(Glauben und Wissen Im
Judentum.
Vortrag
gehalten am 2. November im
ISRAELITISCH WISSENSCHAFTLICHEN VEREIN
zu Altona von
Ahron Mareus.
HAMBURG 1903.
Druck von M. LESSMANN, ABO-Str. 57.
Behufs gründlicher Definition der Begriffe Glauben und
Wissen wollen wir zuerst die Etymologie der Benennungen
prüfen. N
Im deutschen Worte Glauben, gehört ebenso wie im
Worte Glück, der Buchstabe & nicht zur Wurzel. Das G
ist vielmehr das abgekürzte Praefixum Ge in den ähnlichen:
Gelingen, Geloben, eines zum Hauptworte erhobenen Infinitive.
Beweis: Das englische luck für Glück, believe für glauben,
Die Wurzel laub hängt mit erlauben, Urlaub zusammen,
ebenso das englische believe mit leave lassen, auch das Laub
der Bäume mit leaf Blatt, das Lassende, Abfallende. Glauben
heisst somit ursprünglich: Etwas zulässig finden. Die Ent-
stehung des Wortes entspricht dem historischen Vorgange
der Entstehung der Religionen bei den indogermanischen
Völkern. Es sind von aussen importirte, fremde Producte,
deren Annahme zulässig befunden wurde.
Wir erinnern an den Ausspruch des grossen deutschen
Forschers Bunsen über den Unterschied der inneren, einer
immanenten Seelenanlage entspringenden Religiosität bei den
Semiten im Allgemeinen und den Abrahamiden insbesondere
— im Gegensatze zu dem mehr äusserlichen, übertragenen
Religionsbegriffe der Arier.
Dementsprechend schliesst das Wort Glauben bereits den
Zweifel ein. Glauben heisst nicht wissen. Ich glaube, es
ist halb eins, es kann auch halb zwei sein. Das Hebräische
kennt diese Art der Bezeichnung .nicht, Emunah heisst in
erster Reihe Treue. Treu ist das englische true, wahr. Emunah
unterscheidet sich von Emmes, welches die objective Wahrheit
bedeutet, Emunah die subjective Ueberzeugung von der
Wahrheit. Haaminu baschem wesseomenu, redet der König
Joschafat Chronik II, 20, das Volk an: Vertrauet auf den
Ewigen, Euren Gott und Ihr werdet überzeugt werden. Der
Prophet Jesaia Cap. VII, 9, eitirt gewissermassen diesen Aus-
spruch, wenn er sagt: im lau ssaaminu, ki lau sseomenu.
Wenn Ihr nicht glauben werdet, denn Ihr seid nicht zu über-
zeugen. Ursprünglich bedeutet Emunah physische Festigkeit,
bei Moses II, 18, 12 wajhi jodow Emunoh, seine Hände blieben
fest. In diesem Sinne findet es sich noch im Jeruschalmi
EN
Peah, hojo aumen al jodau, wenn er ihm hilft, die Pflanzen
zu befestigen. Damit entspricht es derim Talmud gebräuchlichen
Chasokoh, die feste Ueberzeugung. Ssauklin al hachasokaus.
Das Gericht vollzieht selbst Todesstrafen auf die Chasokoh
hin, dass der Sünder der wirkliche Sohn seiner Mutter oder
seines Vaters sei, ohne bei der ersteren den möglichen, beim
letzteren den unmöglichen Zeugenbeweis zu verlangen. Der
griechische Ausdruck für Glauben, wie ihn Aristoteles definirt,
die sı/orıc, nähert sich dem Hebräischen. Der arische Weise
bezeichnet das Glauben als Thätigkeit der Vernunft in Hervor-
bringung einer Ueberzeugung und unterscheidet zweierlei
Thätigkeiten 1) das Glauben auf Beweisgründen, sworıc 2E
ovAkoyıowot 2) das Glauben auf Erfahrung wiorıs 2E drraywyijc
deductive und inductive Ueberzeugung. Die erstere, deductive,
entsteht in uns a priori, als persönliche Ueberzeugung aus
den Gesetzen der Logik more mathematico, aus der Un-
möglichkeit des Gegentheils.
Es ist im Grunde genommen, wie Maimonides dies so
trefflich im Moreh ausführt, eine negative Erkenntnissform,
Derech scheliloh, ihr Product eine subjective, abstracte Form
ohne Inhalt. Die zweite Erkenntnissform, die inductive, a
posteriori aus den Objecten und Thatsachen der Erscheinung
entstanden, als sachliche, objective, inhaltliche, anf Sinnes-
wahrnehmung beruhende Ueberzeugung. Aristoteles kennt
aber den Glauben als Gefühlssache, als Begriff der Religion
nicht. Die Gefühlsemotionen sind ihm überhaupt etwas
Thierisches, der reinen Vernunft Unwürdiges, Darum geht
bei ihm der Begriff Glaube im Begriffe Wissen auf, in welchem
er verschwindet. Doch erkennt er ein Glauben an das Ue-
bersinnliche an, wenn er sagt: “H d& niorıs oV movov Errl mg
aio9n0swms ahha zat Ei vod Aoyov. Der Glaube bezieht sich nicht
nur auf das Wahrnehmbare, sondern auch auf das Unfassliche.
