleimhaut. Wir konnten die Veränderungen nicht mehr als „typisch typhös“ anerkennen; 
aber durch den Spiritus u. a. m. war die Schleimhaut bedeutend verändert worden. 

Vater und Grossvater dieser drei Geschwister und die Magd des Hauses hatten auch von den gleichen 
Kutteln und Voressen gegessen. Sie wurden etwa 6 Tage (?) darauf von Kopfschmerzen , hie und 
da Bauchgrimmen, schlechtem Appetit, belegter Zunge, geringem Fieber befallen. Auf einige Calomel- 
dosen baldige Besserung; nur die Magd war am 8. Juli noch merklich leidend, doch ausser Bett. Alle 
drei genasen. 


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die Mutter am 2. und 3. Tag darauf Leibschmerzen und Durchfall bekam, die zwei Tage 
anhielten und dann wieder ohne weitere Residuen verschwanden , der Vater dagegen 
nicht in gleicher Weise aificirt wurde, sondern sich nur über grosse Mattigkeit, Uebel- 
keit beklagte und beide am 13. Juli wieder ganz wohl waren, erkrankte die Tochter am 
3. Juli mit Kopfschmerz, Mattigkeit; am 5. gesellte sich mässig starke DiarrhcB, 6—7 
Stühle in 24 Stunden hinzu. Der Durchfall dauerte bis zum 10. Juli an ; die Stühle waren 
stark übelriechend, mit etwas Tenesmus verbunden. Am 4. erfolgte auch Erbrechen und 
ebenso in den folgenden Tagen noch öfter. Der Appetit fehlte, der Schlaf war gestört 
Die Temperatur war erhöht; in den Tagen vor dem 13. Juli war 39,5, 39,3, 39,2° C.; 
am 12. 38,5’ C. gemessen worden. Am 13. Juli fanden wir nur noch 38° bei 100 Puls¬ 
schlägen. Keine Roseola, kein Milztumor, kein Meteorismus; auf der Brust keine Rhonchi. 
Pat. behauptet, heute ein wenig Blut ausgehustet zu haben: eine Angabe, die wir nicht 
bestätigen konnten. Rasche Genesung; am 22. Juli letzte Ordination. Puls 80, Tem¬ 
peratur 37°. 

Auch die zweite Familie, in der in Oetweil Erkrankungen auftraten, hatte am 27. 
Juli Kutteln gegessen, die Metzger Sch. in W. gebracht hatte. Dieselbe wurde zum 
Theil unabgekocht genossen. Es wurde ca. , / 2 8* von 5 Gliedern der Familie gegessen 
und alle diese erkrankten. 

Der Vater, Jacob B., 56 Jahre alt, erkrankte am 29. Juni an Durchfall ohne Er¬ 
brechen. Grosse Hinfälligkeit veranlasste Pat. bald sich zu Bette zu legen; doch stand 
er ab und zu wieder auf und Hess erst am 2. Juli den Arzt rufen. Die Diarrhoe per- 
sistirte ; noch um den 13. Juli wurden in 24 Stunden jeweilen 2—3 foetide Stühle ent¬ 
leert Diese Diarrhoe war von heftigem Fieber begleitet, doch hatte Pat. trotz hoher 
Temperatur (zwischen 39 und 40°) meist nur niedrigen Puls: 76 und ähnlich; Delirien. 

Auch am 13. Juli war das Sensorium noch benommen, es bestand bedeutende Schwer¬ 
hörigkeit, der Puls war 90 in der Min., klein, etwas irregulär. Respiration = 30 in der 
Minute. Die Zunge war sehr trocken, braun, rissig und borkig. Apathie. Sehr massen¬ 
hafte Roseola über den ganzen Körper verbreitet, doch hauptsächlich am Truncus. Die 
einzelnen Roseolen sind ziemlich prominent, von livider Färbung, jedoch nicht petechial. 
Starker Meteorismus. Geringe Druckempfindlichkeit. Wegen des Meteorismus lässt sich 
die Milz nicht mit Sicherheit als vergrössert nach weisen. Herztöne schwach. Auf den 
Lungen wenig Catarrh. 

Trotz dieses schweren „typhösen“ Krankheitsbildes trat die Genesung des Pat. ziem¬ 
lich rasch ein; denn schon am 31. Juli stieg der Thermometer nur noch auf 37° und 
Pat. versuchte zeitweise das Bett zu verlassen und 14 Tage später arbeitete er schon 
wieder in seiner Schmiede, von Zeit zu Zeit allerdings die Bemerkung machend, „der 
Hammer sei ihm noch etwas schwer“. 

Neben diesem Kranken fanden wir seine Frau B., 55 Jahre alt, die am 27. Juni nur 
ein fingergrosses Stück der unabgekochten Kutteln mit einem Glas Wein zum „Znüüi“ 
genommen haben will. Sie erkrankte am 3. Juli mit Kopfweh, Müdigkeit, Uebelkeit; 
ohne Erbrechen, ohne Diarrhoe. Niemals Nasenbluten. Sie schleppte sich noch bis am 
8., an welchem Tage sie dann ganz bettlägerig wurde. Seither besteht heftigea Fieber; 
die Körpertemperatur war beständig 39° C und darüber. Am 13. Juli fanden wir diese 
letztere nur 38,3°, den Puls 80. Sparsame und undeutliche Roseola auf Brust und 
Bauch. Geringerer Kopfschmerz als im Anfang. Wenig Schlaf. Kein Meteorismus des 
Bauches; etwas Schmerz in der Ccecalgegend bei Druck. Milztumor. Ueber den Lungen 
nirgends Dämpfung; hinten überall etwas feuchtes Rasseln, rechts hinten unten feinblasi¬ 
ges Rasseln. Patientin klagte auch ziemlich viel über Husten. Während der ganzen 
Krankheit hatte Pat. nie Diarrhoe, sondern nur (auf Medicamente) breiige Entleerungen. 
Der Urin war normal. In der folgenden Woche verschwand allmälig das Fieber, der 
Appetit kehrte zurück. Letzte ärztliche Ordination den 27. Juli. Am 25. Juli steckte 
sie schon wieder in ihrer Thätigkeit in der Küche. 

Die Tochter dieses Ehepaars, Jungfer B., 21 Jahre alt, die früher nie krank gewesen 
war, erkrankte am 1. Juli. Wegen Zahnschmerzen hatte # sie vorher von sich aus sich 
ein Vesicans hinter das eine Ohr gesetzt und von dieser Wunde aus hatte sich ein Ery- 
sipelas auf das Gesicht sowie auf die Schleimhaut des Mundes und des Rachens (Angina) 
ausgebreitet. Die Schwellung und Röthung verschwand jedoch bald, ohne dass das Fie- 


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ber aufhörte. Wir fanden am 13. Juli nichts mehr von dem Erysipel vor, wohl, aber 
Pat. sonst recht schwer krank : Pat. klagte über Schwere im Kopf, litt an bedeutender 
Schwerhörigkeit, beständigem Rauscheu in den Ohren, Husten, Puls 108, schnellend, 
weich, Terop. 39,6. Zunge roth, feucht. Stühle breiig und während der ganzen Krank¬ 
heit nur auf Medicamente erfolgend. Kein Meteorismus des Abdomens. Roseola im 
Verschwinden. Milztumor vorhanden und von gewohnter Grösse. llcocoBcalgegend 
schmerzhaft. 

Obwohl im ganzen Verlauf dieser Fall eine der schwersten Erkrankungen der Epi¬ 
demie darstellte, war doch am 31. Juli die Temperatur auf 37,3 gesunken, und schon 
am 3. August verliess die unruhige Patientin das Bett und war 14 Tage spater wieder 
arbeitsfähig. 

Ihr Bruder Heinrich, 26 Jahre alt, dagegen war viel leichter krank. Bei ihm stell¬ 
ten sich die Krankheitssymptome am 30. Juni ein: Erbrechen und Würgen, ohne dass 
viel entleert wurde. Kopfweh, Müdigkeit, Fieber. Anfangs Obstipation, auf ein Laxans 
(inf. rhei mit Magnesia), Durchfall, der in den Tagen vor unserem Besuche am 13. Juli 
ohne bekannte Ursache wieder etw’aa zugenommen hatte. Die Nächte verbrachte Pat. 
stets schlaflos, am Tage, besonders Vormittags, schlief er öfter. Profuser Schweiss ; an¬ 
dauernde bedeutende Schwerhörigkeit. Nie Nasenbluten ; ab und zu Husten. 

Objectiv fanden wir am 13. Juli: Puls 76, Temp. 37,5°. Blasses Aussehen. Gurren 
im Abdomen, das in massigem Grade raeteoristisch erschien; starker Tumor lienis. Mas¬ 
sig reichliche Roseola. Auf den Lungen zerstreute Rasselgeräusche (diffuser Bronchial- 
catarrh). 

Auch dieser Pat. hatte am 21. Juli die letzte ärztliche Ordination nöthig und war 
Bchon Ende August wieder bei seiner gewohnten Arbeit. 

Die fünfte Kranke in der Familie endlich war eine 67jährige Nähterin, die an Diar- 
rhoö und einige Tage hindurch an Fieber gelitten hatte. Bei unserem Besuche war sie 
fieberfrei, doch noch bettlägerig. Roseola konnten wir nicht entdecken; der colossale 
Pauniculus adiposus liess uns auch im Zweifel, ob die Milz vergrössert sei oder nicht. 
Doch trat die Reconvalescenz nicht so schnell ein, wie zu erwarten stand : Pat. musste 
noch am 23. Juli nach dem Arzte schicken. 

In dieser Familie ereignete sich Bpäter ein secundärcr Fall: der einzige, der 
in dieser Epidemie beobachtet worden ist. Die junge Hausfrau, 22 '/^ Jahre alt, wartete 
den schwer Kranken jeweilen Nachts ab, legte sich auch zuweilen neben die kranke 
Jungfer B. in’s Bett und erkrankte am 24. Juli mit leichtem allgemeinem Unwohlsein; 
legte sich aber erst den 26. Juli definitiv zu Bette. Sie hatte am Abend des 26. eine 
Temp. von 39,5 ; delirirte in der Nacht darauf. Am 31. stellten sich die Menses in sehr 
profuser Weise (oder vielleicht ein Abortus in der 6.—7. Woche?) ein ; zudem reichli¬ 
ches Nasenbluten. Bis zum 5. August blieb der Puls auf 112, die Temp. 39,5. Es be¬ 
stand Obstipation. -Vom 7.—9. war der Puls 100, Temp. 39, reichliche Roseola. Den 
11. August Puls 96, Temp. 38,0. Den 13. Puls 88, Temp. 37,3 und am 18. August Ver¬ 
liese Pat. zum ersten Male ihr Bett wieder. 

Die letzten Kranken endlich, die wir am 13. Juni aufsuchten, waren in Hüttikon, 
resp. auf dem Hüttikoner Berg (516 M. über Meer) : in einem einsam stehenden Hause 
auf dem ziemlich flachen, ca. 5 Minuten breiten Bergrücken des aus Molasse bestehenden, 
mit reichlichem Humus und zahlreichen erratischen Blöcken bedeckten, zwischen Limmat- 
und Regenstorferthal sich erhebenden Altberg. Hier waren zwei Erkrankte, Mutter und 
Sohn; beide hatten den 27, Juni, erstere wenig, letzterer viel, d. h. etwa */a 8 Kutteln mit 
viel W'ein genossen; sein Vater ass einen übrig gebliebenen Rest der Kutteln und trank 
Wein dazu und blieb ganz gesund. 

Der 38jährige Jacob B. erkrankte den 29. Juni Vormittags 10 Uhr ganz plötzlich; 
er musste von der Arbeit weg gehen und sich zu Bette legen. Zwar stand er später 
nochmals auf, ehe er sich definitiv legte; aber nur für kürze Zeit. Am 3. Juli hatte er 
Durchfall, wenig Erbrechen. Pat. hatte die gewöhnlichen Symptome, nur auffallend heftig, 
geboten; hohe Temperaturen und besonders vom 6,-10. Juli heftiges Fieber mit starken 
Delirien. Das Maximum der Delirien bestand am 6. und 7. Juli; Pat. sprang im Hemde 
in den Stall und in den Keller. Am 13. Juli bestand nicht mehr Diarrhoe , eher ange¬ 
haltener Stuhl. Der Urin, der einige Male unbewusst in’s Bett gelassen worden war, 


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wurde wieder willkürlich entleert. Seit drei Tagen bestand blutiger Auswurf: wir fanden 
ein streifig blutiges, schleimig-eitriges Sputum. Der Husten erfolgte öfter und ziemlich 
heftig. Pat. war theilnahmslos, schwerhörig. Zunge feucht. Puls 104, Temp. 38,9° C. 
Respiration frequent und sichtlich erschwert. Geringer Meteorismus abdominis ; Ileoccecal- 
schmerz. Tumor lienis vorhanden. Die Percussion der Lungen ergab beiderseits , doch 
mehr und ausgesprochener links, Abschwächung des Percussionsschalls, resp. links hinten 
unten völlige Dämpfung und beiderseits verbreitetes feinblasiges Rasseln, links hinten 
unten Knistern (diffuser Bronchialcatarrh; links hinten unten Pneumonie). — Die Er¬ 
krankung machte also auch noch am 13. Juli einen sehr schweren Eindruck; die Pro¬ 
gnose erschien noch sehr zweifelhaft. Doch genas Pat. noch im Laufe des Juli so weit, 
dass er wieder auf’s Feld hinaus gehen konnte. 

Die Mutter des oben erwähnten Kranken, die 60jährige Frau B., hatte schon früher 
viel an Cardialgie und an Schwindel gelitten. Sie erkrankte am 28. Juni mit so heftiger 
Müdigkeit, dass sie sich legen musste, wie sie sagte, nicht mehr stehen und gehen 
konnte. Zugleich stellte sich erst weniger heftig, dann intensiverer Durchfall ein, der 
späterhin schwächer wurde. Es erfolgten täglich 6 — 8 Stühle. Am 2. und 3. Juli hef¬ 
tige Bauchschmerzen, Erbrechen. Pat. hatte Fieber in massigem Grade, die Temperatur 
stieg bis auf 39*. Auch am 13. Juli klagte Pat. noch über Leibweh, heftigen Schwin¬ 
del, Ohrensausen. Die Respiration war erschwert, frequent; selten Husten. Puls 92. 
Abdomen auf Druck empfindlich; keine Roseola, kein Milztumor. Etwas Bronchialcatarrh, 
besonders rechts hinten unten zahlreichere Rasselgeräusche. Keine Dämpfung des Per¬ 
cussionsschalls Über den Lungen. 

Auch diese Patientin genas noch innerhalb des Monats Juli. 

(Fortsetzung folgt.) 


Ueber die sanitarischen Gefahren der Bleiglasuren. 

Von Dr. F. Schiller, eidgenössischer Fabrikinspector in Mollis. 

(Schluss.) 

Manche Compositionen, welche an die Stelle der Bleiglasuren zu treten be¬ 
stimmt sind, werden geheim gehalten. So soll in noch nicht bekannter Weise 
Lindhorst blei- und zinnfreie Glasuren auf Kacheln machen, welche den besten mit 
Zinnglasur hergestellten an Güte nichts nachgeben und überdies billiger sind und 
auch Frey einet in seinem bekannten „Traitd d’assainissement“ theilt mit, wie Detloye - 
Masson in Brüssel nach einem leider geheim gebliebenen Verfahren Röhren in bester 
Qualität und ohne höhere Kosten mit bleifreier Glasur herstellen. 

Sowohl das beständige Auftauchen neuer Vorschläge, als die Thatsache, dass 
sich, keine dieser Herstellungsweisen auch nur einigermaassen in weitem Umkreis 
Geltung verschafft hat, beweisen die Schwierigkeit, für jedes Material und jede 
Art von Fabrikat eine passende bleifreie Glasurmasse ausfindig zu machen. Eine 
Mischung , die sich in einer Gegend oder für einen Artikel vollständig bewährt 
hat, kann durch die andere Zusammensetzung des Thons, durch andere Anforde¬ 
rungen in Bezug auf das Ertragen von Temperaturwechseln, auf Farbe und Glanz 
der Glasur etc. in anderer Gegend und in einer andern Fabrik sich vollständig 
unbrauchbar erweisen. 

Und kann es auch grossen Etablissementen, die unter wissenschaftlich gebil¬ 
deter Leitung stehen und über grosse Hülfsmittel verfügen, gelingen, durch zahl¬ 
reiche Experimente eine ihren Bedürfnissen entsprechende Composition ausfindig 
zu machen, so fällt es dem Empiriker im kleinen Geschäfte mehr als nur schwer, 
ja es ist ihm unmöglich, dasselbe zu thun und seinen längst erprobten, von Ur- 


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väterzeit ererbten Recepten zu entsagen. Zieht man überdies in Betracht, dass die 
Bleiglasuren durch ihre leichte Schmelzbarkeit, ihre grosse Widerstandsfähigkeit 
gegen raschen Temperatur Wechsel, ihren Glanz am vollkommensten den verschie¬ 
denartigen Anforderungen der Fabrikation entgegenkommen, so gelangt man zum 
Schluss, dass an eine Untersagung der Bleiverwendung für Gla¬ 
suren heute noch unter keinen Umständen zu denken ist 

Wohl aber ist es der Sanitätspolizei möglich, das Bestreben nach Aus¬ 
schliessung des Bleies dadurch zu fordern, dass genaue Controle über die 
Gesundheitsschädlichkeit der mit Blei hergestellten Fabrikate geübt, dass solche, 
welche besonders grosse Gefährde darbieten, gänzlich untersagt, ja dass für ge¬ 
wisse Zwecke gar keine bleihaltigen Glasuren zugelassen werden. Manches ist in 
dieser Richtung schon geschehen. Für die französische Marine wurde 1871 die 
Verwendung aller Gelasse mit Bleiglasuren untersagt. In Oesterreich sind längst 
die grünlich-goldschillernden Glasuren gewisser Essgeschirre und Kinderspiel- 
waaren verboten, die nur aus leicht abreibbarer Bleiglätte bestehen. Die Unter¬ 
suchung der verschiedenartigsten Ess- und Kochgeschirre auf den Inhalt 
ihrer Glasuren an löslichen Bleiverbindungen ist in manchen Staaten vorgeschrie¬ 
ben — leider aber zu selten und wohl auch mangelhaft geübt. Am wünschbarsten 
wäre diese Prüfung in Bezug auf die immer allgemeinere Verbreitung erlangenden 
emaillirten Kochgeschirre. 

Während durch alle derartigen Untersuchungen mehr nur der Consument der 
Waaren geschützt, aber nur sehr indirecte und in bescheidenstem Maass die Ge¬ 
fährdung der Töpfereiarbeiten vermindert wird, fände sich ein directerer Weg 
hiezu in der Förderung der Verwendung getrifteter, keine Blei¬ 
verbindung mehr in Lösung abgebender Glasuren. 

Das Schweiz. Fabrikinspectorat sah sich letztes Jahr veranlasst, einige Proben 
solcher Präparate dem Laboratorium des Polytechnicums zur Untersuchung zu 
übergeben und zwar sowohl braune als weisse. Dieselben wurden in verschiede¬ 
nen Temperaturen der Einwirkung verschiedener Stoffe ausgesetzt und bei der 
Wahl derselben vorzugsweise die Möglichkeiten berücksichtigt, wie die in den 
menschlichen Körper in fein vertheilter Form eingeführten Massen zur Einwirkung 
gelangen könnten. Es ergab sich, dass von den grob zerstossenen Glasuren weder 
in verdünnter Salz- noch Essigsäure sich etwas löste, wurden sie aber fein ge¬ 
pulvert, und der Einwirkung von 1. destillirtem Wasser, 2. Brunnenwasser, 3. koh¬ 
lensäurereichem Wasser, 4. verdünnter Salzsäure von 0,30%, 5 verdünnter Essig¬ 
säure von 5% * 6. Natronlauge von 7a % ausgesetzt, so lösten sich in 50 Cubik- 
centimeter Flüssigkeit, der je 1 grmm. fein geriebenes Glasurpulver zugesetzt 
worden, in 24 Stunden an Blei 

1-3456 

weisse und braune Glasur bei 15° Cels. nichts 0,0012 0,0019 nichts. 

„ „ „ 50-55° „ * 0,0012 0,0023 0,0003. 

„ » n 50—55° „ „ 0,0925 U,0035 nichts. 

Aus diesen Zahlen ergibt sich, dass eine schädliche Einwirkung des Bleies 
auf die Arbeiter nach dem Fritten kaum mehr denkbar ist. 


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Nun ist freilich nicht jede Glasur eo glücklich componirt, wie die untersuchten 
Sorten, aber so viel sieht fest, dass gekuchte Glasuren am meisten Garantie für 
die innige Verbindung des Bleies mit der Kieselsäure bieten und vor Allem aus 
für das Fehlen von gänzlich unverbundenem Bleioxyd. Ebenso ist 
kaum zu bezweifeln, dass die Mischungen, welche auch in gefrittetem Zustand 
noch ziemlich viel Blei abgeben, durch angemessene Modificationen ohne Schädi¬ 
gung der Fabrikation unschädlich gemacht werden könnten. 

Wie kommt es dann aber, dass die Industriellen nicht von selbst darauf ge¬ 
kommen sind, wo es irgend angeht, alle Glasuren zu fritten und damit ihrer In¬ 
dustrie einen grossen Theil der bisherigen Gesundheitsgefährlichkeit zu benehmen ? 
Die Zürcher Firmen, welche nicht nur für die weissen Kacheln, welche dies durch¬ 
aus erfordern, sondern auch für geringe braune, gelbe, grüne, die Glasuren kuchen, 
finden, dass die Mehrarbeit, resp. Mehrkosten weit überwogen werden durch die 
Verminderung der Gefahr. Die Herstellung gekuchter Glasuren wird nämlich nur 
durch die darauf verwendete Arbeit theurer , nicht aber durch grossem Brenn¬ 
materialgebrauch , denn man kann die Glasur durch die unbenützte Hitze des 
Brennofens fritten. Am meisten Mühe macht das Pulverisiren der harten Masse, 
besonders ganz kleinen Geschäften, welche dies in Ermangelung genügender Ein¬ 
richtungen nur mit grosser Mühe bewerkstelligen und deshalb nicht selten ihre 
Glasuren aus grossem Etablissementen fertig beziehen — oder vielmehr bezogen. 
Denn das Präpariren von Glasuren ist eine sehr unbeliebte Arbeit, die immer sel¬ 
tener von einem Geschäft übernommen wird. So kommt es, dass kleine Etablisse- 
mente immer häufiger zum Verzicht auf das Fritten veranlasst werden, um so 
mehr, als sie dadurch eine kleine Ersparniss machen, und es zeigt sich auch bei 
diesem Industriezweig, wie vom sanitarischen Standpunct aus das Entstehen grös¬ 
serer, mit allen Hülfs- und Schutzmitteln der Technik ausgerüsteter Fabriken be- 
grüsst werden muss. 

Doppelt wünschbar aber wäre, dass derartige Anstalten aufs Neue sich ent¬ 
schlössen , dem kleinen Producenten eine Procedur abzunehmen , die bei ihm so 
grosse Gefahren bedingt, bei genügenden Einrichtungen aber von eigentlichen Fa¬ 
briken ohne allen Risiko besorgt werden kann. 

Bei der Begehung unserer schweizerischen Fabriketablissemente für Thon¬ 
industrie stellt sich freilich heraus, dass auch da diese Hinlänglichkeit der Ein¬ 
richtungen vielfach vermisst wird. So ist selbst für genügenden Zug der Ofen 
zur Bereitung der Bleiasche nicht überall gesorgt, wie ein bereits mitgetheilter 
Fall beweist. 

Noch öfter findet man die Möglichkeit nicht gegeben, das dargestellte Blei¬ 
oxyd ohne starkes Verstäuben aus dem Ofen zu befördern. 

Für das Mischen der Glasurbestandtheile und das Sieben oder Beuteln der 
gemahlenen Glasur finden sich in der Regel, doch nicht überall, geschlossene 
Fässer oder Kasten, aus denen aber nicht selten doch Staub entweicht, so dass 
die Verbindung eines kleinen Ventilators mit der Umhüllung des Siebes sehr 
zweckmässig erscheint. 

Zu dem vorhergehenden Abwägen* werden nicht immer, sondern nur hie und 


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174 


da Tücher vorgebunden, die aber besser durch einen Bäschliri sehen Respirator er¬ 
setzt würden. 

Das Mahlen selbst geschieht durchweg nass und bietet somit bei einiger Rein¬ 
lichkeit von Seiten des Arbeiters keine Gefahr. 

Mit allem Nachdruck ist aber darauf hinzuwirken, dass das 
Aufstauben der Glasuren entweder ganz verschwinde, oder zum 
Mindesten mit den gehörigen Cautelen umgeben werde. 

Es ist bereits angeführt, dass diese Methode in den kleinsten Etablissementen 
allgemein verbreitet sei. Vor Allem aus ist dies der Fall bei der Fabrikation der 
sogenannten patronten Kacheln, aber auch bei der Herstellung des ordinären 
Küchengeschirrs ist sie sehr im Gebrauch, währenddem die bessern derartigen 
VVaaren meist 2 Mal in’s Feuer kommen, deshalb eingetaucht und begossen wer¬ 
den können. Doch kommt auch bei der Verfertigung der Schweizermajolika das 
Aufstauben gleichzeitig mit dem Eintauchen vor. 

Es braucht nicht erst gesagt zu werden, dass diese Manipulation, in bisheri¬ 
ger Weise durchgeführt, zu zahllosen Bleileiden führen muss, wie überall, wo sie 
geübt wird, und zwar um so mehr, je ausgedehnter die Anwendung der ungefrit- 
teten Glasuren ist. Allerdings trösten die Fabrikanten sich und Andere damit, 
dass diese Intoxicationen sehr oft so unbedeutend seien, dass sie gar keine Ar¬ 
beitsunfähigkeit herbeiführen, und es wird gänzlich ausser Acht gelassen, wie diese 
oft wiederholten kleinen Affectionen schliesslich doch zu den schwersten Erkran¬ 
kungen führen können. 

In der Mehrzahl dieser Fälle könnte auf das Aufstauben wohl gänzlich ver¬ 
zichtet werden — allerdings nicht ohne pecuniäre Einbusse , indem ein Brennen 
des geformten Thons dem Eintauchen in die flüssige Glasurmischung vorangehen 
müsste. Für den kleinen Rest derjenigen Betriebe, wo das Aufstauben durchaus 
nicht vermieden werden kann, sollten wenigstens diejenigen Vorsichtsmaassregeln 
in Betracht gezogen werden, die auch anderwärts mit Vortheil angewendet werden. 
Dabin gehören für’s erste die verschiedenen Systeme der Respiratoren. Ha¬ 
ben die Arbeiter ihren Standort nicht zu verlassen, so würde sich ein Versuch 
mit einem der verschiedenen Apparate lohnen, welche die benöthigte Athmungs- 
luft unter schwachem Druck dem Arbeiter fortwährend durch einen elastischen 
Schlauch zuleiten, resp. zublasen, ohne im geringsten das Ausathmen zu hemmen. 
Recht guten Schutz gewähren auch die „Lungenschützer“ der internationalen Ver- 
bandstofffabrik in Schaffhausen , solide, bequeme, wenig entstellende und wenig 
kostende, kleine Apparate. 

In anderer Weise haben französische Fabrikanten die Aufgabe zu lösen ver¬ 
sucht. Sie brachten eine Luftabsaugungsvorrichtung an, indem sie z. B. die Tisch¬ 
platte durchbrochen herstellten und unter derselben die weite Mündung eines ab¬ 
saugenden Luftrohres anbrachten oder indem sie wenigstens einen horizontal über 
den Arbeitstisch hin vom Arbeiter sich entfernenden Luftstrom bewirkten. 

Es bedarf keiner besondern Erwähnung, dass alle diese Vorrichtungen die 
gleichen Dienste leisten, wo die aufgetragene Glasur abgebürstet oder abgerieben 
werden soll. 


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In wie weit der beabsichtigte Schutz auf dem angeführten Wege erreicht 
wird, hängt sehr von der Strenge ab, mit welcher der nur zu sehr zum Leicht¬ 
sinn geneigte Arbeiter zur Benutzung der Schutzmittel angehalten wird, — und 
ebenso sehr von dem Maass der Sorgfalt, die er auch sonst in Vermeidung der 
professionellen Gefährden anwendet. 

Es ist bekannt, dass diese Gefahren bei jeder Industrie von Denjenigen unter¬ 
schätzt, gutentheils auch gar nicht gekannt werden, welche alltäglich denselben 
ausgesetzt sind, und es ist sehr zu begrüssen, wenn die Fabrikinhaber selbst dar¬ 
auf in besondern Anweisungen aufmerksam machen und bestimmte Vorschriften 
erlassen. 

Dies ist in mehreren Etablissementen wenigstens theilweise geschehen. Diese 
Regiemente betreffen theils die Reinhaltung der Räume, die z. B. da nur 
gewaschen, nicht gewischt werden dürfen, wo bleihaltiger Staub sich ansammelt, 
theils die persönliche Reinlichkeitspflege. Es wird unter Anderm 
verlangt, dass das Arbeitskleid im Arbeitsraum bleiben muss; ebenso wird Reini¬ 
gen der Hände mittelst Seife oder Bürste (besonders auch unter den Nägeln) vor 
jedem Verlassen des Arbeitsraums bei Busse verlangt, und hiezu nicht nur das 
nöthige Material geliefert, sondern auch je 5—10 Minuten für die Reinigung frei¬ 
gegeben, die in die Arbeitszeit eingerechnet werden. 

Weit seltener findet sich das Baden vorgeschrieben. Dies geschieht z. B. in 
der Ziegler’schen Thonwaarenfabrik in Schaffhausen, wo die Bäder während der 
Arbeitszeit und gratis genommen werden können, ja jede Woche mindestens Ein 
Mal benutzt werden müssen, worüber die Arbeiter sich durch Abgabe von Control¬ 
marken auszuweisen haben. Die Ziegler’sche Fabrik hat vorzüglich durch diese 
Bestimmung eine erhebliche Verminderung der Fälle von Bleikolik erfahren. 

Häufiger trifft man die Vorschrift, dass weder Speisen noch Ge¬ 
tränke im Arbeitsraum genossen werden dürfen, bei Androhung 
strenger Strafe. 

Die bereits erwähnte Ziegler’sche Fabrik hat überdies die vortreffliche Ein¬ 
richtung , dass den Arbeitern , wie dies in manchen Bleiweissfabriken üblich ist, 
täglich 2 Mal Milch verabreicht wird. 

Es kann überhaupt nie genug betont werden , wie sehr den Bleikrankheiten 
durch eine genügende zweckmässige Ernährung entgegen gewirkt werden kann, 
und wie sehr z. B. der öftere und reichliche Genuss von Nahrungsmitteln , deren 
Säuren sich leicht mit dem eingedrungenen Bleistaub zu leicht löslichen Salzen 
verbinden (Essig, saure Früchte), die Möglichkeit der Intoxication vermehrt. 

Mögen die oben angeführten Vorkehrungen zur Sicherung des Arbeiters auch 
nicht gar selten sich vorfinden, so muss doch zugestanden werden, dass in der 
weit überwiegenden Mehrzahl der mit Glasuren arbeitenden Geschäfte nichts ge¬ 
schieht, und zwar insbesondere in den kleinen Betrieben, die dem Fabrikgesetz 
nicht unterstellt sind. Das Fabrikgesetz mit seiner Aufsicht und seinen Vorschrif¬ 
ten kann nur in wenigen Fällen eingreifen und auch die Durchführung des hier 
Verlangten wird hie und da, wo der gute Wille und die Einsicht von Seite der 
Arbeitgeber wie ihrer Arbeiter fehlt, nur mit Mühe bewirkt werden können, so 


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lange nicht die Haftpflicht für alle Fälle gewerblicher Vergiftungen Ausgespro¬ 
chen ist. 

Noch schwerer wird der Arbeiterschutz in den kleinen Etablissements sich 
verwirklichen lassen. Ein grosser Schritt in dieser Richtung wäre gethan, wenn 
die Cantone sich zum Erlass von Gewerbegesetzen entschliessen könnten, die, das 
Fabrikgesetz ergänzend, analog demselben die Gewerbsunternehmer zu allen Maass¬ 
regeln verpflichten, welche zur Sicherung von Leben und Gesundheit der Arbeiter 
geeignet sind, auch hier bei gefährlichen Betrieben den Polizeiorganen ein Auf¬ 
sichtsrecht zugestehen und zudem die Bestimmungen des eidg. Haftpflichtgesetzes 
hier ebenfalls zur Anwendung bringen würden. 

Inzwischen wird es Sache der Sanitätsbehörden, besonders der localen Ge¬ 
sundheitsbeamten sein, mit Benutzung der vorhandenen gesetzlichen Vorschriften 
das Möglichste zu leisten. Ihnen und den Aerzten insbesondere wird es zukom¬ 
men; sich mit den aus den betreffenden Betrieben hervorgehenden Gefahren und 
den Vorbeugungsmitteln vertraut zu machen und auf dem Wege der Belehrung 
und der Ermahnung das zu erzielen , was auf gesetzlichem Wege zu verlangen 
noch nicht möglich ist. 

Auf die vorhandenen Uebelstände und Gefährden aufmerksam zu machen, die 
so gewöhnlich unbeachtet vom gesammten Publicum ihre verderbliche Wirkung 
entfalten und durch Mittheilung der Erfahrungen aus der Praxis deren Abstellung 
zu fordern und zu erleichtern, das ist der Hauptzweck dieser Zeilen. 


V ereinsberichte. 

Gesellschaft der Aerzte in Zürich. 

7. Sitzung, den 21. Februar 1880. 

Hötel zum Hecht. 

1) Vortrag von Dr. Bleuler über Endocarditis ulcerosa. Der Vortra¬ 
gende schildert zunächst einen eigenen Fall mit Sectionsbefund, demonstrirt 
das betreffende Herz und gibt dann eine Uebersicht über die Casuistik und an 
Hand derselben eine Besprechung der Symptomatologie und Therapie. Er trennt 
die Fälle in solche primärer und solche secundärer Erkrankung und schildert 
dann speciell den pathologischen Befund, sich stützend auf die ganze Literatur der 
Krankheit. 

2) Dr. tiaab trägt vor über ein neues Antisepticum, das Re so rein, eng 
verwandt mit dem Carbol, isomer mit Brenzcatechin und Hydrochinon. Er schil¬ 
dert und demonstrirt den Körper, erwähnt, dass derselbe in Tagesdosen von 5,0 
nicht giftig wirke, wie Vortr. an sich selbst geprüft, dass Lösungen von 5% fast 
gar nicht reizen, selbst die Cornea nicht. Sodann weist er durch Demonstration 
von Culturapparaten und Fäulnissversuchen die antiseptische Kraft des Resorcin 
nach, welche nach eben diesen zahlreichen Versuchen derjenigen des Phenol gleich 
steht. Der Vortragende empfiehlt das Resorcin für alle jene Fälle, wo das 
Phenol reize (wie z. B. am Auge), oder wo es in Folge erheblicher Resorption 
giftig wirke. 


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8. Sitzung, den 6. März 1880. 

Hötel zum Hecht. 

1) Prof. Huguenin trägt vor über Pons-Erkrankungen. Im Anschluss 
an 2 Fälle, deren Krankengeschichte und Sectionsbefund in extenso mitgetheilt 
wird, schildert Vortr. die Affectionen des Pons Varoli und deren Symptomatologie. 
Im ersten der beobachteten Fälle Hess die rasch auf einander folgende Reihe der 
Symptome : Parese des r. facialis (Logophthalmus), Kopfweh, Schwindel, Sprach¬ 
störung, dann Parese des r. Acusticus, des r. Trigeminus, Stauungspapille eine 
Affection des Pons mit aller Sicherheit diagnosticiren. Es folgte dann Lähmung 
des 1. Glossophar. und motor. Lähmungen auf der 1. Körperhälfte. War einerseits 
das Ergriffenwerden des Facialis, Acusticus, Trigeminus für Läsion des Pons cha¬ 
rakteristisch, wo eben jene Nerven nahe bei einander, so war es anderseits nicht 
weniger das rasche Uebergreifen der Störungen auf die andere Seite. Die Section 
bestätigte die Diagnose vollauf. — Im zweiten Falle war das Bild schon viel com- 
plicirter und Hess die Sichtung der mannigfaltigen Symptome vier Herde erkennen, 
von denen ebenfalls einer in den Pons zu verlegen war. Auch hier waren Facia¬ 
lis, Acusticus und Trigeminus afficirt. Es fand sich bei der Section auch wirklich 
ein Herd im Pons und die andern 3 Herde fehlten ebenfalls nicht. 

2) Dr. Kaufmann demonstrirt das ßrMna'sche Carboistreupulver, schildert 
dessen Zusammensetzung und Anwendung und empfiehlt dasselbe. 

