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P. matronula L.
Vorkommen und Lebensweise in der freien Natur.
Von J. R a c k 1.
Die bevorzugtesten Plätze dieser Arctiide sind geschützte
Lagen unseres Isartales im schattigen, feuchten Buchenwald an
mit dichtem Laubholz bewachsenen Stellen und üppiger Pflanzen¬
vegetation. Die Erscheinungszeit des Falters ist nach meinen Be¬
obachtungen je nach den Witterungsverhältnissen verschieden, je¬
doch fällt die eigentliche kurze Flugzeit auf Ende Juni bis Anfangs
Juli. Die Puppenruhe dauert im Freien vier Wochen und die sehr
trägen Weibchen sitzen tagsüber ruhig an Sträuchern und niederen
Pflanzen auf der Unterseite der Blätter, wo sie schwer aufzufinden
sind; nur hie und da kann man ein aufgeflogenes 9 f rei auf einer
Blattpflanze sitzend finden. Obwohl das männliche Geschlecht an
Anzahl das weibliche bedeutend übertrifft, so findet man cfcT Falter
selten, da sich dieselben auf höhere, nicht erreichbare Ruheplätze
begeben. Bei Eintritt der Dämmerung fliegen die Männchen ziemlich
hoch im raschen Zickzackflug hin und her, um die 99 aufzusuchen.
A.uffallenderweise ändert sich die Art des Fluges, sobald das cf
sein auserkorenes 9 aufgespürt hat, um sich im spiralförmigen
Flug niederzulassen und mit dem 9 hi Copula zu gehen, welche
erst am Morgen des nächsten Tages gelöst wird. Die Eier werden
auf die Unterseite der Blätter und Pflanzen in großer Anzahl ab¬
gesetzt in Gelegen von 100 -300 Stück und in günstigen warmen
Flugzeiten steigt die Anzahl der abgelegten Eier auf 800—1000
Stück von einem 9* Bei anhaltend kalter, regnerischer Witterung
ist die Eiablage selbst von großen, kräftigen 9 eine nicht nur be¬
deutend geringere, sondern sogar ein Prozentsatz unbefruchtet. Die
regelmäßigen, in dichten Reihen abgesetzten Eier sind ein sicherer
Beweis ihrer Befruchtung. Vereinzelt oder in kleinen Klümpchen
abgelegte Eier sind nur teilweise oder gar nicht befruchtet. Die
große Fruchtbarkeit dieser schönen Arctiide könnte glauben
machen, die Falter müßten im Freien in großer Anzahl Vorkommen,
was indes nicht der Fall ist. Meines Erachtens geht durch die
zweijährige Entwicklungsdauer ein großer Teil zu Grunde und nach
meinen eigenen Beobachtungen sind die Falter ein besonderer
Leckerbissen für die Vogelwelt, Der bescheidene Sammler kann
wegen der enormen Eiablage des Falters mit nur wenigen Stück
99 vollkommen zufrieden sein. An uns Entomologen aber ist es,
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den prächtigen Augsburgerbären, das entomologische Edelwild un¬
seres schönen Isartales der heimatlichen Fauna möglichst lange
erhalten zu helfen!
Schmetterlinge auf hoher See.
Ueber die Wanderungen von Tagschmetterlingen über die
länderverbindenden Meere sind schon viele Beobachtungen mitge¬
teilt worden, welche alle wissenschaftlichen Wert besitzen, da die
Möglichkeit der Verbreitung von Arten auf diesem Wege nicht
ausgeschlossen ist. Auf meiner letzten Ausreise nach Indien im
Februar dieses Jahres konnte ich zwei hieher gehörige Fälle ver¬
zeichnen. Als sich mein Dampfer am Nachmittage des 3. Februar
der Gewiirzinsel Ceylon näherte, flatterte plötzlich bei noch gut'
100 Seemeilen Entfernung des Schiffes von der Insel ein frisches
Weibchen des prächtigen Papilio hector L. auf dem Promenadedeck
der I. Klasse und setzte sich, vor dem starken Winde Schutz
suchend, an die Hüttenwand, so daß ich das Tier mit dem schnell
aus den Tiefen des Schiffes herbeigeholten Netze in Sicherheit
bringen konnte. Aus der Zahl der weißen subapicalen Flecken des
Vorderflügels konnte ich feststellen, daß es sich ohne Zweifel um
die Ceylonform des schönen Falters handelte. Ein zweites Exem¬
plar der gleichen Art folgte zur gleichen Zeit mehrere Stunden dem
Dampfer, bald nahe, bald in weiterer Entfernung, konnte jedoch
nicht gefangen werden. Wir waren am gleichen Nachmittage unge¬
wöhnlich vielen Dampfern begegnet, welche, von Colombo kom¬
mend, den Meerespfad nach dem europäischen Westen befuhren,
außerdem herrschte aber auch ein für Saison und Breite außer¬
gewöhnlich starker Nordwind (Monsun), so daß die Frage .offen
bleiben mußte, ob die uns entgegenkommenden Schiffe oder der
heftige Wind die Falter so weit auf die hohe See getragen hatten.
Ich würde mich mehr für den Wind entscheiden, da Schmetterlinge,
einmal an ein Schiff gekettet, dieses auf hoher See kaum mehr ver¬
lassen. ln Colombo angekemmen, erfuhr ich, daß es dort seit sechs
Wochen nicht geregnet hatte, also starke, von den Bergen über die
Küste ins Meer blasende Unwetter sicher nicht vorgekommen waren.
Auch konnte ich mich bei einem Ausflug in die Umgegend der
Stadt davon überzeugen, daß wohl in Folge der vorausgegangenen
Trockenzeit Hector nicht so häufig war, v/ie er in normalen Jahren
im Februar meistens ist. Es liegt also die Annahme nahe, daß die