Er findet nämlich auch in der Naturforschung ein Oavuaorov rt
ein unbegreifliches Residuum, ein Wunderbares, ohne jedoch
die Consequenzen zu begreifen, die Kant daraus gezogen hat,
(renau nach einer ebenso gegensätzlichen Anschauungsweise
verfährt das Hebräische gegenüber dem Deutschen bei dem
Worte: Wissen. Die deutsche Benennung hängt mit Weise
und weiss zusammen. Eine Ideenassociation, in welcher die
Farbe auf den abstracten Begriff übertragen wird, wie in
„graue Urzeit“, Ich weiss, heisst: Ich sehe die Sache hell
und deutlich. Weise ist der weisshaarige Alte der Familie
und des Stammes, dem das Alter Erfahrung gesammelt. Das
Hebräische verschmäht die Bildersprache. Man hat das Wort
„Joda“ irrthümlich mit Veda, vid des Sanskrit identificiren
wollen, aber das Jod oder Waw gehört nicht zur chemischen
Wortwurzel, die durch die zwei Buchstaben Dallet Gain, Da
gebildet wird. Diese ist vielmehr eng verwandt mit dem
as N AR
graecoromanischen tango berühren, das tdem d, dasng dem
Gain. Beweis: Wajauda bohem es ansche Sukkos. Er züchtigte
damit, berührte, liess sie fühlen. Darum heisst Daas wörtlich
Tactgefühl. Kol Talmid Chochom scheen bau daas: Ein
Gelehrter, der kein Tactgefühl besitz. Ebenso heisst es:
Contact: Wajedo Odom esChawoh. Aehnlich bildet der deutsche
Sprachgeist das Wort Begriff, nach dem Bilde der Hände,
mit denen der Gedanke etwas ergreift. Dem Hebräer ist
das Wissen die Besitzergreifung von dem Produkte der Vor-
stellung und der Vernunft durch das ästhetische Gefühl. Die
hebräische Sprache theilt die Verstandesthätigkeit in analy-
tische und synthetische, Chochmah und Binah. Das Gehirn
ist ihm höchst realistisch ein geistiger Magen. Chochmah
stammt von Chech, Gaumen, ebenso nennt er Ursache Taam,
Geschmack, Ma taam? Warum, aus welchem Grunde. Ganz
entsprechend der aristotelischen Lehre, Nihil in intellectu,
quod non erat in sensu, dass alle Begriffe zuerst die Sinne
passirt haben, So finden wir in der Mischnah Nedarim, R.
Akiba hojo chauchech boh, er hat es hin und her geprüft,
gewissermassen gekostet. Die Wurzel ist chakah, warten,
einhalten, weil der Gaumen die Speise nicht ohne analytische
Prüfung passiren lässt. Ebenso analysirt die Vernunft die ihr
gebotene geistige Speise. Binah, die bauende, ist die syn-
thetische Phantasie, mebin dowor mitauch dowor, einen Be-
griff aus dem andern aufbauen, combiniren, wobei der Tact,
Daas den Mörtel hergibt, darum im en daas en binoh. Das
Product ist dann das Wissen, die in das Gefühl eingedrungene
Vernunft, ohne welche das Gefühl eine blosse sinnliche Thätig-
keit darstellen würde, daher im en binoh en daass.
Der Widerspruch, der in diesem Lehrsatze der Mischnah
von der Unzertrennlichkeit zweier getrennter Begriffe liegt,
ist nur ein scheinbarer. Maimonides widmet demselben eine
ungemein tiefe Erklärung in seinem Commentar zu Owaus.
Wir finden denselben in der Naturwissenschaft, in der phy-
sikalischen und chemischen Betrachtung der Körper. Das
untheilbare Molecul der Physik besteht dennoch aus einer
Verbindung von chemischen, wiederum untheilbaren Atomen,
die in ungebundenem Zustande nicht dargestellt werden
können. Geist und Gefühl stehen in der Ueberzeugung zıutorsc
in einer derartigen unlöslichen Verbindung und an der Un-
kenntniss dieses Verhältnisses musste die alte hellenische
Philosophie zerschellen. Die Wechselwirkung zwischen Geist
und Gemüth, zwischen Herz und Hirn, zwischen Glauben und
Wissen, zwischen Erkenntniss und Ueberzeugung zeigt uns
das Gebot der Tefillin.n Wir legen schel jad an das Herz,
schel rausch auf das Haupt, bemokaum schemauchau schel
tinauk raufes, auf die Stelle, wo beim Säugling der Pulsschlag
des Herzens durch die noch dünne Schädeldecke sichtbar
a Li sh
wird. Wir verschaffen damit der Seele jeden Tag die Er-
neuerung des Gehirnes und des Herzens mit den Gefühlen
der Erkenntniss und der Ueberzeugung, die wir als Stellvertreter
der in unserem Pulsschlag unsterblich weiter lebenden Vor-
fahren am Tage des Auszuges aus Aegypten besessen haben,
Zum Schlusse wiederholen wir die Verheissung des Propheten
Hosea II, 21, weerasstich li leaulom, weerastich li bezedek
uwemischpot uwechessed uwerachamim. Weerastich li bee-
munoh wejodaat ess haschem, Ich verbinde Dich Mir auf
Ewig. In verbinde Dich Mir in Recht und Gerechtigkeit
und in Liebe und Erbarmen. Ich verbinde Dich mir in
Treue und Du wirst den Ewigen erkennen.
Recht und Gerechtigkeit sind die Producte des richtenden,
abwägenden Verstandes, Liebe und Empfinden die Thätig-
keiten des Gefühls, die sich in Treue und Erkenntniss als
Glauben und Wissen vereinigen,
Diese Vereinigung konnte aber nur einzig und allein
auf dem Wege der Offenbarung entstehen, durch die Ver-
erbung erhalten und durch die in Zukunft in Aussicht ge-
stellte Offenbarungserkenntniss wieder ihre ursprüngliche
Höhe erreichen,
Die Wahrheit dieses Satzes, des Grundsteines unserer
Religion, hat die Scholastik von Aristoteles bis Mendelssohn
hinab bestritten. Kant hat, ohne es zu wollen, den Beweis
für die Wahrheit desselben geliefert.
Das Judenthum hat seit Abraham einen Kampf mit
doppelter Front zu führen. Gegen Glauben und Wissen,
das heisst gegen Köhlerglauben und Köhlerwissenschaft.