In der Rundfrage äussert Haab den Wunsch, man möchte sich bezüglich 
der massenhaften Diarrhceen, die jetzt Vorkommen, über die Erfolge, welche das 
C o t o i n gezeigt habe, aussprechen. — Huguenin erwähnt, dass er gar keine be¬ 
friedigenden Resultate damit erzielt habe. Ebenso Egli, der es schliesslich in recht 
grossen Dosen gab (3 Mal 0,25 p. d.), gleichfalls ohne Erfolg. — Bezüglich der 
herrschenden Typhus- und Diarrhoe-Epidemie glaubt Huguenin , dass das Trink¬ 
wasser unschuldig sei. Er vermuthet, dass das Gift aus dem Boden komme und 
zwar in Folge des ungemein niedrigen Grundwasserstandes. Es kommen jetzt 
Bodenschichten an die Luft, wo Typhuskeime schon seit Jahren Hegen. Die nö- 
thige Tenacität des Typhusgiftes vorausgesetzt, leiste diese Hypothese der Er¬ 
klärung der derzeitigen Epidemie Genüge. — //. Müller erwähnt, dass er in der 
letzten Zeit in der Poliklinik 90 Fälle von Diarrhoe gehabt habe, darunter auch 
Cholera nostras. Auch er weist den Zusammenhang mit dem Trinkwasser zurück 
und glaubt, dass die Diarrhoeen mit dem Typhus nahe verwandt seien, resp. häufig 
leichte Typhen repräsentiren. — Giesher fiel es ebenfalls auf, dass Typhus und 
Diarrhoeen so oft neben einander im selben Hause Vorkommen. — Zehnder betont, 
dass diesmal ausnahmsweise die Stadt so viele Typhen aufweise. Nach seinen 
Beobachtungen traten die Typhen unmittelbar nach dem Aufthauen auf. — Meyer - 
Hofmeister gibt als Vertreter der städtischen Gesundheitscommission Auskunft über 
die vorgenommenen Untersuchungen des Trink- resp. Brauchwassers. Diese er¬ 
gaben keine Verunreinigung des Wassers, sondern normalen Befund, so dass in 
der Tbat das Wasser nicht als Ursache des jetzigen schlechten Gesundheitszustan¬ 
des angeschuldigt werden könne. Er erwähnt, dass im Monat Februar in der 
Stadt 45 Fälle von Typhus angezeigt worden seien. — Goll ist der Ueberzeugung, 

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dass die Verpestung der Luft, bedingt durch das rasche Aufthauen all* des seit 
langer Zeit durch die Kälte conservirten Unrathes, sehr zu berücksichtigen sei bei 
der Erklärung der Typhen und Diarrhceen, welcher Ansicht Rahn-Meyer beipflich¬ 
tet. — 0. Wyss hat auch Dysenterie beobachtet. 

Dr. 0. Baab . 


Referate und Kritiken, 

L’6pid6mie de variole dans le canton de Neuchätel en 1880. 

Rapport de la Commission de santä präsentä 4 la direction de l’intdrieur par le doctenr 
Guillaume , vice-präsident de la Commission de santä. Neuchätel, 1881. 

Der thätige Verf., dessen Bericht über „le vaccin jennärien et le vaccin animal“ das 
„Corr.-Blatt“ kürzlich (pag. 156) erwähnt hat, gibt in der vorliegenden Schrift eine sehr 
lesenswerthe Schilderung der Pockenepidemie im Canton Neuenburg. Eine Wiedergabe 
aller prägnanten Einzelheiten würde den Rahmen eines Referates weit überschreiten; 
der Leser möge das im Originale suchen, dessen Verf. nicht selbst spricht, sondern die 
Thatsachen ihre unerbittliche Sprache führen lässt. Da hat man denn — zum lOOlten 
Male — Gelegenheit, sich darüber klar zu werden, wie man es machen muss, um die 
Gefahr einer Pockenepidemie im Keime zu ersticken, wie anders, um sich eine nette 
Epidemie heranzuzüchten. Die erstere vernünftige Methode, gut durchgeführte Isolirung 
etc., haben die meisten durch einzelne eingeschleppte Fälle bedrohten Gemeinden befolgt; 
für die Heranzüchtung einer Epidemie dagegen gibt La Chauxdefonds ein classisches 
Beispiel. Am 11. August wurde dort die Erkrankung eines vor wenigen Tagen von 
Paris zugereisten Mannes an Blattern bekannt; der Kranke wurde anfänglich zu Hause 
verpflegt, angeblich unter allen nöthigen Vorsichtsmaassregeln; erst nach dem 20. August 
wurde er in den Spital verbracht. In der Sitzung vom 11. September erfuhr die Sani¬ 
tätscommission, dass am 7. September ein Neffe des Erkrankten, ein ungeimpftes Kind, 
an Blattern gestorben und beerdigt worden sei (ohne Anzeige des behandelnden Arztes!). 
Das Kind hatte täglich seine Grosseltern besucht, wo sich der Kranke befand, und war 
dabei selbst in das Zimmer gekommen, wo derselbe angeblich abgesondert war. (Beiläufig 
bemerkt, liess auch im Spitale die Absonderung zu wünschen übrig; die Eltern besuchten 
den Kranken und nahmen dessen schmutzige Wäsche mit nach Hause!) 

Die Eltern des genannten Kindes mit gesetzwidrig verheimlichter Erkrankung betrie¬ 
ben eine Cafäwirthschaft. „Dans une chambre attenant et communiquant avec la salle du 
cafä“ lag das kranke Kind verpflegt von derselben Mutter, welche als Wirthin fortfuhr, 
ihre harmlosen Kunden zu bedienen! „Tous les varioleux des semaines suivantes, dit 
dans son rapport un mädecin de la localitä, avaient contractö la maladie en frdquentant 
le dit cafö.“ Ausserdem erkrankte der Träger der Leiche des Kindes und theilte die 
Ansteckung seinen Familiengliedern mit. Das ist die Entstehung der Blatternepidemie in 
Chauxdefonds, welche bis zum Februar 1881 über 70 Menschen das Leben gekostet hat. 
Wir begnügen uns mit dieser Probe und verweisen auch für die Vorschläge über An¬ 
zeigen, Isolirung, Desinfection etc., welche der Bericht behufs Ausführung der bestehen¬ 
den gesetzlichen Vorschriften macht, auf das Original 

Klar und unverhohlen sagt am Schlüsse der Verf.: „Jamais nous n’avons autant senti 
le besoin urgent d’une loi föderale et m§me internationale sur la matiöre, que depuis l’öpi- 
dämie actuellement rägnante; jamais, il est vrai, les ordres donnäs par les commissions 
de salubritä n’ont ätö mäconnus d’une fngon aussi patente.“ 

Guillaume constatirt, dass der Entwurf des eidgenössischen Seuchengesetzes dieselben 
Vorschriften enthalte, wie das cantonale Reglement und erwartet von einem eidgenössi¬ 
schen Gesetze, dass es die Ausführung der verlangten Maassregeln sichere und den can- 
tonalen Sanitätscommissionen die nicht durchweg vorhandene Autorität verleibe. 

Wir haben nie glauben können, dass der im ständeräthlichen Minoritätsberichte ab» 
gedruckte ärztliche Brief, dass der Beifall, welcher einem das Seuchengesetz karikirenden 
Artikel des Journal de Genäve von hervorragender Seite zu Theil wurde — dass solche 
Aeusserungen der adäquate Ausdruck der sanitätspolizeilichen Kenntnisse unserer welschen 
Collegen seien. Wir begrüssen nun in den sachgemässen Darlegungen des Guillaume sehen 


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Berichtes eine competente Stimme za Gunsten des Seuchengesetzes und wünschen ihr 
zahlreiche unbefangene Hörer. Lotz . 

Ueber Schusswunden. Die Wirkungsweise der modernen Kleingewehr-Geschosse. 

Von Prof. Dr. Th. Kocher , Director der Chirurg. Klinik in Bern. Leipzig, Verlag von 

F. C. W. Vogel, 1880. 94 8. 

In dieser, dem Chef des eidg. Militärdepartements, Herrn Bundesrath Oberst Herten - 
stein, und dem Oberfeldärzte der eidg. Armee, Herrn Oberst Dr. Ad. Ziegler, gewidmeten 
8chrift fasst Prof. Kocher die Resultate seiner zahlreichen, den Lesern dieses Blattes aus 
früheren Publicationen (Corresp.-Bl. Jahrg. 1875 und 1879) bereits theilweise bekannten, 
seither aber noch bedeutend erweiterten Schiess versuche zusammen. 

Cap. I bespricht *die Anordnung der Versuche und die Schilderung des benützten 
Geschossmateriales. — Zur Erzielung verschiedener Geschossgeschwindigkeit von 150 bis 
435 m. bei gleichbleibender Schiessdistanz wurde die Ladung von 1,0—3,7 grm. variirt. 
Durch Versuche mit Blei-, Kupfer-, Eisen-, Zinn- und Aluminium-Geschossen, an wel¬ 
chen, sowie an der vielfach benützten, leicht schmelzenden (65°) Rose 'sehen Legirung, sich 
auch der Einfluss des Schmelzens erkennen liess, wurde der Antheil der Masse resp. des 
speciflschen Gewichtes an der Schusswirkung zu eruiren gesucht. Aufgefangen wurden 
die Geschosse durch Wergsäcke. Der, wie es sich ergab, unbedeutende Einfluss der 
Rotation des Geschosses auf die Schusswirkung wurde bei einzelnen Versuchsreihen durch 
Anwendung von glatten Rohren und Rundkugeln ausgeschlossen. 

Das Cap. n behandelt die Bedeutung der Erhitzung und Schmelzung der Geschosse 
im menschlichen Körper. Zur Lösung dieser Frage wiederholte K. die Experimente von 
Busch (Zerschlagen erwärmter Geschosse mittelst einer aus bestimmter Höhe fallenden 
Eisenbirne) in exacterer Weise. Es ergab sich ein Wachsen der Difformirung mit zu¬ 
nehmender Temperatur des Geschosses. Ein Zerfahren des letztem in Spritzpartikel 
wurde aber erst bei Erwärmung bis zum Schmelzpunct und über diesen hinaus beobach¬ 
tet. Schussversuche bewiesen, dass im menschlichen Körper nur beim Auftreffen des 
Geschosses auf Knochen Schmelzung an der Spitze des Projectiles auftritt, nie bei Weich- 
theilschüssen, selbst bei Anwendung von Rose ’s Metall. Die Schmelzung hat daher bei 
den üblichen Geschossen und Geschwindigkeiten keine grosse Bedeutung. Sie bewirkt 
eine Vermehrung der Seiten Wirkung, aber auch eine Verminderung der Durchschlagskraft. 
Die nicht bis zur Schmelzung gehende Erhitzung ist nur für die Difformirung des Ge¬ 
schosses von Bedeutung. 

Viel bedeutender als die Erhitzung ist zur Erklärung der explosionsartigen Wirkun¬ 
gen der Nahschüsse moderner Gewehre die hydrostatische Druckwirkung in Flüssigkeit 
haltenden Geweben (Cap. III). Zur Untersuchung dieses Factors dienten Schüsse in 
grössere Quantitäten Wasser (Badkasten). Es ergibt sich aus diesen Versuchen, dass 
auch blosse Flüssigkeiten die Bleigeschosse aufhalten und difformiren und dass diese Dif¬ 
formirung eine rein mechanische Wirkung ist, dass die Durchschlagskraft der Geschwin¬ 
digkeit und dem speciflschen Gewichte des Geschosses proportional, dem Querdurchmesser 
desselben, resp. der stärkeren Difformirung umgekehrt proportional ist. An wassergefüll¬ 
ten Blechbüchsen zeigt sich die Abhängigkeit des hydrostatischen Druckes von der Ge¬ 
schwindigkeit des Geschosses, da derselbe erst von 250 m. an deutlich wird, die Unab¬ 
hängigkeit dieser Druckwirkung von der Rotation und dem speciflschen Gewichte und 
die Verstärkung der hydraulischen Pressung bei Vermehrung des Querdurchmessers des 
Geschosses. Wie bei Flüssigkeiten, so kommt auch in den feuchten Geweben eine hoch¬ 
gradige, sich als Sprengung fester Hüllen und ausgedehnte Zerreissung von Weichtheilen 
kundgebende hydrostatische Druckwirkung zu Stande, unabhängig von Rotation und 
Schmelzung des Geschosses. 

Ueber das Verhalten fester Gewebe zu der hochgradigen Vermehrung der lebendigen 
Kraft bei den modernen Gewehren (Cap. IV) gaben 8chüsse auf Glasscheiben, kiesel¬ 
gefüllte Blechgefässe, Sandstein-, Eisen- und Bleiplatten Auskunft. Auch hier zeigt sich 
analog der hydraulischen Pressung eine vermehrte Seitenwirkung bei zunehmender Ge¬ 
schwindigkeit. Die Durchschlagskraft erweist sich als abhängig vom speciflschen Ge¬ 
wichte und der Geschwindigkeit des Geschosses , während die Difformirung des letztem 
sie vermindert, dafür aber die Seitenwirkung erhöht (Eisen- und Bleiplatten). 


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Die Ursache der Sprengwirkung bei den Knochen und Weichtheilen des mensch¬ 
lichen Körpers (Cap. V) muss, wie eine Reihe von Schüssen auf trockene und feuchte 
Knochen und ganze Extremitäten darthun, hauptsächlich in dem in Flüssigkeit haltenden 
Geweben entstehenden hydraulischen Drucke gesucht werden, welcher sich bei Geschoss- 
geBchwindigkeiten von 250 m. an geltend macht. In diesem Capitel sind auch die von 
K . aus Rücksicht auf die im Stabio-Processe zu Tage getretenen Meinungsdifferenzen 
vorgenommenen Larynxschüsse erwähnt, welche bekanntlich zu einem den Behauptungen 
Albertim 's ganz entgegengesetzten Resultate geführt haben. 

Cap. VI ist der Betrachtung der theoretischen Ergebnisse der Versuche gewidmet 
Besonders beachtenswerth und von der humanen Gesinnung des Verf. zeugend sind die 
im letzten Capitel (VII) enthaltenen practischen Schlussfolgerungen. Dieselben lauten 
kurz gefasst folgendermaassen : * 

Bei der unter civilisirten Nationen gebräuchlichen Art humaner Kriegführung kann 
man von dem Kleingewehr-Schuss nur verlangen, dass durch denselben ein Gegner mo¬ 
mentan kampfunfähig gemacht wird. Ein cylindro-conisches Geschoss von 150 m. Ge¬ 
schwindigkeit schlägt noch durch die meisten Gewebe des Körpers durch, vermag selbst 
noch Knochen zu brechen und zu splittern. Da nun die Geschwindigkeit der moderneu 
Kleingewehrgeschosse auf jede Distanz, auf welche überhaupt noch ein wirksames Ge¬ 
wehrfeuer möglich ist, nicht unter 150 m. hinuntergeht, so liegt kein Grund vor, durch 
Nebenwirkungen des Geschosses die Verwundung zu erschweren. Es sollten also, da 
wir die Sicherheit haben, auf jede Distanz hinreichende Verwundungen zu erzielen, alle 
diejenigen Factoren ausgemerzt werden, welche unnützerweise die Schwere der Verwun¬ 
dung steigern. Diese wird aber um so mehr gesteigert, je mehr die lebendige Kraft des 
Geschosses sich statt in Durchschlagskraft auch in Sprengkraft umsetzt. Für den mensch¬ 
lichen Körper kommt die Sprengwirkung in Betracht bei einer Geschossgeschwindigkeit 
von 250 m. an. 

Die bei grosser Geschwindigkeit des Geschosses erfolgenden ausgedehnten Zerreis- 
sungen der Weichtheile und Zermalmungen der Knochen verschlechtern trotz des wttn- 
schenswerthen primären antiseptischen Occlusivverbandes die Prognose doch in hohem 
Grade. Sepsis verbreitet sich in derart verletzten Geweben äusserst leicht. Die Thera¬ 
pie hat daher im Interesse der Indicationen für conservative und radicale Behandlung zu 
unterscheiden zwischen Nahschüssen und Fernschüssen. Nahschüsse sind 
alle diejenigen, welche mit über 260 m. Geschwindigkeit auftreffen, beim Vetterligewehr 
also alle unter 400 m. Distanz abgegebenen Schüsse. Nur ausnahmsweise genügt bei 
diesen selbst eine strenge Antisepsis, um der eintretenden, durch die meist grossen Haut¬ 
wunden begünstigten, Zersetzung Einhalt zu thun. Die Amputation hat daher hier eine 
ausgiebige Anwendung. 

Die gegenwärtig erreichte Geschwindigkeit der modernen Geschosse gibt also alle 
Garantie , auf jede Distanz den Gegner kampfunfähig zu machen. Bei einer weiteren 
Vermehrung derselben darf man verlangen, dass Correctionen angebracht werden, welp)ie 
die Umsetzung der lebendigen Kraft in Sprengkraft beschränken. 

Das höhere specifische Gewicht des Geschosses beeinflusst die Durchschlagjel^|t 
erheblich, die Sprengkraft fast nicht. Um also erstere ohne letztere zu erhöhen, b0ltB 
vortheilhaft, zu den Projectilen möglichst schwere Metalle, am besten Blei, zu wählet 

Wichtig ist ferner das Volum des Geschosses, speciell die Form des QuerschnlBB. 
Rundkugeln haben ceteris paribus stärkere Seitenwirkung als cylindro-conische'llft- 
schosse. Es ist also wünschenswerth, Projectile von möglichst kleinem Querschnitten 
wählen. K. wünscht als Maximum des zulässigen Querdurchmessers 12 mm. (VetterBfä* 3 
10 mm.). 

Auch die Consistenz kann nicht gleichgültig sein. Die Difformirung, welche weietfifee 
Metalle beim Aufschlagen erleiden, sowie die bis zur Schmelzung gehende Erhitzun^aa 
der Knochencorticalis vermehren den Querdurchmesser und die Sprengkraft, während die 
Durchschlagskraft abnimmt. Difformirung und Schmelzung steigern also die Gefahr der 
Verwundung unnötigerweise. In nachahmenswerter Weise findet daher bei der Schweiz. 
Armee in neuester Zeit Hartblei (99,5% Blei, 0,5 M / 0 Antimon) Verwendung, welches er¬ 
heblich geringere Difformirung erleidet. Ganz diesem Zwecke entsprechen würde das 
Kupfer, das niemals Schmelzung und fast keine Difformirung erfährt. 


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Aufgabe der modernen Gewehrtechnik wäre also die Construction von gezogenen 
Rohren mit cylindro-conischen Geschossen von folgenden Eigenschaften: 

1) Möglichst geringem Querdurchmesser (bis 10 mm.) bei beliebiger Länge. 

2) Bedeutenderer, dem Kupfer gleichkommeuder Härte des Bleies. 

3) Höherem Schmelzpuncte als das meist übliche Blei. 

Ferner sollte die Geschwindigkeit der Geschosse nicht unnöthiger Weise über die 
jetzt erreichte Höhe vermehrt resp. die Ladung in der Weise modificirt werden, dass 
bei Nahgefechten mit Geschossen von geringerer Geschwindigkeit gefeuert würde. 

Münch. 

Cantonale Coirespondenzen. 

Basel« (Schluss.) 

4) Die Beleuchtungsmittel verschiedener Körperhöhlen. Nicht weniger als die Hand¬ 
lichkeit der Batterie mit ihrer so äusserst leicht regulirbaren Stromstärke verdient der in 
der Fachpresse bereits von vielen Seiten hervorgehobene Vorzug der Beleuchtungsmittel 
Beachtung, welcher darin besteht, dass vermöge der Feinheit des glühenden Drahtes eine 
Abkühlungsvorrichtung wenigstens für die Dauer der in den meisten Fällen nöthigen Be¬ 
obachtungszeit nicht nöthig ist Dass dieser Umstand allein schon hinreicht, alle bisheri¬ 
gen, auch die neuesten in Wien mit so grosser Beredtsamkeit eingeführten electrischen 
Beleuchtungsapparate überflüssig zu machen, ist von allen Berichterstattern des inter¬ 
nationalen Congresses in Amsterdam, wo das Polyscop vom Erfinder den Anwesenden 
ad oculos demonstrirt wurde, übereinstimmend anerkannt worden. 

Sämmtlicbe hier folgend abgebildete,* zum Apparat gehörende Beleuchtungsspiegel 



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lung zur Axe des Griffs und der Leitungsdrähte. B ist Überall ein Drücker, durch wel¬ 
chen, wie in den seit Mitleldorpf gebräuchlichen Instrumenten , die Leitung nach Willkür 
hergeBtellt und unterbrochen werden kann. 

In den obenstehenden Figuren (IX und X) sehen wir die neuestens construirten An¬ 
wendungen des Polyscops zur Endoscopie, nach deren Einsicht man kaum bezweifeln 
kann, dass der 7Voar^’sche Apparat zu solchen Zwecken ganz besonders geeignet ist und 
allen bisherigen dahin zielenden Constructionen den Rang ablaufen wird. 

Beide Instrumente bestehen aus einer Röhre T von geeigneter Länge, welche die 
beleuchtenden Conductoren und das zur Inspection in Winkelrichtung nöthige optische 
System enthält. Das letztere besteht auH einer sog. prismatischen Lupe mit totaler Re¬ 
flexion bb , durch welche das beleuchtete Object zwei- bis dreimal vergrössert wird, am 
untern Ende der Röhre und bei Fig. 8 aus einer aus zwei mit der Grundfläche aneinan¬ 
der gelegten Prismen bestehenden sog. Camera clara aa ', deren Zweok und Wirkungs¬ 
weise aus der Figur leicht verständlich ist. Ueber der prismatischen Lupe ist der be¬ 
leuchtende Platindraht f eingestellt. Die Röhre T wird in eine Bohlsonde oder CanÜle S 
eingeschoben, welche aus einem die Wärme gut isolirenden Stoffe gefertigt ist und mit¬ 
telst eines die Oeffnung der Bonde verstopfenden geknöpften Mandrins eingeführt wird. 
Nach Zurückziehung des Mandrins UBd Einführung der Röhre wird die secundäre Batterie 
wie in allen übrigen Fällen manipulirt. Durch Drehung der Röhre T erhält der Beob¬ 
achter a successive die Bilder des ganzen Beleuchtungskreises, resp, des grössten Theils 
des zu untersuchenden Eingeweides, der Beobachter a* dagegen muss dieser Drehung 
folgen, wenn er sich die nämliche Ansicht verschaffen will. Es erübrigt uns nur nooh 
anzugeben, dass 

Fig. IX für die Endoscopie des MagenB,' 

Fig. X für die Endoscopie der Harnröhre und der Blase bestimmt ist. 

Die Bonde muss natürlich bei beiden in gerader Richtung geführt und gehalten wer¬ 
den. Brasseur erwähnt noch, dass sich Prof. Colin an der Veterinär sch ule in Alfort dieses 
Instruments bedient hat, um auf dem Wege einer Magenflstel den Magen eines Wieder¬ 
käuers auf ausgezeichnete Weise zu beleuchten und dessen Beschaffenheit und Functionen 
seinen Zuhörern ad oculos zu demonstriren. 

6) Die Galvanocauteren. 




Fig. XL 


Fig. XU. 


Fig. XIII. 


Fig. XIV. 




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Fig. XI. Ein äusscrst feiner Galvanocauter , welcher zur Cauterisation der Zahn¬ 
wurzelcanäle der obern Kinnlade, sowie auch zur Epilation und zur Operation kleiner erec- 
tiler Geschwülste dient. 

Fig. XII. Ein ähnlicher, aber geknieter, für die untere Kinnlade. 

Fig. XIII. Messerartiger Galvanocauter zur Ausführung kleiner Operationen, wie 
Abtragung kleiner Geschwülste, Cauterisation und Abtragung des Zahnfleisches, Absccsa- 
eröffnung etc. 

Fig. XIV dient zur Anlegung kleiner Moxen, sowie zur Cauterisation von Tumoren 
am Zahnfleische der untern Kinnlade. Eine ähnliche Form dürfte wohl auch zur An¬ 
legung von Trommelhöhlenfisteln geeignet sein. 

Als weitere Beilagen finden sich noch Galvanocauteren verschiedener Form, u. A. 
auch galvanische Schlingen etc. 

Es braucht wohl kaum darauf hingewiesen zu werden, dass der galvanocaustische 
Werth des Apparats in vorliegender Form, abgesehen von seiner zahnärztlichen Anwen¬ 
dung , sich nur für die feinem caustischen Operationen der Otiatren und Laryngoiatren 
oder für gewisse gynäcologische Fälle eignet. Indessen wüssten wir keinen Grund, der 
die Anwendung der Gaston-Plante’Qchen Batterie auch für grössere Galvanocauteren und 
Schlingen ausschlösse. Immerhin genügt der vorliegende Apparat sozusagen für alle gal- 
vanocaustischen Indicationen der täglichen Praxis. 

Das Gewicht des ganzen am Deckelgriff leicht transportabeln Apparats beträgt nur 
3 Kilos. Es dürfte sich daher auch in dieser Hinsicht kein anderer galvanocaustischer 
Apparat mit ihm messen können. Schliesslich ist auch anzuführen, dass der Preis, be¬ 
sonders in Berücksichtigung der Vereinigung mehrfacher practischer Zwecke, ein so mäs- 
siger ist, dass er sich in Frankreich bereits überall eingebürgert hat und auch in Deutsch¬ 
land schon viele von seiner practischen Brauchbarkeit entzückte Besitzer zählt. Der mit 
einfachem Rheostat ausgerüstete Apparat mit Inbegriff aller einfachen Reflectoren kostet 
160 Fr., mit Doppelrheostat (womit gleichzeitig beleuchtet und cauterisirt werden kann) 
200 Fr. Dem bereits im Jahr 1870 in seiner hauptsächlichen Anlage concipirten Appa¬ 
rat hatte der Erfinder vorzugsweise die goldenen Medaillen zu verdanken, mit welchen 
er von den Jurys der seitherigen Ausstellungen bedacht wurde. Insbesondere hat der 
Apparat indessen am letzten internationalen med. Congress zu Amsterdam die allseitigste 
Anerkennung der zahlreich anwesenden ärztlichen Autoritäten gefunden, weshalb ihm auch 
die höchste Ehrenerwähnung von Seite des Comitd zu Theil wurde. 

Nachdem ich über die Demonstration des Herrn Trouve im Bernoullianum kurz refe- 


rirt, liegt es mir nach dem Wunsche der Tit. Rcdaction noch ob, mit einigen Worten 
der Ausstellung zu erwähnen, welche neben dem Bankettsaal in der Kunsthalle statthatte. 
Auch hier treffen wir in erster Linie auf Herrn Trouve , der die Freundlichkeit hatte, einige 
seiner wichtigsten electrotherapeutischeu Instrumente (alles eigene Erfindung) in der Aus¬ 
stellung des Herrn Carl Walter-Biondetti zu deponiren. Von diesen Apparaten, unter denen 
es sehr hübsche und gute hatte (namentlich einen sehr practischen und netten transpor¬ 
tabeln constanten Strom), will ich nur einen einzigen genauer erwähnen, der es wirklich 


verdient, recht allgemein be¬ 
kannt und empfohlen zu werden. 
Es ist dies der kleine Induc- 
tionsapparat, der, so viel ich 
weiss, schon in mehreren Exem¬ 
plaren in Basel existirt und so 
weit mir eigene Erfahrung lehrt, 
ganz ausgezeichnete Dienste lei¬ 
stet. Ich kann denselben wirk¬ 
lich mit bestem Gewissen allen 
Herren Collegen zur Anschaffung 
empfehlen. Die Anschaffung ist 
sehr billig (35 Fr.), der Unter¬ 
halt kostet fast nichts ; der Ap¬ 
parat ist sehr klein, in der 
Rocktasche mitzuführen, äus- 




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gerat solide und einfach, und sauber, und dazu ausserordentlich kräftig, vollständig ge¬ 
nügend für jede Faradisation. Mein betr. Apparat wird seit einem halben Jahr sehr 
viel gebraucht und functionirt heute noch wie am Anfang. 

Dieser Trouvfache kleine Inductionsapparat (Fig. XV) besteht in einer Mahagoniholz- 
Schachtel von 16 cm. Länge, 9 cm. Breite und 4 cm. Höhe. Der Deckel hat einen einfachen 
Federverschluss und lässt sich ganz zurücklegen. Die untere Hälfte ist in 4 Abteilungen 
geteilt — in der ersten (von links nach rechts) liegt das kleine Element, das ich weiter 
oben beschrieben; daneben ein kleines Glas mit dem Vorrath von Electrisirsalz. Von 2 
Metallknöpfen des Elements aus geht eine Contactverbindung, die nachher im Holz ver¬ 
schwindet, zum letzten Fach (also nach rechts das äusserste), das die Drahtspiralen mit 
Eisenkern und sehr einfachem Näf schein Hammer enthält. Der Eisenkern lässt sich mehr 
oder weniger mit einer verschiebbaren Hülse bedecken und dadurch hat man Gelegenheit, 
den Strom beliebig zu reguliren. Durch Einstecken der Drahtenden in verschiedene Lö¬ 
cher erhält man entweder den primären oder den secundären Strom. Durch eine ausser¬ 
ordentlich einfache und geniale Einrichtung kann man noch die Zahl der Hammerschläge 
per Minute genau reguliren (von 11 — 6) und kann sogar diese 8chläge deutlich zählbar 
machen durch Verlängerung des Hammerendes mittelst zweier eingesteckter Metaltröhr- 
chen von zusammen lö cm. Länge. Die beiden mittlere Fächer bieten reichlich B&am 
für die Nebenutensilien des Apparats: 2 kleine Electroden mit abschraubbaren rundlichen, 
garnirten Plättchen (2 1 / % cm. Durchmesser); dann ein an die Handgriffe fügbarer, oliven¬ 
förmiger, bis auf die Olive selbst isolirter Scheiden- resp. Mastdarmansatz und schliess¬ 
lich noch ein sehr guter, in Bezug auf die Grösse der Fläche regulirbarer Metallpinsel; 
dazu noch die isolirten Schnüre von 150 cm. Länge. — 

Die andern Herren Aussteller mögen uns entschuldigen, wenn wir kürzer über ihre 
betr. Ausstellungen hinweggehen; die Neuheit und die wirklich grosse practische Wich¬ 
tigkeit dieser Trouve’achen Erfindungen machten es uns zur unabweisbaren Pflicht, weit¬ 
läufiger darüber zu referiren. 

Nur mit blosser Aufzählung erwähnen wir daher noch der Ausstellungen der Herren: 

1) Apotheker Huber , neuere und comprimirte Arzneimittel; 

2) N. de H. Bemoully Sohn , Droguengeschäft (Virginia-Vaseline und bezügliche Prä¬ 
parate , Gelatinekapseln mit verschiedensten Füllungen, Wickersheimer Flüssigkeit mit 
Präparaten, Alcaloide, Pflaster etc.); 

3) Carl Walter-Biondetli, Instrumente und Prothese; 

4) Eichenberger , chirurgische Instrumente; 

5) R. Angst , Verbandmaterial und Prothese; 

6) Internationale Verbandstofffabrik in Schaff hausen, Filiale Basel. 

Allen diesen Herren danken wir im Namen der Aerzte, die ihre betreffenden Aus¬ 
stellungen mit grossem Interesse besichtigt haben. Sury-Bienz. 

Bern. Dr. Strasser in Interlaken f. Necrologe verschiedener Tagesblätter haben 
zum Theil in sehr eingehender Weise die Verdienste hervorgehoben, welche sich unser 
am 4. Februar in Interlaken verstorbener College Strasser nicht nur als bewährter Arzt, 
sondern auch als einer der eifrigsten Förderer gemeinnütziger Fragen und Bestrebungen 
in seinem Wirkungskreise erworben. — Wenn ich in dem Gefühle, dass ihm auch in 
unserem Correspondenzblatte die Verdiente Gedächtnisstafel nicht fehlen darf, mit einem 
Nachrufe einer gewandteren Feder älterer Freunde oder Studiengenossen des Verstorbe¬ 
nen vielleicht vorgreife, so geschieht dies nicht etwa im unbescheidenen Glauben, dazu 
besonders befähigt oder berechtigt zu sein, sondern ich fühle mich dazu aufgefordert 
durch die Erwägung, dass ich gegenwärtig wohl weniger, als die meisten meiner Col- 
legen durch überhäufte Arbeit gezwungen bin, die Erfüllung dieser Pflicht noch zu ver¬ 
tagen. 

Joh. Jacob Strasser wurde am 22. December 1821 zu Wangen an der Aare, wo sein 
Vater als Amtsnotar und Beamter wohnte, geboren. Im Jahre 1830 verlor er beide El¬ 
tern und kam nach Suraiswald zu einem Oheim, Marä } wo er bis 1836 die neugegründete 
Secundarschule besuchte. Die hervorragende Begabung des Knaben veranlasste seine 
liebevollen Pflegeeltern, ihn in seinem 14. Altersjahre der berühmten Erziehungsanstalt 
„Der Salon“ in Ludwigsburg zu übergeben, wo er einige Jahre verblieb und auch con- 
firmirt wurde. . Ursprünglich zum Reallehrer bestimmt, genoss er einen sorgfältigen Un- 


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terricht namentlich in der Mathematik und in der Naturwissenschaft, für welche Fächer 
er eine besondere Vorliebe und Befähigung zeigte. 

Während 3 Semestern 1840 und 1841 studirte er in Tübingen und erhielt während 
des dortigen Aufenthaltes auch von seiner Vormundschaft die Einwilligung , seiner Nei¬ 
gung zum Studium der Medicin Folge zu geben. Im Jahre 1841 bezog er die Universi¬ 
tät Bern, wo er seine eigentlichen Studien absolvirte. Nach rühmlichst bestandenem 
Staatsexamen bekleidete er noch während 2 ( / 3 Jahren die Stelle eines Assistenzarztes am 
Inselspital in Bern und etablirte sich dann *1848 als practischer Arzt in Interlaken. Er 
beklagte es stets, dass ihm seine öconomischen Verhältnisse den Besuch fremder Uni¬ 
versitäten nach seiner Patentirung uicht erlaubten. Um so mehr suchte er durch fortge¬ 
setztes Selbststudium mit den Fortschritten der Wissenschaft Schritt zu halten: So ver¬ 
säumte er es, wenigstens in früheren Jahren, selten, wenn er nach Bern kam, die Klini¬ 
ken zu besuchen; ich selbst sah ihn dort zum ersten Male und dann noch oft, während 
ich Btudirte, 

Bald nach seiner Niederlassung in lnterlaken verheirathete er sich: sein Familien¬ 
leben, aus welchem ihm als einziges Kind eine Tochter erwuchs, war überaus glücklich. 

Die immer zunehmende Entwicklung Interlakens als Touristenplatz und climatischer 
Curort besserte die Praxis der dortigen Aerzte, vor allen die Strasser *s bedeutend auf und 
Mancher hätte sich dieselbe wohl zur eigentlichen Praxis aurea gestaltet. Gewiss hätte 
sie Str . bei der verhältnissmässig geringen Concurrenz weit mehr in gewinnsüchtiger 
Weise ausbeuten können, als er es gethan. Am allerwenigsten aber war dies gegenüber 
den Landesbewohnern der Fall, wo er auch in der Geldfrage sich stets auf den humanen 
Standpunct stellte. — Str. acclimatisirte sich denn auch sehr rasch und vollständig an 
Interlaken: Schon wenige Jahre nach seiner Niederlassung wurde er in den Gemeinderath 
gewählt, dem er bis gegen das Ende seines Lebens angehörte und dabei sein redliches Theil 
an der mit der Würde verknüpften Bürde auf sich lud. Mit regem Eifer und grossem 
Aufwand von Zeit und Kräften war er namentlich im Schulwesen thätig; eine ganz be¬ 
sondere Aufmerksamkeit widmete er auch der Entwicklung der Holzschnitzerei, für welche 
er stets neue Aussichtspuncte zu gewinnen suchte, wohl erkennend, dass der Fremden¬ 
verkehr nicht die Bedeutung einer durchgängigen Erwerbsquelle habe, und dass bei den 
m Ganzen spärlichen Bodenerträgnissen des Oberlandes gerade die Pflege der Hausindu¬ 
strie dringend geboten. 

Obschon Str . sich unverhohlen einer bestimmten politischen Richtung augeschlossen 
batte und namentlich zu Zeiten hochgehenden Parteilebens von den Leuten seiner Farbe 
jeden Augenblick auf den Schild erhoben worden wäre, so wich er doch der Annahme 
eines politischen Mandats aus, wohl in der richtigen Erkenntnis, dass die Pflichten eines 
solchen sich mit denjenigen des ärztlichen Berufes, namentlich für den nicht am gouver- 
nemontalen Centrum wohnenden Practiker schlecht vertragen. *) 

Im Sonderbundsieldzug stand Str . als noch nicht eingetheilter Militärarzt einem Feld¬ 
spital in Willisau und dann in Hutwyl vor. — Später machte er als bei Officieren und 
Mannschaft sehr beliebter Bataillonsarzt die Grenzbesetzungen in Tessin, Genf und so 
auch genau 10 Jahre vor seinem Tode in Neuenburg mit. Er war auch Mitglied der 
Commission für den Inselneubau. 

In medicinischen Dingen stiess man bei Str . stets auf eine geläuterte, mit den Fort¬ 
schritten der Wissenschaft im Einklang stehende Anschauungsweise; vor einem kritik¬ 
losen Medicamentenenthusiasmus dadurch bewahrt, verfiel er doch nicht einer skeptischen 
Unthfitigkeit, sondern bewahrte sich auch in der internen Medicin das sicher gehende 
Handeln, an welchem man noch jetzt die Jünger der Forschen Schule erkennt. Noch 
mehr war dies der Fall auf dem chirurgischen und geburtshülflichen Gebiete , in welch’ 
letzterem namentlich er ein grosses Vertrauen genoss. 

Ob eine organische Disposition zu dem seine Lebensdauer kürzenden Leiden ur¬ 
sprünglich vorhanden war, ist mir nicht genugsam bekannt; die occasionelle Grundlage 
dazu wurde mit aller Wahrscheinlichkeit im Jahre 1874 durch eine heftige Pneumonie 
gelegt. Nach der dadurch verursachten schweren Störung setzte sich der kleine Kreis¬ 
lauf nicht mehr in’s Gleichgewicht: wenn nicht schon vorher etwas an der Herzthätigkeit 


*) Wir stimmen nicht bei. Red. 


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auszusetzen war, so wurde sie jetzt ungünstig influenzirt: während des auch in Inter¬ 
laken mit aller Strenge auftretenden Winters 1879/80 stellte sich zuerst mit, dann auch 
ohne Capillarbronchitis ein quälendes, in immer häufigeren Paroxismen auftretendes 
Asthma ein, welches den Patienten zur Sistirung seiner Praxis nöthigte. Auch traten 
bereits die ersten hydropischeu Erscheinungen auf. Ein Frühlingsaufenthalt am Genfersee 
und dann ganz besonders ein Sommeraufenthalt auf St. Beatenberg hatten eine solche 
symptomatische Besserung zur Folge, dass Str . die anfänglich selbst pessimistisch gefärbte 
Prognose wieder in günstigerem Lichte zu betrachten begann und im Ernst an die Wie¬ 
deraufnahme seiner Praxis dachte. Allein schon auf St Beatenberg erschütterten einige 
rauhe Herbsttage diese Hoffnung. Iu Interlaken, wohin Str. hinunterstieg, wurde die 
Sache noch schlimmer — und wie die meisten Kranken sich nach dem Orte zurückseh¬ 
nen, wo sie zum letzten Male Linderung ihrer Leiden verspürt, zogen die schönen Tage 
des Spätherbstes den Patienten wieder nach St. Beatenberg zurück, wo er, nun schon 
stark hydropisch, Anfangs November 1880 wieder anlangte. Eine wahrscheinlich mehr 
der erstmaligen Anwendung der Digitalis zuzuschreibende überraschende Besserung war 
von kurzer Dauer, und es nahm dann das Uebel unaufhaltsam den gewohnten Verlauf. — 
Strasser sah nun die Hoffnungslosigkeit seines Zustandes wohl ein und alle von ihm ge¬ 
troffenen Vorkehren, namentlich auch die Abschiedsbriefe an entfernte Verwandte und 
Freunde bewiesen, dass er dem Tode mit männlicher Charakterstärke in’s Auge blickte, 
ln Momenten palliativer Erleichterung freilich bückte auch er sich wieder nach jenen 
Rosen, welche wir nicht mit roher Hand ausreissen sollen und am allerwenigsten, wenn 
sie noch am leidensvollen Wege eines auskämpfenden Collegen erblühen. — Sie sollten 
aber noch vor Sonnenuntergang vollständig verwelken: Zwischen Weihnachten und Neu¬ 
jahr Verliese Dr. Strasser St. Beatenberg mit dem traurigen Gefühl, das Tau vom letzten 
Hoffnungsanker losreissen zu sehen und sein Heim zur letzten Ruhestätte wieder aufzu¬ 
suchen. — Selbst seine Angehörigen mussten es begrUssen, dass ein ziemlich rasch zu¬ 
nehmender Collapsus den Leiden des Patienten rascher ein Ende machten, als es in vielen 
analogen Fällen sonst geschieht. Wenn es aber vor Allem die sympathischen Gestalten 
sind, die uns eine Ortschaft lieb machen, so fühlt man lange die Lücke, wenn wieder eine 
derselben dahin geschwunden ist und so wird Jeden , der ihn kannte, immer eia weh- 
müthiges Gefühl überkommen, wenn er Interlaken betritt und Collega Strasser nicht mehr 
zu finden weiss. M. 


Feuilleton. 


Das Lied vom Dünndarm. 

Vorgetragen am Bankett des Vereins der Aerzte von Zürich zu Ehren seines scheidenden 

Präsidenten Herrn Professor Eberlh , 
von Dr. C. Veraguth. 


1. In des Dünndarms entzündetem Schl&nche 
Auf geschwelltem Peyer’schen Plaque 

In einem typhösen Bauche, 

Da sitzt das Baccillenpack. 

2. Durch die markigen Zellenhaufen 
Spazieren sie aus und ein, 

Und ihre Kinder, die sprossen 
Bis in die Serosa hinein. 

3. Im Schatten eines Follikels, 

Da halten sie Sitzung jetz 

Und berathen dem Sonderegger 
Ein neues Seuchengesetz. 

4. Da spricht eiue alte Baccille: 

„Mit dem bleibt mir zu Haus! 

Es kommt bei der ganzen Berathung 
Doch wieder nichts heraus. 

5. Ich will euch lieber erzählen, 

Welch’ Wunder mir ist arrivirt, 

Ala ich jüngst durch die Peristaltik 
In die Aussenwelt wurde spedirt. 


6. Ueber Berge und duftende Triften 
Der laue Wind mich trieb, 

Bis ich zwischen einigen Schriften 
Von ungefähr hangen blieb. 

7. Ihr kennt ja mein reges Interesse 
Für die neueste Literatur, 

Drum begreift, dass mein Auge mit Eifer 
Ueber alle die Blätter fuhr. 

8. Und wie ich so mich vertiefe 
Im Studium, was ist gescheh’n? 

Ich hab’ im Virchou ?sehen Archive 
Mein eigenes Bildniss geseh’n! 

9. Dazu schreibt der Eberth aus Zürich 
Mit Logik und vieler Geduld: 

Wir seien — ihr Schwestern und Brüder — 
Wir seien am Typhus schuld! 

10. Nun schlägt das Herz mir höher 
In meiner Baccilien brüst, 

Denn dass wir dafür auf Erden, 

Ich hab’ es selbst nicht gewusst! 


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11. Was sind wir für wichtige Fresser 
In diesem DUnndarmgewind! 

An uns hat der weise Professer 
Sich seine „Pilzsporen* verdient 

12. Er hat auB der braunen Sauce 
An’s Licht der Welt uns gebracht 
Und aus nichtsnutzigen Piken 
Berühmte Leute gemacht 

13. Drum, meine verehrten Collegen, 

Der Eberth ist unser Mann, 

Lang lebe er noch in Zürich, 

So lange er leben kann!* 

14. Nachdem die Baccille gesprochen, 
Setzt sie sich auf ihren Steiss, 

Die Andern kneipen vor Freude 
Die Lymphe schoppenweis 

15. Und rufen: „Wir h&ben’s bewiesen: 
Zuweilen, mit Glück und mit List, 

Kann Einer in Zürich ’was werden, 

Auch wenn er kein Zürcher ist* 

16. Doch plötzlich verstummet die Freude 
Und tönet der Jubel nicht mehr, 

Denn es rudert aus dem Jejunum 
Ein Anchylostoma einher. 

17. Auf schmutziger Aepfelschale 
Fährt es zum Follikel hin, 

Und in’s Ohr der erschreckten Baccillen 
Ruft hohl das Maul von Chitin: 

18. „Ihr problematischen Kinder! 

Tn 8ehmerz eure Lust sich verkehr’, 

Denn der Eberth, euer Erfinder, 

Ist kein Pathologe mehr! 

19. Entzündung und Brand und Myoosen, 
Die lässt er fortan jetzt sein 

Und paukt dafür preussische Hosen 
Auf’s Propmdeuticum ein. 

20. Das pathologische Zürich 
Ist ihm geworden zu schwul, 

Drum setzt er sich lieber in Halle 
Auf einen „normalen* Stuhl. 

21. Nicht plagt ihn im deutschen Norden 
Der Züricher Democrat — 

Statt dessen winken ihm Orden 
Und der Titel „Jeheimerath*. 


22. Drum sag’ ich: Ihr kleinen Geschöpfe, 
Lasst lieber den Jubel sein, 

Und hüllt eure Zellenleiber 
In Schmerz und in Trauer ein.* 

23. Das Anchylostom hat’s gesprochen, 
Das Anchylostom hat’s gesagt, 

Drauf wurd’ es von einem Flatus 
In’s Colon hinübergejagt. 

24. Doch an der RauAMirschen Klappe 
Da wird es vom Schrecken erfasst: 

„Jetzt hab’ ich verdammter Lappe 

Das Duodenum verpasst!* 

25. Nachdem die Baccillen vernommen, 
Die traurige Neuigkeit, 

Sind alle fortgeschwommen 
In stummem Herzeleid. 

20. Sie weinen ihrem Schöpfer 
Eine riesige Thräne nach 
Und stürzen sich dann verzweifelt 
In den nächsten Lymphenbach. 

27. Nur einige kleine Coccen, 

Die rufen in frohem Quartett: 

„Jetzt lässt er uns endlich in Ruhe 
Mit seinem Methyl violett! “ 

28. Das bindegewebige Stratum 
Vereinsamt steht und öd’, 

Und durch die verlass’nen Fibrillen 
Ein leises Klagelied geht: 

29. „Weh uns, wir armen Fasern! 

Was wohl mit uns noch geschieht? 

Von aller Welt verlassen 

Sind wir des Lebens müd’. 

Der Eberth mit seinem Talente 
Kaltlächelnd nach Halle flieht, 

Der Euguenin auf seinem Patente 
Im Triumphe durch Frankreich zieht, 

Und Rote im nächsten Momente 
Im prenssi sehen Garten erblüht: 

Weh uns! Es ist leider kein Zweifel, 

Die Structur ist nicht mehr solid, 

Remplern — es geht Alles zum Teufel — 

So werden wir amyloid!“ — 


Wochenberielit. 

Schweiz. 

Freiburg. Le traitemeiit »tiseptique des abseta rttro-pharyngiens. ln 

der Jahresversammlung der Socidtä mddicale de la Suisse romande am 21. October 1880 
berichtete Dr. P. Bodehat von Freiburg über einen Fall von grossem Retropharyngeal- 
abscess ohne nachweisbare Knocheaaffection, der sich bei einer 44jährigen, exquisit scro- 
phulösen Frau im Verlauf von 2 Jahren entwickelt hatte. Nach dem Vorgang von J. 
Ckiene entschied »ich B. für die Eröffnung des Abscesses von der Aussengeite des Halses 
aus, um unter dem Schutze des antiseptischen Verbandes eine rasche Heilung zu erzielen. 

— Durch eine am hintern Rande des r. Kopfnickers verlaufende 8 cm. lange Incision 
wurde der auf der Vorderfläche der obern Halswirbel liegende, mit dünnem Eiter gefüllte 
Abscess eröffnet; eine Unterbindung; Drainage; Naht der Hautwunde; Lister's Verband. 

— Nach der Entfernung des Drains am 5. Tage erfolgte ohne Fieber vollständige Hei¬ 
lung fast ganz per primam bis zum 21. Tage. An Stelle des Abscesses blieb eine Ver¬ 
dickung der hintern Pharynxwand. 

B. empfiehlt diese neue, die Anwendung des antiseptiseben Verbandes gestattende 
BehandTungsweise für alle chronischen Retropharyngealabscesse, namentlich für diejenigen 
cariösen Ursprunges, deren Incision vom Pharynx aus oft von tödtlicher Infection gefolgt 


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ist, während er für acute Abscesse bei der rasch zur Heilung führenden Eröffnung vom 
Munde aus bleiben will. 

Im Anschluss an diese Mittheilung gibt B. eine kurze Beschreibung der anatomischen 
Verhältnisse des Operationsfeldes und betont besonders, dass man sich wenigstens 1 cm. 
vom äusserlich sichtbaren hintern Rande des Kopfnickers entfernt halten müsse, um nicht 
in dessen Fasern zu gerathen. Der Lister ’sehe Verband soll den Kopf möglichst immobi- 
lisiren. (Bull, de la Soc. möd.) Münch. 

— La couleor des yeux* des che?eux et de la peau chez les enlants des icolea 
du cantOU de Fribourg. Ueber diese im Canton Freiburg von der eantonalen Section 
der naturforschenden Gesellschaft durchgeführten Untersuchungen erstattete Dr. Boeehat 
in der Sitzung dieser Gesellschaft vom 18. März 1880 einen eingehenden, durch zahlreiche 
Tabellen illustrirten Bericht. Im Ganzen wurden 15,194 Kinder untersucht Es ergab 
sich, dass allgemein die hellen Farben in den Augen, Haaren und im Teint die dunkeln 
überwiegeit, mit geringen Differenzen in den einzelnen Bezirken. Ein Einfluss des Ge¬ 
schlechtes liess sich nicht erkennen. 

Aus den erhaltenen Zahlen will B. keinerlei Schlüsse über die Herkunft der Vor¬ 
fahren der Bevölkerung ziehen. Diese letztere ist im Ganzen eine fast homogene und 
weist wegen des grossen Ueberwiegens der hellen Farben auf einen nördlichen Ursprung 


hin. Münch. 

Graubünden. .Vor einigen Wochen behandelte ich einen hiesigen Ein¬ 


wohner an einer leichten Keratitis (durch Fremdkörper); auf dem gleichen Auge hatte 
er ein nasales Pterygium, das an der Peripherie der Cornea breit und scharf absetzte; 
der corneale Theil desselben wurde vor einigen Jahren von dem Patienten selbst mit 
einem kleinen gut geschliffenen Taschenmesser ganz vorzüglich abgetragen; er operirte 
vor dem Spiegel. Die Cornea zeigt kaum Spuren des Dagewesenen. Das Pterygiom 
hatte den Mann stark genirt. An Energie fehlt es dem Volke hier nicht. 

Wir hatten in unserer Nähe eine kleine Scharlaoh-EpidODlte. Mehrere Fälle botea 
nephritische Erscheinungen, einige ziemlich hochgradig. Ich kam auf den Gedanken, an 
Stelle von Selterswasser die Quelle von Fideris in diesen Fällen zu versuchen und hatte 
Gelegenheit, einige günstige Erfolge davon zu sehen. Das Wasser erfüllt ja auch durch 
seinen Gehalt an Kohlensäure und Eisen mehrere Indicationen und wird von den Kindern 
gerne getrunken. Sollte es bisher bei Scharlach-Nephritis sonst noch nicht versucht 
worden sein, so möchte ich mit diesen Zeilen zu Versuchen anregen. Die Diurese wurde 
in meinen Fällen merklich befördert, Appetit angeregt, das Eiweiss verschwand sehr bald 
aus dem Urin, und die Kinder erholten sich sehr rasch und vollständig. 

Zürich« Vergangenen 26. Februar gab der Verein der Aerzte von Zürich 
seinem Präsidenten, Herrn Prof. Dr. Eberth , ein Abschiedsbankett, das sehr zahlreich be¬ 
sucht war und am besten bewies, welche grosse Theilnahme der Gefeierte während sei¬ 
nem Wirken an hiesiger Universität dem ärztlichen Vereinsleben geschenkt. 


Stand der IuFectlons-Krankhelten in Basel« 

Vom 26. Februar bis 10. März 1881. 

(Die Zahlen in Klammern geben je weilen die Anzahl der in früheren halben Monaten 

an gemeldeten Fälle an.) 

Von Varicellen sind 7 zerstreute Fälle angemeldet (12, 13, 12). 

Der ursprünglich blättern verdächtige, schliesslich masernkranke Handwerksbursche 
hat secundär im Absonderungshause von dem v a r i o 1 a kranken Schreinergesellen aus 
eine leichte, bereits abgeheilte Blatterninfection zu erleiden gehabt. Weitere Ansteckungen 
sind nicht aufgetreten. 

Masernfälle sind 7 angezeigt (1), davon 6 in Kleinbasel, 5 in evidentem Zusam¬ 
menhänge mit dem oben genannten Masernkranken. 

Von Rötheln sind 2 vereinzelte Fälle beobachtet. 

Von Scharlach sind 7 neue Erkrankungen angemeldet, zerstreut über die Stadt 
(6, 3, 8). 

Beim Typhus ist an die Stelle des im letzten Berichte constatirten Rückganges 
wieder eine neue über alle Stadttheile verbreitete Steigerung getreten. Angemeldet sind 
100 neue Fälle (31, 126, 113, 48), die sich folgendermaassen.vertheilen: 


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189 


26. 

Dec.-lO. Jan. 11.-25. Jan 

. 26. Jan.-10.Feb. 

11.-25. Feb. 

26.Feb.-10.März. 

Nordwestplateau 

12 . 

33 

36 

16 

32 

Birsigthal 

10 

28 

27 

12 

18 

Südostplateau 

2 

31 

16 

6 

21 

Birsthal 

1 

2 

3 

1 

1 

Kleiobasel 

5 

31 

31 

12 

28 

Werden die 

Fälle auf 

den Beginn 

der Erkrankung 

verrechnet, 

so collidiren die 


Schwankungen in eigentümlicher Weise mit der Regenmenge, so dass den feuchten 
Wochen Abnahme, den trockenen Zunahme der Erkrankungen entspricht. 

Von Diphtherie und Croup sind 28 neue Erkrankungen gemeldet (32, 41, 32), 
der stärkste Bruchtheil, 11, vom Nordwestplateau. 

PertusBiß 12 neue Anmeldungen (29, 28, 15). 

Ery sipelas 7 Fälle (12, 14, 10). 

Kein Puerperalfieber. 

Bibliographisches. 

66) Annie Besanl , Das Gesetz der Bevölkerung. In's Deutsche übersetzt von Stille, 51 S. 
Berlin, Verlag von Luckhardt 

67) Hülfs- und Schreibkalender für Hebammen 1881. Vierter Jahrgang. Im Aufträge des 
„Deutschen Aerztevereinsbundes“ von dem Medicinalrath Dr. C. Pfeiffer herausge¬ 
geben. Weimar, Verlag von Hermann Böhlau. 

68) Dr. Grosser , Therapeutische Notizen der deutschen Medicinalzeitung für 1880. Ein 
Anhang für jeden Medicinalkalender. 82 3. 

69) Dr. C. Schwalbe, Magdeburg, Die Ursachen und die geographische Verbreitung des 

Kropfes. Sep.-Abz. 46 3. 1880. 

70) Pansch , Grundriss der Anatomie des Menschen. II. Schlussabth. (Splanchnologie, 
Angiologie, Neurologie, Aesthesiologie). Mit 144 Holzschn. Berlin, 1881, Verlag 
von Oppenheim. 

71) Crüwell , Die Diphtheritis ist keine Pilzkrankheit, sondern eine Ernährungsstörung. 
2. verm. Aufl. 32 8. Danzig, 1881, Verlag von Axt. 

72) Kocher , Die Hernien im Kindesalter. Sep.-Abd. d. Handb. f. Kinderkrankheiten. VI. 
2. Abth. Tübingen, Verlag von Laup. 

73) BiUroth f Lücke, Deutsche Chirurgie. Stuttgart, Verlag von Enke. 

Liefg. 51, Grünfeld , Die Endoscopie der Harnröhre und Blase. Mit 22 Holzschn., 3 
F arbendrucktaf ein. 

Liefg. 64, Vogt , Die Chirurg. Krankh. der obern Extremitäten. Mit 116 Holzschn. 
und 2 Farbendrucktafeln. 

Briefkasten. 

Herrn Dr. Wyttenbach: Mit Dank retour erhalten. — Herrn Dr. Kaufmann in Z.; Dr. Nager , 
Luzern; Dr. Lotz, Basel; Dr. Niederhauser , Klosters; Dr. Ladame , Dombresson: Besten Dank. Refe¬ 
rat später. Die Neuenburger Vorschriften gegen Trichinose sind gut und zeitgemäss. Herzl. Grass. 
— Herrn Dr. Kappeier , Münsterlingen; Wir freuen uns von ganzem Herzen, dass Sie glücklich per 
tot aspera attamen ad astral Möge Ihnen am Lac leman die alte Kraft, die alte Lust wiederkommen. 
Unsere herzlichsten Wünsche und Grüsse! — Herrn Dr. Schnyder, Genf: Ihre Corresp. musste leider 
abermals verschoben werden. Später kommt’s schöner! — Herrn Prof. Quincke , Kiel: Besten Dank. 

Ct. Zürich. MMsksmmi. Ct. ZUrich. 

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Die 

Basler Nachrichten 

erscheinen wöchentlich 
sechsmal in grösstem 
Format. — Jährlich 
Fr. 17. 20, halbjähr¬ 
lich Fr. 8. 70, viertel¬ 
jährlich Fr. 4.50, franco 
durch die Post in der 
ganzen Schweiz. — Be¬ 
stellungen nehmen zu 
Anfang jeden Viertel¬ 
jahres alle Postbureaux 
entgegen. 


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191 


Ooncoux*». Par suite d’expiration de 
fonctions, une place d’interne ä l’Hdpitai cantonal 
deviendra prochainement vacante. 

M. M. les Cleves en mddecine qui desirent offrir 
leurs Services pour remplir cet emploi sont avises 
qu’ils doivent se faire inscrire au bureau des Se- 
conrs publics, Citd-Devant Nr. 9, d’ici au 25 Mars 
procham. 

Les examens commenceront le vendredi, 1 Avril 
et l’entrde en fonctions aura lieu imm6diatement 
pour une dur6e d’une annee. 

Les mädecins patentäs depuis plus d'une annäe 
ne sont pas admis au concours. 

Lausanne le 7 Mars 1881. 

[H-742-L] Bureau des Seconrs pnblics. 

Pilul ferri cum magnesia. 

Die kleine Pillenform und der confitürenähn- 
liche Geschmack haben dieselben zu dem belieb¬ 
testen Eisenmittel gemacht. 

Ein vielbeschäftigter Berliner Arzt, dessen Name 
auf private Anfragen genannt werden darf, schreibt 
unter Anderem: 

„Nach mehrmonatlicher Anwendung Ihrer 
„Pilul ferri c. magnesia bei blutarmen unter an- 
„dern Umständen befindlichen Damen, bei denen 
„bekanntlich Eisenpräparate mit grosser Vorsicht 
„anzuwenden sind, sowie auch bei blutarmen 
„Wöchnerinnen und bleichsüchtigen jungen Da- 
„men, fühle ich mich verpflichtet, Ihnen für die 
„vorzügliche Wirkung meine Anerkennung aus- 
„zusprechen und wende sie in vorkommenden 
„Fällen beständig an .... ich habe daher den 
„Besitzer der Reichsadlerapotheke Herrn Richter 
„hier, Grosse Frankfurterstrasse 132, veranlasst, 
„Ihr vorzügliches Präparat zu beschaffen und 
„requirire von dort aas weitere Material für 
„meine blutarmen Patienten. 

(Unterschrift.) 

P. S. 

„Von den Damen meiner Clientei wird neben 
„der guten Wirkung auch der gute Geschmack, 
„die bequeme leichte Form des Gebrauchs (worauf 
„es bei Damen auch recht sehr ankommt) und 
„endlich die äussere Ausstattung lobend hervor- 
„gehoben.“ 

Die Eisenmagnesiapillen sind in Berlin in den 
meisten Apotheken zu haben. 

Mein Engroslager befindet sich in Händen des 
Herrn Apotheker Pulver in Bern. 

Die Fabrik pharm. Specialiläten: 

Ottensen - Hamburg, (Macto-6io/2-ABj 

W, Kirchmann, Apotheker. 


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wird auf rechtzeitige Bestellung fortwährend an 
die Herren Aerzte abgegeben. In Folge Aenderung 
der Behandlungsweise der gewonnenen Lymphe 
sind seit längerer Zeit sehr günstige Resultate 
mit derselben erzielt worden, indem bei baldiger 
Verwendung resultatlose Impfungen nicht Vor¬ 
kommen. 

Bestellungen nimmt entgegen das 

Sekretariat der Sanitätsdirektiou« 
Schaffhausen, den 21. Febr. 1881. 

Verlag von B. DamkÖhler, Berlin N. 

Dr. J. Al.bu, Beschaffung guter Milch etc. M. 1. 
— Milchnahrung und Milchkuren M. 1. 

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® einem thätigen Arzte lukrative Praxis und 0 
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fang der Leber and der Milt, Eingeweide- 
Verstopfung, Steingalle u. 8. w. 

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genbesch werden, schwereVerdaunng, Appetitlo¬ 
sigkeit. Magenkrarapf, Verdauungsschwa;che. 
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gries, Blasenstein-, Podagra-, Harnruhr- und 
EiweissstofT-Leiden. S? 

HA UTERI VE. — Nieren-, Blasen-, Harngries-, ^ 
Harnruhr-, Podagra-, Blasenstein-und Ei- C. 
weissstoff-Leiden. 

Es is darauf zu achten, dass der Nami der Quelle 
sich auf der Kapsel befindet. 

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am 30. März eröffnet. 


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192 


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frequentirtesten Curanstalten der Schweiz. 
Auskunft ertheilt die Expedition. 

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Ein junger Arzt, im Besitze eines Schweiz. 
Diploms und der mindestens 2 Jahre Spital-Praxis 
hinter sich hat, findet günstiges Engagement auf 
eine holländische Besitzung bei Dehli, Sumatra. 
Nähere Auskunft ertheilt F, Wyss, 

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Die Stelle eines Assistenzarztes am Einwohner¬ 
spital Winterthur mit einer Jahresbesoldung von 
Fr. G00—800 und freier Station in der Anstalt ist 
auf 1. Mai d. J. neu zu besetzen. 

Bewerber um diese Stelle', welche das schwei¬ 
zerische Concordatsexamen bestanden haben oder 
Candidaten für dasselbe sein müssen und sich in 
letzterm Falle über ihre Befähigung auszuweiseu 
haben, werden eingeladen, ihre Anmeldungen 
innert Frist bis Ende März unter Beischluss von 
Attesten dem Präsidenten der Spitalpflege, Herrn 
Stadtrath H. Knus, welcher über die nänern An¬ 
stellungsverhältnisse Auskunft ertheilt, womöglich 
persönlich zu überreichen. 

Winterthur, 4. März 1881. 

Namens der Spitalpflege: 

Das Sekretariat. 

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bestehende Bibliothek, die neuern Werke der 
med. Wissenschaft enthaltend — darunter das 
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Prof» Alb« Barekhardt-Merlan und 

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Dr« A. Baader 

in Basel. 


N“ 7. XI. Jahrg. 1881. 1. April. 


Imhftlt: 1) Originalarbeiten: A. Weibel: Zur Diagnose der epileptischen Aequivalente. — Prof. Dr. Oscar Wyss: 
Ueber typhöse Erkrankungen durch Fleischgenuss. (Fortsetzung.) — 2) Yereinsberichte: Aus dem Protocoll der Jahree- 
▼ersammlung der ärztl. Gesellschaft der Centralschweiz. — 3) Referate und Kritiken: Dr. Carl Michel: Zur Behandlung 
der Krankheiten der Mundrachenhöhle und des Kehlkopfes. — Dr. Carl Mordhorst: Zur Entstehung der Scrophulose und der 
Lnngenschwindsucht. — Prof. L. Wille und H. Widmer: Aerztlicher Bericht über die Irrenabtheilung des Bürgerspitals in Basel 
Tom Jahre 1879. — Prof. Dr. Isidor Neumann: Lehrbuch der Hautkrankheiten. — Dr. phil. H. Maron: Die Gesellschaft und 
ihre Geisteskranken. — Dr. v. Corval: Beitrag zur Beurtheilung der Hydro- und Pneumotherapie. — 4) Can tonale Corres¬ 
pondenzen: Basel, Zürich. — Reiseplaudereien I. — 5) Wochenbericht. — 6) Bibliographisches. — 7) Briefkasten. 


Opiginal-^4jrl>eiteii. 

Zur Diagnose der epileptischen Aequivalente. 

Nach einem in der aargauischen medicinischen Gesellschaft gehaltenen Vortrag von 
A. Weibel, Secundararzt an der Heil- und Pflegeanstalt Königsfelden. 

Während das Vorkommen von psychischen Störungen bei Epilepsie eine von 
Alters her gekannte Thatsache ist, hat bekanntlich zuerst J. Falrel in seiner Schrift: 
„De P6tat mental des 4pileptiques“ die specifische Natur des epileptischen Irreseins 
nachgewiesen. 

An Stelle der bis dahin mit dem generalisirenden Ausdrucke „Mania epilep- 
tica“ bezeichneten Formen unterschied Falret klinisch ein grand mal und ein petit 
mal intellectuel, wobei er zunächst zwei graduell verschiedene postepileptische 
Psychosen, im weitern Sinne aber auch solche periodisch wiederkehrende psy¬ 
chische Störungen der Epileptiker verstanden wissen wollte , welche als Ersatz 
der tonisch-clonischen Krämpfe, d. h. als Aequivalente der letztem aufzufassen 
sind. 

Lange Zeit blieb die Auflassung Faireis die allgemein gültige, und wenn auch 
vereinzelte Beobachtungen die Grenzen der Epilepsie damit nicht als feststehende 
gelten Hessen, so ist es doch erst der neuesten Zeit Vorbehalten geblieben, das 
Gebiet der epileptischen Irreseinsformen so zu erweitern, dass es heute als eines 
der bestentwickelten der Psychopathologie dasteht. 

Nachdem nämlich schon Morel , Falrel , Trousseau , Hammond und Andere einzelne 
transitorische Fälle von Geistesstörung als epileptische bezeichnet hatten, bei 
denen jedes äusserlich sichtbare spasmodische Element fehlt und wo die blosse 
Bewusstseinsstörung mit Stupor, Schwindel, traumartigen oder impulsiven Hand¬ 
lungen die Hauptsache im Krankheitsbilde darstellt (larvirte Epilepsie nach Morel), 
nachdem auch noch Griesinger in einem Vortrage (Archiv f. Psychiatrie L 1868) 
einzelne Schwindel- und Traumzustände, plötzliche Angatanfälle (mit Convulsionten 

13 


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194 



in der Jugend oder Trauma als Antecedentien) als epileptische beschrieben hatte, 
ist sodann im Jahre 1875 von Samt (Archiv f. Psych. V, 2 und VI, 1) eine Anzahl 
von 40 Fällen zusammengestellt worden, durch deren Kritik er zu der Aufstellung 
von 12 Kategorien, unter denen die Epilepsie auftreten kann, gelangte. 

Als wesentlichstes Resultat der Samf’schen Untersuchungen betrachte ich die 
Aufstellung einer Reihe von Irreseinsformen als specifisch epileptischer, wobei die 
Art der Entwicklung und des Verlaufs, sowie die Combination der Symptome als 
pathognomonisch erscheint. Stupor, impulsive Handlungen, verschiedenartige De¬ 
lirien, Verworrenheit und Erinnerungsdefcct bilden die Hauptsymptome des epi¬ 
leptischen Irreseins und nach der Art der Entwicklung und des Verlaufs werden 
die Samt' sehen Formen in postepileptische Psychosen und psychisch-epileptische 
Aequivalente geschieden, bei welch’ letztem motorisch-epileptische Antecedentien 
nicht nur fehlen können, sondern in der Mehrzahl der Fälle thatsächlich fehlen, 
und die uns um so mehr interessiren, als sie verhältnissmässig selten und foren¬ 
sisch wichtig sind. 

Im gleichen Jahre (1875) erschien sodann in Ziemsseris Handbuch die werth¬ 
volle Arbeit Nothnagel' s über Epilepsie, worin namentlich die pathologisch-anato¬ 
mische Seite dieser Krankheit gründlich gewürdigt, aber auch den epileptischen 
Irreseinsformen klinisch die sorgfältigste Beachtung geschenkt wird. Nothnagel 
scheidet zunächst die sccundären Formen (sympathische Epilepsie, Reflox-Epilef* 
sie, excentrische Convulsionen Reynolds) von der primären oder genuinen Epilep¬ 
sie. Dann gruppirt er die epileptischen Anfalle als Epilepsia gravior, mitior und 
Uebergangsformen, unregelmässige Form der Anfälle und epileptoide Anfälle, um 
dann in einer Schilderung der interparoxysmellen Symptome ein Bild derjenigen 
Zustände der Epileptiker zu geben, welche diesen namentlich das Gepräge der 
„epileptischen Veränderung“ aufdrücken, für die Diagnose der Krankheit aber nicht 
unerlässlich sind. 

Im Jahre 1876 publicirte sodann Kraffl-Ebing (Allgem. Zeitschr. f. Psychiatrie, 
XXXIII, 2) drei Fälle von epileptoiden Dämmer- und Traumzuständen, wobei er 
erbliche Anlage, Convulsionen in der Jugend, nervöses Temperament und zur Zeit 
der Pubertät Anfälle von Bewusstlosigkeit mit Aura, Denkstörungen und schreck¬ 
hafte Hallucinationen bei nur summarischer Erinnerung constatirte. 

Dass auch Schweiss-Paroxysmen und gewisse mit Aura und nachheriger Am¬ 
nesie verbundene Schlafzustände als Aequivalente epileptischer Anfälle auftreten 
können, haben Emminghaus , Westphal und Fischer (Archiv f. Psych.) nachzuweisen 
versucht 

Endlich hat Weiss (Leidesdorf, psychiatrische Studien 1877) unter dem Namen 
„psychische Epilepsie“ 4 Fälle publicirt, aus denen er für die Diagnose dieser 
Epilepsieformen folgende Symptome als charakteristisch ableitet: unvermittelter 
oder nur von kurzdauernden Prodromen eingeleiteter Ausbruch psychischer Stö¬ 
rung, die sofort oder nach wenigen Stunden ihren Höhepunct erreicht; ebenso un¬ 
vermitteltes Abfallen aller Symptome und vollkommene psychische Restitution; 
periodische Wiederkehr der Störungen in derselben Form und von demselben In¬ 
halte ; keine auffällige psychische Abschwächung selbst nach langer Dauer. 


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195 


Schüle (Handbuch der Geisteskrankheiten 1878) glaubt dieser Erweiterung des 
klinischen Begriffs der Epilepsie seine Bedenken entgegenstellen zu müssen und 
spricht sich für die vorläufige Trennung der ohne wirkliche Insulte auftretenden 
Aequivalente von den zweifellos epileptischen aus. Den letztem möchte er die 
erstem als blos „epileptoide“ gegenüberstellen und verwahrt sich namentlich da¬ 
gegen, dass gewisse Formen seiner „neuralgischen Transformation“ mit epilepti¬ 
schem Irresein identificirt werden. 

Kraffl-Ebing dagegen (Lehrbuch d. Psych. H, 1879) anerkennt von vornherein 
die Bedeutung der psychischen Insulte oder der sog. Aequivalente als gleichwer- 
thiger Zeichen epileptischer Neurose und vermuthet sogar, dass die bis jetzt auf¬ 
gestellten klinischen Bilder den Begriff der Epilepsie noch gar nicht erschöpfen, 
sondern dass das Grenzgebiet dieser Krankheit noch mehr erweiterungsfähig sei, 
indem nicht nur verschiedene Aequivalente bei demselben Individuum abwechselnd, 
sondern auch in einem Anfalle combinirt auftreten können. 

Diese Vermuthung ist bei mir zur Gewissheit geworden, seitdem ich Gelegen¬ 
heit habe, derartige Fälle zu beobachten. Ich erlaube mir im Nachfolgenden den 
interessantesten derselben mitzutheilen. 

Elise Sch. von Z., Näherin, geboren 1860, ist hereditär belastet. Der Vater war 
Potator, zwei Geschwister desselben sind geisteskrank, ebenso eine Schwester der Mutter 
unserer Kranken. Diese war seit frühester Jugend Waise, von schwächlicher Constitu¬ 
tion, litt häufig an Kopfweh, ohne je ernstlich krank gewesen zu sein. Im 15. Alters¬ 
jahr soll sie von einem (nicht tollen) Hunde zwei Bisse am linken Oberschenkel erhalten 
und ein Jahr später eine Nähnadel verschluckt haben, deren Wiederentfernung aus dem 
SOrper nicht constatirt werden konnte. Im Mai 1877 sei ihr auf der Strasse ein Ziegel- 
sttck auf den Kopf gefallen, in Folge dessen sie eine Zeit lang bewusstlos liegen ge¬ 
blieben und nachher mit häufigem Kopfweh behaftet gewesen sei. Zu gleicher Zeit 
stellte sich die erste Menstruation ein, welche profus und langdauerod gewesen sein soll. 

Am 9. Juli 1877 sass E. Sch. wie gewöhnlich bei ihrer Arbeit. Plötzlich warf sie 
die Arbeit weg, jammerte über heftigen Kopfschmerz und schrie beständig: „Sie schla¬ 
gen mich“, wobei sie mit beiden Händen ihreh Kopf umklammerte. Von da an war sie 
3 Tage lang ganz verwirrt, sprach nur wenige unzusammenhängende 'Worte und nahm 
gar keine Nahrung zu sich. 

Am 12. Juli wurde E. Sch. in die Irrenanstalt gebracht. Sie war damals 17 Jahre 
alt, gross und gut gewachsen, aber körperlich wenig entwickelt Sie zeigte bei voll¬ 
kommener Benommenheit einen etwas hyperämischen Kopf mit starrem Blick und herab- 
hangendem Unterkiefer. Die Haut war vollständig anästhetisch, die Pupillen weit, wenig 
reactionsfähig, die Reflexerregbarkeit im Allgemeinen herabgesetzt; Puls und Temperatur 
normal. Die Kranke Hess sich schieben und stossen, verharrte in vollkommener Bewe¬ 
gungslosigkeit , ass aber, wenn man sie zu Tische setzte und ihr den Löffel in die 
Hand gab. 

Am folgenden Tage trat die Menstruation ein und alle Zeichen der Krankheit waren 
wie weggewischt Die Kranke benahm sich vollkommen normal, klagte blos über leich¬ 
tes Kopfweh. Von ihrer Verbringung in die Irrenanstalt wusste sie nichts , von allen 
seit dem 9. des Monats vorgekommenen Ereignissen hatte sie keine Erinnerung, es 
herrschte darüber complete Amnesie, 

E. Sch. zeigte eine für ihr Alter gut entwickelte Intelligenz, normale Stimmung und 
keinerlei motorische oder sensible Störungen. 

In gleicher Weiee wiederholten sich nun die Anfälle unabhängig von den Menses 
bis zum Neujahr 1878, und zwar in Intervallen von 2—20 Tagen, während welcher die 
Kranke nur von zeitweisen kurzdauernden Angstanwandlungen mit Herzklopfen bei voll¬ 
ständig erhaltenem Bewusstsein heimgesucht wurde. 