Man verwechselt noch heute die Begriffe Heidenthum und
Religion nur allzuhäufig. Einer der Wenigen, die dagegen
protestirt haben, ist der Franzose Bayle contra Bernard, wenn
er von ihm sagt:
I ne traite lidolatrie payenne, que d’alteration de la
vraie idee de Dieu, elle en 6&tait le renversement total. I
y a plus loin de la vrai& id&e de Dieu ä la nature des idöles
du paganisme, que de l’id&e d’un homme & celle d’un arbre,
Er behandelt den heidnischen Götzendienst nur als Ab-
änderung der wahren Gottesidee und doch war er die voll-
ständige Vernichtung derselben, Es besteht ein weit grösserer
Unterschied zwischen der wahren Gottesidee und dem Wesen
der heidnischen Idole als zwischen dem Begriffe eines
Menschen und dem eines Baumes.“ Solche lichte Augen-
blicke hatten die klaren Köpfe hinter uns liegender Jahr-
hunderte. Heutzutage scheinen die Fortschritte der tech-
nischen Cultur das innere Geistesleben auf das Niveau des
Kannibalismus hinabdrücken zu wollen. Nur von diesem
Gesichtspuncte aus wird es verständlich, dass das unlängst
erschienene Buch eines französischen Arztes, Fenin heisst
BR He
dieser Weltweise des 20. Jahrhunderts, wenn ich nicht irre, in
der leitenden Tagespresse besprochen werden konnte, ohne
Einspruch gegen dessen Theorie, dass das Unsterblichkeits-
sehnen des Menschen hinlänglich gestillt sei durch die Un-
sterblichkeit des Stoffes, bei welchem vom Tode im eigent-
lichen Sinne des Wortes gar nicht die Rede sein könne, weil
die Körperstoffe in anderen chemischen Verbindungen ja doch
immer erhalten bleiben. Schade, dass diese Lehre noch nicht
in die Rechtsphilosopbie aufgenommen wird. Dann wäre
Mord kein Verbrechen mehr, denn die Knochen des Körpers
können ja in der Spodiumfabrik weiterleben. Das ist die
Religion des alten wie des modernen Heidenthums. Der
grösste Optimist sieht mit Bangen diese Symptome einer
unaufhaltsamen Degeneration, von welcher die Psychologen
förmliche Katastrophen prophezeien. Die einfachsten Grund-
wahrheiten des menschlichen Geistes, selbst die Begriffe von
Leben und Tod, die doch dem Tiere eigen sind, sollen ın
Frage gestellt sein und durch den geistigen und physischen
Selbstmord verdrängt werden? Ich erinnere an Darwins?Be-
merkung: Die Instinete der niederen Thiere sind nie so
verkehrt, dass sie dieselben, wie die Wilden zur Zerstörung
ihrer eigenen Nachkommenschaft führten. Dazu bemerkte
der Londoner Spectator: Darwin sieht sich gezwungen, eine
neue Theorie über den Sündenfall des Menschen einzuführen,
Er weist nach, dass die Instinete der höheren Thiere viel
edler sind, als die Gewohnheiten wilder Menschenrassen, und
sieht sich daher gezwungen, die Theorie wieder hervorzuholen
und als wissenschaftliche Hypothese einzuführen, dass der
Gewinn des Menschen an Erkenntniss, die Ursache einer zeit-
weiligen, jedoch lange anhaltenden moralischen Verschlech-
terung war, wie sich in den vielen, besonders bei Heirathen
bestehenden, sündlichen Gebräuchen wilder Stämme zeigt.
Was weiter als dies behauptet denn die jüdische Ueber-
lieferung von der moralischen Entartung des Menschen in
Folge seines Haschens nach einer ihm durch seine höchsten
Instinete verbotenen Erkenntniss?* — Darwin scheint bei
seinen Wilden und über dem Studium seiner Kröten weder
Zeitungen gelesen noch Geschichte studirt zu haben, denn
die Degeneration der Culturvölker seit dem Melittacultus
der Babylonier, die Culte der Aegypter und Phönicier, Hindus
und Ohinesen, Griechen und Römer und last not least, das
europäische Mittelalter dürfte in Degeneration den Wilden
manchmal noch den Record streitig machen. Und hier, nicht
bei:den Wilden, war es die in falsche Bahnen geleitete Er-
kentniss, die ungeheuren Geisteskräfte, welche das Heidenthum
seit den ältesten Zeiten in mystischen Philosophemen in den
Dienst einer ebenso gewaltigen wie zügellosen Phantasie
gepresst hat. Von einem Extrem zum andern taumelnd, verfiel
RO a
die heidnische Menschheit aus der Uebercultur des Alterthums
in die finsterste Geistesnacht barbarischer Rohheit und Gedanken-
losigkeit des Mittelalters, und wieder war das Judenthum,
wie Schleiden von ihm in der Geschichte des Alterthums
sagt, der einzig Nüchterne in der trunkenen Menschheit.
Wir unterscheiden in diesem Kampfe drei Epochen:
1) Den Kampf gegen die alten, phantastisch philosophischen
Systeme des Heidenthums in Babylonien und Aegypten, denen
Künste und Wissenschaften, Astronomie, Mediecin, Mathematik
und Naturforschung, wenn auch auf dem Wege verschieden-
artiger Degeneration, ihre Entstehung verdanken. Gegen
Bilderschrift und Hieroglyphencult kämpft die wunderbarste
aller Erfindungen, das ursemitische Alphabet und rettet den
menschlichen Geist vor dem Untergange im Chaos, in dem
die chinesische Kultur zu ewiger Fäulniss stagnirt. Die ersten
europäischen Öulturnationen, Griechen und Römer, treten erst
spät nach Davids und Salomos Zeit nach und nach in die
Reihe civilisirter Nationen ein. Von den Fesseln der Hiero-
glyphen und der Keilschrift befreit, nahm ihr Geist durch
das urhebräische Alphabeth den ersten Anlauf zu vernünftigem
Denken. Dass der Anfang dazu erst gemacht wurde, nachdem
die Cultur Israels unter Salomo ihren Höhepunct erreicht
hatte, beweise ich wie folgt: Ein analytischer Vergleich der
3 Alphabethe: Hebräisches, Griechisches, Lateinisches lehrt
uns, 1) dass die Letzteren direct aus dem semitischen Alpha-
beth, jedes für sich entstanden sind, nicht das Lateinische
aus dem Griechischen.
2) dass beide europäischen Alphabete zu einer Zeit ent-
standen, wo das hebräische Alphabet bereits 27 Zeichen
hatte, anstatt der ursprünglichen 22. 3) dass die Buchstaben
des Alphabetes ursprünglich bald als Zahlen gedacht und
verwendet wurden. 4) dass die Ziffern, auf denen die Arith-
metik und ihre Schösslinge beruht, nicht wie fälschlich be-
hauptet wird, arabischen oder indischen Ursprungs, sondern
nichts anderes sind, als die Buchstaben des hebräischen
Alphabets, wodurch man den tiefgreifenden Einfluss bemessen
kann, den dasselbe auf alle Zweige der arischen Cultur-
entwickelung genommen hat, auch auf profanem, ausser-
religiösem Gebiete.