Den Anfällen ging meistens eine kurze Aura, charakterisirt durch Prmcordialangst 


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und Herzklopfen, Hyperämie des Kopfes und Schwindel voraus. Eine fast plötzlich ein¬ 
tretende Remission mit completer Amnesie und leichtem Kopfschmerz folgte nach. Die 
Anfälle selbst dauerten von 1 Stunde bis zu 3 Tagen und verliefen als Paroxysmen von 
Stupor mit intercurrenten Reactionserscheinungen, Hallucinationen, ängstlichen Delirien, 
Verfolgungswahn und mehr oder weniger completer Anästhesie der Haut. 

Meistens delirirte die Kranke den Umgang mit Verstorbenen. Ihre daherigen Aeusse- 
rungen waren sehr monoton und erschienen meistens als Antworten auf Gehörshallucina- 
tionen. Der constante Inhalt der Wahnvorstellungen geht am besten aus einem Briefe 
hervor, den die Kranke während eines Paroxysmus am 2. September 1877 an ihren ver¬ 
storbenen Onkel geschrieben hat und welcher also lautet: 

„Lieber Onkel! Warum kannst du mich nicht allein holen? Meine Kraft erlaubt mir 
kaum, dir die an mich gerichtete Frage zu beantworten. Aus wessen Gründen willst du 
mich verfolgen, sogar misshandeln? hast mich doch erzogen viele Jahre in Gottesfurcht, 
und ich habe dir nichts zu Leide gethan, ich habe dich geehrt und geliebt, und jetzt ver¬ 
folgst du mich. Ist’s Ursache meines Lesens? oder dass ich in der Schule die Schweizer¬ 
geschichte unterlassen habe ? Ich verspreche Dir, Ersteres zu unterlassen und Letzteres 
zu wiederholen. Ich komme bald, recht bald zu dir und zur Mutter, auch in’s Wasser. 
Lass mich nun und weiche von mir! — Deine Elise,“ 

Am 9. Januar 1878 trat zum ersten Mal ein Anfall mit anderm Charakter auf. An¬ 
statt der vorwiegend psychischen Symptome erschienen nun einzelne Andeutungen yon 
motorischen Störungen, bestehend in leichten Zuckungen der Gesichtsmuskulatur und ein¬ 
zelner Finger, wobei das Bewusstsein ebenfalls aufgehoben war. Dieser Anfall war nur 
ganz kurz dauernd und von nachberiger Amnesie gefolgt 

Am 12. Januar traf ich die Kranke in etwas gereizter Stimmung. Sie war allein in 
einem Zimmer und beklagte sich über Schmerzen in einer Narbe, die von dem früheren 
Hundebiss herrührte. Ich untersuchte die Stelle und fand eine gut aussehende, ca. Ein- 
frankenstückgrosse, rundliche Hautnarbe, 15 cm. über dem Knie an der Innenseite des 
linken Oberschenkels, welche auf starken Druck schmerzhaft war. Gleichzeitig zeigte 
sie mir eine ähnliche, etwas grössere Narbe unmittelbar hinter dem linken Trochanter, 
welche aber viel weniger empfindlich, ja beim stärksten Drucke nicht schmerzhaft er¬ 
schien. Kaum hatte ich mich entfernt, als ich wieder herbeigerufen wurde, um Zeuge 
einer höchst interessanten Scene zu werden , die sich in der Folge noch oft wiederholte. 
Die Kranke wälzte sich auf dem Boden, warf sich hin und her und suchte mit einer 
wahren Wuth sich und Andere zu beissen, wobei sie wie ein junger Hund winselte, 
schäumte und schrie. Dieses Verhalten, wobei das Gesicht intensiv geröthet war, dauerte 
ca. Va Minute, dann folgte eine doppelt so lange Pause der Ruhe mit sichtbarem Herz¬ 
klopfen, frequenter Respiration, blassem Gesicht, Erschlaffung der Glieder und completer 
Anästhesie, worauf wieder die wuthartigen Beissversuche mit Jactation eintraten. Die 
ganze Scene charakterisirte sich als ein Paroxysmus mit cumulirten Anfällen von 1—3 
Stunden Dauer, wobei das Bewusstsein gänzlich aufgehoben war. Nach dem Anfalle 
erschien die Kranke etwas ermattet, delirirte, klagte über leichten Kopfschmerz und 
Schwindel, fühlte sich aber im Allgemeinen nicht unwohl und negirte des Bestimmtesten 
jede Erinnerung an das Vorgefallene. 

In ganz gleicher Weise wiederholten sich nun diese Anfälle in Zwischenräumen von 
8—14 Tagen während mehrerer Monate. Spielten sich dieselben im Freien ab, wie dies 
im Sommer oft vorkam, so geschah es auch, dass die Kranke während des Intervalls 
plötzlich davonrannte und so lange lief, bis sie zusammenstürzte und wieder in motorische 
Action verfiel. Die Anfälle traten ganz spontan auf, wenn nicht zufällig ein psychischer 
Reflexreiz als veranlassende Ursache des Paroxysmus gewirkt hatte. So z. B. bekam 
die Kranke, wie es schien, einige Mal ihre Anfälle unter dem Einflüsse einer sachbezüg- 
lichen Unterredung mit dem Arzte, ein ander Mal unmittelbar nach der Versagung eines 
Wunsches. 

Vom Sommer 1878 bis zum Neujahr 1879 gestalteten sich die Anfälle, anscheinend 
unter dem Einflüsse grosser Gaben Bromkalium, nach Quantität und Qualität günstiger. 
Die Paroxysmen traten seltener auf und äusserten sich als leichte motorische Reflexacte 
mit dem Charakter intendirter Bewegungen, gefolgt von completer oder theilweiser 
Amnesie. 


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Vom Neujahr 1879 an trat kein Anfall mit motorischen Symptomen mehr auf; viel¬ 
mehr gestalteten sich die Paroxysmen als vorübergehende ein- bis mehrstündige Anfälle 
von Schwindel mit Prscordialangst, hallucinatorischen Delirien und leichter Benommenheit 
mit nachfolgender Amnesie oder blos summarischer Erinnerung. In den Sommermonaten 
blieben die Anfälle ganz aus; die Kranke verhielt sich in jeder Beziehung normal und 
zeigte sich so leistungsfähig, dass wir sie vom October an als Wärterin einer morphium- 
süchtigen hysterischen Dame verwendeten. In dieser Eigenschaft machte sich unsere 
Reconvalescentin anfänglich ganz gut, fühlte sich wohl und besorgte die Dame zur gröss¬ 
ten Zufriedenheit Bald aber verschlimmerte sich ihr Zustand wieder und nachdem sie 
einige Zeit über allgemeines Unbehagen, über Schlaflosigkeit, Angst und Herzklopfen ge¬ 
klagt hatte, stellte sich plötzlich Ende November wieder ein Anfall ein, welcher ganz in 
der Weise der früheren mit heftiger Jactation, Beissversuchen, Schäumen, Schreien, An¬ 
ästhesie und Erinnerungsdefect verlief. Solche Anfälle wiederholten sich nun wieder 
öfter, gewöhnlich in Zwischenräumen von 4—5 Wochen, aber ohne Rücksicht auf die 
Zeit der Menstruation, und hatten eine durchschnittliche Dauer von */« Stunden. Dazwi¬ 
schen oder am Platze derselben erschienen aber auch wieder leichte Paroxysmen von 
transitorischem 1—12 Stunden dauerndem Schwindel, Herzklopfen, Depression, Angst, 
Umherlaufen, zuweilen auch Anfälle von tagelangem Stupor mit Mutacismus und erschwer¬ 
ter Apperception, oder hallucinatorisch-persecutorische Delirien mit heftigen psychomoto¬ 
rischen Entladungen in Form von Selbstmordversuchen, Gewaltthätigkeiten und Zerstö¬ 
rungstrieben. Gleichzeitig waren aber auch im Charakter der Kranken Veränderungen 
eingetreten, die sich namentlich in den anfallsfreien Zeiten zeigten und sich durch extreme 
Lust- und Unlustgefühle, Reizbarkeit, Launenhaftigkeit, Idiosyncrasien, Antipathien und 
Sympathien und häufige Buicidiumsneigung äusserten. 

Im Sommer 1880 trat, wie im vorhergehenden Jahre, wiederum eine Intermission 
ein. Nachdem seit 1. Juni keine Anfälle mehr vorgekommen, verschwanden nach und 
nach auch die intervallären Krankheitssymptome vollständig, so dass E. S. am 16. Scpt. 
versuchsweise nach Hause entlassen werden konnte. Leider erschien aber schon am 
25. October wieder ein Anfall, der den abermaligen Eintritt in die Anstalt veranlasste. 
Seither ist der Zustand der Kranken wieder ganz derselbe, wie vor Neujahr 1880 und 
es erscheinen in unregelmässigen Zwischenräumen die Anfälle in derselben Mannigfaltig¬ 
keit und mit denselben IntenBitätsschwankungen wie früher, ohne dass die intervallären 
hysterischen Symptome sich wieder eingestellt hätten. 

Während die leichten Dämmerzustände eine summarische Erinnerung zurücklassen, 
besteht für die ganze Dauer der heftigen psychomotorischen Paroxysmen completer Er¬ 
innerungsdefect Der Beginn der Anfälle ist meistens ein plötzlicher, unvorbereiteter; 
seltener gehen ihnen auraartige Symptome in Form von Schwindel, Kopfweh, vermehrter 
Herzaction, Hyperämie des Gesichts und Angstzustände voraus. Niemals erscheint die 
Aura von einer peripheren Erregung hervorgerufen. Berührung oder Compression der 
Narben ist nicht im Stande, den Eintritt des Anfalls zu beschleunigen. Die Temperatur 
scheint während der heftigen Anfälle erhöht zu sein, die Controle durch das Thermometer 
war aber bis jetzt nie möglich, da die Bewegungen der Kranken die Application nicht 
erlaubten. Die Lösung der Anfälle erfolgt gewöhnlich innert einiger Minuten; ein leicht 
stuporöser Zustand führt in denjenigen der vollkommenen Lucidität über. In diesem ver¬ 
hält sich die Kranke normal; nur klagt sie hie und da über Schwindel und Kopfschmer¬ 
zen und ist zu leichter psychischer Depression geneigt. — Ein classischer , klonisch¬ 
tonischer Krampfanfall wurde n i e beobachtet. — Körperlich hat sich die Kranke wäh¬ 
rend der letzten 2 Jahre gut und kräftig entwickelt und ist auch geistig nicht zurück¬ 
geblieben. 

Analysiren wir den Fall in Bezug auf Anamnese, Symptome und Ver¬ 
lauf, so gelangen wir zu folgenden Erörterungen: 

E. Sch., väterlicherseits hereditär belastet, bis zu ihrer Pubertät gesund, er¬ 
krankt in ihrem 17. Lebensjahre plötzlich an einer 4 Tage dauernden psychischen 
Störung, welche sich durch Kopfschmerz, Delirien, Hallucinationen, Anaesthesie 
und Erinnerungsdefect cbarakterisirt. Getrennt durch Intervalle von 2—20 Tagen, 


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in denen sich die Kranke vollständig normal befindet, wiederholen sich die Paroxys- 
men in ähnlicher Weise etwa ein halbes Jahr lang mit kurzer Aura, Stupor, me¬ 
lancholischen Hallucinationen, Delirien, Ansesthesie, traumartigen Handlungen und 
Erinnerungsdefect und führen zur Diagnose: epileptische Geistesstö¬ 
rung. Es lag natürlich nahe, an einen causalen Zusammenhang mit der in der 
Anamnese erwähnten Kopfverletzung zu denken, welche einige Wochen vor dem 
Eintritt stattgefunden haben sollte. Der Mangel irgend einer sichtbaren Wunde 
oder Narbe am Kopfe, sowie das unmittelbare Ineinandergreifen von Anfall und 
Menstruation erweckten aber die Vermuthung, es möchte sich damals (im Mai 1877) 
ebenfalls um einen, und zwar den ersten epileptiformen Anfall gehandelt haben, 
welche Vermuthung sich bald darauf zur Gewissheit steigerte, als ich durch nach¬ 
trägliche Erkundigungen erfuhr, die Kranke sei zwischen zwei Ortschaften auf der 
offenen Landstrasse, also an einer Stelle, wo kein Ziegelstück herabfallen konnte, 
von jenem Anfalle überrascht worden. Damit ist die traumatische Natur der 
Krankheit wenigstens nach dieser Richtung widerlegt und es kann sich nur noch 
um den ätiologischen Einfluss der angeblich verschluckten Nadel oder des consta- 
tirten Hundebisses handeln. 

In ersterer Beziehung ist zunächst zu erinnern, dass die Angabe nicht beglau¬ 
bigt ist; sodann muss ich gestehen, dass mir ein causaler Zusammenhang, voraus¬ 
gesetzt, die Nadel sei stecken geblieben, nur dann plausibel erscheint, wenn durch 
die Lagerung des Fremdkörpers die mechanische Reizung eines Nerven zustande 
gekommen wäre. Dafür sind in unserm Falle aber durchaus keine Anhaltspuncte 
vorhanden und es muss bei dem gänzlichen Mangel an solchen die Sache nur in 
sofern im Auge behalten werden, als darüber meines Wissens noch nichts in der 
Literatur bekannt ist. 

Anders gestaltet sich die Sachlage mit Beziehung auf den zweiten Punct. 
Beim Eintritt von cumulirten Anfällen mit Jactation, Beissversuchen und andern 
motorischen Symptomen, indem der 2 Jahre vorausgegangene Biss eines Hundes 
und die Art des Auftretens dieser Anfälle zunächst an eine Reflexneurose denken 
lassen. Den Zusammenhang könnte man sich nach dem Sitze der Narben ganz 
wohl so construiren, dass durch den Biss an der Innenseite des Oberschenkels der 
Nerv, cutan. fern, int., an dem Trochanter der Nerv, cutan. fern. anfc. extern, ver¬ 
letzt worden sei, oder dass sich durch die Narbenbildung eine dauernde Zerrung 
dieser sensiblen Nervenäste und dadurch ein Irritationszustand des Nerven gebil¬ 
det habe. Ist es doch bekannt, dass solche periphere Nervenverletzungen, sei es 
durch Etablirung eines permanenten Reizzustandes im Nerven oder durch centri- 
petales Fortkriechen eines Entzündungsprocesses (vide Hitzig , Untersuchg. über d• 
Gehirn p. 192) hie und da zu centralen motorischen Reizerscheinungen , ja sogar 
secundär zu wahrer Epilepsie führen, bei der dann aber eine gleichförmige, meist 
von der lädirten Stelle ausgehende Aura, die Möglichkeit der Production von An¬ 
fällen durch Druck auf die Narbe und die Gleichförmigkeit der Paroxysmen als 
charakteristisch erscheint. 

In unserm Falle vermissen wir im weitern Verlaufe sowohl die Constanz der 
Aura, als die Gleichförmigkeit der Anfälle, wir sind auch nicht im Stande, Pa- 


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roxysmen künstlich zu erzeugen, wir finden im Gegentheil eine grosse Mannigfal¬ 
tigkeit der Insulte, so dass die Vermuthung einer peripheren Nervenverletzung 
ätiologisch nicht gerechtfertigt ist. Ebenso verhält es sich auch mit dem Einflüsse 
der Menstruation und etwaiger Erkrankungen des Genitalapparates, indem die ein¬ 
zelnen Anfalle mit der periodischen Ovulation nicht oder nur zufällig coincidiren 
und auch die diagnostisch und therapeutisch angewendete Ovarialcompression ohne 
positives Resultat geblieben ist. Alles was wir in dieser Beziehung vermuthen 
können, ist die Einwirkung menstrualer oder psychischer Erregungszustände als 
occasioneller Ursachen zur Production der Krankheitsparoxysmen. 

Der Krankheitsverlauf zeigt eine deutliche Modification der Anfälle. Diese 
werden nicht nur seltener, sondern verändern auch ihren Charakter, indem sie 
zuerst als leichte motorische Reflexacte in der Form'von impulsiven Handlungen, 
dann als Paroxysmen ohne motorische Störungen, als rein psychische auftreten, 
um dann 3 Monate lang ganz zu sistiren. Vorbereitet durch Prodrome tritt nach 
Verfluss dieser Zeit wieder ein heftiger Beissanfall ein. Diese Anfälle wiederholen 
sich in genau derselben Weise, werden aber zeitweise substituirt durch leichte 
Dämmerzustände oder heftige psychomotorische Paroxysmen mit impulsiven Hand¬ 
lungen. 

Dadurch erscheint der Fall als ein ebenso complicirter als interessanter, und 
wird es noch mehr durch die in den letzten Monaten hinzugekommenen interval- 
lären Symptome, welche einen ausgesprochen hysterischen Charakter zeigen. Dass 
es sich hierbei nicht um die Transformation in eine Hystero-Epilepsie im Charcot - 
sehen Sinne handelt, wobei hysterische und epileptische Krämpfe in demselben 
Anfall gemischt Vorkommen (Hysterie ä crises combinües), geht schon aus der 
einfachen Betrachtung unseres Falles hervor. Vielmehr erscheint die Krankheit 
nach wie vor als eine rein epileptische, wobei die später hinzugekommenen inter- 
vallären Symptome nur die Bedeutung einer Complication beanspruchen können, 
deren hysterischer Charakter allerdings sehr auffällig ist. Bedenken wir aber, dass 
die Kranke längere Zeit unter dem Einflüsse einer hysterischen Umgebung stand 
und vergegenwärtigen wir uns die leichte Empfänglichkeit neurotisch angelegter 
Personen für hysterische Affectionen (imitatorische Ansteckung), so können wir 
dieser Erscheinung um so mehr die Bedeutung einer Complication vindiciren, als 
dieselbe nur vorübergehend auftrat und seit Monaten wieder gänzlich verschwun¬ 
den ist. 

Ich finde für diese Verlaufsart in der mir zugänglichen Literatur kein Ana¬ 
logon. Nach den Auseinandersetzungen von Scholz (Arch. f. Psych. 1879, IX, 3) 
gibt es allerdings Fälle, wo die Krankheit als echte Epilepsie beginnt und sich 
später Hysterie hinzugesellt; allein dann werden auch die Anfälle hysterisch und 
es kommt zu jener Form, für die Landouzy den Namen Hystärie k crises distinctes 
eingeführt hat ln unserm Falle aber fehlen die hysterischen Paroxysmen gänzlich 
und die 'Anfälle behalten den ursprünglichen Charakter, nachdem sich intervalläre 
hysterische Symptome zugesellt haben. 

Differentialdiagnostisch können überhaupt nur zwei Möglichkeiten in Betracht 
kommen: Epilepsie oder Hysterie. Gegen die letztere spricht das Auftreten der 


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Krankheit vor vollendeter Geschlechtsreife, der Mangel an hysterischen Sympto¬ 
men vor dem Auftreten des ersten Anfalls, sodann aber auch das Fehlen einer 
constanten hysterischen Veränderung (des hysterischen Charakters) überhaupt, und 
nicht zum Mindesten die Art der Anfälle , welche trotz ihrer Mannigfaltigkeit im 
Einzelnen doch eine gewisse Stereotypie zeigen, wie sie nur der Epilepsie eigen 
ist. Vor Allem aber ist die epileptische Natur der Krankheit charakterisirt durch 
dio fast ausnahmslos den Paroxysmen folgende complete Amnesie, durch das Auf¬ 
treten der Anfälle in Serien (cumulirte Anfälle) und die während der Pause zwi¬ 
schen den cumulirten Anfällen herrschende Trübung des Bewusstseins, was nach 
Scholz (1. c.) bei Hysterie nicht Vorkommen soll, während nach ihm entgegen der 
ältern Anschauung auch die hysterischen Krämpfe durch Aequivalente ersetzt 
werden können, so dass dieses Verhalten für die Differentialdiagnose nicht zu ver- 
werthen ist. Dagegen darf als unterstützend für die Diagnose auf Epilepsie an¬ 
geführt werden: die Heredität, der Begino der Krankheit zur Zeit der Pubertäts¬ 
entwicklung, das Auftreten der Anfälle ohne nachweisbare Veranlassung (nament¬ 
lich ohne Beeinflussung durch die Sexualorgane), die Gleichartigkeit der Aura, 
das Vorkommen von häufigen Kopfschmerzen, Neigung zu Schwindel und leichter 
psychischer Depression als intervallärer Symptome. 

Dass die Intelligenz nach jahrelanger Dauer nicht beeinträchtigt erscheint, 
kann nach den Erfahrungen aller vorurteilslosen Beobachter nicht auffallen, um 
so weniger, als für die Verlaufsweise der Epilepsie unter der Form von psychi¬ 
schen Aequivalenten die Integrität der geistigen Fähigkeiten zur Regel gehört. 

Königsfelden, im December 1880. 

Ueber typhöse Erkrankungen durch Fleischgenuss. 

Vortrag von Prof. Dr. Oscar Wyss. 

(Fortsetzung.) 

Ausser den von uns selbst gesehenen und den nach den gütigen Mitteilungen 
des Herrn Dr. Steffen in Regenstorf und unseres Vaters geschilderten Erkrankungen 
kamen in W. noch einige weitere solche vor, die unter demselben Bilde einsetzten 
und dieselben Entwicklungsphasen durchmachten. 

Die leichtest Erkrankten hatten nur Erbrechen und Diarrhoe, zum Theil mit 
Leibweh verbunden, zu erleiden und genasen binnen 1—2 oder 3 Tagen; wenige 
waren blos matt und abgeschlagen. Das Gesammtkrankheitsbild ist uns von un¬ 
serem Vater, der weitaus die meisten Kranken behandelte, folgendermaassen skiz- 
zirt worden: 

„So viel ich in Erfahrung bringen konnte, sind es 29 Erkrankte gewesen, 
welche ärztliche Hülfe in Anspruch genommen haben. Davon sind 5 Fälle sehr 
leicht und innert 8—10 Tagen abgelaufen, auch wohl kaum 2 oder 3 Tage (meh¬ 
rere gar nie) bettlägerig gewesen, so dass sie wohl als blosse Darmcatarrhe an¬ 
gesehen werden dürften, wenn nicht Ursache und Zeit mit den übrigen Erkran¬ 
kungen zusammengefallen wären. 14 Fälle erwiesen sich als schwerer und be¬ 
durften 3—4 Wochen; am zweiten oder dritten Tage nach dem Fleischgenuss trat 
bei den meisten Durchfall, selbst mit Tenesmus, und bis 20 in 24 Stunden, bei 


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einigen Erbrechen auf, was 1—2 Tage dauerte; dann folgten Kopfweh, Schläfrig¬ 
keit ohne guten Schlaf, Müdigkeit und oft Schmerzhaftigkeit der Glieder und des 
Rückens, meist leichter Frost, darauf grössere Hitze, Schweisse, Durst neben völlig 
fehlender Esslust, Schmerzhaftigkeit des leeren oder wenig aufgetriebenen Bauches 
bei Stuhlverstopfung. Der Harn war bräunlich bis braun, fast nie sedimentös, 
schwach sauer, enthielt stets vielen Farbstoff und ausnahmsweise wenig Eiweiss. 
Sensorium gedrückt, getrübt, aber Delirien nur ausnahmsweise; Puls 90—100, Tem¬ 
peratur 38,5—39,5°. Um den 7.—9. Tag erschienen zahlreiche Roseoise, von Brust 
und Bauch sich über Rücken und Extremitäten verbreitend. Dieser Zustand 
dauerte 10—14 Tage mit geringen Abwechslungen an, dann folgte die Wieder¬ 
genesung ziemlich rasch. — 10 Fälle müssen als eigentlich schwere taxirt werden; 
wenn auch einige mit 4 Wochen abgelaufen waren, so bedurften die meisten 5 
Wochen und einer endigte erst in der siebenten. Das Fieber wurde heftiger, Puls 
bis 120, klein, dicrotisch, Temperatur bis 40,5° (einmal 40,8° beobachtet), die 
Schweisse profus, Delirien häufig, noch mehr Torpor mit sehr decomponirtem Ge¬ 
sicht, Schwerhörigkeit, Schwerbeweglichkeit der trockenen Zunge, unbewusstem 
Harnabgang, röchelndem Athem, zuweilen blutigem Auswurf. Dreimal kamen 
Darmblutungen vor, einmal lange dauernde Hämaturie, einmal profuse Menses mit 
gleichzeitig abundantem Nasenbluten; in einem Falle erreichte die psychische Er¬ 
regung Charakter und Grad eines vollständigen Delirium potatoris mit gleichzeitig 
schwerem Bronchialcatarrh (resp. Pneumonie). 

Von den 29 schwerer, für längere Zeit als nur 1—3 Tage Erkrankten sind 
4 gestorben; 3 Kinder von 4, 8% und 10% Jahren in einem und demselben Hause 
(cf. letzte Nummer). 


Die Erkrankten vertheilen sich: auf Würenlos 

15 Personen 

Oetlikon 

3 

n 

Oetweil 

7 

V 

Hüttikon 

2 

Ji 

Otelfingen 

2 

r> 

29 Personen, 

Männlichen Geschlechtes sind 10 
Weiblichen „ „19 

Summa 29. 

Dem Alter nach: unter 5 Jahren 1, gestorben 1 

über 5—10 „ 1, 

1) 

i 

„ 10-15 „ 6, 

n 

i 

„ 15—20 „ 3, 

n 

0 

n 20 30 „ 5, 

n 

0 

„ 30-40 „ 5, 

n 

0 

„ 40—50 „ 3, 

n 

0 

„ 50 - 60 „ 3, 

7i 

0 

„ 60—70 „ 2, 

n 

1 

Erkrankt 29, gestorben 4. 


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202 


Dass die Würenloser Epidemie durchaus identisch mit der Klotener und mit 
der Andelfinger Epidemie, kann nach dem Mitgetheilten und dem über letztere 
Epidemien allgemein Bekannten keinem Zweifel unterliegen. Der Beginn, die 
Symptome, der Verlauf, die Krankheitsdauer, das Auftreten einzelner secundärer 
Fälle und auch die Aetiologie sind diesen frühem Epidemien vollkommen entspre¬ 
chend. Nach einer Zusammenstellung unseres Vaters haben von den 29 schwerer 
Erkrankten, die in ärztliche Behandlung kamen: 

a) 10 Sonntags den 27. Juni Znüni Kutteln so gegessen, wie sie vom Metz¬ 
ger kam; 

b) 10 ausser den Kutteln am 27. schon am 25. oder 26. Kalbfleischvoressen 
von einem am 23. getödteten sehr jungen und kranken Kälbchen gegessen; 

c) 3 assen am 28. und 29. Kutteln, die nicht mehr frisch aussahen und deshalb 
nochmals abgekocht wurden; 

d) 3 verspiesen blos Wurst; 

e) 1 will nur Voressen gegessen haben; 

f) 1 will gar nichts von diesen Dingen genossen haben. 

Hervorgehoben muss werden, dass eine Anzahl Personen (angeblich 13) von 
den aufgezählten Dingen assen, ohne irgendwie krankhaft davon afficirt zu werden. 
Von dem ursprünglichen Besitzer des fraglichen Kalbes und seiner Familie sind 
nicht nur Lunge, Leber, Herz, sondern sogar der Magen und die Gedärme, Milt 
und Gehirn dieses Thieres ohne irgend einen Nachtheil verspiesen worden. Das 
geschah, wie der Genuss des Kalbsbratens, am Tage als das Kalb geschlachtet 
worden war oder am darauf folgenden Tage, nämlich am 23. und 24. Juni, also zu 
einer Zeit, als das Kalbfleisch noch vollkommen frisch war. 

Niemand, weder in Würenlos noch in einer der andern Gemeinden, ist unter 
gleichen oder ähnlichen Erscheinungen erkrankt, der nicht von der fraglichen 
Fleischspeise gegessen hatte (einer einzigen entschieden zweifelhaften Ausnahme 
ist eben erwähnt worden). 

Nach dieser Zusammenstellung scheint evident die Kutteln diejenige Speise 
gewesen zu sein, die am meisten Unheil angerichtet hatte. Und doch stammte 
die Kutteln von einem gesunden jungen Ochsen her, der Samstag den 26. Juni 
Vormittags in der öffentlichen Metzg zu W. von Metzger Sch. geschlachtet worden 
war, der in durchaus regelmässiger Weise gemästet war, und völlig gesund so¬ 
wohl vor als auch nach dem Tode befunden wurde. Das Fleisch etc. wurde in 
dem öffentlichen Metzglocal verkauft und Niemand erkrankte vom Genuss der in 
dieser Gemeindemetzg gekauften Fleischspeisen. 

Die Kutteln (Magen) des Thieres hatte Metzger Sch., wie gewohnt, mit in 
sein ca. 5 Minuten entferntes Haus genommen. Hier wurden sie in üblicher Weise < 

präparirt: gereinigt, etwa 3 Stunden lang anhaltend gekocht, wieder geputzt und 
alsdann zum Verkauf auf bewahrt. Dieses Kochen fand am 26. Juni um die Mit¬ 
tagszeit statt; Nachmittags 3 Uhr war sie bereits soweit präparirt, dass sie von 
Angehörigen des Metzgers und Gespielinnen des jüngsten Töchterchens desselben 
gegessen wurde. Die Reinigung und Präparation fand in der kleinen Privatmetzg 
des Metzgers Sch., einem sog. „Wurstmetzgli“, statt, wo nicht die grösste Rein- 




203 


lichkeit stattfand. Hier war am 23. Juni Vormittags ein wegen Nabelentzündung 
(das Dach Angabe des Sohnes des Metzgers Sch. auch geschwollene Beine gehabt 
haben soll) noch vor dessen erwartetem spontanem Tode getödtetes, 3 Tage altes 
Kälbchen ausgeweidet und zubereitet worden; ein Theil des Fleisches hievon wurde 
als Braten und als Voressen besonders vom Metzger Schmidt und seiner Familie (incl. 
Arbeitsleuten, die er zum Heuen hatte und die von dem Braten ohne jeden Nach¬ 
theil assen) verzehrt. Ein anderer Theil wurde verkauft und z. B. im Oasthaus 
zum R. consumirt, wo so zahlreiche Familienglieder erkrankten und drei Kinder 
starben. Uebrig bleibende Reste wurden in jener Wurstmetzg am 26. Juni Mit¬ 
tags wahrscheinlich gehackt und das gehackte Fleisch sofort oder am folgenden 
Tag zu Würsten verarbeitet Das gehackte Fleisch wurde im gleichen Gefäss 
aufbewahrt, wo die Kutteln; letztere lag unten, ersteres darauf. Unzweifelhaft 
kam auf diese Weise die frische gesottene Kutteln des gesunden Thieres mit dem 
bereits 4 Tage alten Kalbfleisch in Berührung. Ob die Kutteln mit dem gehackten 
Kalbfleisch auch noch auf andere Weise in Berührung kam, liess sich nicht bestimmt 
nachweisen, ist aber bei der sorglosen Behandlung, die allgemein das Wurstfleisch 
trifft, sehr wohl möglich. Dass vielfach für beide Gegenstände, Kalbfleisch und 
Kutteln, die gleichen Instrumente und Geräthe zur Aufbewahrung etc. benutzt 
wurden, ist theils sehr wahrscheinlich, theils sicher, und es unterliegt, auch 
nach der festen Ueberzeugung unseres Vaters, keinem Zweifel, dass die 
grosse Giftigkeit der vom 26.—29. Juni von Metzger Sch. bezogenen 
Kutteln daher rührt, dass diese, an und für sich normal, auf 
irgend eine Weise mit dem bereits 3 —4 Tage alten, in Zer¬ 
setzung begriffenen, von einem sehr jungen und kranken 
Kalbe h e r s t a m m e n d c n Hackfleisch in directe Berührung 
kam, res p. dadurch verunreinigt wurde und durch diese Ver¬ 
unreinigung seine Giftigkeit erlangte. 

(Fortsetzung folgt.) 


V ei*einsl>eiriolite. 

Aus dem Protocoll der Jahresversammlung der ärztl. Gesellschaft der 

Centralschweiz 

den 4. December 1880 im Hotel du Lac in Luzern. 

Präsident: J. Äöa/i, Actuar: G . Nager . 

Anwesend 33 Mitglieder. 

Eröffnung der Verhandlungen: 11 Uhr. 

Der Präsident gedenkt des im letzten Jahre hingeschiedenen verdienten Mit¬ 
gliedes H. Glanzmann. Zu Ehren seines Andenkens erhebt sich die Versammlung 
von ihren Sitzen. 

An Sectionsberichten sind nur diejenigen von Luzern und Sursee eingegangen. 
Es wird beschlossen, von deren Verlesung diesmal Umgang zu nehmen. 

Herr L. Suidler berichtet über die Thätigkeit der von der letzten ausserordent- 


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204 


liehen Versammlung bestellten sog. Blättern-Commission, die, durch den 
kürzlich gefassten Beschluss des Gr. Käthes, behufs Bereithaltung eines Pocken- 
spitales in Rathhausen das nöthige Inventar von der Stadt Luzern zu erwerben, 
ihre Aufgabe als gelöst betrachtet. 

An Stelle des schwerkranken Quästors legt der Actuar die Jahresrechnung 
ab. Dieselbe wird genehmigt und zugleich auf den Vorstandsantrag ein Geldbei¬ 
trag von Fr. 200 an die Rettungsanstalt Sonnenberg bewilligt. 

Es werden gewählt für 1881 als Präsident: J. Rösli, Quästor: Z. Fassbind, 
Actuar: G. Nager ; ferner als ärztliches Mitglied in* die Commission des cant. Irren- 
hülfsvereins: L, Studier , als Rechnungsrevisor: A. Steiger . 

Herr Z. Fassbind von Gersau bringt als die Frucht einer nahezu dreissigjähri- 
gen Beobachtung klimatologische Mittheilungen vom Vierwald¬ 
stättersee, die er durch zahlreiche meteorologische Tafeln veranschaulicht. 
Er stützt sich in erster Linie auf die Angaben der meteorologischen Station Gers¬ 
au, hält aber die klimatischen Verhältnisse am ganzen Südabhang des Rigi, also 
auch von Vitznau und Weggis, für wenig davon abweichende. 

Eine Vergleichung der Temperaturverhältnisse zwischen Montreux und Gersau 
ergibt nicht nur für den Frühling und Herbst, sondern auch für die Wintermonate 
fast identische Zahlen. Auch in Bezug auf Feuchtigkeitsgehalt der Luft und Ge- 
schütztheit gegen die Nordwinde entspricht das Ufer am Südabhang des Rigi allen 
Anforderungen an einen klimatischen Curort. Dagegen hat es ebenfalls wie 
Montreux den Nachtheil häufiger Nebel in den Monaten November, December 
und Januar, so dass es nur zu Frühlings- und Herbstcuren empfohlen 
werden darf. 

Der Vortragende weist schliesslich noch auf die klimatischen Vorzüge des 
durch die Gotthardbahn ebenfalls dem Vierwaldstättersee, zugleich aber auch Ita¬ 
lien näher gebrachten Ursern-Thales hin, das ab Höhencurort ein 
zweites Davos werden dürfte und sich auch in der That durch günstige Mortali¬ 
tätsverhältnisse auszeichne. 

Dr. A- Steiger bemerkt im Anschluss an den Vortrag, dass nach seinen Erfah¬ 
rungen das Höhenklima (Davos) weniger für die sog. erregbare Form der Phtbisis 
passe und dass gerade für diese letztem der Aufenthalt in Gersau, Vitznau, Weg¬ 
gis oder in den wenigstens 300 Fuss über dem See gelegenen Pensio¬ 
nen um Luzern ihm nicht weniger passend scheine, als der in Montreux. Er 
glaube ebenfalls an die Möglichkeit, im Ursernthale einen allen Anforderungen 
entsprechenden Wintercvirort zu schaffen. — Stellt den Antrag, es solle zum wei¬ 
tern Studium der Frage eine Specialcommission niedergesetzt werden, die der Vor¬ 
stand zu bestellen habe. 

Herr Apotheker Otto Suidter , zur Zeit Präsident der luzerner naturforschenden 
Gesellschaft weist auf die seit Kurzem hier errichtete meteorologische Station hin, 
deren Bestand noch finanziell fester begründet werden sollte; er empfiehlt dieselbe 
zur Unterstützung. 

Beschlüsse: a) Nach Steiger' s Antrag wird der Vorstand beauftragt, eine 
klimatologische Commission zu bezeichnen. 


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b) Es sei vorläufig für drei Jahre ein jährlicher Beitrag von Fr. 50 an die 
hiesige meteorologische Station zu geben. 

Herr Siegfried Stöcker von Luzern hält einen Vortrag über die häufigem 
Lageveränderungen der Gebärmutter. Er bespricht zuerst die nor¬ 
male Lage derselben, dann die diagnostischen Hülfsmittel und behandelt eingehen¬ 
der in Bezug auf Diagnose und Therapie den Prolapsus uteri und die Versionen. 

Herr J. Heller spricht bei Prolapsus der operativen Behandlung das Wort ge¬ 
genüber derjenigen mit Pessarien und warnt besonders vor dem Gebrauch der 
intrauterinen. 

Herr A. Steiger ist ebenfalls gegen die Stäbchenbehandlung, glaubt aber andere 
Pessarien für einzelne Fälle passend. 

Mit Rücksicht auf die vorgerückte Zeit wird auf den Vorschlag von Herrn 
C . Näf dessen angekündeter Vortrag verschoben und Herr Apotheker Otto Suidter 
weist der Versammlung noch Proben einer Anzahl neuerer Arzneimittel vor, wobei 
er über deren Herkunft, Darstellung und pharmacodynamisehe Eigenschaften in¬ 
teressante Mittheilungen macht. Es wurden besprochen : Cort. Quebraccho, Jabo- 
randi mit Pilocarpin, Tinctura Gelsemii, die Cortex Coto, das Goapulver mit der 
Chrysophansäure, das Resorcin und die Piperacee Cava-Cava. 