Und zwar ad 1)a. Das lateinische Alphabet hat den
dritten Buchstaben ce nicht mehr wie das Gamma der Griechen
in der urhebräischen Form, sondern in Verbindung mit einem
S-Laute, entsprechend dem jüngeren südsemitischen arabischen
Dzim. —
b. Das Lateinische hat den sechsten Buchstaben waw
als f beibehalten, sogar in der altsemitischen Buchstabenform,
das Griechische hat ihn, als seinem Idiome fremd, ausgeworfen
und lässt auf das Eta-He das Zeta-Sojn folgen.
a
ec, Der Kehllaut Chess, der den Graecoromanen besondere
Schwierigkeiten macht, ist im Griechischen durch eta, langes
e, im Lateinischen durch g wiedergegeben.
d. Das Tess ist im Griechischen als 'I'heta beibehalten,
im Lateinischen ausgefallen, weil der Römer diesen Buch-
staben bereits im t besitzt und dessen eigenthümliche ur-
hebräische Ausprache-th des Engländers nicht kennt.
Da der Grieche die hebräischen Buchstaben von Anfang
an als Zahlen benutzt, so hat er das Theta trotz seiner
Wiederholungen im Buchstaben Tau beibehalten, wofür später
ein Beispiel. Der Römer hingegen hatte seine eigenthüm-
lichen römischen Zahlzeichen, war daher nicht gebunden.
Ebenso hat der Grieche das Xi für das korrespondirende
Samech beibehalten, der Römer hat es fallen lassen.
Das o an Stelle des Ain, Gain des Hebräischen haben
Beide, sogar in der Form des althebräischen Buchstaben bei-
behalten, der als Ain die Kreisform eines Auges hat.
e. Das Tsade hat der Grieche als seinem Idiome fremd,
ausfallen lassen, ebenso 'der Römer, der es jedoch an das
Ende als Z gestellt hat.
f. Das Kuf hat der Grieche als Wiederholung des K
(im Hebräischen sind sie unterschiedliche Laute) fallen lassen,
hat es jedoch als Zahlwerth für 90 unter dem Namen Koppa
beibehalten, Durch die ausgefallenen Waw und Tsade wurde
es nur um eine Stelle gerückt (im Hebr. hat es den Zahl-
werth 100) weil das Didelta im alten Alphabet seine Stelle
ersetzte. Der Römer hat es als q beibehalten.
g. Mit dem T, griechisch Tau, war das althebräische
Alphabet abgeschlossen. Später waren jedoch 5 Buchstaben
Schluss - Kaf, mem, nun, pe, tsade hinzugekommen, deren
Platz sowohl Griechen als Römer, jedes Volk unabhängig
nach seiner Art auszufüllen bedacht war.
Der Römer, der das Waw bereits im F hatte, stellte
noch vier Formen desselben auf u, v, w, y, wie ja heute
noch in den hebräischen Dialecten die Aussprache des punctirten
Waw zwischen u und y wechselt. An Stelle des ausgefallenen
griechischen Ksi stellte er das X, das in der spanischen
Zweigsprache das Chi darstellt. An die Stelle des Omega
setzte er, dem hebräischen Schlusstsade entsprechend das Z.
Aus diesen 7 Fällen ist bewiesen, das die Entstehung
des römischen Alphabeths direct aus dem Hebräischen, nicht
durch Vermittelung des Griechischen erfolgte. ad. 2) Dass
beide Alphabethe in späterer Zeit als die eingetretene Ver-
mehrung der hebräischen Buchstaben von 22 auf 27 erfolgt
war, übernommen wurden.
Der Talmud tradirt Manzpach Zaufim amorum: Das
heisst, die fünf Schlussbuchstaben M, N, Z, P,K sind ein
BERSERE Ri ii
Zusatz aus der Prophetenzeit. Die Reihenfolge ist zwar
K,M,N,P,Z, aber mit Bezug auf „von Zaufim“ als mnemo-
technisches Zeichen Minzofach gruppirt.
Was veranlasste diese Neuerung? Erstens, das literarische,
zweitens, das Zahlenbedürfniss, Nicht umsonst nannten die
Araber die Juden das Ahl el Kitab, das Volk der Schrift.
Sie waren es nicht nur bei den illiteraten Arabern, sondern
auch dem vielschreiberischsten Polizeistaate der Aegypter
und den Babyloniern gegenüber, bei denen die Schrift Privi-
legium der Priester war. In Israel gab es selbst zur Richterzeit,
dem bukolischen Zeitalter des blossen Ackerbaues, keine An-
alphabethen. Das beweist der Streifzug Gideons in dem von
der phönizischen Cultur der Seehandelsstädte so entfernt ab-
gelegenen Weidelande im Ostjordangebiete. Der erste Knabe,
den Gideon auffing, schrieb ihm die Namen der Aeltesten
von Sukkaus auf. Ebenso heisst es im Liede Debora’s:
Von Mochir kamen die Schriftkundigen und von Sebulun
die den Schriftstab ziehenden Soldaten. Ausser den mit
peinlichster Strenge geführten Stammregistern, Priester- und
LevitenListen, Königsannalen und Armeelisten, werden in der
Chronik ausser unseren 24 heiligen Büchern noch 7 Geschichts-
werke genannt: Natan’s, Gad’s allgemeine Weltgeschichte,
Chr. I, 29, 30, Achija’s, Midrasch Jddo, Schemaja’s, Jehu
ben Chanani’s Buch, Geschichte Salomo’s (Sefer dibre Schlomoh
Kge. I, 11, 41). Die unerreichte Genauigkeit der altjüdischen
Geschichtsschreibung im Lichte der assyrischen Keilschrifts-
annalen erregt das Staunen aller ernsten Forscher. Das
häufige Vorkommen der Suffixa 7 als zweite Person, D und }
als Pluralformen, liess es nothwendig erscheinen, besondere
Schlussbuchstaben für dieselben herzustellen. Ferner sollte die
Zahlenreihe der Hunderter, die mit N nur bis 400 reichte,
so bei Efron, 400 Schekel als runde, letzte Zahl, 400 Mann
bei Esaw — bis 1000 verlängert werden, so dass D} 500,
600, 700, ähnlich wie im Lateinischen C und M bezeichneten.