Schluss: 2 Uhr. — Nachher gemüthliches Mittagessen. 


Referate und Kritiken. 


Zur Behandlung der Krankkeiten der Mundrachenhöhle und des Kehlkopfes. 

Practische Beiträge von Dr. Carl Michel in Cöln. 1880. 120 Seiten. 

Leipzig, F. C, W. Vogel. 

Der durch mehrere Specialarbeiten, unter Anderm auch durch eine 1876 erschienene 
Monographie der Krankheiten der Nasenhöhle rühmlichst bekannte Verfasser will in der 
vorliegenden Schrift „nur von denjenigen krankhaften Processen auf dem bezeichneten 
Gebiete handeln, worüber er im Laufe einer elfjährigen specialärztlichen Thätigkeit mit- 
theilenswerthe und den gewöhnlichen Anschauungen nicht ganz entsprechende Erfahrun¬ 
gen gesammelt hat“ und wünscht, dass das Werkchen „möglichst weit Uber den Kreis 
der Specialisten hinaus bei den practischen Aerzten Verbreitung finde“. 

Auch Ref. glaubt, dass die wirklich practischen Beiträge für jeden Arzt werthvolle 
diagnostische und therapeutische Winke enthalten. Diese sind um so leichter zu ver¬ 
wenden, als sie sich zum guten Theile auf Krankheiten beziehen, bei denen weder com- 
plicirte Untersuchungs- noch besondere theure Heilvorrichtungen nöthig sind. Zudem 
darf wohl bei den meisten jüngern Aerzten vorausgesetzt werden , dass sie mit dem 
Kehlkopfspiegel so gut wie mit dem Augen- und Ohrenspiegel vertraut seien, und auch 
die galvanocausti8chen Apparate, die hier mit besonderem Vortheile zur Verwendung 
kommen, werden jetzt so bequem und billig hergestellt, dass wenigstens für einen in 
einer grössern Ortschaft wohnenden Practiker, vor Allem aber auch für kleinere Kranken¬ 
häuser sich die Ausgabe wohl rechtfertigt. — Bemerkenswerth in dieser Beziehung ist 
noch und würde gewiss von jedem unbefangenen Collegen unterschrieben, was der Verf., 
der doch im Besitze einer Kalklichtlampe ist, bekennt: dass nur zu oft künstliche Be¬ 
leuchtung eine hyperämische Schleimhautfärbung vortäuscht und dass darum das 
Sonnenlicht, das ja allen Uutersuchern in gleicher Weise zur Verfügung steht, 
durch nichts zu ersetzen ist. 

Dass es Bich übrigens in der vorliegenden Arbeit keineswegs etwa um seltene 
Krankheiten handelt, wird am einfachsten aus der Aufzählung einzelner Capitelüberschrif- 
ten klar. So werden darin besprochen die Schlingbeschwerden, die Hypertrophie der 


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Gaumenmandeln, der chrouische Rachen- und der chronische Kehlkopfcatarrh, Kehlkopf¬ 
geschwüre, die Lähmung des Gaumensegels u. s. w. 

In therapeutischer Beziehung möchten wir nachfolgende zwei Anwendungsweisen der 
Galvanocaustik besonders hervorheben, die noch weniger allgemein bekannt sind und von 
den auch Ref. aus vielfacher eigener Erfahrung rühmen kann, dass sie den classischen 
drei Anforderungen cito, tuto und jucunde ziemlich vollkommen entsprechen. Da diesel¬ 
ben zudem in anschaulichster Weise geschildert sind, so ist jeder Inhaber der betreffen¬ 
den Instrumente in den Stand gesetzt, sich sofort von der Richtigkeit des Folgenden 
selbst zu überzeugen. 

Gegen diejenige hier zu Lande recht häufig vorkommende und bisher wegen ihrer 
Hartnäckigkeit berüchtigte Form des chronischen Rachencatarrhes, welche als die hyper¬ 
trophische oder granulöse bezeichnet wird, hat Verf. schon 1872 die galvano- 
caustische Aetzung aller hypertrophischen Stellen als die bequemste und erfolgreichste 
Behandlung empfohlen und ist in der vorliegenden Schrift im Falle, sein früheres Urtheil 
durch zahlreiche Beobachtungen Anderer erhärten zu können. 

Der Gedanke, die vergrösserte Gaumenmandel mit dem Galv&nocauter 
zu zerschneiden, stammt von Voltolini her; die seither schon viele hundert Male wieder¬ 
holte und vom Verf. zur Methode ausgebildete Operation scheint auch nach des Ref. Er¬ 
fahrungen, gegenüber der Entfernung mittelst schneidender Instrumente ausser dem gros¬ 
sen Vortheile der Gefahrlosigkeit bei unruhigen Kranken noch besser gegen Recidive zu 
schützen. — Man muss es freilich selbst gesehen haben, wie wenig Empfindlichkeit Über 
den anscheinend so energischen Eingriff von den an den Mandeln oder der hintern Ra¬ 
chenwand — nicht aber an den Gaumenbögen! — Operirten geäussert wird, um den 
Werth der kleinen Operation richtig zu beurtheilen. Da letztere natürlich unblutig ver¬ 
läuft, so kann zur weitern Beruhigung von gar ängstlichen Kindern oder — Eltern aus¬ 
nahmsweise selbst noch chloroformirt werden! 

Einen dritten neuen therapeutischen Gedanken , den wir für sehr fruchtbar halten, 
entwickelt Verf. in seinen „Sprechübungen“. Er hebt da ausführlich die Nothwendigkeit 
hervor, alle Hülfs-apparate der Sprache, die Lippen, Zähne, Zunge, den wei¬ 
chen Gaumen und die Athemmuskeln „zu erhöhter vollkommenster Func¬ 
tion heranzuziehen und dadurch die im gewöhnlichen Leben meistens über Gebühr an¬ 
gestrengten Stimmbänder nachhaltig zu entlasten“. 

Ueberhaupt zeichnet sich die vorliegende Arbeit in günstiger Weise vor andern 
„practischen Beiträgen“ durch das Streben aus, überall, sowohl bei der Analysirung der 
Krankheitsbilder als auch beim Heilplane, sich an das durch die Physiologie bereits Fest¬ 
gestellte anzulehnen und weiss auch wirklich der als „Rachenputzerei“ oft genug ver¬ 
lachten Praxis neue interessante Beziehungen abzugewinnen. 

Einzig das letzte grössere Capitel Uber Kehlkopfpolypen wird kaum auf allge¬ 
meines Interesse zählen können. Immerhin erhellt zur Genüge aus den angeführten 
Krankengeschichten, dass Verf. ein ebenso glücklicher als kühner Operateur ist. 

Es bleibt schliesslich noch übrig anzudeuten, wo Verf. nach unserm Dafürhalten „den 
gewöhnlichen Erfahrungen nicht ganz (oder zu wenig?) Entsprechendes“ mittheilt. 

Dass zum Beispiel der Herpes pharyngis eine selten auftretende und sehr 
schmerzhafte Krankheit sei (pag. 2), ist in dieser Allgemeinheit ausgesprochen kaum 
richtig. 

Schon Stromeyer in seiner trefflichen Zeichnung der auch hier zu Lande nicht so sel¬ 
tenen und dann gewöhnlich als „leichte Diphtheritis“, zuweilen auch erst post festum 
diagnosticirten Krankheit rechnet, dass sie unter seinen Hospitalfällen etwa ein Viertel 
aller Mandelentzündungen ausmache. Aehnliches berichtet Prof. Wagner auf Grund seiner 
Leipziger poliklinischen Erfahrung und damit stimmt auch, was Ref. zur Zeit eines Auf¬ 
enthaltes in Paris theils in den Ambulatorien selbst sah, theils von einzelnen dortigen 
Spitalärzten versichern hörte. — Auch die pag. 7 und 9 empfohlene „abhärtende“ Nasen- 
douche mit kaltem reinem Wasser (bei Ozeena und chronischem Nasencatarrh) 
kommt uns etwas gefährlich vor und dürfte wohl nur für Ausnahmsfälle passen! — p. 63 
bemerkt Verf., dass er bei schmerzhaften Geschwüren des Kehldeckels und der 
hintern Kehlkopfwand Lungenleidender den Angehörigen zeige, wie sie „den Pinsel 
handhaben sollen, um in die Kehle zu gelangen“, und dass diese dann vor dem Essen 


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und Schlafengehen des Pat dieses Verfahren (mit starker Morphiumlosung) zu wieder¬ 
holen haben. 

Ohne Spiegelcontrole wird kein geübter Laryngos copiker Geschwüre 
pinseln, die sich zudem noch so häufig mit starker ödematöser Schwellung der Umge¬ 
bung vergesellschaften, wie die der Phthisiker: werden Laien hier wohl geschickter oder 
schonender Vorgehen ? 

Endlich glauben wir, dass auch andere Collegen sich an der folgenden Stelle stossen 
werden. Pag. 39: Patienten, die sich kehlkopfleidend glauben, die aber im Grunde 
„immer chronischen Bronchialcatarrh oder Bronchiectasis oder ein anderes tieferes Lungen- 
leiden a haben, „rathe ich noch als ein sehr abhärtendes, die Widerstandsfähig¬ 
keit des Körpers beförderndes Mittel an, jeden Morgen, sei das Wetter wie es wolle, 
’/a —1 8tunde spazieren zu gehen — vor dem Frühstück; nüchtern ist man am 
empfindlichsten gegen Wind und Wetter.“ Ergo?! 

Die Arbeit ist in einer leichten, mehr skizzenhaften Spraehe abgefasst; Verf. liebt 
offenbar aphorismenartige Capitelschlusssätze. ' Im Bestreben, recht lebendig und über¬ 
zeugend zu sein, kommt es ihm an einigen Stellen vor, dass er „das Ding zu schroff 
hinstellt“, so z. B. die Gefahren der Tonsillotomie nach altem Ritus. Sonst ist auch die 
Form wie der Inhalt — practisch. Nager. 

Zur Entstehung der Scrophulose und der Lungenschwindsucht. 

Von Dr. Carl Mordhorst in Flensburg. 

Den Einfluss verdorbener Luft und des Mangels an Sonnenlicht als ätiologische Grund¬ 
ursache genannter Krankheitsconstitution lässt Verf. als allgemein angenommen gelten und 
sucht hauptsächlich die Wirkung des Lichtmangels zu erklären. Er glaubt, die Ursache 
sei weniger in der directen Einwirkung des Sonnenlichts auf den menschlichen Körper 
zu suchen, wie Moleschott annimmt, als in dessen lufreinigenden Eigenschaften: In ver¬ 
dorbener sonnenloser Luft oberflächliche Athmung, geringer Anreiz zur musculären Thä- 
tigkeit, daher Anhäufung der Kohlensäure im Blut, welche ein weiteres Moment zur Ver- 
lapgsamung und Oberflächlichkeit der Athmung liefert, daher geringe Aspirationswirkung 
auf die Fortbewegung des Venenblutes — geringer arterieller — hoher venöser Druck, 
daher passive Stauung im Venen- und Lymphgefässsystem — Randstellung der farblosen 
Blutkörperchen in den Gefässen — Auswanderung — Anhäufung derselben in den Gewe¬ 
ben, besonders den Lymphdrüsen (scrophulöse Drüsenschwellung) , Eintrocknung, Ver¬ 
käsung — Fortschwemmung und Ablagerung durch den kleinen Kreislauf in den Lungen- 
capillaren, wo sie neuerdings Stauung der Auswanderung farbloser Blutkörperchen, damit 
Phthise und Tuberculose veranlassen. — Ferner beweist er, dass ein Zurücktreten der 
inspiratorischen Athmungsleistung gegenüber der exspiratorischen Stauung im Gebiete des 
kleinen Kreislaufes und daherige Lungenhyperämie erzeuge — daher die Prädilection der 
Lungenspitzen für chronische Entzündung, weil in diesen die inspiratorischen Excursionen 
geringer, als in den übrigen Lungenpartien. — Das Rösumä der Abhandlung lautet, nach 
des Verfassers eigenen Worten: „Der träge Stoffwechsel ist die Ursache der Entstehung 
der Scrophulose und der Lungenschwindsucht.“ — Er verlangt daher, um der Prophylaxe 
zu dienen, Steigerung desselben: viel körperliche Bewegung — viel essen — Aufenthalt 
in CO a -armer Luft, viele Sinnesreize (Zerstreuungen), namentlich Sonnenlicht, Entziehung 
von Körperwärme durch leichte Kleidung, kalte Bäder, Abwaschungen, Douchen — Auf¬ 
nahme von viel kalter Flüssigkeit (Bier). M. 

Aerztlicher Bericht Uber die Irrenabtheilung des BUrgerspitals in Basel vom Jahre 1879. 

Verfasst von Prof. L. Wille und H. Widmer y Assistenzarzt. Basel, Riehm. 

36 8eiten und 18 Tabellen. 

Es wurden im Ganzen 99 Männer und 71 Frauen behandelt, wovon 75 M. und 4t F. 
frisch aufgenommen waren; 68 M. und 43 F. wurden entlassen, so dass das Berichtsjahr 
mit 31 M. und 28 F. abschloss, einer bis jetzt noch nicht erreichten Zahl. Die Ueber- 
füllung macht sich, trotzdem, was möglich, abgeschoben wird, auch hier geltend, und 
verlangt dringend nach Abhülfe. Der Bericht der „Commission für Irrenschutz“ 
an die E. E. Gesellschaft des Guten und Gemeinnützigen (Basel, Schweighauser, 1880) 
schlägt auch einen Neubau für 160—180 Patienten vor, was der Bevölkerungszunahme 


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Basels entsprechen wQrde. Als Platz ist eine dem Spitale gehörende Liegenschaft auf 
dem Nordwestplateau in Aussicht genommen. 

Trotz der ungünstigen baulichen und hygieinischen Verhältnisse konnten 70% der ' 
Aufgenommenen geheilt oder gebessert entlassen werden, wovon allerdings eine ziemliche 
Zahl Alcoholiker und Epileptiker sind. 

In den Tabellen wurde der Erblichkeit, als wichtigstem prädisponirendem Elemente, 
eine besondere Berücksichtigung geschenkt 60% der aufgenommenen Männer und 08% 
der Frauen waren erblich belastet, und es genasen von diesen auch mehr als von den 
nicht erblichen Fällen. 

Dem Anstaltsberichte folgt eine Abhandlung über No-restraint, welche die persönlichen 
Erfahrungen von Prof. Wille in beachtenswerter Weise gibt. Mit Recht sucht derselbe 
den Kern des No-restraint darin, dass das ärztliche Denken und Handeln an die 8telle 
von Zwangsmaassregeln zu treten habe. Wenn auch der No-restraint überall durchführ¬ 
bar sei, so bedürfe es doch, um ihn nutzbringend zu machen , gewisser Bedingungen, 
nämlich gutes Wartpersonal, genügend Raum, und besonders Wach- und Beobachtungs¬ 
stationen, welche frisch und activ werdende ältere Fälle der speciellen ärztlichen Behand¬ 
lung zugängig machen. G. Burckhardt . 


Lehrbuch der Hautkrankheiten. 

Von Dr. Isidor Neumann , a. ö. Prof. etc. V. Auflage. 108 Holzschn. und 1 lithogr. Tafel 

Wien, 1880, W. Braumüller. 667 8. 

Es kann nicht meine Sache sein, eine eingehende Kritik dieses Lehrbuches, das in 
kaum 10 Jahren fünf Auflagen erlebte, zu schreiben. Doch darf ich mit gutem Gewissen 
sagen, dass der practische Arzt und der reifere Student in ihm eine kritische, eingehende, 
objective und sehr anschauliche Schilderung der Lehre des heutigen Standpunctes der 
Hautkrankheiten findet. Dabei sind die Aetiologie, die Anatomie und namentlich auch 
die Therapie in klarer und erschöpfender Weise berücksichtigt. 

Ich habe den Band, der sich bewältigen lässt, nie ohne Befriedigung aus der Hand 
gelegt. 

Die Ausstattung ist sehr schön: Papier, Druck und namentlich die Holzschnitte sind 
vorzüglich. A. Baader . 


Die Gesellschaft und ihre Geisteskranken. 

Ein Wort für gebildete Laien und für Aerzte von H. Maron, Dr. phil. 

Leipzig, bei Böhme, 1881. . 

Der Verfasser hat in dem 54 Seiten fassenden Schriftchen die einzelnen Aufsätze, 
die er früher . über diesen Gegenstand im Berliner Tageblatte hatte erscheinen lassen, 
gemeinsam veröffentlicht. Er behandelt darin in geistreicher Weise und frischer Schreib¬ 
art alle diejenigen Verhältnisse der Geisteskranken, die dem Laien zu wissen nöthig sind, 
um sich unter Umständen selbst in passender Weise helfen, oder Andern einen richtigen 
Rath ertheilen zu können. 

Eine sehr practische Beigabe ist die Anführung der civilrechtlichen gesetzlichen Be¬ 
stimmungen , wie sie in einem grossen Theile PreuSsens Geisteskranken gegenüber in 
Anwendung kommen. 

Das Schriftchen enthält so viel Brauchbares, dass es nicht nur den Laien, sondern 
auch den practischen Aerzten mit gutem Gewissen zum Lesen empfohlen werden darf, 
wenn auch mancher der in ihm ausgesprochenen Gedanken seine Abstammung von einem 
Laien, wenn auch einem sehr gebildeten, nicht verkennen lässt. L. W. 


Beitrag zur Beurtheilung der Hydro- und Pneumotherapie. 

Von Dr. v. Corval f dirig. Arzt der Curanstalt Bchöneck am Vierwaldstättersee. 

Aus der Sammlung klin. Vorträge von R . Volkmann . 

In Wirklichkeit ein Bericht über die Saison 1879 in Schöneck ; 196 registrirte Krank¬ 
heitsfälle, 53 Heilungen, 117 Besserungen, 26 ohne Erfolg. M. 


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Cantonale Coirespondenzen. 

Basel« Ishalationsapparal Excelslor von Zembsth. Mit Nachstehen¬ 
dem erlaubt sich der Unterzeichnete die ärztlichen Collegfen auf einen neuen In¬ 
halationsapparat (richtiger: Exhalations- 
apparat; vergl. nebenstehende Abbildung) 
für Asthmatiker (zur Ausathmung in 
verdünnte Luft) aufmerksam zu ma¬ 
chen , der aus der Fabrik und perma¬ 
nenten Maschinenausstellung von A. Zembsch 
zu Worms a. Rh. stammt und von daher 
für den Preis von 40 Mark erhältlich ist. 
Die relative Einfachheit desselben empfiehlt 
denselben für den Practiker, so oft cs sich 
um die erwähnte therapeutische Indication 
handelt. 

Dieser Apparat ist in einem EiBengestell 
montirt, welch’ letzteres aus 4 Traversen, 
die in Eisenringe angeschraubt, besteht. 
Am vordem Theilo ist an einer Traverse 
eine Scala mit angeschlagenen Zahlen von 
10 — 40 versehen. Das Herablassen und 
Aufziehen des Apparats wird durch eine 
Aufwindevorrichtung bewirkt, so dass der 
Apparat ohne Mühe aufgezogen werden 
kann und ist die Handhabung sehr be¬ 
quem. Der Apparat aus feinem präpa- 
rirtem Leder hergestellt, schliesst herme¬ 
tisch, so dasB derselbe bei einer Belastung 
von 100 U um keinen Millimeter fällt. An dem obern Theil desselben befindet sich eine 
Messingkapsel, in der eine äussere Verbindung, an welche der Gummischlauch angebracht, 
ebenfalls hermetisch schliesst; das Mundstück besteht aus Blech, ist zum hermetischen 
Anschlüssen an den Mund mit Gummi überzogen. An dem untern Theil des Apparats 
befinden sich die Gewichtsplatten, welche im Anfang des Gebrauches mit leichten und 
später mit schweren Platten versehen werden, um einen schnellem Fall des Apparats zu 
erzielen. 

Für den Gebrauch empfiehlt sich natürlich, dass der Patient jedes Mal zuvor tief 
inspirirt, nachdem anfänglich der Apparat vermittelst Kurbel aufgewunden, und der Ein- 
schnapper am Schalträdchen nach rückwärts gelegt ist. Ferner muss sofort nach jeder 
Ausathmung mit dem Finger der Gummischlauch in der Nähe des Mundstückes fest zu¬ 
sammengedrückt werden. 

Der Apparat befindet sich seit einiger Zeit in dem Besitze der Klinik des Unter¬ 
zeichneten und hat derselbe den Erwartungen, die sich an seine Construction knüpfen, 
durchaus entsprochen. 

Basel, März 1881. H. Immermann, Professor. 

Zürich« Wenn unser politischer Thermometer die Ruhe vor dem kommenden 
Sturm — Maiwahlen — signalieirt, so ist dagegen in der medicinischen Welt Zürichs 
zur Zeit eine aussergewöhnliche Regsamkeit zu beobachten. Unsere medicinische 
F a c u 11 ä t verliert zwei hervorragende Repräsentanten und wollen Sie einem Schüler 
der Herren Prof. Rose und Eberlh , von denen der Erstere einem Ruf an’s Krankenhaus 
Bethanien in Berlin, der Letztere einer Berufung nach Halle Folge leistet, es gestatten, 
in Ihrem geschätzten Blatte den Scheidenden den Dank und die Anerkennung ihrer ehe¬ 
maligen Schüler auszusprechen und die besten Wünsche für den neuen Wirkungskreis 
darzubringen. Als Nachfolger obiger Herren sind designirt Herr Prof. Krönlein in Berlin 
für den chirurgischen, Herr Prof. Ziegler in Freiburg i. B. für den pathologisch-anatomi¬ 
schen Lehrstuhl. Mögen sie einer gesegneten Wirksamkeit entgegengehen Ist auch die 
Wissenschaft universell, so dürfen wir uns doch darüber freuen, dass beide Neugewählte 

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Landsleute sind, und damit neuerdings der Beweis erbracht ist, dass es uns auch am 
nöthigen wissenschaftlichen Holz nicht fehlt, sobald der Papa Staat ernstlich gewillt ist, 
das eigene Gewächs ebenso hoch zu schätzen, wie er sonst nur das fremde zu schätzen 
geneigt war. * 

Die medicinische Facultät hatte in letzter Zeit wiederholt ihr Gutachten darüber 
abzugeben, ob es mit den Interessen der medicinischen Lehranstalt vereinbar sei, dass 
das Gemeindespital in Winterthur zu einer cantonalen Öpitalanstalt erhoben 
werde. Ueber die ergangenen Voten verlautet nichts Positives. 

Nach gefälliger Mittheilung des Spitalarztes Herr Dr. Ziegler in Winterthur wurden 
im dortigen Einwohnerspital im Jahre 1880 im Ganzen 744 Patienten mit 17,080 Pflege¬ 
tagen behandelt Es scheint zur Zeit keine Tendenz zur Uebernahme dieser schönen 
Spitalanstalt durch den Staat vorzuwalten. Etwas anders dürfte sich dieses Project ge¬ 
stalten, wenn dereinst die Frage der Weiterentwicklung der staatlichen 
Krankenpflege zur positiven Lösung kommt In dieser Angelegenheit wurden in 
letzter Zeit von der Arbeiterpartei und von der gemeinnützigen Gesellschaft des Cantons 
Zürich Schritte gethan, welche nach vorherigen separaten Berathungen zu gemeinschaft¬ 
lichen Commissionssitzungen führten, in welchen Männer der verschiedensten politischen 
Richtungen und ebenso verschiedener socialer Stellung ganz friedlich beriethen. Nach 
mehrfachen Sitzungen und Pourparlers wurde von Dr. Rohrer in Neumünster folgende 
Discussionsvorlage gemacht: „Vorschläge zur Verwirklichung staatlicher 
Krankenpflege. Fundamentalsatz. Die Einführung unentgeltlicher Krankenpflege 
für alle Bedürftigen, bezw. die sie beanspruchen, ist principiell richtig und durch¬ 
führbar. 

Anträge zur Ausführung dieses Grundsatzes: 

1) Die Spitalanstalten sind zu decentralisiren. 

a) Soweit das Bedürfniss vorhanden, sind vom Staate „Bezirksspitäler* zu 
errichten. 

b) Unter Mitwirkung von Staat, Gemeinden und Privaten sind wo immer nöthig für 
einzelne Gemeinden oder für mehrere zusammen „Gemeindekrankenasyle 0 oder 
sogen. „ Nothfallstuben 0 einzurichten. 

c) Unter Mitwirkung von 8taat und Gemeinden sollen überall, wo die örtlichen Ver¬ 
hältnisse es wünschbar erscheinen lassen, Polikliniken — unentgeltliche öffentliche 
Ordinationsinstitute; public Dispensarys — eingerichtet werden, welche Jedermann un¬ 
entgeltlich ärztlichen Rath ertheilen und da, wo es nöthig ist, bezw. beansprucht 
wird, auch die Medicamente unentgeltlich verabfolgen. 

d) Mit den unter a, b und c genannten Einrichtungen sollen zweckentsprechende 
„Krankenmobilien-Magazine 0 verbunden sein — Utensilien zur Krankenpflege. 
Wo dies wünschenswerth erscheint „Eisdepots 0 . 

e) Der Staat errichtet beförderlichst ein „Asyl für unheilbare Kranke 8 — 
Krebsleidende u. s. w. und sorgt durch vollkommen genügende Neubaute in „Rheinau 0 
dafür, dass der cantonalen Irrenanstalt Burghölzli der Character einer 
Heilanstalt gewahrt bleibe, indem er die Aufnahme acuter Geisteskranker 
— frische Erkrankungen — in dieselbe erleichtert und den nöthigen Raum hiefür 
durch Unterbringung der Unheilbaren in den erweiterten Räumlichkeiten von Rheinau 
schafft. 

2) Es ist in den entsprechenden höhern Schulabtheilungen ein all¬ 
gemein fasslicher Unterricht im Fache der Gesundheitslehre — 
„Hygieine 0 — einzuführen, und sind die Mädchen der entsprechenden Altersstufe 
zudem in den elementaren Grundsätzen der Krankenpflege zu unter¬ 
richten. 

3) Das Krankencassenwesen ist staatlich zu organisiren. 

a) Einheitliche Statuten. Solidarität und Freizügigkeit aller Theilnehmer. 

b) Materielle Bethätigung von 8taat, Gemeinden und Privaten. 

c) Obligatorium des Beitrittes, soweit es wünschbar und thunlich. 

d) Vertragliche Regulirung des gegenseitigen Verhältnisses zwischen Krankencassen 
und Aerzten durch Vermittlung des Staates. 

4) Uebernahme der B e g r ä b n i s sk os t e n durch die Gemeinden. 


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Thätigkeit der Polikliniken in Zürich, Winterthur und Rieebach. 

Kranke Consultationen Medicamente 

Med. Poliklinik der Universität Zürich 1880 4230 Über 12,000 7761 unentgeltlich. 

„ in Winterthur*) 1879 382 846 502 „ 

* * Riesbach 1880 670 _ 1517 _ 302 „ 

Total 5182 14,363 8555 unentgeltlich. 

Ein schöner Anfang unentgeltlicher staatlicher Krankenpflege. 

Bei allem Respect vor den humanen Absichten einer unentgeltlichen staatlichen 
Krankenpflege müssen wir mit grossem Bedauern die wahrhaft penible „Stellung der 
Aerzte zum Staate Zürich" anführen. Noch immer stehen die Aerzte rechtlich 
unter dem Wortlaut des Gesetzes vom Jahre 1847, das den Aerzten mit dem Danaer¬ 
geschenk eines illusorischen Patentschutzes und einer in ihren Consequen- 
zen und Clauseln werthlosen Priorität ärztlicher Forderungen in 
Concursfällen, nicht unerhebliche Pflichten auferlegt. Wir nennen hier den 
Z w a n g zur ärztlichen Hülfe, den Zwang einer armenärztlichen Taxe, welche stellen¬ 
weise auf dem Niveau der „Packträgertarife" sich bewegt, den Zwang einer in Rechts¬ 
fällen verbindlichen allgemeinen Taxe für die Aerzte, die gänzlich antiquirt ist. So muss 
es denn auch nicht Wunder nehmen, wenn die Redactionscommission zum Entwurf eines 
neuen Gewerbegesetzes bei Formulirung der Paragraphen über obligatorische Kranken- 
casseo folgenden § 16 zuwege brachte: 

§ 16. Wenn die Verwaltung der Krankencasse die Bezahlung garantirt, so dür¬ 
fen die Aerzte nur die Armen taxe für ihre Arbeit verrechnen. 

Das war denn doch den Herren Collegen der Bezirke Winterthur und Andelfingen . 
zu starker Tabak. Sie discutirten die Sachen in den ärztlichen BezirkBvereinen und be¬ 
riefen eine Delegirtenversammlung von Aerzten aus allen Bezir¬ 
ken nach Zürich, welche beschloss, einen ausserordentlichen Aerztetag von sich 
aus zu veranstalten, um gegen solche Vergewaltigung des ärztlichen 
Standes zu Händen des Cantonsrathes wirksamen Protest zu erheben 
und zugleich die Frage einer Revision der Taxordnung zur Besprechung zu 
bringen. 

Die ärztliche Gesellschaft von Zürich und Umgebung beschloss dagegen letzter Tage, 
der Einladung zu diesem Aerztetage keine Folge zu geben, indem die ganze Sache vor 
die cantonale ärztliche Gesellschaft gehöre und die eingeleitete energische Stellungnahme 
zur Wahrung des Interesses des ärztlichen Standes nicht so pressire. 

Wir bedauern aufrichtig, dass die ärztliche Gesellschaft unserer Residenz wegen 
einer E tikettenfrage ihre Mitwirkung bei einer Action versagt, wo es sich um die 
moralische Vertheidigung der angetasteten bürgerlichen Rechte des Arztes handelt. Auch 
dürfte ein rasches Auftreten nicht überflüssig sein, da das Gewerbegesetz schon in der 
nächsten Sitzung des Cantonsrathes zur Berathung kommt, — also im März oder April. 
Aequara. servare memento rebus in arduis mentem. 

Ein freundlicheres Bild gewähren die Bestrebungen für Gründung einer „confes- 
sionslosen Bildungsanstalt für Krankenpflegerinnen". Die Samm¬ 
lung für Gründung derselben ist nach geil. Mittheilungen von Herrn Pfr. Bion in Zürich 
im besten Gange. Stadt und Canton Zürich, Thurgau, St Gallen, überhaupt die Ost¬ 
schweiz, haben ihre Theilnahme an dem schönen Werk bereits durch namhafte Beiträge 
documentirt, und steht zu hoffen, dass die nöthigen Mittel, um das Werk in Angriff zu 
nehmen, in einigen Monaten zusammen kommen. Anerbietungen für ein passendes Ge¬ 
bäude liegen bereits vor. 

Möchte durch Revision unseres wirklich antiquirten Sanitätsgesetzes gelingen, den 
Interessen des Staates , der Bürger, und auch der Aerzte mehr als bisher gerecht zu 
werden. Möchten auch Aerzte und ärztliche Gesellschaften unter Vermeidung aller pri¬ 
vaten Nebenrücksichten sich in dem Bestreben zusammenfinden, und einmüthig dafür 
einstehen, dass dem Arzte und dem ärztlichen Stande jene Stellung im bürgerlichen 
Leben gewahrt bleibe, die ihm von Rechtens wegen gebührt. Fiat. 


*) 1880 etwas mehr, Bericht noch nicht erschienen. 


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Relaeplanderelen. 

I. 

Fünf Winter in Italien zugebracht zu haben, ohne je in Rom und Neapel gewesen 
zu sein, gebt eigentlich „über’s Bohnenlied“ und könnte ja fast als Geringschätzung des 
Schönen und Classischen gedeutet werden. Auch habe ich mich endlich für diesen Win¬ 
ter frei und ledig, ohne jegliche curärztliche Verpflichtung gehalten, um einmal den 
lange gehegten Plan , jene beiden Städte, die Sehnsucht des Nordländers, zu besuchen, 
zur Ausführung bringen zu können. 

Bekanntlich führen alle Wege nach Rom und so fuhr ich denn in erster Linie nach 
Davos, dem Mekka so vieler Brustkranken, das ich auch noch nie gesehen hatte , was 
vom Standpunkte des Specialisten aus eine noch viel grössere Unterlassungssünde war, 
als der Nichtbesuch der „Eterna“. Dr. Baader erzählt in seinem Briefe aus Klosters — 
Corr.-Bl. X. Jahrg. Nr. 21 —, es sei möglich, in einem Tage von Basel nach Davos zu 
kommen. Mir selbst gelang dieses Kunststück nicht einmal von Zürich aus. Als ich 
Anfangs October, dem Eisenbahnbüchlein vertrauend, gegen 2 Uhr Nachmittags in Land¬ 
quart eintraf, um mit dem um 2 Uhr von dort abfahrenden Postwagen das Prättigan 
hinauf weiter zu reisen, musste ich zu meinem grössten Verdrusse vernehmen, dass, ganz 
im Stillen und gegen alle Verabredung mit dem Cursbuche, schon seit ca. 14 Tagen die 
Nachmittagspost nicht mehr „gehe“. Ich fuhr also nach Chur und von da aus den fol¬ 
genden Morgen die steile Bergstrasse hinan gegen Churwaiden, den im Sommer vielbe¬ 
suchten Luftcurort Nun, luftig war’s da droben ; ein starker Wind blies dichte Staub¬ 
wolken das Thal hinan , was indessen nicht hinderte, die zur Aufnahme von Curgästen 
hergerichteten schmucken Gasthäuser und Pensionen, sowie einige Promenadenanlagen 
in's Auge zu fassen. Drüben über dem Bergsattel und auf der Lenzerhaide ward es 
ruhiger» Ein herrliches Landschaftsbild entrollt sich da auf der Fahrt nach den an stei¬ 
ler Halde, hoch über dem engen Thalgrunde liegenden Dörfchen Schmitten und Wiesen. 
Von Wiesen führt die wohlgebaute Strasse in einigen kühnen Kehren hinab zum Land¬ 
wasser und diesem entgegen, durch wilde Schluchten, den „Zügen“, hinauf in die Land¬ 
schaft Davos. 

Davos-Platz hat sich in erstaunlich kurzer Zeit vom bescheidenen Bergdorfe zu 
einer schmucken Villa- und Hötelstadt entwickelt Alles was Gsell-Fels und jüngst noch 
Baader über die guten Einrichtungen der dortigen Hötels und Pensionen gesagt haben, 
kann ich, soweit ich sie gesehen, nur bestätigen. Schade nur, dass viele dieser vorzüg¬ 
lichen Einrichtungen nicht „Selfactors“ sind. Ich habe in einigen Räumen trotz aller 
Lüftungsvorrichtungen sehr durch die Heizluft gelitten , nur weil die Klapp- und Dreh¬ 
fenster den Verstand nicht hatten, im richtigen Augenblick in Function zu treten, viel¬ 
mehr eigensinnig geschlossen blieben, weil Niemand zugegen war, der die entsprechenden 
Anordnungen getroffen hätte. GewisBermaassen überrascht war ich auch davon, dass in 
einigen Hötels die Hauptmahlzeit auf den Abend verlegt worden war. Vorgeblich ist es 
der „jour mädicai“, dieser „dümmste Begriff, welchen noch Prasoccupation und Schablone 
erfunden haben“ — Rohden , Beiträge zur rationellen Phthiseotherapie in Briefen an Dr. P . 
Dettweiler —, der auch in Davos wie an der Riviera diese Verkehrtheit zu Stande gebracht 
haben soll, ln Wirklichkeit aber wird wohl die weltbekannte Condescendenz gegen eng¬ 
lische Gewohnheiten beschuldigt werden müssen. Da Davos seit einiger Zeit auch zum 
Stelldichein billigen Wintersport suchender Engländer geworden zu sein scheint, so durfte 
es ja gar nicht fehlen, dass das Diner auf den Abend verlegt werden musste. So sind 
die Kranken, die wirklichen Curanden gezwungen, zur Zeit ihrer höchsten Eigentempera¬ 
tur in grosser Gesellschaft und in geschlossenen, durch Ofen und Gasliohter geheizten 
Speisesäälen ihre Hauptmahlzeit einzunehmen. Ist das wirklich rationell und wiegen die 
daraus den Kranken für den ganzen Abend und die Nacht erwachsenden Nachtheile nicht 
zehnfach den Vortheil auf, welchen ein über Mittag vielleicht eine Viertelstunde längeres 
Verweilen im Freien bringen kann? Sitzen denn in Davos die Curanden nach dem Lunch 
nicht auch zum Kaffeeskat oder zur, für jegliche äussere Einwirkung unempfindlich ma¬ 
chenden Schachpartie zusammen, oder gehen sie nicht auch iu’s Zimmer , um von den 
Anstrengungen des Vormittags sich etwas auszuruhen? Dort wie überall wird eben die 
Mittagszeit im Leben des Curgastes eine Zeit der Ruhe bedeuten, und werden die An¬ 
strengungen ganz vergebens sein , mittelst Verschrumpfung des Mittagessens zu einem 


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mehr oder weniger magern Lunch, denselben um so eher wieder in’s Freie treiben zu 
wollen. Freilich, wenn es sich um Engländer handelt, vermögen bei Gastwirthen solche 
Motive und Erwägungen schwer durchzudringen oder Stand zu halten, kommt es doch 
genugsam vor, dass in Curhötels der Riviera an Sonntagen auch dann erst um 1 Uhr 

— statt um 12 Uhr — zum Gabelfrühstück geläutet wird, wenn auch kein einziges eng¬ 
lisches Bein im Hause wohnt. Es geschieht den Engländern zu Liebe, welche ja mög¬ 
licherweise hätten da logiren und um 11 Uhr zur Kirche hätten gegangen sein können, 
denn Kirchenhocker — rigid Sunday church goers — sind sie ja alle. 