Um die Zahl voll zu machen, wurde das Pe von 80 als
Schlusspe 800, das Tsade 90 als Schlusstsade 900 und das
grosse Alef des Anfangs die Schlusszahl 1000. Dieses Be-
dürfniss lag weder im Griechischen noch im Lateinischen vor,
Um jedoch das ganze hebräische Alphabeth nachzuahmen,
half sich der Römer durch das vierfache U und das Z am
Ende. Der Grieche hatte für M N Z keine Verwendung,
aber für Schlusschaf und Schlussfe setzte er in umgekehrter
Reihenfolge nach dem y, das das Schluss-M ersetzt hatte,
sein phi und chi und an Stelle des Schlusstsade sein Omega.
Dieses höchst überflüssige und unerklärte grosse O ist nämlich
nichts anderes als das grosse Ollef des Hebräischen, das/als
blosser Zahlwerth mit 1000 das Ziffernalphabeth abschliesst.
Die von früheren Kritikern bestrittene Zahlwerthigkeit der
BERN GR
Buchstaben, welche sie für eine Erfindung der Talmudisten
gelten lassen wollten, ist aus dem Griechischen erwiesen.
Da wir nun in den Psalmen Davids, die Reihenfolge des
Alphabeths nur bis Tow ohne weitere Fortsetzung finden, so
ist, entsprechend der Tradition, die Vermehrung desselben
um 5 Buchstaben ein Produkt späterer Zeiten, nach welchem
die fremden Alphabethe sich erst gebildet haben.
Ad 4) Dass unsere Ziffern trotz hartnäckigen Todt-
schweigens dieser Quelle, die Buchstaben des althebräischen
Alphabethes sind, beweisen die unverändert erhaltenen Ziffern
3, 4, 6, 7, 8, 9, unverkennbare Gimel, Dalet, Wow, Sajın,
Chess, Tess, jenes jedem Philologen bekannten Alphabethes.
Dieses Alphabeth, entstanden als Protest des Monotheismus
gegen den heidnischen Bilderschrifteultus, wie ich bereits
ausführlich andern Orts nachgewiesen habe, öffnete den
europäischen Ariern die Thore des Kerkers, gab ihnen die
Geistesfreiheit, und weder Sokrates noch Pythagoras, noch
Plato und Aristoteles fanden es für nothwendig, wie unsere
modernen Philosophen, die nieht recht bei Trost sind, aus
dem Borne chinesischer Weisheit eine Zukunftsreligion zu
schöpfen, zum heiligen Laotse nach China zu wallfahrten,
bloss weil er mit einem grossen Barte zur Welt kam.
Die fixe Idee des Heidenthums, welche die moderne
Psychiatrie als Entartung zur Geisteskrankheit mit dem
Namen Nekrophilie bezeichnet, die sich in einem wüthenden
Hass gegen die Gottesidee äussert, ebenso unbegreiflich wie
der sogenannte Antisemitismus und in Verbindung mit den
scheusslichen Krankheitserscheinungen des Sadismus, Fetischis-
mus, wie alle diese aus perverser Sexualität entspringenden
grausigen Nervenkrankheiten heissen, äusserte sich in der
aegyptischen Cultur, wie in allen ihr verwandten und von
ihr abstammenden Culturen, als spinozistische Anbetung der
todten Substanz, als Erniedrigung des Begriffes Mensch unter
das Thier, in Anbetung von Affen, Katzen, Käfern und allem
Gewürm bis zur Selbstvergötterung. Wenn der Talmud
überliefert, dass Pharao sich selbst als Gott angebetet habe,
so besitzen wir heute durch die -Ausgrabungen, die Bilder,
auf denen diese Selbstanbetung veranschaulicht wird, Was
damals der religiöse Wahnsinn im Kampfe gegen den ver-
hassten Begriff Mensch versuchte, das soll heute im Wege
des Spleens, durch Darwins Adepten fortgesetzt werden,
Die Juden, die in ihrem reinen Familienleben ihr Nerven-
system gesund erhalten hatten, konnten diesen Orgien der
höchsten Civilisation nur das überlegene Lächeln der gesunden
Vernunft entgegensetzen und den Glauben an die Tradition
ihrer Väter von der Vergänglichkeit des Stoffes, der in das
Nichts zurückkehrt aus dem er erschaffen, von der Hoheit
eines weder mit den Händen noch mit den Augen greifbaren,
OT
in keine Stoffdimensionen einzuzwängenden, daher auch einig
einzigen Schöpfers und an die Hoheit der menschlichen Seele,
als Athemhauch dieses Schöpfers. Dieser stumme Protest,
denn laut konnte er nicht geäussert werden, stiess die Juden
schon in Aegypten aus der unmenschlichen Menschengesellschaft.
Es könnte einen Midrasch geben, wie Amram, der hoch-
betagte Patriarch am Sabbathtische sitzt und ihm der Besuch
des Hermenotep gemeldet wird. Das ist ein junger Mann,
dessen Grossvater unter der alten Dynastie mit Amram sehr
befreundet war. Damals herrschte ein freisinniger König, der
unter dem Eindrucke, den Jakob auf ihn gemacht hatte und
in dankbarer Erinnerung an die Finanzkunst Josefs, die Viel-
götterei abgeschafft und eine Art judäisirenden Heidenthums
eingerichtet hatte, das für den Bestand des Judenthums noch
gefährlicher war, als das ausgesprochen gegensätzliche echte.
Die Priester hatten dann Revolution gemacht, und einen
neuen Pharao nach ihrem Sinne eingesetzt. Der junge, adelige
Hermenotep war zum Priester von On ernannt worden, in
welchem die feierlich beigesetzten heiligen Schafsköpfe an-
gebetet wurden und wollte es sich nicht nehmen lassen, dem
verehrten Freunde seines Grossvaters die Antrittsvisite abzu-
statten. Aber, o Entsetzen! Man hat gerade das Schalet
aufgetragen und Amram mit Gabel und Messer bei der Ver-
theilung eines Schafskopfes beschäftigt, und die kleine Mirjam
und der noch kleinere Ahron strecken begehrlich die Hände
danach aus! Hermenotep stürzt hinaus und am nächsten
Tage stehen Placate an allen Strassenecken, dass alle Juden-
kinder.als geborene Göttermörder in den Nil geschmissen werden
müssen! Das war die erste Gesere, aber keineswegs die letzte!
Durch Moses aus dem unerträglichen physischen Druck
erlöst, macht die Offenbarung am Sinai der geistigen Knecht-
schaft und Finsterniss ein Ende. Der Aufenthalt in der
reinen Wüstenluft, fern von dem Pfuhle der entarteten Cultur,
40 Jahre in der Nähe des Mannes mit dem leuchtenden
Anlitz, giebt dem Volke die Seelenkraft wieder, die es bis
auf die spätesten Geschlechter unverwüstlich und unsterblich
vererbt hat. Aber auch die Dummheit ist unsterblich, nament-
lich die gelehrte, mit dem Professorentitel geschmückte. Und
so zieht sich daher der Kampf zwischen Glauben und Wissen
durch die Jahrtausende, als Kampf zwischen seelischen und
thierischen Instineten, zwischen gesunder Vernunft und wahn-
witzigen philosophisch-mystischen Systemen,
Aus der Königszeit, als die Nothwendigkeit der Staat-
bildung eine Versöhnung zwischen heidnischer Cultur und
patriarchalischer Einfachheit anzubahnen zwang, haben wir
ein merkwürdiges Document über den Kampf zwischen Glauben
und Wissen. Es ist das Capitel 119 der Psalmen Aschre
temime dorech.
LE DEN
Herder, einer der anständigsten Bibelkritiker, was sehr
viel sagen will, hat einen merkwürdigen Beitrag zu der Er-
fahrung geliefert, wie vollständig die Fremden beim Einblicke
in unsere heiligen Schriften mit Blindheit geschlagen sind.
Er bezeichnet dieses Capitel als Spruchbuch, ohne zu ahnen,
dass die 176 Verse ein einziges zusammenhängendes Gebet
sind, um Hilfe und Erleuchtung im Seelenkampfe.
Die beschränkte Zeit gestatttet mir nur, einige Sätze
herauszugreifen. N
Der Schluss offenbart den leitenden Gedanken: Toissi
kesseh auwed, bakesch awdecho, ki mizwaussecho lau scho-
chochti. Ich irrte wie ein verlorenes Schaf, suche Du Deinen
Diener, denn ich habe Deine Gebote nicht vergessen. Dann
beg.nnt er mit Aschre! Wohl denen, die in Unschuld wandeln
in der göttlichen Lehre. Achlai kommt nur noch einmal vor,
Kge. V, 3, bei dem von Naamon gefangenen Kinde, Achale
Adoni lifni hanowi, ebenso Seafim, die Zweifler, bei Elia, ad
mossai attem pausschim al schte hasseippim, die zwischen
zwei Schwellen schwanken, zwischen Gotteshaus und Baals-
tempel, zwischen Synagoge und Theater.
Waadabro beedaussecho neged melochim welau ewausch.
Ich bespreche Deine Ueberzeugungen vor Königen ohne Zagen.
Es scheint also, dass schon zu Davids Zeiten sich die Könige
mit Bibelkritik beschäftigt haben.
Goarto sedim arurim, Du fährst an, die fluchwürdigen
Frevler, die Deine Gebote in Irrthümer umwandeln. Man
sieht daraus, wie hoch die Wogen des stürmischen Kampfes
zwischen materialistischer Cultur und reiner Gesetzestreue
schon damals gingen.
Die Psalmen überhaupt, voll vom Kampfe gegen Atheismus
und Materialismus, besprechen alle Fragen, die an die Welt-
leitung gestellt werden können. Das Buch Ijauw zeigt eine
Naturanschauung, welche selbst Humboldt im Kosmos die
höchste Bewunderung abnöthigt. Wenn er dennoch den alten
Hebräern einen Tritt zu versetzen sucht, sie hätten geglaubt,
die Erde stünde auf 7 Säulen, weamudeho jisspalozun, so
hat er übersehen, dass taule erez al blimo, die Erde lässt
er auf Nichts schweben.
Jeschaia bekämpft bereits die von Osten eindringenden
Irrlehren. Ki molu mikedem, weonnenim kaplischtim uwejalde
nochrim jaspiku, Denn sie sind voll der Wissenschaft des
Ostens, Spiritisten wie die Philister, und lassen sich in Zweifel
ein über heidnische Theorien. Der Osten hatte schon zu
Bileams Zeit seine heidnisch-mystischen Philosophen. Der
Talmud sagt: Lau omdu Philosophim leumauss hoaulom
kebileam ben beor we Eunimos hogardi. Die Völker haben
keine grösseren Philosophen gehabt als Bileam und den Weber
Eunimos. Zur Zeit der ersten heidnisch-jüdischen Sekten
kun ng BY BURLEL
waren die Synonyma Philosoph und Min gleichbedeutend.
Bileams Stadt Pethor am Strome hat man merkwürdiger
Weise unlängst in den seit Jahrtausenden verschollenen Ruinen
von Pitru am Chabor ausgegraben. Zoroaster, der nach der
heutigen Ansicht zu Bileams Zeit gelebt haben soll, Gesenius
setzt ihn tendenziös um ein Jahrtausend später, mag aus dieser
Schule hervorgegangen sein. An die Stelle der heidnischen
Trias setzte er einen Dualismus, einen Schöpfer des Guten,
einen des Bösen, die sich bekämpfen, Jesaia tritt wiederholt
dieser Irrlehre entgegen, welche die Minim, namentlich die
Gnostiker zur Grundlehre ihrer orgiastischen Mysterien wieder
aufnahmen.
Das babylonisch-persische Exil scheuchte diese Finsternisse
durch das Licht des reinen jüdischen Monotheismus in ihre
Winkel zurück.
Ki mimisrach schemesch ad mewauau godaul schmi ba-
gaujim. Denn von Ost bis West ist mein Name gross unter
den Völkern, konnte der heimgekehrte Maleachi (Esra nach
der Tradition) in Palästina verkünden.