Es ist übrigens zu bezweifeln, dass das englische Element mitsammt den „Wilden“ 

— Curanden auf eigene Faust — anderer Nationen dem Curorte auf die Dauer von 
wirklichem Nutzen sein werden. Wohl nur dieser flottanten Curbevölkerung zu Gefallen, 
gibt es „Frühstücksalons“ und wird in Allerneuester Zeit auch an Errichtung eines Tingel¬ 
tangel gearbeitet. Baader hatte offenbar nicht Unrecht, als er schrieb — 1. c. —: „Der 
Curand muss wissen, was er will; sonst geht er trotz der trefflichen Einrichtungen der 
Hötels und der grossen Auswahl an Aerzten unter.“ Davos mag sich im Interesse seiner 
Curerfolge davor hüten, ein Hochgebirgs-Nizza zu werden. Die Hausbesitzer, Wirthe 
und Krämer werden freilich nicht meiner Meinung sein; desto mehr fühle ich mich in 
Uebereinstimmung mit den dortigen Collegen. 

Der liebenswürdigen Gastfreundschaft eines gemeinsamen Patienten verdanke ich es, 
in Gesellschaft mehrerer derselben einen sehr angenehmen Nachmittag verlebt zu haben. 
Was haben sich Curärzte nicht alles zu erzählen ?! 

Man hat den Davoser Aerzten schon oft und viel den Vorwurf gemacht, es bis anhin 
unterlassen zu haben, Über ihre Curerfolge Rechenschaft abzulegen. Man möchte 
endlich einmal vernehmen, „was eigentlich dran sei“. Dass „etwas dran“ ist, an 
diesen Wintercuren im sonnigen Hochthale, das muss sich wohl ein Jeder gestehen, 
der Davos besucht und von der von Jahr zu Jahr steigenden Frequenz des Curortes 
Kenntniss nimmt. Es ist doch kaum denkbar, dass alljährlich Hunderte von Patienten 
einer blossen Theorie zu lieb sich in Schnee und Eis gegen die ganze übrige Welt ab¬ 
kapseln würden, wären nicht positive Erfolge da, welche dazu aufmuntern könnten. Sollten 
aber mit den gewünschten Aufschlüssen statistische Nachweise gemeint sein, wie wir 
solche ab und zu aus Curanstalten und Bädern zu Gesichte bekommen, so dürfte eine 
derartige Bearbeitung der Davoser Curresultate ihre grossen , ja unüberwindlichen 
Schwierigkeiten haben. Einmal ist das Beobachtungsmaterial in den Händen Mehrerer 
zerstreut und das Zusammenfassen und die einheitliche Bearbeitung desselben bei dem 
leider etwas losen Zusammenhang unter den in Davos practicirenden Aerzten eine Sache 
quasi der Unmöglichkeit Man braucht sich z. B. nur zu fragen, wessen Maassstab bei 
Beurtheilung der einzelnen Erfolge, resp. Misserfolge in Anwendung zu kommen hätte. 
Dann müsste doch wohl, wenigstens in Saisonberichten, die Rubrik „geheilt“ für eine 
zukünftige, epikritiscbe Eintragung offen gelassen werden, denn welcher gewissenhafte 
und erfahrene Arzt möchte sich vermessen, nach einer blos nach Wochen oder Monaten 
zählenden Beobachtungszeit diese Colonne mit Phthisisfällen aufputzen zu wollen ?! Sta¬ 
tistische Tabellen aber, welche vernünftigerweise nur die Rubriken „gestorben“, „ver¬ 
schlimmert“, „ohne Erfolg“ und „gebessert“ oder „angeheilt“ enthalten könnten, und 
wäre die Zahl der auf die letztere Rubrik Fallenden auch noch so ansehnlich, würden 
bei dem grossen Publicum — und dieses hat in solchen Dingen auch seine Bedeutung — 
kaum grossen Beifall Anden und schwerlich zum Besuche des Curortes aufmunternd wir¬ 
ken. Das grosse Publicum ist heutzutage auf allen Gebieten an rasche Erfolge gewöhnt 

— man denke z. B. an den grossartigen Aufschwung, welchen die Innsbrucker Bacterien- 
massenmorde, resp. Schnellcuren der Phthise den Handel mit Natr. benzoic. nehmen 
Hessen — und ist mit seinem abfälligen Urtheile bald fertig, wenn es auf die Zukunft 
vertröstet wird. Und doch ist man ja gerade in unserm Falle den zunächst dabei be¬ 
theiligten Kranken gegenüber auf Vertröstungen angewiesen. Wenigstens kenne ich 
kaum etwas für den gebesserten oder „angeheilten“ Phthisiker Nachtheiligeres, als wenn 
ihm zu bald der Glaube an eine erlangte definitive Heilung beigebracht wird. Denn auch 
der geheilte Phthisicus ist und bleibt ein Invalide, ein Invalide, „der ausser 8tand ist, 
die Missstände des heutigen Lebens, zeitweise Ueberanstrengung am Schreibtische, im 
Comptoir und im Salon, Ueberfütterung und Uebertrinken, überhaupt jedes Uebermaass, 


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wie es das moderne sociale Getriebe von seinen Menschen zeitweise verlangt, schadlos 
auszuhalten.“ In diesem Sinne entlässt der erfahrene Rohden seine Gebesserten und An¬ 
geheilten und wenn sie in diesem Sinne handeln, so kommen sie ihm nach Jahren als 
wirklich Geheilte wieder, sonst nicht. Es stimmt dieses vollständig mit meinen Er¬ 
fahrungen. Auch suche ich, nicht nur den etwaigen Enthusiasmus meiner Phthisiker Ober 
eine glücklich verlaufene Weissenburgcur im Allgemeinen möglichst zu dämpfen — nicht 
selten eine recht undankbare Aufgabe —, sondern bemühe mich auch ganz speciell, den¬ 
selben aufs nachdrücklichste klarzulegen, dass eine nur nach wenigen Wochen zählende 
Cur, und sei dieselbe noch so erfolgreich, unmöglich eine , sofortige definitive Heilung 
herbeizuführen im Stande ist Vielmehr könne es sich auch im glücklichsten Falle mehr 
nur um eine, allerdings oft entscheidende Anregung des Heilungsprocesses, eine „An¬ 
heilung“ handeln , welche in eine wirkliche Heilung überzuführen eine stete 8orge des 
Curanden selbst bleiben müsse, und dass eben sehr viel davon abhange, ob nach 
erhaltenem Anstosse dem Fortgange des Heilungsprocesses durch ein richtiges Verhalten 
die Wege geebnet würden oder nicht. Ich glaube damit im doppelten Interesse sowohl 
des Kranken als des Curortes selbst zu handeln. Wie oft geschieht es nicht, dass bei 
gegentheiligem Verfahren die „Geheilten“ jämmerlich Schiffbruch leiden und damit auch 
die betreffenden Curmethodcn verdient und unverdient der Lächerlichkeit preisgegeben 
werden? Geheilte dieser Art habe ich zur Genüge in spätem Perioden ihres Daseins 
angetroffen. Der erste Fall, den ich im Beginne meiner special&rztlichen Wanderungen 
sah, betraf einen durch die atmiatrische Methode auf anstrengenden Gebirgstouren im 
Tyrol von Lungenblutungen angeblich definitiv geheilten jungen Gelehrten, der aber we¬ 
nige Monate nach seiner urbi et orbi verkündeten „Heilung“ in Pisa wieder ganz bedeu¬ 
tende Blutungen bekommen hatte und dann rasch zu Grunde ging. Solch 9 „Geheilte“ 
glauben eben oft als „Aushängeschilder“ der betreffenden Curorte oder Curmethoden mehr 
leisten zu sollen, als einem ganz Gesunden vernünftigerweise zu leisten einfallen könnte. 

Am wenigsten Anlass zu irrthümlichen statistischen Eintragungen würde die Rubrik 
der Gestorbenen geben. Aber was würde uns diese, gerade in Beziehung auf Davos, 
wohl Besonderes lehren? Doch nur, dass ein Phthisiker auch in dem immunen Hoch- 
gebirgsthale sterben kann. Der neue Kirchhof von Davos ist recht hübsch und in sonni¬ 
ger Lage angelegt, ist auch schon mit einer gewissen Anzahl zierlicher Leiohensteine 
besetzt Zweifelsohne sind dieselben aber weniger den speciellen Einwirkungen des 
Höhenclima’s aufs Kerbholz zu bringen, als dem groben Unverstände, der Kranke auch 
dann noch nach dem Hochthale schickt oder treibt, wenn deren Zustand bereite ein ver¬ 
zweifelter ist. Davos theilt hierin wahrscheinlich das Schicksal auch der südlichen Gur¬ 
orte, nur dass dann im Süden die Leichensteine und was dran und drum hängt etwas 
theurer zu stehen kommen. Das Ableben eines Gastes ist im schönen Süden vielerorts 
eine Art glücklicher Zufall, „une bonne fortune“, für den betreffenden Wirth. Sämmt- 
liche Bettstücke, der Bodenteppich, die Neubepolsterung der Stühle, oft auch die Neu¬ 
beziehung der Zimmerwände mit Tapete, Alles, saramt Miethe für das während längerer 
Zeit unbewohnt zu lassende Sterbegemach wird von gewinnsüchtiger Hand den Angehö¬ 
rigen des Reiseopfers in Rechnung gebracht, obschon acht Tage nachher ein Anderer in 
demselben Zeuge wohnt und schläft. Lange bevor man in ärztlichen Kreisen wieder an 
die Contagiosität der Phthise zu glauben anfing, haben diese Leute aus dem alten Volks¬ 
glauben ihren schönen Nutzen zu ziehen verstanden. 

„Stirbt man auch in Weissenburg?“ frug mich einmal in seiner Herzensangst ein in 
der literarischen Welt geschätzt gewesener Haemoptoikar, als derselbe, kaum angekommen 
und wohl nur in Folge der Reiseanstrengungen wieder Blut zu spucken anfing. Trotz 
des Ernstes der Lage zwang ich demselben ein Lächeln ab, als ich ihn darauf aufmerk¬ 
sam machte, wie lebensgefährlich der Kampf um den Zugang zu Weissenburg sich wohl 
gestalten müsste, wenn dessen Umfriedung eine sichere Schutzmauer gegen den Tod 
wäre. Immerhin ist die Zahl von nur sechs Todesfällen binnen fünf Saisons bei der be¬ 
deutenden Frequenz und einer Anzahl von über 3000 möglichst genau untersuchten und 
controlirten, vielfach sehr schwerkranken Curanden keine sehr drückende. Sie ist es um 
so weniger, wenn die Fälle nicht nur gezählt, sondern auch gewogen werden: 3 Todes¬ 
fälle bei Curanden auf eigene Faust, die sich der ärztlichen Beobachtung von vornherein 
ganz entzogen hatten, die 3 andern bei quasi sterbend Hergebrachten. Aber es wäre 


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ebenso thöricht, die Berechtigung Weissenburgs im Heilapparate der Phthise auf die 
Geringfügigkeit einer Mortalitätsziffer stützen zu wollen, als es sinnlos wäre, wollte man 
behaupten, Davos und Mentone seien zu meiden, weil dort verhäitnissmässig mehr Gräber 
sich öffnen. 

Doch wobin gerathe ich? So geht’s, wenn man im Geiste mit Collegen zusammen¬ 
sitzt und in’s Plaudern kommt 

Mit dem Wetter hatte ich es in Davos schlecht getroffen. Ein laulichter, drückender 
Föhn wehte ziemlich heftig durch's Thal und gab Gelegenheit, die Berechtigung der 
Staubspritze anzuerkennen, bis schliesslich der Himmel sich ihrer, d. h. der Spritze, er¬ 
barmte und eine solche Regenfülle heruntergoss, wie man sie im 8üden kaum dichter 
fallen sieht. Man müsste eigentlich das Hochthal in meinem Winterkleide sehen, fest im 
Schnee liegend, von Sonne übergossen. 

Etwas über zwei Tage war ich in Davos geblieben. Dann ging's südwärts, die 
Züge hinab, wieder hinauf nach Wiesen, dann tief hinunter nach Bad Alveneu, und wei¬ 
ter nach Tiefenkasten und die prachtvolle Sohynsfrasse abwärts bis nach Thusis, auch 
einem Luftcurorte. Erst folgenden Tags war es möglich weiter zu kommen, die Via mala 
hinan nach Splügen und Hinterrhein und die vielen Strassenwindungen hinauf auf den 
Bemhardin. Der kleine See auf der Passhöhe umspühlt ein Inseichen, das einen kleinen 
Pavillon trägt; ein schmucker Kahn ladet zur Fahrt ein. Im Sommer sollen die Curgäste 
von Bernardino fleissig heraufkommen und sich hier ergötzen. 

San Bernardino liegt hart am steilen Südabhange des Passes auf einer weit 
nach Süden vorspringenden, leicht muldenförmigen Hochgebirgsterrasse, von prächtigen 
Waldungen und Wiesen umgeben und besitzt einen gypshaltigen Eisensäuerling. Kommt 
man so frisch von Davos her, so däucht einem San Bernardino wie dazu gemacht, einst 
auch ein Winterhöhencurort zu werden. Es liegt noch etwas höher als Davos, ist nach 
Süden weit geöffnet, gegen Norden wohl geschützt und wird von der Gotthardbahnstation 
Beilenz aus durch’s Misox immer leicht zu erreichen, resp. zu verproviantiren sein. Die 
vorhandenen Gasthöfe sind in Mauerwerk erstellt, haben zum Theil schöne Gesellsohafts- 
räurolichkeiten und wären für den Winter leicht einzurichten. Schliesslich würde die 
Flucht vor der gefürchteten 8chneeschmelze zur gefahrlosen Vergnügungsfahrt durch Ka¬ 
stanienwälder und Weingelände. Die Frühlingscurorte Locarno, Pallanza und Lugano 
sind ja von San Bernardino aus in weniger als einem Tage zu erreichen. 

Lugano liegt in einer der schönsten und lieblichsten Gegenden, die ich je besucht 
habe. Man muss es des Morgens von den Höhen über Gassarate aus sehen, Mittags von 
der Nord westflanke des San Salvatore und Nachmittags von der hoohliegenden Kirche 
von Breganzona aus, um einen gehörigen Einblick in all’ das Schöne und Entzückende 
zu bekommen, welches dieses herrliche Gelände birgt. 

Das Klima ist das mildeste und gleichmässigste, das wir in der Schweiz kennen 
und Nebel soll es auf dem Cerisio gar keine geben. So braucht man nicht gerade Pro¬ 
phet zu sein, um Lugano eine bedeutende Zukunft als Frühlings- und Herbststation Vor¬ 
hersagen zu können. Wenn einmal die Gotthardbahn eröffnet sein wird und die Loco- 
motive durch den Monte Cenere pfeift, und ihrerseits die Luganesen für gute und billige 
Unterkunft und Verpflegung gesorgt haben werden — denn in dieser Beziehung bleibt 
in Lugano noch recht viel zu thun übrig —, so wird den Gurorten am Genfer- und Vier¬ 
waldstättersee in Lugano ein gewaltiger Rivale entstehen. Die Leichtigkeit, mit der man 
bei ein tretendem Winter von da aus die wärmern Gurorte der Riviera erreichen kann, dürfte 
ein Grund mehr sein, im Herbste vornehmlich Lugano, oder überhaupt die Stationen an 
den italienischen Seen aufzusuchen. 

Nizza, den 20. Januar 1881. Schnyder. 


W ochenbericht. 

Schweiz. 

Basel. Irrenhaus Auf Antrag von Hrn. Grossrath Dr. med. Barth hat der Grosse 
Rath beschlossen, die Regierung zu beauftragen, über den Ankauf eines passenden Bau¬ 
platzes für ein Irrenhaus in Unterhandlung zu treten. Das wäre der erste Schritt: Vivant 
et crescant sequentes! 


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— Keuchhiutea. Da zur Zeit der Keuchhusten in der Schweiz verbreitet herrscht, 
wollen wir nicht unterlassen, den Collegen zu sagen, dass sich die (im Corr.-Bl. Nr. 1) von 
Prof. Hagenbach besprochene Therapie sehr bewährt hat. Es kommt aber Alles auf die 
Ausführung an. Das Einblasen muss sehr exact ausgeführt werden und zwar mit 
e^iem passenden Instrumente (Glas- oder Hartgummirohr von ca. 10 cm. Länge mit ge¬ 
krümmter Spitze und hinten mit ca. 50 cm. Caoutchoucschlauch, damit der Arzt freie 
Bewegung behält). Die Zungenwurzel muss tief niedergedrückt werden und bei kleinern 
Kindern das Einblasen während einer Inspiration , bei grössern während eines laut ge¬ 
sprochenen a geschehen. Larynx und Pharynx sollen besprengt sein. Man bläst am 
besten täglich einmal pro dosi ein: Chin. sulf. 0,05, Gummi arab. pulv. 0,1, Na, bic. 0,2, 
gut verrieben, wodurch ein feineres und besser haftendes Chininpulver entsteht. Die ge¬ 
bogene Scbnabelspitze muss im Moment des Einblasens die Zungenwurzel passirt haben. 

Ein gutes Chin. tann. innerlich wirkt ebenfalls exoellcnt: man lässt etwas Alcohol 
(am besten als Malaga) nachtrinken, da dadurch die Resorption befördert wird. Das Pulver 
kann auch in der Milch verabreicht wferdec. 

Bei sehr frequenten Anfällen hilft Bromkali mit Chloral wohl noch am besten. 

Gehelmmittclonwesen* Unter den Geheimmitteln, die in den letzten Wochen 
in unsern Blättern durch breitspurige. Annoncen sich vordrängen, sind es vor Allem drei, 
die immer und immer wieder unter unsere Augen treten. Es sind das die hei Catarrhen 
untrüglichen Voss 'sehen Catarrhpillen, das Shaker-Extract gegen eine 
„alarmirende Krankheit, mit welcher vielzähiige Völkerclassen behaftet sind* (diese 
Krankheit heisst „Leberleiden und dieses einzige und sicherste Mittel trifft die Grundlage 
der Krankheit und vertreibt dieselbe gänzlich durch das ganze System*) und drittens die 
Schweizer-Pillen. „Es ist statistisch festgestellt“, sagt die Reclame der letztem, 
„dass in Folge der heutigen Lebensweise Vs aller Menschen an gestörter Verdauung leiden, 
ohne es zu wissen und nur zu oft durch eigenes Verschulden, durch Unkenntniss, Ver¬ 
nachlässigung, durch Anwendung ungeeigneter oder gar schädlicher Mittel schwere Leiden 
über sich hereinbrechen lassen, wie Hypochondrie, Melancholie, Hysterie, Gicht und Rheu¬ 
matismus, Abmagerung etc. In ganz hervorragender Weise haben sich die stets mit dem 
grössten Erfolg angewandten Schweizerpillen bewährt.* 

Zur grössern Beruhigung des Käufers trägt jede 8chachtel eine rothe Etiquette mit 
dem Schweizerkreuz. (1) 

Mit einem wahren Vergnügen lesen wir nun in der letzten Nummer der deutschen 
Mcdicinalzeitung: 

„Der Apothekerverein des Kreises Elberfeld-Barmen hat auf den Antrag des Herrn 
Kauert beschlossen, in den gelesensten Tagesblättern des Kreises eine Annonce folgenden 
Inhalts zu erlassen: „In neuerer Zeit werden in den öffentlichen Blättern häufig Arznei¬ 
mittel gegen verschiedene Leiden der Menschheit angepriesen und dabei Erfolge verspro¬ 
chen, welche an das Wunderbare grenzen. Zugleich werden in den Iuseraten einzelne 
Apotheken der Nachbarstädte bezeichnet, in denen diese Arzneimittel zu kaufen sind. Es 
muss den Lesern der Zeitungen auffallen, dass diese Wundermittel nur in sehr wenigen 
Apotheken zu haben sind. Die Erklärung hierfür ist einfach die, dass die meisten Apo¬ 
theker dies Reclamewesen mit der Würde ihres Standes nicht vereinbaren können und 
sich nie dazu verstehen werden, Mittel wie Shakerextract, Schweizerpillen, 
Voss’sehe Catarrhpillen etc., die alle möglichen Krankheiten curiren sollen, zu 
führen. Deutscher Apothekerverein. Kreis Eiberfeld-Barmen.* 

Ein so offenes ehrliches Vorgehen der Apotheker selbst gegen die Zumuthung, Ge¬ 
heimmittel feil zu halten, deren Reclame den Stempel frivolen Schwindels an der Stirne 
trägt, muss über kurz oder lang auch bei uns sich Bahn brechen, und mit diesem 
Wunsche sprechen wir den Apothekern von Elberfeld-Barmen unsere volle Anerkennung 
aus für ihren wackern Beschluss. 

Oraabündeil« Dr. med. J. G. Brügger f. Am 28. Januar verstarb in Samaden 
in Folge eines unglücklichen Sturzes der allgemein beliebte Dr. med. J. G. Brügger. Im 
Jahre 1819 in Churwaiden geboren, war der Verstorbene anfänglich für den Militärdienst 
bestimmt, und als ganz junger Mann stand er als Recrut in Bologna beim päpstlichen 
Schweizerregiment von Salis-Zizers. Allein das Garnisonsleben sagte ihm nicht zu, und 
obschon eine rasche militärische Carriöre für den stattlichen, gut empfohlenen jungen 


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Mann durchaus im Bereiche der Wahrscheinlichkeit lag, wandte sich Brügger sehr bald 
der Heimath zu. Vor Allem zog ihn dahin ein edler Wissensdrang: er wollte Studien 
machen und Arzt werden. Nach tüchtigen Vorstudien am Seminar in Chur bezog Brügger 
das Josephinum in Wien und folgte mit Begeisterung den Vorlesungen der Koryphäen 
an der medicinischen Facultät daselbst, Hebra , Scoda, Rokitansky , Jäger sen. u. a. m. Er 
doctorirte sodann in Bern und schuf sich gegen das Ende der vierziger Jahre seinen 
ärztlichen Wirkungskreis in unserm Oberengadinerthale, im Sommer als beliebter Curarzt 
in 8t. Moritz. B . hat ein wesentliches, bleibendes Verdienst an der rationellen und gut 
gelungenen Neufassung der St. Moritzer Mineralquellen, und es wird eine nicht leicht zu 
lösende Aufgabe der Curdirection sein, unsern geschiedenen Collegen in würdiger Weise 
zu ersetzen. 

Was der Verblichene seiner tieftrauernden Familie gewesen, das entzieht sich un¬ 
serer Erörterung; allein das Andenken an den tüchtigen, scharfblickenden, menschen¬ 
freundlichen Arzt, an den theilnehmenden, zuverlässigen Freund , an den geistreichen, 
heiteren Gesellschafter wird lange, lange fortieben in unsern Dörfern; die allgemeine 
Sympathie und die Dankbarkeit Vieler folgen ihm in die Gruft nach! Ruhe im Frieden! 

— Krankenhaus. Der Vorstand der evangelischen Curgemeinde in Davos hat 
seit einer längem Reihe von Jahren die Sorge für Verpflegung schwerkranker Cur- 
gäste ohne Unterschied der Confession und Nationalität als eine seiner wichtigsten Auf¬ 
gaben betrachtet. Die Erfahrung hat ihm nämlich gezeigt, dass das Dienstpersonal der 
Hötels durch seine regelmässige Arbeit zu sehr in Anspruch genommen ist, als dass ihm 
fQr die Fälle schwerer Erkrankung, wo der Curgast bei Tag und Nacht sorgfältiger 
Pflege bedarf , Zeit und Kraft übrig bliebe, ganz abgesehen davon , dass ihm die zur 
Krankenpflege erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten fehlen. 

Um diesem Missstande abzuhelfen , hat sich der Vorstand der Curgemeinde mit der 
Diaconissenanstalt in Carlsruhe in Verbindung gesetzt, und diese Anstalt hat demselben 
seit Jahren immer eine Anzahl von Diaconissen zum Zwecke der Krankenpflege in dan- 
kenswerthester Weise zur Verfügung gestellt. Bei dem raschen Wachsthum des Cur- 
ortes wird es aber den Diaconissen immer schwerer, den Ansprüchen, welche die Kranken¬ 
pflege an sie stellt, zu genügen. So hat denn der Vorstand der Curgemeinde darauf 
denken müssen, auf andere Weise Hülfe zu schaffen. Nach reiflicher Ueberlegung glaubt 
er das beste Mittel hiefür im Bau eines Diaconissenhauses gefunden zu haben, in welchem 
eine grössere Anzahl Schwerkranker Aufnahme finden könnten. Ueberdies werden in 
einem solchen Hause die Kranken viel leichter als in einem Hötel die ihnen bei Tag und 
Nacht nothwendige Ruhe finden, und endlich wird für den Fall, dass am Curorte einmal 
eine epidemische Krankheit ausbrechen sollte, die Bekämpfung derselben bedeutend er¬ 
leichtert, wenn die von der Krankheit Befallenen unverzüglich aus dem Hötel in’s Kranken¬ 
haus gebracht werden können. 

Das Project des Diaconissenhauses hat in weiten Kreisen Beifall gefunden; durch 
Curgäste und Freunde der Sache ist für den Bau die Summe von etwa 50,000 Fr. ge¬ 
sammelt worden. Obwohl dieselbe noch bei Weitem nicht hinreicht, um die Kosten 
eines Baues , der allen an ein Krankenhaus zu stellenden Anforderungen genügte, zu 
decken, hofft der Vorstand der Curgemeinde doch, im nächsten Sommer den Grundstein 
zum Diaconissenhaus legen zu können, indem er darauf rechnet, dass das Davoser Cur- 
publicum auch fernerhin ihm mit seiner oft bewährten Opferwilligkeit zur Seite stehen 
werde. (Davoser Bl.) 

Zürich. Animale Impfung. In Nr. 5 der „Blätter für Gesundheitspflege“ re- 
forirt Dr. H. v. Wyss über die im Sommer 1880 in der städtischen Impfanstalt vorge- 
uommenen Farrenimpfungen. 

„Es wurden von mir persönlich vom Mai bis November 1880 zu wiederholten Malen 
geimpft: 68 Kinder mit Farrenlymphe frisch vom Thier entnommen. Von diesen Im¬ 
pfungen hatten vollständigen Erfolg 58, unvollständigen Erfolg 4, keinen Erfolg 6, 
Summa 68. 

Die Resultate der gleichzeitig von andern Aerzten gemachten Impfungen sind mir 
leider* unbekannt geblieben, die letztem sind aber im Ganzen bedeutend weniger zahlreich 
als die meinigen. 

Eine vollständige Ausnutzung der Impfstoffe, wie ihn die Thiere gaben, hat nur 


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selten stattgefunden. Was die Ausführung der Impfung selbst betrifft, so ist sie etwas 
schwieriger mit frischer animaler Lymphe, da dieselbe niemals reichlich aus den Pusteln 
flieset und fast sofort fest gerinnt. Die Uebertragung hat also sehr sorgfältig zu ge¬ 
schehen und stört Blutung beim zu Impfenden, sowie baldiges Abwischen etc. den Erfolg 
nach unserer Erfahrung leichter als bei der humanisirten Lymphe. 

Was nun die Erfolge mit aufbewahrter Lymphe betrifft, so waren dieselben nach 
drei Tagen beim Thiere etwa bis in die dritte Generation erfolgreich , von da an aber 
blieben sie wirkungslos, und es musste zum Impfen der Thiere wieder Menschenlymphe 
genommen werden. 

Nachdem ich einige Male animale Lymphe gesammelt und abgegeben hatte, und mir, 
ob schon die Impfungen schon nach 2—3 Tagen vorgenommen wurden, Misserfolge be¬ 
richtet wurden, gelangte ich durch eigene Prüfung zu folgendem Resultat: 

Eine Partie tadellosen animalen Impfstoffs aus frisch angeschnittenen Pusteln wurde 
frei von den Gerinnseln mit Aq. dest. und Glycerin ää zu gleichen Theilen ge¬ 
mischt in Röhrchen gesammelt Die Lymphe war ganz klar, kaum hellgelblich. Genau 
24 Stunden später (November) impfte ich damit 16 Kinder. Von diesen hatten nur 2 auf 
jeden Schnitt eine Pustel, 5 auf 6 Schnitte je eine oder zwei kleine Pusteln, die übrigen 
9 gar keinen Erfolg. Diese letztem bekamen, mit gewöhnlicher Menschenlymphe geimpft, 
alle die schönsten Blattern, während eine Impfung der 5 unvollständigen mit derselben 
Menschenlymphe erfolglos blieb. 

Sollte ich danach meine, wie gesagt, noch geringen Erfahrungen resumiren, so würde 
dies etwa so lauten: 

1) Impfung mit direct dem Thier entnommener unvermischter animaler Lymphe haftet 
ebenso sicher, wie diejenige mit humanisirter Lymphe. Die etwas schwierigere Ausfüh¬ 
rung der Impfung erfordert etwas grössere Sorgfalt, und daher sind einzelne Misserfolge 
leicht erklärlich. 

2) Impfung mit selbst nur 24 8tunden aufbewahrter animaler Lymphe ist ganz un¬ 
sicher in den Erfolgen. Theils fehlt ein solcher ganz, theils ist er unvollständig. 

3) Selbst bei unvollständigem Erfolg einer Impfung mit animaler Lymphe bleibt eine 
nachherige Impfung mit humanisirter wirkungslos. 

Sollte es schon gestattet sein, einen practischen Schluss aus diesen Beobachtungen 
zu ziehen, so wäre es der, die Errichtung centraler Impfanstalten zur Versorgung grös¬ 
serer Gebiete mit animaler Lymphe nicht zu befürworten, sondern darauf hinzustreben, 
dass periodische Impfungen von Farren in den einzelnen Gemeinden etwa durch die 
Thierärzte vorgenommen werden behufs Impfung der Kinder mit frischem Stoff direct 
vom Thier. 

Es bleibt noch nachzutragen, dass ich übermässige Reaction bei Impfungen mit un¬ 
verdünnter, reiner animaler Lymphe nie gesehen habe. tf 

Da die Farrenimpfung etwas umständlich ist, bemerken wir, dass sich in Wien 
(Impfanstalt von Dr. Hay) und in Weimar und seiner Umgebung die Impfung der Kälber 
vollkommen eingebürgert und bewährt hat. Bei rationeller Fütterung leidet das Thier 
nicht darunter. 

Herr Director Siegmund , welcher die Impfungen der Farren im basier Schlachthaus 
besorgt, schreibt uns, dass er es für einen Fehler betrachte, „alle Lymphgerinnse) zu 
entfernen, um die Lymphe möglichst rein und klar in die Capillaren einfüllen zu können. 
In den Lymphgerinnseln haften mechanisch festgehalten die meisten Lymphzellen: 
daher der schlechte Erfolg mit der von Ifyss'sehen Lymphe schon am 2. und 3. Tage. 
Ich verreibe die Lymphgerinnsel auf ebener Glasplatte möglichst vollständig, um sie dann 
in die nicht gar zu engen Capillaren einfüllen zu können und habe deshalb mit unserer 
conservirten Glycerinlymphe bedeutend bessere Erfolge erzielt als v. Wyss . 

Aus dem gleichen Grunde gibt die zwischen Glasplatten aufbewahrte animale Lymphe 
bessere Erfolge als die von JFyw’sche.“ 

Wir bitten auch die übrigen Impfinstitute, ihre Erfahrungen über animale Lymphe 
mitzutheilen, so namentlich über die Transportfähigkeit flüssiger Lymphe und über ihre 
Schutzkraft. 

Lausanne. Prflfungssitz für propid.-med. Examen. Der Staatsrath wählte 
soeben Dr. Bugnion in Lausanne zum ausserordentlichen Professor der Anatomie für die 


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219 


propädeutische Facultät der Medicin an der Academie in Lausanne; dadurch tritt nun 
Lausanne in die Reibe der med. Prüfungssitze für propäd. Medicin. 

Ausland. 

Deutschland. Balneologie. Vom 1. Mai bis 30. September 1. J. wird in 
Frankfurt a. M. eine allgemeine deutsche Patent- und Musterschutz-Ausstellung, ver¬ 
bunden mit einer Exposition für Gartenbau, Balneologie etc. stattfinden. 

Der Hauptzweck der internationalen baineologischen Ausstellung ist, das Neueste auf 
dem Gebiete des Badewesens und der einschlägigen Gesundheitspflege zur Anschauung 
zu bringen; sie soll dem Publicum Kenutniss von den Leistungen und Fortschritten in 
den betreffenden Fächern durch den Augenschein verschaffen. Es sollen deshalb in erster 
Linie solche Gegenstände zur Ausstellung gelangen, welche in folgende Specialfächer der 
Balneologie und Gesundheitspflege gehören: Mineralwasser, mit Beigabe der Gebirgsfor- 
mation des Quellengebietes und der letzten Analysen. Die von den Mineralquellen ge¬ 
bildeten natürlichen Quellenproducte, Sinterbildungen, Incrustationen, Schwefelstufen, 
Moorerde, Schlammbildungen etc. Die aus den Quellen bereiteten Präparate: Salze, Lau¬ 
gen, sowie deren Verbindungen mit anderen zu ihrer Darstellung nothwendigen Stoffen: 
Pastillen, Säfte, Spirituosen, Seifen u. A. mit und ohne Verpackung; pharmaceutische 
Präparate zur Förderung der Gesundheitspflege (Kumys, Ol. pini sylv. etc. etc.); diäte¬ 
tische Nahrungsmittel (Cacao , Cacoigna, Fleischextract etc.). Wasserhebe-Apparate, 
Verschluss- und Laufkrahnen, Trinkgefässe, Wasserversendungsgegenstände: Flaschen, 
Krüge, Korke, Verschlusskapseln, Etiquetten, Flaschen-Spül-, Kork- und Verkapselungs¬ 
maschinen etc. Badewannen mit Heiz- oder Wärrneeinrichtungen, für Moor-, Schlamm- 
und Sandbäder, sowie für Partialbäder, event. Modelle. Russische, römische und irische 
Bäder mit den verschiedenen Douchen zu Kalt- und Warmwasser, Wäsche Wärmapparate 
(Modelle), Frottir-Tticher und Frottir-Handschuhe. Inhalationsapparate, Gas- und com- 
primirte Luftbäder. Seebadkarren, Strandschutzhütten, Krankensessel, Trag- und Fahr¬ 
stühle. Apparate zur Anwendung der Electricität, des Galvanismus und Magnetismus zu 
Heilzwecken; heilgymnastische Apparate und chirurgische Instrumente, Verbandstoffe u. 
s. w. Eine Collection solcher, die körperliche Bewegung im Freien fördernde Spiele: 
Cricket, Lawn Tennis, etc. — Seebad- und Spiel-Costüme. Canal- und Abfuhrsysteme. 
Meteorologische Apparate. Situationspläne und Ansichten von Bade- und Curhäusern, 
Trinkhallen. Bildliche Darstellung von klimatischen Curorten. Reliefbilder. Balneolo- 
gische Literatur und Statistik. Alte Geschichte einzelner Bäder, wenn möglich mit Vor¬ 
lage alter Grundrisse, Ansichten und Fundstücke. 

Frankreich. Ueber die gfozliche Vernlchtnog einer kleinen Eskimo¬ 
truppe durch Blattern macht Colin (Annales d’hygi&ne publique, März 1881, pag. 225 
u. ff.) eine interessante Mittheilung, der wir Folgendes entnehmen: 

Die aus 8 Köpfen bestehende Eskimotruppe war in Hamburg am 26. September 1880 
an’s Land gestiegen und hielt sich in der Folge auf: In Berlin vom 18. October bis 19. 
November, in Prag vom 20. bis 30. November, in Frankfurt vom 1. bis 12. Deceraber, 
in Darmstadt vom 13. bis 18. December und in Crefeld vom 18. bis 30. December. 

Offenbar erfolgte die erste Ansteckung in Prag, wo Blattern herrschten ; am 14. De¬ 
cember erlag denselben in Darmstadt ein junges Mädchen mit deutlichem Ausschlag, ohne 
dass irgend welche Maassregeln getroffen wurden. Am 27. December starb in Crefeld 
eine erwachsene Frau unter den Erscheinungen hämorrhagischer Variola ohne Blattern¬ 
exanthem. Bei der Abreise von Crefeld nach Paris Hessen die Eskimos ein erkranktes 
Kind zurück, dessen Leiden beim Spitaleintritt am 30. December als Blattern erkannt 
wurde, ebenfalls mit tödtlichem Ausgang am 31. December. Nun avisirte der Bürger¬ 
meister von Crefeld telegraphisch den Seinepräfecten von der Ankunft der ö übrigen 
Eskimos in Paris. Diese erfolgte am 31. December; am 1. Januar wurden dieselben 
geimpft, leider mit vaccin animal conservö en tubes und ohne Erfolg, so dass nach 5 
Tagen die Impfung wiederholt wurde, ebenso erfolglos. Es erkrankten nun vom 5. bis 
8. Januar alle fünf (3 Männer, 1 Frau und 1 Kind) und endeten alle vor dem 15. Januar 
tödtlich. Colin spricht sich mit berechtigter Entrüstung über die Führer dieser Truppe 
aus und verlangt, dass solche Reisende, deren Empfänglichkeit weder durch Impfung 
noch durch frühere Blatterung in der Heimath vermindert ist, gleich bei der Ankunft in 
einem europäischen Hafen geimpft werden. L. 


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220 


— Obligatorische Impfung. Am 8. März hat die Abgeordnetenkammer den An¬ 
trag des Abgeordneten Dr. med. Lionville , zur Bekämpfung der Pocken die Impfung für 
obligatorisch zu erklären — in erster Lesung angenommen und die Regierung aufgefor¬ 
dert, bis zur zweiten Lesung das Gutachten der Acaddmie de mddecine einzuholen. 

— Morbiditätsstatistik ln Paris. Nachdem die ärztliche Bescheinigung der To¬ 
desursache in Paris eine fortschreitende Besserung im Sinne grösserer Genauigkeit auf- 
weist, regt ein Circular des Seinepräfecten an die Aerzte vom 15. Januar 1881 auch die 
Anzeige epidemischer Erkrankungsfälle an. Es sind folgende 7 Krank¬ 
heiten in Betracht gezogen: Cholera asiatica, Diphtherie, Puerperalfieber, Masern, Schar¬ 
lach, Abdominaltyphus, Blattern. Jeder Arzt erhält ein Carnet mit 20 Formularen , die 
in einen Talon und ein (als unfrankirte Postkarte zu benützendes) Anzeigeformular zer¬ 
fallen. Um alle Scrupeln wegen des Secret mödical zu vermeiden, fehlt der „Name des 
Erkrankten“ auf dem Formular, die Krankheit kann nur durch die Initialen bezeichnet 
werden; hauptsächlich werden aber über Beginn und Ursprung der Erkrankung präcise 
Angaben gewünscht. Die Resultate sollen wöchentlich publicirt werden. 

(Annales d’hygiöne publique Mars 1881, pag. 281.) 

Wir hoffen, dass dieses Vorgehen des „Auges Frankreichs“ die Scrupeln unserer 
verehrlichen Collegen der französischen Schweiz etwas beschwichtigen wird, so dass wir 
doch noch zu einer eidgenössischen Morbiditätsstatistik, wenigstens 
der epidemischen Krankheiten, kommen werden. 

Stand der Iufectione-Krankheiten in Basel. 

Vom 11. bis 25. März 1881. 

(Die Zahlen in Klammern geben jeweilen die Anzahl der in früheren halben Monaten 

angemeldeten Fälle an.) 

Von Varicellen sind 6 (13, 12, 7) Fälle aus Grossbasel gemeldet. 

Masern fälle sind 4 angezeigt aus Kleinbasel, im Zusammenhänge mit den früher 
berichteten (1, 7). 

Rötheln 2 Fälle. 

Scharlach 5 Erkrankungen in der Stadt (3, 8, 7); ausserdem 2 im benachbarten 
Kleinhüningen. 

Von Typhus sind 80 neue Erkrankungen angemeldet (126, 113, 48, 100), welche 
sich folgendermaassen vertheilen: 

11.-25.Jan. 26. Jan.-10.Feb. ll.-25.Feb. 26.Feb.-10.Märs. 11.-25.März. 


Nordwestplateau 

33 

36 

16 

32 

39 

Birsigthal 

28 

27 

12 

18 

13 

8üdostplateau 

31 

16 

6 

21 

3 

Birsthal 

2 

3 

1 

1 

— 

Kleinbasel 

31 

31 

12 

28 

25 


Während auf dem Nordwestplateau die Zahl der Fälle noch gewachsen ist (zahl¬ 
reiche Erkrankungen im Missionshause), zeigt sie im übrigen eine Abnahme, die beson¬ 
ders beim Südostplateau auffallend stark ist. Die meisten Anmeldungen stammen über¬ 
haupt noch aus der ersten Hälfte dieses halben Monats, so dass ein weiterer Rückgang 
in Aussicht steht. 

Von Diphtherie und Group sind 31 neue Fälle angezeigt, vorherrschend von 
den Plateaux und aus Kleinbasel (41, 32, 28). 

Pertussis erscheint ebenfalls in Zunahme; angemeldet sind 47 neue Erkrankungen 
(28, 15, 12) aus allen Stadttheilen. . 

Erysipelas 10 Erkrankungen (14, 10, 7) auf den Plateaux und in Kleiubasel. 

Von Puerperalfieber ein Fall im Birsigthal. 

Bibliographisches. 

74) ffegar ty Kaltenbach, Die operative Gynäcologie mit Einschluss der gynäcologischen 
Untersuchungslehre. II. gänzl. umgearbeitete und vermehrte Aufl. I. Hälfte. Mit 
134 Holzschn. Stuttgart, Verlag von Enke. 

75) C. Arnold , Beiträge zur vergleichenden Physiologie, Inaug.-Dissert, Bern, B. F. 
Haller. 44 S. 1881. 


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221 


76) Bedinget, Krankenbericht der Heilanstalt für Ohrenkranke in Stuttgart von 1877 bis 
1879 und Mittheilungen über die Fortschritte der Ohrenheilkunde in den letzten 
Jahren. 69 8. Stuttgart, 8chweizerbarts Verlag. 

77) Flügge , Lehrbuch der hygieinischen Untersuchungsmethoden. Eine Anleitung zur 
Anstellung hygieinischer Untersuchungen und zur Begutachtung hygieinischer Fragen 
für Aerzte, Chemiker, Sanitäts- und Verwaltungsbeamte, sowie Studirende. Mit 
88 Abbildungen, 17 Tabellen und 4 lithogr. Tafeln. 602 S. Leipzig, Verlag von 
Veit & Cie. 

78) Landois , Lehrbuch der Physiologie des Menschen, einschliesslich der Histologie und 
microscop. Anatomie, mit besonderer Berücksichtigung der pract. Medicin. 2. ver¬ 
besserte Aufl. I. Hälfte. Wien, Urban & Schwarzenberg. 

79) Schmidt-Rimpier, Universität und Specialistenthum. Rectoratsrede. Marburg, Elwerts 
Buchhandl. 

80) Beneke , Constitution und constitutionelles Kranksein des Menschen. Mit 12 chromo- 
lithogr. Tafeln. 96 S. Marburg, Eiwerts Buchh. 


Briefkasten. 

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St« Urban ist auf 1. Mai die Stelle eines 
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bis znm 10. April zn erfolgen beim 

Director der Anstalt St. Urban, 
Dr. J. Fetscherin. 


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In Folge Resignation des bisherigen Inhabers ist die Stelle eines Instrnctors I. Classe 
der Sanitätstruppen mit einer jährlichen Besoldung bis auf Fr. 4,500 neu zu besetzen. 

Sanitätsofficiere (Aerzte), welche sich um diese Stelle zu bewerben wünschen, haben 
ihre Anmeldungen bis zum 17. April nächsthin dem Schweiz. Militärdepartement in 
Bern einzureichen. 

Bern, 28. März 1881. Schweiz. ]\filitclx*d.epa,x*temeYit* 


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Verlag von Anglist Hirschwald in Berlin. 
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Handbuch für Aerzte und Studirende 
von Prof. Dr. E. Henoch. 

1881. gr. 8. Preis 16 M. 


r= Für Aerzte. == 

In einer grossem, industriellen Ortschaft des 
bernischen Jura ist eine gute Praxis abzutreten. 
Auskunft ertheilt die Expedition des Blattes. 

ADMINISTRATION : 

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Vichy mit dem aus den Quellen ge¬ 
wonnenen Salze. Sie haben einen sehr 
angenehmen Geschmach und machen 
einen gewissen Eindruck gegen Ma- 
gensamre und schwere Verdauung. 

SALZ VON VICHY FÜR BADDER. - Ein 

kistchen für ein Bad, solchen Personen «-» 
die nicht nach Vichy kommen koennen. g 

UM NACHAHMUNGEN ZU VERMEIDEN, H 

VERLANGT MAN 

BEI ALLEN ERZEUGNISSEN DIE MARKE 

DER COMPAGNIE 

In Basel bei E. Ramsperger. 




224 


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kalien unverändert. Chinin tanic 
neutral Zimer 10 gr. 2. 40. 

Sämmtliche neuern Mittel, soweit nicht vor- 
räthig, besorge gerne und stehe mit Preismitthei¬ 
lung gerne zu Diensten. 

St Gallen, 31. März 1881. C. Ehrenzeller, 

(H-1055-Q) _ Apotheker. 

Die Stelle eines Kurarztes fOr das Bad St Moritz 
(Graubünden) mit permanenter Residenz, während der 
Saison im Kurhause daselbst, steht frei. Anmeldungen 
an Director C. Beeil. C ei er i na. 

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Batterien von TrouvG, — selbstgefertigte 
„Thermo-Cauteres“ mit soliden Platin- 
brennem nach Paquelin’scher Angabe, — 
Aspiratoren nach Potain, neuestes Modell, 
mit oder ohne Injectionsvorrichtung, — 
Aspiratoren nach Dieulafoy, — sowie die 
von Hrn. Prof. Huguenin empfohlenen, nach 
Reiffer modificirten Fränzel’schen Trocarts 
liefert in bekannter vorzüglicher Qualität 
O. Walter-Biondetti in Basel. 

Für Aerzte. 

Die Stelle eines Arztes der Gemeinde Chenlt 
(Vallöe de Joux, Canton de Yaud) ist bis 1. Juni 
neu zu besetzen. 

Fixer Gehalt: 1500 Fr. pr. Jahr, nebst sehr 
schönem und geräumigem Logement im Centrum 
von Sentier. 

Gefällige Anmeldungen sind bis spätestens 
Mitte Mai an Unterzeichneten einzureichen. 

Sentier, 25. März 1881. 

Engene (Jolay, Secretair. 

Offene Assistentenstelle. 

Die Stelle eines Assistenzarztes am Einwohner¬ 
spital Winterthur mit einer Jahresbesoldung von 
Fr. 600—800 und freier Station in der Anstalt ist 
auf 1. Mai d. J. neu zu besetzen. 

Bewerber um diese Stelle, welche das schwei¬ 
zerische Concordatsexamen bestanden haben oder 
Candidaten für dasselbe sein müssen und sich in 
letztem Falle über ihre Befähigung auszuweisen 
haben, werden eingeladen, ihre Anmeldungen 
innert Frist bis Ende März unter Beischluss von 
Attesten dem Präsidenten der Spitalpflege, Herrn 
Stadtrath H. Knus, welcher über die nähern An¬ 
stellungsverhältnisse Auskunft ertheilt, womöglich 
persönlich zu überreichen. 

Winterthur, 4. März 1881. 

Namens der Spitalpflege: 

Das Sekretariat. 


Receptnr waage. 

Eine gut erhaltene verkauft billigst 
(735-Y) Apoth. E. Yohl, Bern. 


Ein noch jüngerer Arzt, der schon einige Jahre 
selbstständig auf dem Lande practiclrt hat, sucht bei 
einem ältern vielbeschäftigten Arzte eine Stelle als 
Assistent oder eventuell dessen Praxis zu über¬ 
nehmen. Eingaben sind unter Ziffer A. S. an die 
Expedition des Correspondenzblattes zu richten. 

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sterium subventionirte 

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unter Kontrole und Aufsicht der Sanitätsbehörde. 
Wien, Alserstrasse 18. 
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unter Garantie der Haftung. 

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Assistent-Stelle. 

Ein Dr. med., der mehrere Jahre die Pariser 
und schweizerischen Hospitäler besucht hat, 
wünscht eine Assistent-Stelle in einer Privatklinik 
oder bei einem practischen Arzt für kurze oder 
längere Zeit. Offerten adressire man unter Chiffre 
H. G. an die Redaction d. Blattes. 

Für Aerzte. 

Ein junger Arzt, im Besitze eines Schweiz. 
Diploms und der mindestens 2 Jahre Spital-Praxis 
hinter sich hat, findet günstiges Engagement auf 
eine holländische Besitzung bei Dehli, Sumatra. 

Nähere Auskunft ertheilt JP. Wyss 9 

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Inhalt: 1) Originalarbeiten: Cölestin Nauwerck: Ueber Pneumonomycosis und Pharyngomycosis sarcinica. — Prof. 
Dr. Oscar Wyss: Ueber typböse Erkrankungen durch Fleischgenuss. (Fortsetzung.) — 2) Vereinsberichte: Medicinisch- 
pharmaceutischer Bezirksverein von Bern. — 3) Referate und Kritiken: Encydop&die des Impfens und seiner Folgen etc. 
— Dr. Ferd. Kunigk: Vademecum für Kliniker und Aerzte. — 4) Can tonale Correspondenzen: Bern, Zürich, Zar Illu¬ 
stration eines Epidemiengesetzes. — 5) Wochenbericht. — 6) Bibliographisches. — 7) Briefkasten. 


Original-Arbeiten. 

Ueber Pneumonomycosis und Pharyngomycosis sarcinica. 

Von Cölestin Nauwerck, Assistent der medicinischen Klinik in Zürich. 

Seit Frühjahr 1879 habe ich bei vier Kranken der medicinischen Klinik, von 
denen drei zur Necroscopie gelangten, Sarcine im Auswurf gefunden; in der Ueber- 
zeugung, dass wir erst an Hand einer ausgebreiteteren Casuistik darüber Klarheit 
gewinnen können, ob bei pathologischen Lungenprocessen der Sarcine überhaupt 
eine irgendwie selbsttbätige Rolle beigemessen werden dürfe, lasse ich diese Be¬ 
obachtungen hier in möglichster Kürze folgen. In der That beschränkt sich die 
mir zugängliche Literatur über die Sarcine im Auswurf und über die Pneumono¬ 
mycosis sarcinica im Besondern auf einige wenige Fälle, namentlich wenn man 
jene mehr zufälligen Ereignisse von vornherein ausschliesst, wo die Sarcine erst 
secundär aus dem Verdauungstractus (Magen) in die Luftwege gelangte. 

Zwei Befunde publicirte Virchow , *) der zuerst, 1846, die Sarcine in den Lungen 
entdeckte und die Pneumonomycosis sarcinica statuirte; von Friedreich , # ) Cohnheim *) 
und Heimer A ) rührt je ein Fall her, während Bamberger , 5 ) Munk 6 ) und Bauer 1 ) mehr 
beiläufige Notizen über vier derartige Fälle lieferten. 

Um Wiederholungen zu vermeiden, sei gleich hier hervorgehoben, dass die 
Sarcine sich uns bei allen 4 Fällen unter nahezu übereinstimmendem Bilde prä- 
sentirte, welches von dem der früheren Schilderungen nicht wesentlich abweicht; 

l ) Frorieps Notizen 1846 — Virchow ’s Arch. X. 

4 ) Virchow's Arch. XXX. 

8 ) Ibid. XXXIII. 

*) Ueber Pneumonomycosis sarcinica. Diss. München, 1877. 

6 ) Virchow'* Arch. IX (in : Virchow , Beiträge zur Lehre von den bei Menschen vorkommenden 
pflanzlichen Parasiten). 

®) Centralblatt t d. m. W. 1864. 

M Heimer 1. e. 

15 


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8ie war sehr klein und entbehrte jeglicher Färbung; die Breite eines aus 4 glei¬ 
chen Feldern bestehenden Quadrates schwankte zwischen 0,0016 und 0,0033 mm.; 
auch bei dem gleichen Kranken kamen innert diesen Grenzen verschiedene Maass¬ 
verhältnisse neben einander vor; meistens fanden sich 4 Einzelquadrate zur Ein¬ 
heit zusammen geordnet; mehr als 16 Einzelquadrate als Einheit habe ich nicht 
gesehen, während andere Beobachter solche von bis zu 64 Feldern constatirten; 
ebenso wenig konnte ich mich, wie es auch Friedreich erging, mit Sicherheit von 
der Bildung cubischer Aggregate, wie sie u. A. Munk nachwies, überzeugen; da¬ 
gegen fand sich auch in unsern Fällen eine ganz ausgesprochene Neigung zur 
Zerklüftung, so dass Organismen aus 2 Quadraten bestehend, ja auch Einzelqua¬ 
drate stellenweise durchaus nicht zu den Seltenheiten gehörten. Sarcinemassen, 
in das Innere des Zellprotoplasma der Eiterkörperchen aufgenommen (2toA/, bei 
Heitner 1. c.) glückte mir nicht zu sehen. 

Bei den mit Tod abgegangenen Kranken stellte sich der Mageninhalt jedesmal 
als gänzlich frei von Sarcine heraus; auch bei dem Patienten Weidmann fehlen 
uns alle und jede Anhaltspuncte, Magensarcine anzunehmen. Beiläufig noch die 
Bemerkung, dass bei den Fällen Ruppert und Weidmann der Urin keine Sarcine 
enthielt. 

Ich lasse nun zunächst zwei Fälle folgen, die entschieden als ächte Pneumono- 
mycosis sarcinioa aufgefasst werden müssen, d. h. bei denen die Zumischung der 
Sarcine zum Auswurf von den Luftwegen her erfolgte. 

L 

Johannes Goldner, 48 Jahre alt, Maurer, von Oberrieden; aufgenommen 27. Februar 
1880; die Mutter starb an Lungenschwindsucht. Seit 2—3 Jahren fiel der Umgebung 
des Kranken die schmutziggraue Färbung der Haut im Gesicht und an den Händen des¬ 
selben auf. — Vor 6—7 Wochen trat Husten und Auswurf ein, dann Seitenstechen links; 
vor 5 Wochen auf eine Erkältung hin Abends Schüttelfrost, Beengung , Seitenstechen; 
seither vermehrte sich Beengung und Auswurf, der Appetit schwand, die Kräfte zerfielen. 
In den letzten Tagen Diarrboß. 

3. März: (klinische Vorstellung durch Prof. Huguenin ) Abmagerung, Ansemie, mässige 
Bronzefärbung des ganzen Körpers; am stärksten an den Warcenhöfen und Genitalien; 
Conjunctiven, Fingernägel frei; eigentümliche reticulirte Anordnung der Pigmentirung an 
der Baucbhaut; Pigmeutflecke an der Mundschleimhaut, namentlich entsprechend der 
Schlusslinie der Zahnreihen, und im Rachen. — Livor. — Resp. 28; objective und sub- 
jective Dyspnoe. — Puls frequent, klein, schwach. — Doppelseitige Infiltration der Lun¬ 
genspitzen ; disseminirte fein- und mittelblasige Rasselgeräusche über den Lungen, na¬ 
mentlich hinten; unbestimmtes Athmungsgeräusch. — Linksseitiges pleuritisches Exsudat. 
— Schleimeitriger Auswurf; microscopisch zahlreiche elastische Fasern, sonst keine 
nennenswerthen Bestandteile. — Irreguläres, ziemlich hohes Fieber. — Husten, Appetit- 
und Schlaflosigkeit; intensives Krankheitsgefühl. 

Diagnose: Doppelseitige Spitzeninfiltration ; disseminirte catarrhalpneumonische 
Herde; pleuritisches Exsudat; Addison’sche Krankheit (Verkäsung der Nebennieren?). 

4. März : Collapsanfall; profuse Schweisse; subnormale Temperatur; sehr frequenter 

Puls. 

9. März: Befund nicht wesentlich geändert; irreguläres, ziemlich niedriges Fieber. 
Beengung, hochgradige Schwäche. Auswurf bis heute der oben beschriebene. — Von 
Nachmittags 3 Uhr an fängt Pat. an, plötzlich reichliche Sputa zu expectoriren; dieselben 
sind von braunrotem, fast chocoladefarbenem Aussehen, ziemlich zäh, massig, gänzlich 
undurchsichtig, geruchlos ; bis gegen Abend füllt der Auswurf etwa eine halbe Spuck¬ 
schale. — Microscopisch viel Detritus, sehr zahlreiche, grösstenteils in Zerfall begriffene 


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rothe, weniger weisse Blutkörperchen ; auf jedem Gesichtsfeld eine Unzahl wohlerhaltener 
meist aus 4 oder 16 Feldern bestehende Sarcinemassen. 

Abends stockt der Auswurf; unter den 8ymptomen des Lungenödems stirbt Pal am 
10. März Nachts 2 Uhr. 

S e c t i o n (Prof. Huguenin ) 10. März Vormittags. 

Anatomische Diagnose: Bronzefärbung der Haut. — Verfettung der linken 
Nebenniere, Verdickung der linken Hälfte des plexus coeliacus. — Dilatation des rechten 
Herzens. Chronische Pneumonie beider Lungenspitzen; Bronchiectasien mit Wandulcera- 
tion daselbst; Cirrhose der Spitzen; secundäre traubenförmige (Aspirations- ?) Alveolitis 
mit Verkäsung. Thrombose der Pulmonalarterien, links mit vereitertem hämorrhagischem 
Infarct. Pleuritis exsudativa links. — Tuberculöse Dünndarmgschwüre, mit Tuberkel¬ 
eruption entlang einigen Lymphgefassen der Darmserosa. 

Dem Protocoll entnehme ich nur einige Stellen, die uns hier speciell interessireu : 

Linke Lunge: vorderer Theil verwachsen, hinten seröses Exsudat, 850 ccm. Ober¬ 
lappen cirrbotisch geschrumpft, enthält eine Menge träubchenförmiger alveolitischer, in 
Verkäsung begriffener Herde. Mehrere bis wallnussgrosse, mit käsig-eitrigem Inhalt ge¬ 
füllte Bronchiectasien. Auch im Unterlappen zerstreute Herde von verkäsender Catarrhal- 
pneumonie. 

„Im vordem Theile des Unterlappens gelangt man in eine apfelgrosse Höhle, welche 
an der Wand ringsum einen gelblichen Eitersaum zeigt, der nach aussen in relativ nor¬ 
males Lungengewebe übergeht; sie enthält chocoladefarbene, geruchlose Massen, wie sie 
Pat. expectorirt hatte. Der Herd reicht bis an die bedeutend verdickte Pleura; in seiner 
Umgebung überall frisch aussehende gelatinöse Catarrbalpneumonie. Die Pulmonalarterie 
zeigt von ihrem Anfänge an einen weit verzweigten, zuerst weichen, frischen, mehr pe¬ 
ripherisch ältern Thrombus, von welchem ein rabenfederkieldicker Antheil mitten in den 
erwähnten Herd hineingeht und in der unversehrten Arterie in der Wand der Höhle 
gegen die Lungenoberüäche verläuft, bis sowohl Arterienwand als Thrombus in der all¬ 
gemeinen Vereiterung der Wand aufgeht; der letztere ist chocoladefarbig und ohne Zwei¬ 
fel in eitrigem Zerfall begriffen. — Rechts eine ähnliche Thrombose der Lungenarterie, 
doch ohne hämorrhagischen Infarct 

Verfettung der linken Nebenniere (durch das Microscop bestätigt). Die linke Hälfte 
des plexus coeliacus zeigt dickere Nervenstämme als die rechte. Als wesentlichster Be¬ 
fund ein bohnengrosses Ganglion, in welches die Nervenstämme alle hineinlaufen. Das¬ 
selbe ist derb und gelatinös und sieht eher aus wie Bindegewebe, denn wie Nervensub- 
stanz. Rechts normaler Befund. 

Microscopisch besteht der Inhalt der Caverne aus den gleichen Formelementen, 
wie der beschriebene Auswurf; Sarcine in Unzahl vorhanden; ein Eindringen 
derselben in die Wand der Caverne oder in den Thrombus nicht nachweisbar. In der 
linken Lunge lässt sich die Sarcine im Bronchialinhalt des Unterlappens nachweisen, nicht 
dagegen in den Cavernen des Oberlappens; rechts nur in ganz spärlicher Anzahl im An¬ 
fangsstück des grossen Bronchus; ebenso in der Trachea und im Pharynx. 

n. 

Theophil Weidmann, 84 Jahre alt, Taglöhner, in Wiedikon; aufgenommen 9. Juli 
1880; als Kind dreimal „Lungenentzündung“ ; immer etwas schwächlich; 1874 in Genf 
4 Monate au einer unklaren Krankheit der rechten Lunge darniederliegend; seit Frühjahr 
1879 Husten, Beengung und Heiserkeit, welch’ letztere im August besserte, ohne gänz¬ 
lich zurückzugehen. Gestern (8.) wurde Pat. bei der Arbeit vom Regen überrascht und 
total durchnässt; Mittags Appetitlosigkeit, Abends Husten, Seitenstechen links, Fieber, 
Beengung, allgemeines Unwohlsein. 

Aus der Krankengeschichte heben wir nur das Nothwendigste hervor; Pat. zeigte 
Abmagerung, Anämie, etwas Livor; Körperbau gracil; irreguläres Fieber bis 39,8; Puls 
klein, schwach, 80—116. Resp. 28—32; subjective Dyspnm; mittelgrosses seröses Pleura¬ 
exsudat links; Dämpfung, Bronchialathmen und halbklingende Rasselgeräusche über der 
rechten Lungenspitze. — Husten mit wenig copiösem, schleimeitrigem Auswurf; micro¬ 
scopisch Detritus, zumeist in Zerfall begriffene Eiterkörperchen und zahlreiche elastische 
Fasern. Keine 8arcine. Heiserkeit; in der Arygegend median eine in’s Cavum ragende 
Zapfenbildung; keine Geschwüre. — In Betreff der rechten Lungenspitze lautete die Dia- 


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gnose auf verkäsende deequamativpneumonische Infiltration mit beginnender Cavernen- 
bildung. 

Der weitere Verlauf gestaltete sich über Erwarten günstig; das Pleuraexsudat ging 
allraälig spontan zurück ; die Affection der rechten Luoge breitete sich noch etwas nach 
abwärts aus, um hernach nahezu stationär zu bleiben; das Fieber cessirte beinahe gänz¬ 
lich, so dass Pat. vom September an an Körpergewicht zuzunehmen begann, sich erholte 
und auch bald das Bett verlassen konnte; neuerdings geht die Ernährung wieder etwas 
zurück und scheint sich der Process der rechten Lunge wieder von Neuem zu regen. 

Im Laufe des October nun fing Pat. an, neben dem gewöhnlichen schleimeitrigen 
Auswurf von grünlicher Farbe und wenig consistenter Beschaffenheit alle 2—3 Tage, 
namentlich des Morgens, unter grossen Anstrengungen, hie und da unter Brechbewegun- 
gen, jeweilen ein massiges, kleinhaselnussgrosses, sehr zähes, klumpiges, schmutzig-grttn- 
licb-graues, durchaus nicht fcetides, undurchsichtiges Sputum zu expectoriren; diese Sputa 
liefert Pat. bis auf den heutigen Tag neben dem gewohnten Auswurf, allerdings manch¬ 
mal mit Zwischenräumen von mehreren Tagen ; die microscopische Untersuchung ergab 
nun, dass diese Klumpen viel Detritus, zerfallene Eiterkörper, einzelne Epithelien enthal¬ 
ten und constant und zwar manchmal massenhaft die geschilderte Form von Sarcine mit 
sich führen ; zu wiederholten Malen constatirte ich, dass die Sarcine nur in diesen Brocken, 
nicht aber im Übrigen Sputum vorhanden war. — Ohne positives Resultat untersuchte ich 
den Schleimbelag der Mund- und Rachenhöhle des Kranken auf Sarcine. 

III. 

Als ein typischer Fall von Pharyngomycosis sarci nica dürfte folgende 
Beobachtung, im Gegensatz zu den eben mitgetheilten Krankengeschichten, von Inter¬ 
esse sein. 

Heinrich Ruppert, 20 Jahre alt, Fabrikarbeiter, von Wald; aufgenommen 11. Sept 
1880; abgesehen von Drüseneiterungen am Halse bisher gesund; macht die Recruten- 
schule (7. Juli bis 19. August) in Zürich mit; erkrankt am 20. August. 

D i a g n ose: (12. Sept.) Typhus abdominalis; Drüseneiterung am Halse. 

In den folgenden Tagen bildete sich eine bis in die Spitzen reichende Bronchitis 
aus. Ziemlich schwerer Verlauf. Am 23. September Apyrexie ; vom 27. an wieder 
Fieber. 

Am 2. October Haemoptoe, die am 5. dauernd aufhört 

Am 13. October erste Untersuchung nach der Lungenblutung: Dämpfung über der 
linken Spitze; Athmungsgeräusch rauh, scharf, fast bronchial. Irreguläres Fieber. 
Husten, schleimeitriger Auswurf; einzelne Sputa opak, diffus braunröthlich tingirt. 

Im weitern Verlaufe wurde die Infiltration der linken Spitze deutlicher; zunehmende 
Abmagerung und Anrnmie; irreguläres, mässig hohes Fieber Wenig Husten, fast kein 
Auswurf. 

30. November: Bronchialathmen, klingende Rasselgeräusche über der linken Spitze; 
weiter nach abwärts hinten unbestimmtes Athmungsgeräusch und grobe Rhonchi; vorn 
links von oben bis unten unbestimmtes Athmungsgeräusch, viele trockene knatternde 
Rhonchi (verkäsende Peribronchitis migrans, Prof. Huguenin). 

18. December Abends: Collapsanfall; Puls 144; DyspnoB; Resp. bis 52; Seitenstechen 
links; Brechreiz. 

19. Morgens: Linkseitiger Pneumothorax nachweisbar; Verschiebung des Herzens 
nach rechts ; Ausweitung der untern Thoraxpartien links; dieselben bleiben liegen; Auf¬ 
hebung des Athmungsgeräusches in der linken Seite; Exsudatdämpfung h. 1. u. ; 1. v. 2. 
bis 3. Rippe amphorisches Bronchialathmen. — Bei der Untersuchung jetzt und auch 
späterhin starke Zwerchfellskrämpfe mit leichtem Glottiskrampf. 

21. Seit gestern entleert Pat. ziemlich copiösen, nicht sehr zähen, grünlichen, nicht 
foetiden, ziemlich schaumigen, schleimeitrigen Auswurf; Eiter, Detritus; spärliche Epi¬ 
thelien ; auf fast allen Gesichtsfeldern eine Unmasse von Sarcine, meist aus 4 Feldern 
zusammengesetzt. Bis zum Tode bleibt sich der Auswurf und die Sarcinebeimischung 
gleich, allerdings wechselt die Massenhaftigkeit der letztem einigermaassen und auch die 
einzelnen Sputa zeigen Dicht immer die gleiche Quantität der Sarcine, die stellenweise 
förmliche ftasen bildet. 

Aus der Krankengeschichte hebe ich nur noch hervor, dass die letzten 2 Tage vor 


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dem Tode der Urin eine ausgesprochen nephritische Beschaffenheit annahm (Blut, 
Cylinder, charakteristische Epithelien, Eiweiss); der Pneumothorax blieb im wesentlichen 
unverändert und zeichnete sich durch den Mangel jeglicher metallischer Phänomene aus, 
so dass man ihn mit Sicherheit nur aus den Verdrängungssymptomen und aus dem frei 
beweglichen Erguss diagnosticiren konnte; man vindicirte ihm intra vitam eine durch 
alte Verwachsungen bedingte, mehr spaltförmige Gestalt. 

Tod am 9. Januar 1881. 

Section 10. Januar (Prof. Eberth). Anatomische Diagnose: Rechtsseitiger, 
serös-eitriger Pleuraerguss; Spitzeninduration mit käsigen Herden rechts; chronische ver¬ 
käsende Lobulärpneumonie mit Induration der Umgebung. Seröser Pleuraerguss links mit 
Pneumothorax, letzterer ausgehend von einem durchgebrochenen subpleuralen Käseherd 
des Unterlappens. TuberculÖ6e Pleuritis frischesten Datums. Alte Verwachsungen der 
obern Lungenpartien links. Verdrängung des Herzens nach rechts. Caverne in der 
Spitze; durch die ganze linke Lunge verkäsende Lobulärpneumonie mit Induration. Hy¬ 
pertrophie des Conus der Pulmonalarterie. Kleine globulöse Vegetationen rechts. Ober¬ 
flächliche Blutungen der Nierenrinde; Anaemie der letztem und der Glomeruli; vielleicht 
mit etwas Verfettung. Schiefrige Färbung einzelner Peyer' scher und solitärer Follikel 
oberhalb der IleocoBcalklappe, zum Theil mit Verkäsung. Atrophie des Darms. 

Bei der microscopischen Untersuchung erwiesen eich die pleuralen Ergüsse als nicht 
sarcineführend; dagegen fand ich in dem Schleimbelag des im Uebrigen vollkommen nor¬ 
malen Pharynx die Sarcine (4-8 -16 Felder neben einander) in solcher Massenhaftig- 
keit vor, dass das Gesichtsfeld förmlich damit übersäet erschien; die Hauptablagerungs- 
Stätten schienen die sinus pyriformes und der Raum zwischen Zungengrund und Epi¬ 
glottis zu sein; in den obersten Partien des Oesophagus nur ganz vereinzelte Exemplare. 
Auf die Luftwege übergehend, nahm die Zahl der Sarcine constant ab, je weiter nach 
abwärts man gelangte; die Morgagnt sehen Taschen wiesen noch ganz erhebliche Massen 
auf; in der Trachea nur noch eine sehr mässige Anzahl; im rechten Bronchus ging die 
Sarcine nicht über die Bronchien II. Ordnung hinaus; links liess sie sich bis in die Ca¬ 
verne der Spitze verfolgen; der käsig-eitrige Inhalt derselben liess nur ganz spärliche 
Exemplare erkennen; immerhin konnte man nachweisen, dass die Bronchien des Unter¬ 
lappens von dem gleichen Caliber, wie der in die Caverne führende Bronchus, keine 
Sarcine mehr enthielten; ferner fiel mir auf, dass die letztere im Pharynx weitaus die 
charakteristische Formation am deutlichsten darbot, Während in den Luftwegen, je wei¬ 
ter man nach abwärts kam, der Zerfall in Organismen von 2 Feldern, ja auch in ein¬ 
zellige Formen überwog, welch’ letztere dann kaum noch von den zahlreich vorhandenen 
Kugelbacterien zu unterscheiden waren. — Der Mageninhalt frei von Sarcine. 

IV. 

Schliesslich noch ein Fall mit vorübergehendem Sarcinegehalt des Auswurfs, bei dem 
ich den physicalisch-diagnostischen, nicht uninteressanten Befund etwas einlässlicher 
mittheile. 

Carl Schwaderer, 20 Jahre alt, Commis, in Zürich; Vater starb 42jährig an Lungen¬ 
schwindsucht; Pat. erkrankte im August 1878 plötzlich mit Husten, Heiserkeit, Beengung, 
Fieber; starke Hsemoptoe; seither geringe Brustsymptome; bis Neujahr 1879 in Davos; 
später in Tessin und Zürich; vor 8 Tagen wieder starken Husten, copiöse Haömoptoö, 
DyspnoB etc. 

Aufgenommen 16. October 1879. Wegen fortdauernder Haemoptysis des Pat. nahm 
ich erst am 25. October einen genauen Status praesens auf. 

Grosser, ziemlich musculöser, nicht schlecht genährter, sehr anaemischer Mann. — 
Livor. — Zunge trocken, belegt, Hals lang, Thorax nicht phthisisch, über den obern 
Partien etwas flach. — Resp. 24-32; hochgradige objective Dyspnoe; energische Action 
der auxiliären Respirationsmuskeln und des Zwerchfells; Spiel der Nasenflügel, Auf- und 
Absteigen des Kehlkopfs; dabei hebt sich der Thorax gegenüber der angewandten Mus¬ 
kelarbeit unverhältnissmässig wenig. 

Lungenbefund: Dämpfung, zum Theil mit leichter Tympanie, über den obern Partien 
beidseits, vorn bis zur 2. Rippe, hinten bis zur Mitte der Scapula; die Dämpfung nimmt 
nach abwärts an Intensität ab. Aber auch über den übrigen Lungenpartien nicht ganz 
normale Sonorität, ohne dass man von deutlicher Dämpfung reden könnte. 


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Ueber den 8pitzen, soweit die deutlichen Dämpfungen reichen, abgeschwächtes un¬ 
bestimmtes, rechte bronchiales Athmungsgeräusch; ferner zahlreiche klein- und mittel¬ 
blasige halbklingende, zum Theil knatternde Rhonchi zumeist bei der Inspiration ; ferner 
Giemen. — Ueber allen andern Lungcupartien das Athmungsgeräusch massig abge¬ 
schwächt, scharf, unbestimmt, die Exspiration stark verlängert; ferner allenthalben sehr 
zahlreiche, gleichmässige, dem Ohre sehr nahe entstehende, halbfeuchte, zumeist inspira¬ 
torische, hie und da aber auch exspiratorische, feinblasige Rasselgeräusche, die der Cre- 
pitatio redux der croupösen Pneumonie nahestehen, sie jedoch an Grösse etwas über¬ 
treffen. Daneben spärliche mittelblasige, catarrhalische Rhonchi und Giemen. — R. h. u. 
überwiegen die letztem Phänomene. Herz frei; Verstärkung des II. Pulmonaltones. — 
Vergrösserung der Milzdämpfung. Irreguläres, durch Natr. salicyl. beeinflusstes Fieber, 
bis 39,8. Puls 72—108, klein, schwach, regulär. Viel Husten, spärlicher, grünlich¬ 
eitriger Auswurf. Wenig subjective Beschwerden, keine Beengung; Appetit gut; Kopf¬ 
weh; apathisches, schlummersüchtiges Wesen. Hie und da zittert Pat. am ganzen Kör¬ 
per, verneint dabei jegliches Frostgcfühl. 

Diagnose: Aeltere, wahrscheinlich käsige Processe in beiden Lungenspitzen. 
Acute Miliartuberculose der Lungen; vielleicht allgemeine Miliartuberculose ? 

26. October. Im spärlichen Auswurf findet sich heute ziemlich zahlreiche Sarcine, 
eine sehr kleine Form, meist zu 4 oder 2 Einzelfeldern vereinigt. Keine elastischen 
Fasern Schon am folgenden Tage und bis zum Tod liess sich die Sarcine nie mehr im 
Sputum nachweisen; leider habe ich es verabsäumt, den Schleimbelag des Mundes und 
Rachens intra vitam zu untersuchen. 