Das hebräische Alphabeth und die durch dasselbe ge-
schaffene Litteratur, brachte endlich das Licht der Vernunft
in Hellas zum Aufleuchten. Sokrates singt zwar noch einen
Hymnus auf die Paederastie, Pythagoras schafft eine neue
heidnische Philosophie, Plato weilt 13 Jahre in Memphis und
verarbeitet die mystischen Priesterconceptionen in seinem
Systeme, das in einem Staate mit Frauengemeinschaft endet,
bis sein Schüler Aristoteles die reine Vernunft auf den Thron
erhebt. Sein Schüler Alexander der Grosse erobert die Welt,
und die hellenische Cultur hält ihren Einzug auch in Jeru-
salem. Unter der Maske der Aufklärung, gefördert von den
Hellenisten, denen sich die Reichen und leider auch die
Söhne des ältesten Hohenpriesteradels anschliessen, wird
zuerst die Tradition bekämpft, die Seele der Thora. Die
Namen werden hellenisirt, so dass uns selbst das Lehrober-
haupt der Zeit, der Mann von Socho, nur unter dem Namen
Antigonos bekannt ist. Der Tempel wird entweiht, alles Oel
auch das geistige, von welchem das Licht des Judenthums
gespeist wird, verunreinigt, bis das Schwert der Hasmonäer
die Frevler ausrottet und das Chanukalicht anzündet, das
klein und bescheiden zwar, aber rein und hell die Finsterniss
des Golus noch bis heute bekämpft. Oruch laner, vorbereitet
für das Licht, hat wahrhaft prophetisch der verewigte Ober-
rabbiner R. Jokew Ettlinger s. A. sein von den grössten Ge-
lehrten des Ostens wegen seiner ruhigen Klarheit geschätztes
Werk genannt. Er ging zum erstem Chanukalicht in ein
lichtvolles Jenseits,
In Alexandrien, dem durch den Fluch gegründeten Ghetto,
weheschiwchoh haschem Mizraim boonijaus, der Ewige wird
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dich auf Schiffen nach Aegypten zurückbringen lassen, beginnt
der Kampf von Neuem und endet mit dem judäisirenden,
Heidenthum, als dessen Vorläufer Philo und Aristobul mit
ihrem dualistischen Logos das Licht der jüdischen Lehre
vom Einig-Einzigen trüben.
Das Gros der Judenheit zieht sich auf Babylonien zurück,
von wo aus Hillel das durch die römisch-alexandrinischen
Halbproselyten überschwemmte Jerusalem unter seine Obhut
nimmt, und in seinen Nachkommen, dem Patriarchenhause
die Lehre rettet. Im Partherreiche erfolgt die Sammlung
der Kräfte für die finstere Nacht des europäischen Exils bis
der Hellenismus in der Karäersekte (761) auf’s Neue auf
den Kampfplatz tritt und in R. Saadia Gaon den ebenbürtigen
Gegner findet, der den Feind mit dessen neuen Waffen zu
bekämpfen weiss.
So wogt der Kampf ein volles Jahrtausend auf geistigem
Gebiete, während die Religion der Liebe, die Liebe macht
erfinderisch, jene Höllenmaschinen für Andersgläubige erfindet,
die wir als unauslöschliche Schmach für die Menschheit noch
heute als Ausstellungsobjecte mit Grauen anstaunen.
Jetzt wird die Aristotelische Philosophie in Maimonides
Händen das Dynamit, mit welchem die Verzerrung des Be-
griffes Glauben in ein credo quia absurdum, quia ineptum,
quia impossibile; Glaube weil es thöricht, weil es abgeschmackt,
weil es unmöglich ist — bekämpft wird. Der Moreh Ne-
buchim wird durch den Nachahmungstrieb der Kirche zum
Wegweiser für eine neubegründete Scholastik, diese die un-
eheliche Mutter der modernen Wissenschaft, die das Mittel-
alter aus den Angeln hebt.
Vergebens kämpft Luther gestützt auf dieses Credo des
Kirchenvaters Augustin gegen die, wie er sie nennt: tollge-
wordene H... — man kann das Wort heute nicht mehr
aussprechen — Vernunft, die Bestie, welcher die Mönche —
nach seiner Ansicht — den Kopf abzuschlagen vergessen
haben.
Die Revolution der Geister, angefacht durch den Streit
um die Verbrennung des Talmud, die epistolae virorum ob-
scurorum, droht alles in Brand zu stecken.
Aus der Fäulniss der tonangebenden französischen Ge-
sellschaft erhebet sich Meister Arouet Voltaire, der in einem
Jesuitenkloster erzogen, das Werkchen Chisuk Emunah in
lateinischer Uebersetzung zu Gesicht bekommen hat, eine
vernichtende Kritik, die Hauptquelle für die im Mittelalter
so beliebten Disputationen zwischen Rabbinern und Mönchen.
Die Freidenker auf den Thronen, Friedrich II. und Kaiser
Joseph im Bunde mit Voltaire und Mendelssohn suchen der
drohenden Revolution von unten durch die Revolution von
oben zuvorzukommen. Aber zu spät!
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Revolution auf allen Gebieten, auch auf dem des Denkens,
Da wird Kant der Robespierre.. Und wie die Judenheit der-
selben die Emancipation, so verdankt die Thora ihr den Sieg
über die alte Rivalin, die heidnische Philosophie,
Die seit 2000 Jahren allein herrschende aristotelische
Philosophie hatte grade wegen ihres Parallelismus mit dem
Judenthum im Verhalten zur reinen Vernunft, dasselbe mit
mehr Erfolg bekämpft, als alle religiösen und philosophischen
Doctrinen,
Wozu war eine Offenbarung nöthig, wenn man auf dem
Wege philosophischer Speculation weit sicherer zum reinen
Deismus kommen konnte?
Diese hellenische Taktik hat Kant nun gründlich beseitigt.
Man hat ihm den nicht unbegründeten Vorwurf gemacht,
er habe die Sonne der reinen Vernunft ausgelöscht und das
trübe Lämpchen kritischer Erkenntniss an dessen Stelle gesetzt.
Für die Thora ist das gleichgiltig. Die Blitze vom Sinai
haben die Sonne verdunkelt.
Kant hat den Beweis geliefert, dass die Beweisführung
der Logik more mathematico wie sie Aristoteles eingeführt
und Spinoza auf die Spitze getrieben hat, eitel Schwindel sei.
Spinoza, dieser heimtückische Baalspriester des modernen
Heidenthums hat zwar die Hohlheit seiner Beweisführung
gekannt, denn er sagt:
Multa affırmamus et negamus, quia natura verborum
id affırmare et negare patitur, non vera rerum natura.
Adeoque hac ignorata, facile aliquid falsum pro vero sume-
remus, Das heisst: Vieles bejahen und verneinen wir, weil
die Natur der Worte es gestattet, nicht die wahre Natur der
Dinge. So dass, wenn darauf keine Rücksicht genommen
wird, wir leicht etwas Falsches für Wahres nehmen, Das
hinderte ihn nicht, seine pantheistische Substanz trotz der
Anerkennung des Üausalitätsgesetzes als Causa sui, Ursache
ihrer selbst, zu erklären, wodurch das Causalitätsgesetz in
einem Athem aufgehoben wird.
Aber es war ihm nur darum zu thun, die T'hora durch
eine Truglehre zu verdrängen,
Kant, der Wahrheit suchende, hat die Unzulänglichkeit
des menschlichen Geistes für eine höhere Sphäre nachgewiesen
und zwar zuerst an praktischen Beispielen, Er sagt in seiner
Vorrede zur Kritik der reinen Vernunft, S. 26.
Ich musste also das Wissen aufheben, um zum Glauben
zu gelangen und der Dogmatismus der Metaphysik, d. i. das
Vorurtheil in ihr, ohne Kritik der reinen Vernunft fortzukommen
ist die Quelle alles der Moralität widerstreitenden Unglaubens,
der jederzeit gar sehr dogmatisch ist. Bei dieser wichtigen
Veränderung im Felde der Wissenschaften, und dem Verluste
den speeulative Vernunft an ihrem bisher eingebildeten Besitze
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erleiden muss, trifft der Verlust nur das Monopol der Schulen
und ihrer arroganten Ansprüche, die sich gerne hierin für
die alleinigen Kenner und Aufbewahrer solcher Wahrheiten
möchten halten lassen, von denen sie dem Publicum nur den
Gebrauch mittheilen, den Schlüssel derselben aber für sich
behalten. Quod mecum neseit, solus vult seire videri! D.h.
Was er so wenig weiss, wie ich, will er als allein wissend
angesehen werden.
Kant, der Socrates der Deutschen, hat nur destructiv
gewirkt, weil er den Glauben d, h. den nicht vernunftwidrigen,
auf das blosse Gefühl und die Moral basirt wissen will.
Ueberzeugungen werden jedoch nur durch die Vernunft ge-
wonnen, und wenn die subjective ex syllogismu, der Logik
unzulänglich erscheint, so bleibt eben nur die empirische der
Offenbarung, die freilich wie der Ousrisagt, eine unerschütterliche
Treue der Ueberlieferung und die Ueberzeugung rechtmässiger
Söhne von dem Wahrheitssinne ihrer Väter voraussetzt.
Kant hat den Beweis von der Unzulänglichkeit der Logik
praktisch erbracht durch 4 Antinomien, das heisst solche zwie-
spältige Denkresultate von ein und demselben Denkobjecte,
die einander widersprechen.
1. Thesis: Die Welt hat einen Anfang in der Zeit und ist
dem Raum nach in Grenzen eingeschlossen,
Antithesis; Sie hat keinen Anfang, keine Grenzen, ist
unendlich.
2. Die Materie ist unendlich theilbar.
Antithesis: Die Materie ist nicht unendlich theilbar.
3. Thesis: Die Gesetzmässigkeit genügt zur Erklärung aller
Erscheinungen nicht, es muss eine Freiheit zu Grunde
liegen.
Antithesis: Es giebt keine Freiheit, die Causalität erklärt
alles.
4. Zu der Welt gehört etwas, das entweder als ihr Theil
oder ihre Ursache ein schlechthin nothwendiges Wesen ist.
Antithesis: Der Gegensatz.
Kant hat nun 4 Syllogismen für die Thesen, 4 für die
Antithesen formulirt, die alle nach den Gesetzen der Logik
gleichwerthig sind, und hat aus diesem unlöslichen Wider-
spruche die Unzulänglichkeit der sogenannten reinen Vernunft
bewiesen, die nur das Aeussere der Erscheinungen erkennt,
aber nicht das Wesen der Dinge an sich. Somit ruft der
Königliche Sänger nach Jahrtausenden noch den Forschern
in dem früher eitirten Psalm 119 die Worte zu:
Pessach deworecho joir, mewin pssojim, Der Eingang
Deiner Worte erleuchtet, belehrt die Thoren, und
Rausch deworcho emmes, ulaulom kol mischpat zidkecho
Der Anfang Deines Wortes ist Wahrheit und in Ewigkeit
besteht alles Urtheil Deiner Gerechtigkeit.
yes.
Sind es denn nicht gerade 4 Antinomien, deren Zweifel
der erste Satz ‘der Thora beseitigt: Bereschis boro elokim
ess Haschomajim weess hoorez,
Bereschis, das ist die erste These: Es giebt einen
Anfang und ein Ende, wie der Psalmist 102 sagt: lefonim
hoorez jossadto umaasseh jodecho schomojim. Hemo jauwedu,
weatto ssaamaud. Vor Zeiten hast Du die Erde gegründet
und Deiner Hände Werk sind die Himmel. Sie werden
vergehen und Du bestehst.
Boro: Die Schöpfung aus dem Nichts offenbart die
2. und die 4. These, ein ausserhalb der Welt stehender
Schöpfer hat dieselbe aus Nichts erschaffen, in vollständiger
Freiheit, ohne an ein Gesetz gebunden zu sein.
Damit wird die Antinomie, ob die Materie unendlich
theilbar sei oder nicht, aus den Angeln gehoben, als Synkretis-
mus, d.h. Durchwirrung zweier einander aufhebender Begriffe
der Endlichkeit und Unendlichkeit, da der Stoff aus Nichts
entstanden in Nichts zurückkehrt, wenn es der Schöpfer will,
Das sogenannte Grundprincip, das Muskal rischon, Plato’s
und aller heidnischen Systeme, welche die Substanz anbeten,
aus Nichts, wird Nichts — ex nihilo nihil, ist wie alle
Denkprineipien ein Dogma, ein unbewiesenes Vorurtheil. Von
selbst, als causa sui kann Nichts aus Nichts ohne Schöpfer
entstehen und nur die Wissenschaft & la Münchhausen vermag
sich beim eigenen Schopfe aus dem Wasser zu ziehen.
Elokim löst somit die 3. Antinomie. Nach der Freiheit
tritt erst die Gesetzmässigkeit die Schöpfung an, die Middas
Hadin als allweise und allgütige Allmacht.