Pat. starb am 1. November früh Morgens; der Befund blieb im Wesentlichen der¬ 
selbe; vom 28. an fast beständige Delirien mit Fluchtversuchen. Irreguläres Fieber wie 
vorher. Puls 96—120. 

Section (Prof. Eberlh) 1. November. Anatomische Diagnose: Cavernen in beiden 
Lungenspitzen. Verwaschene graue Hepatisation. Alveolitische Herde, vielleicht daneben 
graue Tuberkel. LungenoBdem. Bronchitis bis in die feinem Verzweigungen. Fibrinöse 
Pleuritis links. Dilatation des rechten Herzens. Milztumor. Oedem und Hyperämie des 
Gehirns. 

Der genauere Lungenbefund (abgesehen von den Spitzen) lautet: „Linker Oberlappen 
zeigt ziemlich viel lufthaltiges Parenchym, namentlich vorn; Oedem; Hypermmie; zahl¬ 
reiche disseminirte träubchenförmige, graürothe bis graugelbe nicht sehr feste Infiltratio¬ 
nen von trockener Schnittfläche; hinten daneben mehr graue disseminirte umschriebene 
miliare Körner. Unterlappen hyperromisch, lufthaltig, oedematös ; in dunkelroth injicirten 
Partien liegen zahlreiche disseminirte träubchenförmige Infiltrationen , dazwischen ieolirte 
submiliare zerstreute graue Körner. — Rechter Oberlappen : Parenchym rosa injicirt, 
lufthaltig, unterbrochen von haselnussgrossen, nicht sehr scharf begrenzten grauen Hepa- 
tisationen. Daneben in kleinen Gruppen zusammenstehende, zum Theil isolirte, von 
schiefrigem Gewebe eingefasste , graue prominirende Körner. Mittellappen stärker inji- 
cirt; graürothe Hepatisationen, in diese eingebettet Gruppen von graugelben submiliaren 
Körnchen. Unterlappen wie links; die theils isolirt, theils gruppenweise angeordneten 
Körnchen sitzen oft in grösseren Massen im injicirten Parenchym." 

Vergeblich durchmusterte ich in diesem Falle Rachen, Oesophagus, Magen, Larynx, 
Trachea, Bronchien und die Spitzencavernen ; keine Spur von Sarcine. 

Ferner untersuchte ich die erwähnten disseminirten grauen Körner, denen die ana¬ 
tomische Diagnose auf die macroscopische Betrachtung hin den miliartuberculösen Cha¬ 
rakter nicht mit Sicherheit aberkennen konnte; dieselben boten alle Kennzeichen der 
Rti/./’schen Desquamativpneumonie dar, von tuberculösen Elementen liess sich absolut 
nichts nachweisen. Unsere Diagnose stellte sich somit, was den disseminirten Process 
anbetrifft, als falsch heraus; keine Miliartuberculose, sondern disseminirte Catarrhalpneu- 
monie in kleinen Herden; gerade die ungeheure Ausdehnung des Processe* auf beide 
Lungen, die entschieden selten ist und zu deren Erklärung die beliebte „Aspirations- 
theorie* kaum ausreichen dürfte, machte uns in der Diagnose irren; mehr wie alle vor¬ 
hergegangenen und spätem Fälle von disseminirter Desquamativpneumonie überzeugte uns 
diese Beobachtung, dass in physicalisch-diagnostischer Beziehung eine Differentialdiagnose 
zwischen acuter Miliartuberculose der Lungen und frischer disseminirter Catarrhalpneu- 


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monie in kleinern Herden unter Umständen einfach zu den Unmöglichkeiten gehört; wenn 
man den Status präsens durchsieht, wird man sich überzeugen, dass die wesentlichen 
Symptome der Inspection, Percussion und Auscultation vorhanden waren, aus denen man 
auf die Anwesenheit einer miliartuberculösen Aussaat durch die Lungen zu schliessen 
pflegt. Nicht der Miliartuberkel an sich, sondern die begleitende oder besser folgende 
Alveolitis und Bronchiolitis lässt eben den Tuberkel für die physicalische Diagnostik in 
die Erscheinung treten. — 

Suchen wir über die Bedeutung der Sarcine bei den bisher als Pneumono- 
mycosis sarcinica beschriebenen pathologischen Lungenprocessen einigermaassen 
in’s Klare zu kommen , so stossen wir bei der grossen Mehrzahl der Fälle auf 
einen schwerwiegenden Mangel in den Schilderungen des Befundes api Lebenden 
und Todten. Schon Friedreich (1. c.) stellte die Möglichkeit einer Infection der 
Lungen mit Sarcine von der Mundhöhle aus als sehr wahrscheinlich hin, da nach 
seinen Erfahrungen das Vorkommen einer Stomatomycosis und Pharyngomycosis 
sarcinica als ein keineswegs gerade seltenes bezeichnet werden muss, namentlich 
bei marantischen Krankheitsprocessen, wie bei chronischer Pneumonie, bei protra- 
hirtem Typhus, wo Friedreich soorähnliche Anflüge auf Uvula und vordem Gaumen- 
bogen constatirte; Lungen- und Mundsarcine erklärte Friedreich für identische For¬ 
men und nahm an, dass durch abfliessenden Speichel oder durch den inspiratori¬ 
schen Luftstrom Sarcinekeime in die tiefen Abschnitte der Luftwege, in die Bron¬ 
chien oder selbst in das Lungenparenchym gelangen und bei gewissen, für die 
Entwicklung der Pilze günstigen örtlichen Erkrankungen eine secundäre Infection 
des Lungengewebes bedingen könnten. 

Dass Friedreich mit diesen Auseinandersetzungen vollständig Recht hat, könnte 
nicht besser als durch unsern dritten Fall bewiesen werden; der Befund spricht 
zu deutlich für die Anschauung, dass die Sarcine erst secundär aus dem Pharynx 
in die Luftwege gelangte, allerdings ohne sich irgendwo stärker auszubreiten, dass 
eine weitere Besprechung desselben füglich unterbleiben darf. Eine specifische 
Einwirkung der Sarcine auf den Lungenprocess trat nicht zu Tage. Ich will 
gleich hier darauf aufmerksam machen, dass der Kranke Ruppert mehrere Wochen 
bis zum Tode in dem gleichen Saal wie der Patient Weidmann stationirt war und 
zwar nur durch ein Bett von demselben getrennt; Weidmann kam auch, z. B. bei 
Hülfeleistungen, viel mit Ruppert in Berührung, so dass eine Infection von erste- 
rem aus auf letzteren, vielleicht auf atmosphärischem Wege, durchaus nicht zu 
den unwahrscheinlichsten Vermuthungen gehört; ich habe einmal den Auswurf 
resp. Speichel sämmtlicher 10 Mitpatienten des Saales auf Sarcine untersucht, 
allerdings ohne Erfolg. — Auch unser Fall IV möchte wohl am ehesten als eine 
temporäre Stomatomycosis oder Pharyngomycosis aufzufassen sein, ohne dass ich 
allerdings positive Beweise dafür beibringen kann; ich hebe nochmals hervor, dass 
die Rachensarcine beim Fall III absolut identisch mit der Lungcnsarcine unserer 
beiden ersten Beobachtungen war. 

Sehr bedauerlich, dass in dieser Hinsicht die Beschreibungen von Vtrchow , 
Bamberger , Cohnheim , Heimer , Bauer , Munk als lückenhaft bezeichnet werden müssen, 
da diese Autoren nicht angeben, ob Mund und Rachen auf Sarcine jeweilen unter¬ 
sucht worden ist. Einzig in dem Falle Friedreich' s und bei unsern Beobachtungen 


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I, II, III widmete man diesem Puncte im Sinne der Ausschliessung die gebührende I 
Aufmerksamkeit. 

Werden durch die Anwesenheit der Sarcine specifische Krankei tsprocesse an¬ 
geregt, erhalten vorhandene pathologische Zustände durch dieselbe ein specifische* 
Gepräge? Bamberger fand die Sarcine im fcetiden Sputum eines ßronchiectatikers, 
Bauer bei 2 Phthisikern, Munk bei Bronchitis; keiner dieser Kranken gelangte zur 
Necroscopie; bei keinem nahm die Krankheit eine irgendwie von dem gewöhnlichen 
Bilde abweichende Wendung. Auch unser Patient Weidmann gehört hieher; er 
ist Phthisiker; die klumpigen sarcinehaltigen Sputa stammen unzweifelhaft ans 
einer bestimmten Excavation der Lunge, sei es nun eine phthisische oder, was 
wahrscheinlicher, bronchiectatische Höhle, da diese Sputa der elastischen Fasern 
entbehren. i 

Die übrigen 6 Fälle gingen mit Tod ab; allemal handelte es sich, mit Ans- ' 
nähme des Heimer' sehen Falles, um hämorrhagische Infarcte der Lungen, in denen 
die Sarcine sehr massenhaft gefunden wurde; dieselben entstanden in Folge ma¬ 
rantischer Thrombosen der Pulmonalarterie bei hochgradiger Herzschwäche und 
phthisischen Lungenprocessen (1. Obliteration des Herzbeutels, Fettherz; käsige 
Phthise; tuberculöse Darmgeschwüre; Nierenschrumpfung: Virchow. 2. käsige 
Phthise, tuberculöse Darmgeschwüre: eigener Fall. 3. käsige Phthise, Insufficiens ' 
der Mitralis: Cohnheim) oder durch embolische Vorgänge (4. zerfallende Thrombet ; 
der Unterschenkelvenen: Virchow . 5. Mitralstenose; globulöse Vegetationen des * 
rechten Herzens: Friedreich) — für seine Beobachtung (Phthisis pulmonum, im Ver¬ 
lauf croupöse Pneumonie) stellt Heimer u. A. die jedenfalls plausibelste Möglichkeit 
hin, dass „sich die croupöse Pneumonie durch irgend eine Schädlichkeit, nicht ; 
durch Sarcineanhäufung, entwickelt und bei der Kreislaufsschwäche des maranti- 1 
sehen Individuums zii Gefässthrombose und Gewebsmortification geführt habe; die 
entweder in den Cavernen bereits vorhandene (der Auswurf wurde wie es scheint 
erst nach Ausbruch der Pneumonie microscopisch untersucht) oder vielleicht zu¬ 
fällig erst eingewanderte Sarcine hätte alsdann in dem durch Thrombose dem 
Kreislauf entzogenen Herde günstige Bedingungen für ihre Entwicklung gefunden 
und deshalb eine so ausgedehnte Wucherung erreicht. Gegen diese letztere Er¬ 
klärung spricht allerdings der Umstand, dass der Herd weder Geruch noch Aus¬ 
sehen eines durch Thrombose entstandenen Brandherdes hatte.“ Auch hier war ■ 
wenigstens partielle Verwachsung des Herzbeutels vorhanden. 

Geht der mit Sarcine imprägnirte hämorrhagische Infarct charakteristische 
Umwandlungen ein? Nein. Virchow redet bei seinen Fällen von „Sarcinebrand“; er 
fand pulpöse Erweichung und in der „zum Theil durch prssexistirende Atrophie und 
Emphysembildung eingeleiteten“ Höhlenformation mehr oder weniger stinkendes 
Gas, vom Geruch des Lungenbrandes; Cohnheim! s, Heimer'$ und unser erster Fall 
zeigen ebenfalls pulpöse Erweichung, ohne Entwicklung von stinkenden Gasen; 
Heimer erklärt die — geruchlose — Gasentwicklung und die saure Reaction des 
Höhleninhaltes bei seinem Falle als Product eines cadaverösen Gährungsprocesses; 
Virchow constatirte beide Male alcalische Reaction. — In Friedreich' s Falle endlich 
trat spontane Heilung der surcinösen Lungenmycose ein; „es war ohne Zweifel 



233 



die in der rechten Lungenspitze befindliche, aus dem zerfallenen Infarct hervor- 
gegangene ulcerative Höhle, in welcher die Sarcinen wuchsen, und zwar so lange 
wucherten, bis die Höhle zu jener kleinen, von derbem Bindegewebe ausgekleide¬ 
ten Caverne sich umgewandelt hatte, wie sie bei der Necroscopie (etwa 3 Monate 
nach dem Verschwinden der Sarcine im Auswurf) gefunden wurde, auf deren 
glattwandiger Innenfläche die günstigen Bedingungen für eine Weiterentwicklung 
der Parasiten nicht mehr gegeben waren.“ — In unserm Falle schien durch reac- 
tive Wandeiterung der Infarct sequestrirt werden zu wollen. 

Die Pneumonomycosis sarcinica dürfte somit als Krankheitsbegriff aus der Pa¬ 
thologie mit Fug und Recht verbannt werden; als directe Ursache einer Lungen¬ 
krankheit sui generis wurde die Sarcine noch nicht nachgewiesen; sie scheint aber 
auch nicht im Stande zu sein, schon bestehende Krankheitszustände in eigentüm¬ 
licher Weise zu beeinflussen; das haben wir zur Genüge am hämorrhagischen In¬ 
farct sehen können, der mit Sarcinegehalt die gleichen Schicksale durchmacht, wie 
unter Umständen auch ohne Sarcine; gleichermaassen trat bei andern Processen 
eine specifische Sarcinewirkung nicht zu Tage. — Im Uebrigen glaube ich, dass 
man bei gehöriger Aufmerksamkeit die Sarcine viel häufiger im Auswurf finden 
wird, als es bis jetzt der Fall gewesen zu sein scheint. 


lieber typhöse Erkrankungen durch Fleischgenuss. 

Vortrag von Prof. Dr. Oscar Wyss. 

(Fortsetzung.) 

Zu der Annahme der Unschädlichkeit der Kutteln an und für sich wird man 
berechtigt, weil man weiss, dass das Thier, von der sie herstammte, ganz gesund 
war, die Kutteln im ganz frischen Zustand, wie andere Kutteln viele hundert 
andere Male präparirt worden war und zum grössten Theil noch frisch zum Ver¬ 
kauf und Consum kam. Die Präparation hatte u. a. in langem Kochen bestanden; 
wurde die verkaufte Kutteln dann so, wie sie vom Metzger kam, gegessen , so 
war sie äusserst gefährlich, während sie, nochmals ordentlich abgekocht, viel we¬ 
niger gefährlich oder ganz ungefährlich wurde. Letztere Erfahrung zeigt, dass 
die Siedehitze das Gift ganz oder wenigstens tbeilweise unschädlich machte. Ge¬ 
wiss hätte das erste vom Metzger 3 Stunden lang energisch ausgeführte Kochen 
der Kutteln auch eventuelle Krankheitskeime zerstört und wäre die Kutteln durch 
diese Präparation des Siedens unschädlich geworden, wenn sie vorher schädlich ge¬ 
wesen wäre, z. B., wenn der Ochse krank gewesen wäre. Letzteres war aber no¬ 
torisch nicht der Fall. Kurz — man ist geradezu gezwungen, eine nachträgliche 
Vergiftung der Kutteln durch etwas nach dem Sieden beim Metzger denselben Bei¬ 
gefugtes anzunehmen. 

Diese Noxe suchen wir in den übrig gebliebenen Resten jenes am 23. Juni 
geschlachteten Kalbes. Das Kalb war sehr jung und sehr krank gewesen. Zwar 
hatte der frühere Besitzer dieses Thieres sammt Familie am 23. und 24. Juni di¬ 
verse Eingeweidetheile und den Kopf, also in frischem Zustand und 
wohl gekocht, ohne irgend einen Nachtheil gegessen. Der letzte Ueber- 


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bleibsel beim Eigentümer des Kälbchens war am 24. verzehrt worden; denn am 
25., als an einem katholischen Fasttag, durfte in dieser Familie nichts melir davon 
gegessen werden. In der (reformirten) Metzgersfamilie wurde am 25. Juni Braten 
von diesem Kalbe hergestellt und von dieser sowie von Verwandten des Metzgers, 
die gekommen waren, um dem Sch. beim Heueu zu helfen, consumirt. Dieser 
Braten scheint unschädlich gewesen zu sein; denn von den letztem, die in ein 
1 Va Stunden entferntes Dorf, Weiningen, zurückkehrten, erkrankte Niemand; 0 ) und 
wenn in der Metzgersfamilie Erkrankungen allerdings vorkamen, so sind diese 
wahrscheinlich erst auf spätere Infection erfolgt. Nämlich am 26. Abends oder 
27. Abends assen verschiedene Glieder der Metzgersfamilie nochmals von demsel¬ 
ben Kalbfleisch; eines ass auch Kutteln: und diese Glieder der Familie er¬ 
krankten. 

Ferner erkrankten eine Reihe Personen, die Würste gegessen hatten. Dass 
zu diesen, die am 27. früh gemacht wurden, die Reste des Kalbfleisches verwer- 
thet wurden, gibt zwar Metzger Sch. selbst nicht zu. Aber erstens hat nicht er 
selbst, sondern seine Söhne das Wursten besorgt und zweitens behauptete eine 
Erkrankte, die am meisten von den Würsten gegessen hatte und die als eine 
„Kennerin“ auf diesem Gebiete bezeichnet wurde, ganz bestimmt, es müsse Kalb¬ 
fleisch in den sehr schönen, zarten und weiss aussehenden Würsten gehabt 
haben. 

Der Umstand ferner, dass verschiedene Erkrankungen blos durch Kalb- 
fleischgenuss stattfanden, spricht dafür, dass dieses an allem Unglück 
Schuld war, und dieses auch die Kutteln inficirt habe. Und in der That haben 
wir von einem zuverlässigen (und einem zweiten weniger bestimmte Angaben ma¬ 
chenden, aber immerhin sie bestätigenden) Augenzeugen vernommen, dass Kutteln 
und gehacktes Fleisch am 26. Juni im gleichen Gefäss aufbewahrt worden seien: 
also ohne Zweifel hier die Infection der Kutteln durch das krankhaft veränderte 
Kalbfleisch Statt hatte. 

Wie erklärt sich aber die Giftigkeit des Kalbfleisches? Wie der Umstand, 
dass ein Theil — und ein grosser Theil — ohne Nachtheil consumirt wurde, an¬ 
dere Theile und gewiss zum Theil minime Partien 60 schwere Erkrankungen und 
Todesfälle zur Folge hatten? 

Ueber die Krankheit des Kalbes wissen wir ebenso viel und ebenso wenig 
Positives, als man seiner Zeit von dem Kalbe von Opfikon, der angenommenen 
Ursache der Klotener Epidemie, wusste: „Das Kalb hatte einen entzündeten Nabel 
und geschwollene Beine“ war Alles, was der Sohn des Metzgers Sch., der das 
Thier getödtet und zerlegt hatte, uns mittheilen konnte. Die Mutter des Kalbes 
war und blieb fernerhin durchaus gesund; der Eigenthümer und seine Familie war 
vorher ganz gesund gewesen und blieb es auch nachher. Weder Typhus¬ 
erkrankungen sind im Hause, noch Milzbranderkrankun¬ 
gen im Stalle oder in der Nachbarschaft in den letzten 22 
Jahrenvorgekommen. 


*) Laut Mittheilung von Herrn Dr. Steffen in Regenstorf. 


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Dagegen ist in dem am schwersten heimgesuchten Hause, wo die 3 Todesfälle 
sich ereigneten vor Kurzem, Anfangs October ein wenige Tage altes Kälbchen 
erkrankt, abgethan und in toto verkauft (!) worden. 

Wir haben also keinen Anhaltspunct, als Grund unserer Epidemie einen Kälber¬ 
typhus anzunehmen und abstrahiren auch von dieser Aetiologie. Ob die Krank¬ 
heit des Kalbes überhaupt mit eine Bolle spielte, ist uns unmöglich endgültig zu 
bejahen oder zu verneinen; doch mag die Krankheit allerwenigstens den Einfluss 
gehabt haben, dass das Fleisch rascher in Zersetzung überging. Das Aelterwerden 
des Kalbfleisches, also seine zunehmende Zersetzung, aber hatte entschieden einen 
wesentlichen Einfluss. Denn von dem Kalbfleisch, das in den drei ersten Tagen 
nach dem Schlachten gegessen worden war, ist Niemand erkrankt; wohl aber die¬ 
jenigen, die vom 26. ab davon — und wenn auch nur ganz kleine Quantitäten — 
assen. Je älter das Kalbfleisch geworden war, desto gefährlicher wurde es und 
diese Gefährlichkeit hat auch durch Kochen zuletzt nicht, oder nicht immer mehr 
vollständig beseitigt werden können. Allerdings ist es dubiös, ob beim Schwellen 
der Würste oder beim Abkochen der Kutteln (nicht beim Metzger, sondern in den 
betr. Privathäusern) die betr. Speisen wirklich längere Zeit eine Temperatur von 
100° erreicht haben; ja nach den bekannten Untersuchungen über die Temperatur 
im Innern des in der Küche präparirten Fleisches dürfen wir bestimmt annehmen, 
dass das nicht der Fall war. 

Darüber, dass das 4—7 Tage alt gewordene Kalbfleisch nicht mehr frisch, 
sondern entschieden mehr oder weniger in Fäulniss übergegangen war, kann kein 
Zweifel bestehen. Eis war nie in der Wurstmetzg vorhanden, als spontan gebil¬ 
detes im Winter; ein Eisschrank existirt nicht; das Fleisch blieb in dem kleinen 
Raum aufbewahrt, in dem nach einer Messung unseres Vaters im August die Tem¬ 
peratur = 21° C. war; um einige Grade höher war als im Freien. In den Tagen 
vom 23.-29. Juni war wahrscheinlich die Wärme nicht viel geringer in diesem 
Raum. Für Otelfingen hat unser Vater für die in Frage stehenden Tage in seinen 
meteorologischen Beobachtungen folgende Daten notirt, und es können unbedenk¬ 
lich diese Zahlen auch als für Würenlos geltend betrachtet werden. 

Morgens. Mittags. Abends. 

Für den 23. Juni 16,8° C. hell. 19,4° C. bew. 16,5° C. bedeckt. 


24. 

n 

17,5° C. Regen¬ 
schauer. 

18,0® C. * 

15,7® C. Sonnenblicke und 
Regenschauer,herrl. 
Regenbogen. 

25. 

n 

16,7® C. bedeckt. 

18,0® C. „ 

16,5® C. bedeckt. 

26. 

19 

17,0® C. 

18,5° C. Regen. 

15,3" C. „ 

27. 

19 

16,3® C. „ 

17,3° C. bed. Reg. 

16,0® C. „ 

28. 

19 

16,0® C. hell. 

17,8® C. bew. bed. 

16,2» C. „ 

29. 

19 

16,5° C. „ 

19,0° C. bell. 

18,0® C. hell. 


Waren es, ist die fernere Frage, die Fäulnissbacterien (oder die Fäulnisspro- 
ducte), die sich in diesem Kalbfleisch entwickelt hatten, die nunmehr die Noxe 
darstellten, oder entwickelten sich in dem Fleische des kranken Thieres, in dem 
von Anfang an vermuthlich Pyämiebacterien oder andere uns unbekannte Spaltpilze 


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vorhanden waren, so massenhaft, dass sie in den minimsten Fleischpartikeln in ge¬ 
nügender Menge vorhanden waren, um, in den menschlichen Organismus gebracht, 
diesen erkranken zu machen? Haben diese Pyämie- oder die Fäulnissbacterien in 
diesem weichen zarten Kalbfleisch und unter besonders günstigen andern äussern 
Verhältnissen einen derartigen Generationswechsel, eine derartige Züchtung durch¬ 
gemacht, dass sie nunmehr im Menschen eine typhöse Erkrankung hervorzurufen 
im Stande waren? Oder sind auf irgend einem unbekannten Wege veritable Typhus- 
bacterien in das Fleisch hineingelangt und haben diese die Epidemie veranlasst? 
Das sind alles Fragen, die endgültig zu lösen wir für unsere Epidemie leider die 
Mittel nicht haben, die aber hoffentlich in folgenden Epidemien gelöst werden 
können. 

Immerhin erscheint es uns als das wahrscheinlichste, dass die Fäulnissvorgänge 
in diesem speciellen Falle die Giftigkeit, die Infectionsfähigkeit des Kalbfleisches 
in der in Rede stehenden Epidemie bedingt haben. 

Dass sonst irgend eine Ursache dieser typhösen Erkrankungen anzunehmen 
sei, dass das Trinkwasser oder die Luft, der Untergrund, die Bodenausdünstungen 
oder irgend andere Einflüsse als Ursache angeschuldigt werden könnten, ist mit 
absolutester Sicherheit bei der Sachlage auszuschliessen, dass in fünf */ 4 —1 Stunde 
auseinander liegenden Gemeinden nur jene Individuen erkrankten, die an bestimm¬ 
ten Tagen die oben angeführten Fleischspeisen, die aus der Wurstmetzg des Metz¬ 
gers Sch. bezogen worden waren, gegessen hatten (nur der secundäre Fall in Oet- 
weil ist hier ausgenommen). Und es ist hierbei zu berücksichtigen, dass die grosse 
Mehrzahl der Erkrankten gar nie in jener Zeit nach W. gekommen waren; die 
Kutteln und Würste waren zum Theil von gesund Gebliebenen geholt worden, zum 
Theil waren sie von Angehörigen des Metzgers in den verschiedenen Gemeinden 
verhausirt worden. Zwar wurde berichtet, es sei ein Kind in der Nachbarschaft 
des Metzgers an derselben Krankheit erkrankt, das keine der genannten Speisen 
gegessen habe. Aber erstens ist nicht sicher, ob es sich bei diesem Kinde in der 
That um dieselbe Krankheit gehandelt hat und noch viel weniger liess sich nach 
über 2 Wochen noch feststellen, dass dieses Kind nicht von Nachbarskindern oder 
Gespielen doch etwas von der an andere Kinder verschenkten, krankmachenden 
Delicatesse bekommen und gegessen habe. 

Soviel über die Aetiologie. Nun noch einige Worte über die Diagnose. 

(Fortsetzung folgt.) 


V ereinsberichte, 

Medicinisch-pharmaceutischer Bezirksverein von Bern. 

Sitzung den 23. März 1880. 

Präsident: eidg. Oberfeldarzt Dr. Ziegler . Actuar: Dr. Dick . 

Anwesend 11 Mitglieder. 

1. Dr. Conrad: Ein Fall von plötzlichem Tod im Wochenbett. 
Derselbe betrifft eine 24jährige, sonst immer gesund gewesene Frau; dieselbe hatte 
1 Mal normal geboren, 1 Mal abortirt; die letzte Gravidität verlief normal, ebenso 


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die Geburt und das Puerperium; am 12. Tage post partum stund Patientin auf, 
erkrankte aber drei Tage nachher unter den Erscheinungen einer rechtseitigen 
Pneumonie; die Temperaturverhältnisse und die physicalischen Erscheinungen 
waren die gewöhnlichen; am 10. Tage trat Fieberremission ein, Patientin befand 
sich ganz wohl, so dass in einigen Tagen von Aufstehen die Rede war. Doch 
erfolgte vorher plötzlich der Tod; nach Eintritt einer Ohnmacht, die bald vorüber 
ging, trat ohne Temperaturerhöhung nach 8 /« Stunden Dyspnoe ein, der in kürzester 
Zeit der Exitus letalis folgte. 

Sectionsbefund (Prof. Langhaus) : In der rechten Lunge zwei hämorrha¬ 
gische Infarcte, Herz normal, die Genitalien gut involvirt, zeigen keine Zeichen 
einer abgelaufenen Entzündung, auch sonst nirgends Reste septicämischer Processe 
zu finden; in den perivaginalen Venen ausgedehnte Thrombenbildung, dann solche 
in der rechten Vena bypogastrica und in beiden Aesten der Arteria pulmonalis; 
die Todesursache musste nach diesem Befunde in der Embolie der Lungenarterie 
gesucht werden; die primäro Thrombose fand in den Vaginalvenen statt; es ist 
diese Todesart nach einer Geburt eine sehr seltene und eine Erklärung noch nicht 
mit Sicherheit zu geben; Virchow nimmt an, dass eine Erkrankung des Venen- 
endotheles zur Thrombosenbildung führe, während französische Autoren (Hervieux) 
eine bei Wöchnerinnen angenommene Prädisposition zur leichtern Gerinnung des 
Blutes zur Erklärung benützen. 

Dr. Dubois: Dieser Fall ist sehr interessant für die Prophylaxe bei Lungen¬ 
erkrankungen, die man als embolischer Natur anzusehen geneigt ist; um weitere 
Verschleppung von Thromben zu verhüten, ist jedenfalls die grösste Ruhe zu be¬ 
obachten; zur Unterscheidung von croupöser Pneumonie und Embolie ist eine 
genaue Temperaturmessung sehr wichtig, ebenso die Untersuchung der Sputa. 

Dr. Dick erinnert daran, dass wenn eine Wöchnerin von pneumonischen Er¬ 
scheinungen befallen wird, man immer zuerst an embolische Processe zu denken 
hat, für deren Entstehung bei Wöchnerinnen so günstige Verhältnisse vorhanden 
sind; diese können nun entweder, wie das meist der Fall ist, entzündlich infectiö- 
ser Natur sein, oder wie in Conrad' s Falle, aber allerdings selten , nur von 
einer gewöhnlichen Thrombose herrühren. Auch ein negativer Sectionsbefund an 
den Genitalien, von denen ja doch die pyämischen Processe ausgehen, ist jeden¬ 
falls immer mit Vorsicht aufzufassen, da zur Zeit des Eintrittes des Todes diese 
Processe an den Genitalien zur Ausheilung gekommen sein und nur noch die 
secundären Erkrankungen anderer Organe nachgewiesen werden können. 

Dr. Conrad glaubte vor der Section auch, dass es sich um septicämische Pro¬ 
cesse handle, indem im Wochenbett die Temperatur nicht gemessen wurde und 
eine Septicämie schleichend, ohne erhebliche Erscheinungen verlaufen kann, doch 
ergab die Section in dieser Beziehung durchaus negative Ergebnisse. 

Auch Dr. Ziegler ist der Fall etwas verdächtig bezüglich Septicämie. Dr. Dubois 
hingegen nimmt eine solche nicht an, sondern er leitet die Thrombose der Vaginal¬ 
venen von einer gewöhnlichen, nicht infectiösen Phlebitis ab, für welche während 
der Geburt genug Entstehungsursachen vorhanden sind. 

Prof. Guillebeau neigt sich, nach Analogie von Beobachtungen bei Haustbieren 


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(Pferden), bei denen man oft in gewissen, bestimmten Gefässbezirken Thrombosen 
vorfindet, zu der FircAotr’schen Theorie, dass eine Endothelerkrankung die Ursache 
der Thrombose sei und nicht eine grössere Gerinnungsfähigkeit des Blutes, sonst 
würde die Thrombose nicht in bestimmten Gefässbezirken, sondern beliebigwo 
auftreten. 

3. Dr. Conrad demonstrirt sein Verfahren bei einer Frauenmilch¬ 
untersuchung (s. Corr.-Bl. Nr. 6, 1880). 

4. Dr. Conrad demonstrirt Skizzen zum Einzeichnen gynäco- 
logischer Befunde, wie sie von Spencer Welle , Barnes , Schnitze , Beigel ange¬ 
geben wurden; diese sind meist zu schematisch, einzelne auch unrichtig gezeich¬ 
net, geben nur 1 oder 2 Ansichten des Beckens, haben theilweise ein unzweck¬ 
mässiges Format oder zum Zeichnen ungeeignetes Papier und sind zudem im 
Buchhandel nicht zu haben, was eine Einführung in die Praxis erschwert Conrad 
hat deshalb im Verein mit Dr. Rapin in Lausanne Skizzen, die sich ihm in der 
Praxis bewährt haben, publicirt und sie sind in ’/» der natürlichen Grösse mit 
rother Farbe gezeichnet, welche nach verschiedenen Versuchen am besten gestat¬ 
tet, alle an leichter Verständlichkeit nöthigen Details anzugeben, ohne der Klarheit 
des eingezeichneten Befundes zu schaden. 

Sie stellen dar: 1) einen frontalen Beckendurchschnitt mit gleichzeitiger An¬ 
deutung des Rippenbogens und des Proc. xyphoideus, so dass auch die Resultate 
der Untersuchung des Abdomens eingezeichnet werden können. 

2) Zwei sagittale Beckendurchschnitte, von denen der eine die rechte, der an¬ 
dere die linke Beckenhälfte wiedergibt. 

Für das Personale des einzelnen Falles sind die gewöhnlichen, gebräuchlichen 
Rubriken, für kurze Notizen der nöthige Raum vorhanden; das Format ist auch 
für die Brieftasche passend, der Preis niedrig. 

Conrad möchte durch diese Skizzen nicht nur denjenigen Collegen, welche be¬ 
reits ihre gynäcologischen und geburtshülflichen Befunde zu zeichnen pflegen, eine 
zweckmässige Skizze bieten, sondern auch recht viele Collegen, welche die Ge¬ 
wohnheit nicht haben, zum Zeichnen veranlassen. Denn es ist von grossem 
Werthe für den Arzt, wenn er seine Befunde in eine nach der Natur gezeichnete 
Skizze einträgt; er untersucht dann viel genauer, er erspart sich oft eine zeitrau¬ 
bende, häufig unvollkommene Beschreibung; er kann rasch spätere Befunde mit 
frühem vergleichen, sich mit Collegen oder Schülern leicht verständigen und wenn 
auch der im Zeichnen nicht Geübte anfangs etwas Mühe und Zeit opfern muss, 
so wird er doch bald die nöthige Uebung und mit ihr den nicht ausbleibenden 
Gewinn erlangen, welche ihm das Zeichen unentbehrlich machen werden. 

5. Prof. Guillebeau. Ueber die Anhäufung farbloser Blutkörper¬ 
chen in den Gefässen. 

Die Anhäufung farbloser Blutkörperchen in den Venen entzündeter Gewebe 
ist eine sehr constante und häufig beschriebene Erscheinung. Dass dieselbe aber 
für die Entzündung nicht pathognomonisch ist, bewies zuerst Cohnheim (Unter¬ 
suchungen über die embolischen Processe 1870), indem er bei der Verstopfung 
einer Arterie durch einen nicht irritablen Pfropf vor und hinter demselben die 


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Verdrängung des rothen Blutes durch Plasma oder Plasma und farblose Blut¬ 
körperchen häufig beobachtete. Jede Spur einer entzündlichen Veränderung fehlte 
bei diesen Versuchen. 

v. Zielenko ( Virchow's Archiv 1873, Bd. 157) bestätigte bald die Angabe von 
Cohnheim und kam durch mannigfaltiges Variiren der Experimente zu dem Schlüsse, 
dass farblose Blutkörperchen jedesmal dann in den Arteriencapillaren oder Venen 
sich anhäufen, wenn der Blutstrom stark verlangsamt wird oder die Blutbahn sich 
erweitert. Die Randstellung der farblosen Blutkörperchen im entzündeten Gewebe 
ist nur ein besonderer Fall dieser allgemeinen Regel. Cohnheim und v . Zielenko 
haben ihre Beobachtung an Fröschen gemacht; Aehnliches ist indessen leicht beim 
Menschen nachzuweisen. Unter den hämorrhagischen Niereninfarcten gibt es 
solche, welche von einem gelbweissen Mantel umgeben sind; man untersuche die¬ 
sen Mantel: er besteht aus necrotischem Nierengewebe mit stark und gleichmässig 
erweiterten Capillaren, welche nur Plasma und farblose Blutkörper enthalten. 
Trotz der Necrose sind die Elemente des Gewebes so gut erhalten, dass eine ge¬ 
naue microscopische Durchforschung keine Schwierigkeit bietet und daher den 
Nachweis gestattet, dass entzündliche Vorgänge durchaus fehlen. Die Entstehung 
der weissen Hyperämie ist leicht zu erklären: Durch Kossutchin (Virchow' s Archiv 
1876, B. 67) wissen wir, dass das Blut von allen Seiten durch Venen und Capil¬ 
laren in den hsemorrhagischen Infarct eindringt. Je weiter das Blut in dem Herde 
vorrückt, desto mehr nimmt die Geschwindigkeit des Stromes ab, um in den Ca¬ 
pillaren (nicht gleichzeitig in den Venen) bald auf Null zu sinken. Die Capillaren 
mit ruhendem Blute sind den blinden Gefässästen der Cohnheim'sehen Versuche zu 
vergleichen; es werden in dieselben nur farblose Blutkörper geworfen. 

6. Dr. Dubois referirt über einen von ihm beobachteten Fall von periodisch 
auftretendem Lungenödem; es betrifft dies eine Frau mit leicht cya- 
notischem Aussehen, die häufig, meist Abends, von Dyspnoe befallen wird; physi- 
calisch ist auf den Lungen ausser dem Anfall nichts nachzuweisen; am Herz ein 
Geräusch von zweifelhaftem Charakter, zugleich leichte Unregelmässigkeit der 
Herzaction. Bei den mehrmals beobachteten Anfällen von Dyspnoe ist der Puls 
hart, Patientin ganz cyanotisch, kein Fieber, Respiration 60, Exspirium röchelnd; 
auf den Lungen feinblasige Rasselgeräusche; die Patientin räuspert eine reichliche 
schaumige Flüssigkeit, wie geschlagener Rahm, aus, die nach einiger Zeit den 
Luftgehalt verliert, und nach einer Stunde etwa die Menge von einem Schoppen 
ergibt; microscopisch ist in der Flüssigkeit nichts zu finden ; sie ist stark ei weiss¬ 
haltig. Auf geringe Reize, wie Senfpapier, Trinken von Cognac, werden die An¬ 
fälle, deren 8 beobachtet wurden, sofort coupirt, während sie sonst Stunden lang 
andauern. Die Diagnose wurde gestellt auf periodisches Lungenödem im Zus